sieber ziitig mai 2013

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Editorial «Ich ha ums Verrecke gnueg vom hu- ere Stress im Unispital, wo me über- haupt nüüt mache törf! Ich mues wieder zu öi choo. Lönd mi ine.» Trotz seines bedrohlichen Pneumo- thorax, die Infusionsflasche über die Schulter gehängt, zwei abgeklemm- te Schläuche in den Brusthöhlen, im weissen Spitalhemd: So stand Enrico wieder da, kurz nachdem er ins Unispital gebracht worden war. Lange hielt er es nicht aus. Walter Munz, der den Sune-Egge über Jahre als Chefarzt leitete, hielt diese Begebenheit in seinem Buch «Wir gehören zueinander» fest. Es enthält alles, was den Sune-Egge bis heute zu einem besonderen Spi- tal und zu einem unverzichtbaren Baustein in unserer Spitallandschaſt macht: Der Sune-Egge ist nachweis- lich das Haus mit der höchsten Fall- schwere landesweit. Bis zu fünf Di- agnosen sind unseren Paennnen und Paenten gestellt, und oſt sind mehrere gleichzeig akut. Im Sune-Egge arbeiten von Herzen movierte Mitarbeitende, das Ge- bäude ist eigentlich nicht geeignet für ein Spital, die Seelsorge ist einer der Kernprozesse und Maltherapie und Körperarbeit gehören zum Kon- zept des Hauses. Dies alles leistet der Sune-Egge für Menschen, die von einer schwierigen Geschichte brutal gezeichnet, von der Sucht ge- trieben und von Schuld geplagt sind – und die sich doch Funke um Funke etwas Licht zurück ins Leben bringen lassen. «Lönd mi ine!» – In den ersten Jahren kam in den Sune-Egge, wer dem Tod nahe war und in Würde sterben wollte. Heute bleiben die meisten unserer Paenten am Leben, mehr noch: sie lernen von Neuem zu leben – und ihr Leben zu lieben. Christoph Zingg, Gesamtleiter Den Blick nach vorne richten 2013 ist die Sſtung Sozialwerke Pfarrer Ernst Sieber 25-jährig. Nach turbulenten Jahren in der Mie ihrer Lebensgeschichte steht die Sſtung heute gesund da und ist bereit, sich der Zukunſt zu stellen. Unsere Anfänge liegen im Drogen-Elend der 80er-Jahre, im Schrecken von Platz- spitz und Leen. Sunestube, Ur-Dörfli, Sune-Egge und Sunedörfli sind entstan- den, um Menschen aufzufangen, die durch Sucht und Drogen um ihre Lebens- chancen gebracht und in ihrer Mensch- lichkeit bedroht wurden. Die seither betriebene Drogenpolik hat sehr viel Beruhigung gebracht, und die So- zialwerke Pfarrer Sieber leisten mit ihren Einrichtungen weiterhin einen wichgen Beitrag an die Rehabilitaon von Drogen- kranken. Die Nöte sind aber nicht ver- schwunden. Sie haben sich verändert. Noch immer und immer wieder neu sind Menschen unter uns, deren Lebenschan- cen eingeschränkt sind. Neue Phänomene fordern uns heraus: Junge Menschen, die aus desolaten Verhältnissen flüchten und den Einseg ins Leben nicht finden. Men- schen, die in Armut alt werden und von persönlicher und sozialer Verwahrlosung bedroht sind. Europaweit sind Menschen aufgebrochen auf der Suche nach Arbeit und einer Perspekve. Wohnraum wird zu- nehmend Luxusraum und für immer mehr Menschen unbezahlbar. Und die, die den Platzspitz überlebt haben, werden früher und anders alt als ihre Jahrgänger. Die Arbeit wird uns nicht ausgehen, im Ge- genteil: Zwei ganz grosse Stärken der SWS wird es auch in Zukunſt dringend brauchen: Erstens den propheschen Blick, sprich das frühzeige Erkennen und Ansprechen von Nöten, und zweitens die niedrigen Schwellen, damit unsere Angebote einfach erreichbar sind. Beides werden wir auch in Zukunſt einbringen – den Menschen in Not und der Gesellschaſt zuliebe. Marlies Petrig, Prof. Dr. Thomas Schlag, Co-Präsidium Stiftungsrat SWS die Geschichte des Sune-Egge. Schutz und Geborgenheit und eine menschenwürdige Behandlung wurden für diese vom Leben schwerstgezeichneten Menschen zur Mit- te. Stadtrat Robert Neukomm formulierte einige Jahre später Folgendes: «Der Sune- Egge entwickelte sich zu einem eigentli- chen Kompetenzzentrum der medizini- schen Versorgung von Drogenabhängigen und HIV-Infizierten wie auch in der Pflege von Aidskranken – häufig bis zum Tode.» Am Auau der sozialmedizinischen Kran- kenstaon haben Dutzende meiner Freun- de mitgewirkt. So erfuhr ich, wie segens- voll die Zusammenarbeit von Staat und Kirche damals war und ist. Ehrfurchtsvoll grüsse ich die vielen Schwestern, die mit einem totalen Einsatz für den Sune-Egge wirkten und kämpſten. Die allernächsten bleiben mir aber die Kranken, auch jene, die heimgegangen sind. Sie sind aufer- standen. Sie sind uns vorangegangen. Im Glauben an die Auferstehung grüsse ich sie alle. Besonders erwähnen darf ich Dr. Walter Munz, der massgeblich an der richgen ärztlich-medizinischen Struk- tur gewirkt hat. Erstaunlich, was er ferg Pflege ist mehr als Medizin Der Sune-Egge ist mehr als nur einfach ein Spital. Körperlich und seelisch schwerstgezeichnete Menschen finden hier zu einer solidarischen Gemeinschaſt mit Pflegenden, Ärzten, Sozial- arbeitenden und Seelsorgenden. Sozialwerke Pfarrer Sieber auffangen – betreuen – weiterhelfen Nr. 2/2013 Sieber Ziig SWS gebracht hat. So ist das Kompetenzzen- trum Sune-Egge, wie es heute steht, im Wesentlichen auf ihn zurückzuführen. Ihm gelang es, die medizinische Arbeit mit dem theologisch-seelsorgerlichen Dienst zusammenzuhalten. Woher der Name «Sune-Egge»? «Sune» nenne ich meine liebste Sonja, weil sie mir viel Licht und Frohmut entgegenbringt. Weil unsere Brüder und Schwestern Licht nög haben, nenne ich unsere Einrich- tungen Sunestube, Sunedörfli, Sune-Egge und so weiter. Und ich denke an den lie- ben Go, der uns die Ecke an der Sonne geschenkt hat, oder eben eine Sonne mit Ecken. Wenn wir von der Sonne reden, meint das letztlich die Symbolhaſtigkeit der Auferstehung Chris. Go sei Dank für die Ecke an der Sonne. Ihr Ernst Sieber, Pfarrer Im Sune-Egge wird umgesetzt, was menschlich und politisch das erste Gebot ist: Leben für die Schwächsten. Medizin und Brot für Leib und Seele bilden den Glauben ab. H erbst 1988. Täglich begegnete ich am Platzspitz schwerstsüchgen Menschen. Die meisten waren sozial und physisch zuefst beschädigt und wussten weder ein noch aus. Da war wirklich die Hölle los. Es musste et- was geschehen. Und was geschah? Eine Gruppe von zwölf Schwerstbetroffenen folgte mir in ein Haus ganz in der Nähe an die Konradstrasse 62. Die Victor und Rose Goldfarbsſtung hae mir wenige Tage zuvor das Haus mit zwölf Wohnun- gen zur Verfügung gestellt. Damit begann 25 Jahre Hilfe für die Ärmsten

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Die Sieber Zeitung für alle interessierten Menschen

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Page 1: Sieber Ziitig Mai 2013

Wollen Sie über Ihren Tod hinaus Gutes tun?

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Impressum

Sieber Ziitig Nr. 38Mai 2013Erscheint 4 x jährlich Jahresabo Fr. 5.–

Redakti onWalter von Arburg, Christoph Zingg, Elena Philipp

GestaltungClaudia Wehrli, Winterthur

DruckSpühler Druck, Rüti

HerausgeberinStiftung Sozialwerke Pfarrer Ernst Sieber

PC-Konto: 80-40115-7

Geschäft sstelleHohlstrasse 192, 8004 Zürich 043 336 50 [email protected] [email protected] www.swsieber.ch

GesamtleitungChristoph Zingg

Sti ft ungsratMarlies Petrig, Co-Präsidentin Prof. Dr. theol. Thomas Schlag, Co-PräsidentDr. med. Ulrich ErlingerStefan ElsenerRegina Gabriel Cantieni Claire Häfeli lic. iur. Vanessa Ölz

EhrenpräsidentDr. h. c. Pfarrer Ernst Sieber

RevisionsstellePricewaterhouseCoopers AG, Zürich

BetriebeAnlaufstelle Sunestube und Noteinrichtung für obdachlose Jugendliche NemoMilitärstrasse 118, 8004 Zürich

Auffangeinrichtung Brot-EggeSeebacherstrasse 60, 8052 Zürich

Suchthilfeeinrichtung Ur-DörfliBahnhofstrasse 18, 8330 Pfäffikon

Fachspital für Abhängigkeitserkrankungen und Sozialmedizin Sune-EggeKonradstrasse 62, 8005 Zürich

Rehabilitationszentrum Sunedörflimit Aussenwohngruppe und ambulanter WohnbegleitungPostfach 36, 8816 Hirzel

Diakonische DiensteHohlstrasse 192, 8004 Zürich

Organisati on der Sti ft ung Sozialwerke Pfarrer Ernst Sieber (SWS)

Was empfi nden Sie, wenn Sie Drogen-süchti ge auf der Strasse um Geld bett eln sehen?Ich stelle mir vor, wo die Menschen nun im Leben stehen und was sie machen würden, wenn sie nicht drogensüchti g geworden wären. Oft macht es mich traurig, dass es für sie scheinbar keinen anderen Weg ge-geben hat und ich wünsche ihnen, dass sie die Kraft haben, wieder gesund zu werden.

Im Showbusiness sind Drogen verbreitet. Warum? Als Künstler muss man mit viel Druck um-gehen können und immer wieder kreati ve Ideen haben, was den Griff zu Drogen erleichtert. Zudem gehören alkoholische Getränke am «Arbeitsplatz» – also z.B. in

Klubs und Konzertlokalen – zur Grundaus-statt ung. Zum Teil ist es auch eine Image-sache, die den Drogenkonsum begünsti gt.

Wie beurteilen Sie die Arbeit für Drogen-kranke im Sune-Egge?Ich schätze die Arbeit im Sune-Egge. Sie ist äusserst sinnvoll und unterstützend, da die Pati enten ganzheitlich betreut werden und Behandlungsansätze aus verschiede-nen Richtungen miteinfl iessen und kombi-niert werden. Die Drogenkranken sind im Sune-Egge sehr gut aufgehoben .

• Sängerin und Liedermacherin Lina Button (30)

ist im Thurgau aufgewachsen und lebt in Zürich.

Eben ist ihre neue CD «Copy&Paste» erschienen

(www.linabutton.com).

Im Gespräch mitLina Button

Bestelltalon

Bitte ausschneiden und senden an: Sozialwerke Pfarrer Sieber, Hohlstrasse 192, 8004 Zürich,oder mailen an: [email protected], Stichwort «Bestellung»

Meine Adresse und Telefonnummer

Bitt e senden Sie mir__ Jahresbericht__ Jahresrechnung__ Testamentsratgeber __ Informationen zu grossen Projekten__ Exemplare Sieber Ziitig

__ Doppel-Kunstkarten à Fr. 15.– (10 Ex.) * zuzügl. Fr. 3.– Porto und Verpackung__ Einfach-Kunstdrucke à Fr. 5.– (2 x 5 Ex.) * zuzügl. Fr. 3.– Porto und Verpackung * Ölbilder/Aquarelle von Pfr. Ernst Sieber

__ Gesamtprospekt «handeln»

__ Broschüre Brot-Egge «begegnen»__ Broschüre Gassentierarzt «behandeln»__ Broschüre Sunedörfli und AWB «eingliedern»__ Broschüre Aussenwohngruppe «trainieren»__ Broschüre Sune-Egge «pflegen»__ Broschüre Sunestube «vermitteln»__ Broschüre Nemo «schützen»__ Broschüre Ur-Dörfli «betreuen»

Platzhalter FSC-Logo

Editorial«Ich ha ums Verrecke gnueg vom hu-ere Stress im Unispital, wo me über-haupt nüüt mache törf! Ich mues wieder zu öi choo. Lönd mi ine.» Trotz seines bedrohlichen Pneumo-thorax, die Infusionsfl asche über die Schulter gehängt, zwei abgeklemm-te Schläuche in den Brusthöhlen, im weissen Spitalhemd: So stand Enrico wieder da, kurz nachdem er ins Unispital gebracht worden war. Lange hielt er es nicht aus.

Walter Munz, der den Sune-Egge über Jahre als Chefarzt leitete, hielt diese Begebenheit in seinem Buch «Wir gehören zueinander» fest. Es enthält alles, was den Sune-Egge bis heute zu einem besonderen Spi-tal und zu einem unverzichtbaren Baustein in unserer Spitallandschaft macht: Der Sune-Egge ist nachweis-lich das Haus mit der höchsten Fall-schwere landesweit. Bis zu fünf Di-agnosen sind unseren Pati enti nnen und Pati enten gestellt, und oft sind mehrere gleichzeiti g akut.

Im Sune-Egge arbeiten von Herzen moti vierte Mitarbeitende, das Ge-bäude ist eigentlich nicht geeignet für ein Spital, die Seelsorge ist einer der Kernprozesse und Maltherapie und Körperarbeit gehören zum Kon-zept des Hauses. Dies alles leistet der Sune-Egge für Menschen, die von einer schwierigen Geschichte brutal gezeichnet, von der Sucht ge-trieben und von Schuld geplagt sind – und die sich doch Funke um Funke etwas Licht zurück ins Leben bringen lassen.

«Lönd mi ine!» – In den ersten Jahren kam in den Sune-Egge, wer dem Tod nahe war und in Würde sterben wollte. Heute bleiben die meisten unserer Pati enten am Leben, mehr noch: sie lernen von Neuem zu leben – und ihr Leben zu lieben.

• Christoph Zingg, Gesamtleiter

Den Blick nach vorne richten2013 ist die Sti ft ung Sozialwerke Pfarrer Ernst Sieber 25-jährig. Nach turbulenten Jahren in der Mitt e ihrer Lebensgeschichte steht die Sti ft ung heute gesund da und ist bereit, sich der Zukunft zu stellen.

Unsere Anfänge liegen im Drogen-Elend der 80er-Jahre, im Schrecken von Platz-

spitz und Lett en. Sunestube, Ur-Dörfl i, Sune-Egge und Sunedörfl i sind entstan-den, um Menschen aufzufangen, die durch Sucht und Drogen um ihre Lebens-chancen gebracht und in ihrer Mensch-lichkeit bedroht wurden.

Die seither betriebene Drogenpoliti k hat sehr viel Beruhigung gebracht, und die So-zialwerke Pfarrer Sieber leisten mit ihren Einrichtungen weiterhin einen wichti gen Beitrag an die Rehabilitati on von Drogen-kranken. Die Nöte sind aber nicht ver-schwunden. Sie haben sich verändert.

Noch immer und immer wieder neu sind Menschen unter uns, deren Lebenschan-cen eingeschränkt sind. Neue Phänomene fordern uns heraus: Junge Menschen, die aus desolaten Verhältnissen fl üchten und den Einsti eg ins Leben nicht fi nden. Men-schen, die in Armut alt werden und von

persönlicher und sozialer Verwahrlosung bedroht sind. Europaweit sind Menschen aufgebrochen auf der Suche nach Arbeit und einer Perspekti ve. Wohnraum wird zu-nehmend Luxusraum und für immer mehr Menschen unbezahlbar. Und die, die den Platzspitz überlebt haben, werden früher und anders alt als ihre Jahrgänger.

Die Arbeit wird uns nicht ausgehen, im Ge-genteil: Zwei ganz grosse Stärken der SWS wird es auch in Zukunft dringend brauchen: Erstens den propheti schen Blick, sprich das frühzeiti ge Erkennen und Ansprechen von Nöten, und zweitens die niedrigen Schwellen, damit unsere Angebote einfach erreichbar sind. Beides werden wir auch in Zukunft einbringen – den Menschen in Not und der Gesellschaft zuliebe.

• Marlies Petrig, Prof. Dr. Thomas Schlag,

Co-Präsidium Stiftungsrat SWS

die Geschichte des Sune-Egge. Schutz und Geborgenheit und eine menschenwürdige Behandlung wurden für diese vom Leben schwerstgezeichneten Menschen zur Mit-te. Stadtrat Robert Neukomm formulierte einige Jahre später Folgendes: «Der Sune-Egge entwickelte sich zu einem eigentli-chen Kompetenzzentrum der medizini-schen Versorgung von Drogenabhängigen und HIV-Infi zierten wie auch in der Pfl ege von Aidskranken – häufi g bis zum Tode.»

Am Aufb au der sozialmedizinischen Kran-kenstati on haben Dutzende meiner Freun-de mitgewirkt. So erfuhr ich, wie segens-voll die Zusammenarbeit von Staat und Kirche damals war und ist. Ehrfurchtsvoll grüsse ich die vielen Schwestern, die mit einem totalen Einsatz für den Sune-Egge wirkten und kämpft en. Die allernächsten bleiben mir aber die Kranken, auch jene, die heimgegangen sind. Sie sind aufer-standen. Sie sind uns vorangegangen. Im Glauben an die Auferstehung grüsse ich sie alle. Besonders erwähnen darf ich Dr. Walter Munz, der massgeblich an der richti gen ärztlich-medizinischen Struk-tur gewirkt hat. Erstaunlich, was er ferti g

Pflege ist mehr als MedizinDer Sune-Egge ist mehr als nur einfach ein Spital. Körperlich und seelisch schwerstgezeichnete Menschen fi nden hier zu einer solidarischen Gemeinschaft mit Pfl egenden, Ärzten, Sozial-arbeitenden und Seelsorgenden.

Sozialwerke Pfarrer Sieber auff angen – betreuen – weiterhelfen Nr. 2/2013

Die Augen vieler Brothuuse-Bewoh-ner waren feucht, als sie Ende März nach einem Gott esdienst 1800

Franken in klingenden Münzen aus den kleinen Händen dreier Kinder in Empfang nehmen durft en. Das Geld, alles Fünfl iber, hatt en Mario (8), Lina (4) und Rexhep (4) von der psychosozialen Wohngemein-schaft Brügglihuus zusammen mit den anderen fünf Heimkindern während Monaten von ihrem Sackgeld abgezweigt und gesammelt.

Das Brügglihuus ist eine Notwohnein-richtung für Kinder aus schwierigen Ver-hältnissen und Krisensituati onen. Auf die Idee, Geld zu sammeln, kamen die Kinder, als sie im Fernsehen obdachlo-se Menschen auf Zürichs Strassen sahen. «Das hat uns traurig gemacht. Wir wollen helfen, dass diese Menschen auch ein Zu-hause haben», sagte Mario und fügte an:

«Wie wir selbst.» In der Tat hat die Situati -on von Brügglihuus-Kindern und Brot-huuse-Bewohnern Parallelen. In beiden Fällen haben Menschen gelitt en und sind aus Krisensituati onen heraus zu einem temporären Zuhause gekommen, das ih-nen Zufl ucht und Schutz gewährt. Und in dem sie sich mit Hilfe wohlwollender und engagierter Menschen auf eine bessere Zukunft vorbereiten können.

Entsprechend gerührt nahmen die Brot-huuser das Geschenk aus Kinderhand entgegen. Stellvertretend für die Gemein-schaft bedankte sich Markus Maurer* bei den Kindern: «Ihr zeigt uns, dass diese Welt nicht so schlecht ist, wie sie uns bisweilen dünkt.» Das Geld will die «Dorfgemein-schaft » für eine sinnvolle Anschaff ung entweder im Bereich der Gartenarbeit, im Atelier oder der Werkstatt einsetzen. (arb) *Name geändert

Im Beisein von SWS-Gesamtleiter Christoph Zingg (links) und Brothuuse-Leiterin Eileen Jerichen überreichten die Brügglihuus-Kinder den Be -wohnern von Brothuuse das gesammelte Geld.

Kinder zeigen HerzWeil ihnen Erwachsene in Not leid tun, haben Heimkinder ihr Sackgeld zusammengelegt und den Bewohnern von Brothuuse übergeben.

Sieber Ziiti gSWS

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gebracht hat. So ist das Kompetenzzen-trum Sune-Egge, wie es heute steht, im Wesentlichen auf ihn zurückzuführen. Ihm gelang es, die medizinische Arbeit mit dem theologisch-seelsorgerlichen Dienst zusammenzuhalten.

Woher der Name «Sune-Egge»? «Sune» nenne ich meine liebste Sonja, weil sie mir viel Licht und Frohmut entgegenbringt. Weil unsere Brüder und Schwestern Licht nöti g haben, nenne ich unsere Einrich-tungen Sunestube, Sunedörfl i, Sune-Egge und so weiter. Und ich denke an den lie-ben Gott , der uns die Ecke an der Sonne geschenkt hat, oder eben eine Sonne mit Ecken. Wenn wir von der Sonne reden, meint das letztlich die Symbolhaft igkeit der Auferstehung Christi . Gott sei Dank für die Ecke an der Sonne.

• Ihr Ernst Sieber, Pfarrer

Im Sune-Egge wird umgesetzt, was menschlich und politisch das erste Gebot ist: Leben für die Schwächsten. Medizin und Brot für Leib und Seele bilden den Glauben ab.

Herbst 1988. Täglich begegnete ich am Platzspitz schwerstsüchti gen Menschen. Die meisten waren

sozial und physisch zuti efst beschädigt und wussten weder ein noch aus. Da war wirklich die Hölle los. Es musste et-was geschehen. Und was geschah? Eine Gruppe von zwölf Schwerstbetroff enen folgte mir in ein Haus ganz in der Nähe an die Konradstrasse 62. Die Victor und Rose Goldfarbsti ft ung hatt e mir wenige Tage zuvor das Haus mit zwölf Wohnun-gen zur Verfügung gestellt. Damit begann

25 JahreHilfe für die

Ärmsten

Erfahren Sie mit unserem neuen Film mehr über den Sune-Egge.

Page 2: Sieber Ziitig Mai 2013

Kühle Morgenluft strömt durch die heruntergelassenen Jalousien ins kleine Zimmer im 4. Stock des Sune-

Egge. Ein Bett , ein Stuhl, ein Schrank und ein Tisch sind die bescheidene Welt des Edi S. In diesen vier Wänden lebt er seit anderthalb Jahren. Der 54-Jährige sitzt auf der Bett kante, das linke Bein ge-streckt, das rechte angewinkelt. Es grenzt an ein Wunder, dass der schmächti ge Mann heute wieder gehen kann.

Als er wegen eines Armbruchs und Hä-matomen in den Sune-Egge eingeliefert wurde, sass er im Rollstuhl. Ein Unfall vor 13 Jahren auf einem Fussgängerstreifen

hatt e den gebürti gen Churer fast sein linkes Bein gekostet. Edi S. bezeichnet es heute als bares Glück, dass es nicht so-weit kam. Heute kann er wieder gehen. Und er nutzt diese wiedergewonnene Mobilität. Täglich ist er in der näheren Umgebung des Sune-Egge unterwegs. «Das ist für mich wie ein Lebenselixier. Ich brauche den Wind im Gesicht, die Bäume, meine Kumpels.»

Neben seinem Willen verdanke er seine Genesung vor allem den Betreuern im Sune-Egge, sagt Edi S. Mit medizinischer Betreuung, Physiotherapie und Gesprä-chen hätt en Ärzte, Pfl egende, Therapeu-

ten und Sozialarbeiter ihm Mut gemacht und ihm geholfen, sich wieder aufzurap-peln. «Im Sune-Egge habe ich Menschen gefunden, die mich ernst nehmen und an mich glauben», sagt er. Etwas, das ihm zuvor kaum je passiert ist. Ob in sei-ner Kindheit, seiner Lehrzeit als Auto-mechaniker oder später als Maschinist beim Bau der Walensee-Autobahn – Edi S. hatt e stets wenig Zuwendung und Verständnis gefun-den. So erstaunt es wenig, dass er bereits mit 12 Jahren be-gann, Drogen zu konsumieren. Während fast 30 Jahren war er schwer heroinsüch-ti g. Rund 20 missglückte Entzugsversuche «zieren» seine Vita. «Ob im Knast oder in der Psychi – ich wurde stets zum Entzug genöti gt», erinnert er sich. «Aber ich war innerlich nie wirklich bereit dazu.»

Vor 14 Jahren dann kam wie aus heite-rem Himmel die Wende. Nach einem erneuten Drogenabsturz sei ihm plötzlich klar geworden: «So will ich nicht wei-terleben.» Edi S. machte erstmals einen Entzug, weil er das wirklich selbst wollte – und ist seither sauber. Heute braucht er nur noch etwas Methadon. Und sein tägliches Bierchen. «Han halt e Bündner-grind, där isch hart wie Granit», sagt der Blues- und Hard-Rock-Liebhaber und lä-chelt verschmitzt.

Der starke Eigensinn ist es auch, der den Bündner nicht ruhen lässt. Obwohl es ihm im Sune-Egge sehr wohl ist, will er wieder selbstverantwortlich wohnen. Der Kontakt zu den anderen Pati enten im Sune-Egge sei bereichernd, aber für ihn auch immer wieder anstrengend. «Ich bin am liebs-ten allein in meinem Zimmer oder zu Fuss unterwegs», sagt er und wirft einen Blick

zum Fernseher hin-über. Dort ratt ert eine Moderatorin die Neuigkeiten der

letzten Nacht herunter. «Was in der Welt läuft , interessiert mich», sagt Edi S. In der Cafeteria des Spitals mag er aber nicht lange sitzen und Zeitung lesen. «Das Ge-schnorr der anderen nervt mich bald. Ich bin lieber für mich allein.»

Sein Bedürfnis nach Ruhe und Rückzugs-möglichkeit liessen ihn zusammen mit seinem Sozialarbeiter im Sune-Egge nach einer Anschlusslösung ausserhalb des SWS-Spitals suchen. Und er wurde fündig – in einem Caritas-Hospiz in Zürich. «Ich habe zwar etwas Angst vor der Verände-rung», sagt der Mann mit dem schulter-langen Haar. «Aber mein Kopf sagt mir, dass das gut ist für mich.» Und ganz auf sich allein gestellt wird er nicht sein. Zweimal wöchentlich wird er für sein Me-thadon und therapeuti sche Gespräche in den Sune-Egge kommen. (arb)

Edi S. will wieder auf eigenen Beinen stehen. Der Sune-Egge unterstützt ihn darin mit Rat und Tat und betreut ihn weiterhin medizinisch.

Zuhören kann Leben verändernIm Sune-Egge hat Edi S.* nach langer Leidenszeit Zuwendung und Heilung gefunden. Nun will er sein Leben wieder in die eigenen Hände nehmen und zieht in eine Einzimmerwohnung.

Pfl egen heisst fördernWeil im engen Sune-Egge nicht alle Pati enten Platz fi nden, betreibt er in Egg eine externe Pfl egestati on mit 12 Bett en. Stati onsleiter Alexander Wunderli erzählt aus seinem Alltag.

Unsere Pati enti nnen und Pati entenWir betreuen Menschen mit unterschiedlichen Krankheitsbildern. Die meisten weisen Dualdiagnosen auf, also mehrere Krank-heiten gleichzeiti g. Sie sind süchti g und gleichzeiti g psychisch angeschlagen (Persönlichkeitsveränderungen, De pressionen, psychische Auff älligkeiten), vorwiegend als Folge der Suchterkrankung. Mir und mei-nen Mitarbeitern geht es darum, diesen Menschen ein Umfeld zu schaff en, das ihnen erlaubt, Perspekti ven für ihr Leben zu entwickeln und umzusetzen. Wir hel-fen unseren Pati enten, ihr Leben zu stabi-lisieren und ihr Konsumverhalten zu ändern – im Idealfall mit dem Ziel eines Entzugs. Wir helfen ihnen dabei, indem wir Tagesstruk-turen schaff en, die ihnen den Rahmen für ihre Entwicklung bieten.

Unsere AufgabenEine grosse Herausforderung ist das Aufrechterhalten von Strukturen und das Fördern der oft starken psychischen Schwankungen unterworfenen Pati enten. Sie müssen lernen, Rückschläge zu ver-kraft en. Es fordert uns stark, sie vom Dro-genkonsum gedanklich abzulenken. Auf die Dauer kann es sehr frustrierend sein, wenn man sich als Team anstrengt, um et-was Positi ves auf die Beine zu stellen, sei es einen Ausfl ug oder eine Akti vität, und die Pati enten dann dies kaum wahrneh-men und schätzen können.

Unsere HerausforderungenOft rücken in schwierigen Situati onen die Wertschätzung und die gute Atmosphä-re, die wir zu pfl egen versuchen, in den Hintergrund. Die Bewohner können sehr verletzend sein. Sie pfl egen dann wie-der Umgangsformen, die ihnen geholfen hatt en, auf der Strasse zu überleben, die in der Gesellschaft aber nicht akzepti ert

werden. Solche Momente nicht persönlich zu nehmen, ist wichti g. Dabei hilft es, sich bewusst zu machen, dass unsere Pati en-ten eigentlich gute Menschen sind, die ein schweres Schicksal zu tragen haben.

Unsere Moti vati onWegen ihrer komplexen Krankheitsdia-gnosen sind unsere Bewohner Langzeit-pati enten. Sie haben zum Teil eine jahr-zehntelange Drogengeschichte hinter sich und mussten in ihrem Leben schon

Walter Munz, bevor Sie als Arzt im Sune-Egge zu arbeiten begannen, waren Sie 10 Jahre in Albert Schweitzers Urwald-spital in Lambarene, Gabun, täti g und täg-lich mit Leid und Elend konfronti ert. Wa-rum zog es Sie nach Ihrem Engagement als Chirurg im Spital Wil SG nochmals an einen Ort, wo Leid und Not alltäglich sind?Walter Munz: Menschen, die im Schatt en leben, haben es mir angetan. Das wurde mir nach 18 Jahren in Wil wieder bewusst.

Und was sagten Sie, Jo Munz, zu diesem Stellenwechsel Ihres Mannes?Jo Munz: Walter war ein Arzt, der gerne an

Braucht es den Sune-Egge heute noch, wo es so viele andere gute Spitäler gibt?JM: Ein wesentliches Anliegen des Sune-Egge lag darin, die oft vereinsamten Pa-ti enten mit ihren Familien zu versöhnen. Diese wichti ge Leistung konnte und kann so kaum ein anderes Spital erbringen. So gesehen ist und bleibt der Sune-Egge auch heute einzigarti g und unverzichtbar.

WM: Die niederschwellige, umfassende und oft langfristi ge Betreuung der Pati -

enten ist einmalig – aber auch kosten-intensiv. In der zu-nehmend ökonomi-sierten Medizin steht der Sune-Egge daher etwas quer in der

Landschaft . Die Sozialwerke Pfarrer Sieber und damit deren viele Spenderinnen und Spender leisten einen grossen gesellschaft -lichen Dienst, den sonst kaum jemand er-bringen kann. Was mit sozial desintegrier-ten und allein gelassenen Pati enten ohne den Sune-Egge passieren würde, mag ich mir nicht vorstellen.

• Interview Walter von Arburg

«So will ich nicht weiterleben.»

«Unser Pati enten zeigen ein Verhalten, das übliche Kliniken

überfordert.»

Für sie ist sonst niemand daClaudia Gemperle arbeitet seit 1996 im Sune-Egge. Sie kann sich keinen anderen Arbeitsplatz vorstellen.

Immer mal wieder bekommt Claudia Gemperle sie von Skepti -kern zu hören. Die Zweifel am Sinn unseres Engagements für Dro-genkranke. Das sei doch ein Fass ohne Boden, wer den Drogen einmal verfallen sei, dem sei nicht mehr zu helfen.

«Diese Haltung tut weh», sagt sie . «Und sie ist falsch, wie ich wie-derholt erfahren durft e.» Denn seit sie hier arbeite, habe sie schon etliche «Wunder» erlebt. Hätt en vermeintlich heillos drogenkranke Menschen es geschafft , sich aufzurappeln, neuen Glauben an sich

zu fi nden und sich von den Drogen freizukämpfen. So gesehen, sei die Arbeit im Sune-Egge alles andere als erfolglos.

Sie räumt indes ein, dass es längst nicht alle Pati enten schaff en. Für die Leiterin der Sune-Egge-Administrati on zählt aber etwas an-deres noch mehr: «Die meisten Pati enten sind für die Menschlich-keit und die aufrichti ge Anteilnahme, die sie bei uns erleben, sehr dankbar.» Diese menschliche Zuwendung bei gleichzeiti g hoher medizinischer Kompetenz macht für Claudia Gemperle die Einzig-arti gkeit des Sune-Egge aus. «Ohne uns wäre für die Letzten der Gesellschaft niemand mehr da», sagt sie. Und fügt an: «Das macht das Arbeiten auch nach bald 17 Jahren im Sune-Egge für mich so wertvoll, dass ich mir keinen anderen Arbeitsplatz wünsche.» (arb)

menschengemacht. Die Kranken, die in den Sune-Egge kommen, haben theoreti sch Zu-gang zur Medizin. Aber nur theoreti sch. Ihr Problem ist, dass sie durch ihren Drogen-konsum sozial desintegriert, also von der Gesellschaft ausgeschlossen und darum auf niederschwellige Hilfe angewiesen sind.

Was war die grösste Herausforderung im Sune-Egge der ersten Jahre?WM: Oh, da gab es viele. Zunächst lebten wir von der Hand in den Mund. Vieles musste von Grund auf organisiert werden: die Bestellung von Medikamenten und Sanitätsmaterial, die Bett en, die Wäsche etc. Die damals reali-sierte Einbindung des Spitals in den stadt-ärztlichen Dienst war daher eine grosse Erleichterung und ein Schritt in eine profes-sionellere Betreuung. Die Vielzahl der He-rausforderungen blieb dennoch bestehen – insbesondere in Bezug auf die Pati enten. Das ist – nach wie vor – der wesentliche Unterschied des Sune-Egge zu einem ge-wöhnlichen Schweizer Spital. Die Pati enten hier haben meistens mehrere Krankheiten gleichzeiti g – somati sche und psychische.

der Basis arbeitete. Ihn interessierten stets die Menschen und nicht das Geld. Insofern war mir bald klar, dass dieser Schritt für meinen Mann folgerichti g war.

Unterscheiden sich das Urwaldspital und der Sune-Egge von anderen Spitälern?WM: Leid und Not fi ndet man in jedem Spital. Sie vermuten aber richti g, dass im Urwaldspital und im Sune-Egge diese eine andere Dimension haben. Die Not der Pa-ti enten in Lambarene war von der Natur verursacht: Die Menschen litt en an Krank-heiten, für die sie keine Medizin hatt en. Bei den Sune-Egge-Pati enten ist die Not

Der Sune-Egge ist einzigartig und unverzichtbar

Walter Munz war von 1991 bis 1998 leitender Arzt im Fachspital Sune-Egge. Seine Frau Jo Munz arbeitete

in dieser Zeit beim Sozialamt der Stadt Zürich.

Das tägliche Pendeln zwischen Wil und Zürich gab Walter und Jo Munz die Möglichkeit, den nötigen Abstand zu wahren. Und zu Hause konnten sie die bewegenden Erlebnisse des Tages jeweils beim anderen abladen. Ihre Beziehung war der Boden, der ihnen Halt und Sicherheit gab.

zahlreiche Tiefschläge verkraft en. Es gibt kaum eine Insti tuti on, die sie gerne an-nimmt. Kaum jemand möchte eine Wohnung an sie vermieten. Sie fühlen sich einsam, haben oft keine Familie oder wurden verstossen. Wir sind daher für sie eine Art Ersatzfamilie. Für mich und mein Team ist unsere Arbeit mehr als ein Job. Wir mögen ihn – und wir mögen unsere Pati enten.

• Alexander Wunderli, Leiter Pflegestation Egg

Wichti ge Begleitung in schwerer ZeitDie Arbeit als Seelsorgerin im Sune-Egge ist intensiv und bereichernd zugleich.

In den Gesprächen mit den Pati enten drängen Erlebnisse hervor, wollen geteilt werden und Gehör fi nden. Manchmal geht es um Antworten auf nicht gestellte Fragen. Christus geht voran und sagt durch mich: «Du bist wichti g, angenommen in Würde. Du bist geliebt – bedingungslos. Wir sind für dich da. Du kommst voran.» So wissen sich die Pati enten angenommen. Sie reagieren feinfühlig und unverblümt, wollen die Seelsorgerin spüren. Sie sind froh um den geschützten Raum der Seelsorge. Dort legen sie

Lasten ab, erfahren Vergebung. In der Andacht fi nden sie Gebor-genheit und Gemeinschaft .

Unsere Pati enten sind Persönlichkeiten. In der Beziehung leuchtet trotz ihrer Suchtgeschichte ihre Schönheit auf, ihre Gott eseben-bildlichkeit. Sie lehren und beschenken mich. Im Gespräch, im Ge-bet, in der Zusammenarbeit mit allen Diensten von der Porti erloge bis zum Dachstock, im Miteinander für einen Sterbenden «brennt» mein Herz: Christus ist da, mitt en unter uns! «Ganz gesund wird hier niemand – aber viele werden geheilt»! (H.J.M. Nouwen) Möge das für die Seelsorge in den Sozialwerken Pfarrer Sieber immer wieder wahr werden. • Katharina Zimmermann, Seelsorgerin

Page 3: Sieber Ziitig Mai 2013

Kühle Morgenluft strömt durch die heruntergelassenen Jalousien ins kleine Zimmer im 4. Stock des Sune-

Egge. Ein Bett , ein Stuhl, ein Schrank und ein Tisch sind die bescheidene Welt des Edi S. In diesen vier Wänden lebt er seit anderthalb Jahren. Der 54-Jährige sitzt auf der Bett kante, das linke Bein ge-streckt, das rechte angewinkelt. Es grenzt an ein Wunder, dass der schmächti ge Mann heute wieder gehen kann.

Als er wegen eines Armbruchs und Hä-matomen in den Sune-Egge eingeliefert wurde, sass er im Rollstuhl. Ein Unfall vor 13 Jahren auf einem Fussgängerstreifen

hatt e den gebürti gen Churer fast sein linkes Bein gekostet. Edi S. bezeichnet es heute als bares Glück, dass es nicht so-weit kam. Heute kann er wieder gehen. Und er nutzt diese wiedergewonnene Mobilität. Täglich ist er in der näheren Umgebung des Sune-Egge unterwegs. «Das ist für mich wie ein Lebenselixier. Ich brauche den Wind im Gesicht, die Bäume, meine Kumpels.»

Neben seinem Willen verdanke er seine Genesung vor allem den Betreuern im Sune-Egge, sagt Edi S. Mit medizinischer Betreuung, Physiotherapie und Gesprä-chen hätt en Ärzte, Pfl egende, Therapeu-

ten und Sozialarbeiter ihm Mut gemacht und ihm geholfen, sich wieder aufzurap-peln. «Im Sune-Egge habe ich Menschen gefunden, die mich ernst nehmen und an mich glauben», sagt er. Etwas, das ihm zuvor kaum je passiert ist. Ob in sei-ner Kindheit, seiner Lehrzeit als Auto-mechaniker oder später als Maschinist beim Bau der Walensee-Autobahn – Edi S. hatt e stets wenig Zuwendung und Verständnis gefun-den. So erstaunt es wenig, dass er bereits mit 12 Jahren be-gann, Drogen zu konsumieren. Während fast 30 Jahren war er schwer heroinsüch-ti g. Rund 20 missglückte Entzugsversuche «zieren» seine Vita. «Ob im Knast oder in der Psychi – ich wurde stets zum Entzug genöti gt», erinnert er sich. «Aber ich war innerlich nie wirklich bereit dazu.»

Vor 14 Jahren dann kam wie aus heite-rem Himmel die Wende. Nach einem erneuten Drogenabsturz sei ihm plötzlich klar geworden: «So will ich nicht wei-terleben.» Edi S. machte erstmals einen Entzug, weil er das wirklich selbst wollte – und ist seither sauber. Heute braucht er nur noch etwas Methadon. Und sein tägliches Bierchen. «Han halt e Bündner-grind, där isch hart wie Granit», sagt der Blues- und Hard-Rock-Liebhaber und lä-chelt verschmitzt.

Der starke Eigensinn ist es auch, der den Bündner nicht ruhen lässt. Obwohl es ihm im Sune-Egge sehr wohl ist, will er wieder selbstverantwortlich wohnen. Der Kontakt zu den anderen Pati enten im Sune-Egge sei bereichernd, aber für ihn auch immer wieder anstrengend. «Ich bin am liebs-ten allein in meinem Zimmer oder zu Fuss unterwegs», sagt er und wirft einen Blick

zum Fernseher hin-über. Dort ratt ert eine Moderatorin die Neuigkeiten der

letzten Nacht herunter. «Was in der Welt läuft , interessiert mich», sagt Edi S. In der Cafeteria des Spitals mag er aber nicht lange sitzen und Zeitung lesen. «Das Ge-schnorr der anderen nervt mich bald. Ich bin lieber für mich allein.»

Sein Bedürfnis nach Ruhe und Rückzugs-möglichkeit liessen ihn zusammen mit seinem Sozialarbeiter im Sune-Egge nach einer Anschlusslösung ausserhalb des SWS-Spitals suchen. Und er wurde fündig – in einem Caritas-Hospiz in Zürich. «Ich habe zwar etwas Angst vor der Verände-rung», sagt der Mann mit dem schulter-langen Haar. «Aber mein Kopf sagt mir, dass das gut ist für mich.» Und ganz auf sich allein gestellt wird er nicht sein. Zweimal wöchentlich wird er für sein Me-thadon und therapeuti sche Gespräche in den Sune-Egge kommen. (arb)

Edi S. will wieder auf eigenen Beinen stehen. Der Sune-Egge unterstützt ihn darin mit Rat und Tat und betreut ihn weiterhin medizinisch.

Zuhören kann Leben verändernIm Sune-Egge hat Edi S.* nach langer Leidenszeit Zuwendung und Heilung gefunden. Nun will er sein Leben wieder in die eigenen Hände nehmen und zieht in eine Einzimmerwohnung.

Pfl egen heisst fördernWeil im engen Sune-Egge nicht alle Pati enten Platz fi nden, betreibt er in Egg eine externe Pfl egestati on mit 12 Bett en. Stati onsleiter Alexander Wunderli erzählt aus seinem Alltag.

Unsere Pati enti nnen und Pati entenWir betreuen Menschen mit unterschiedlichen Krankheitsbildern. Die meisten weisen Dualdiagnosen auf, also mehrere Krank-heiten gleichzeiti g. Sie sind süchti g und gleichzeiti g psychisch angeschlagen (Persönlichkeitsveränderungen, De pressionen, psychische Auff älligkeiten), vorwiegend als Folge der Suchterkrankung. Mir und mei-nen Mitarbeitern geht es darum, diesen Menschen ein Umfeld zu schaff en, das ihnen erlaubt, Perspekti ven für ihr Leben zu entwickeln und umzusetzen. Wir hel-fen unseren Pati enten, ihr Leben zu stabi-lisieren und ihr Konsumverhalten zu ändern – im Idealfall mit dem Ziel eines Entzugs. Wir helfen ihnen dabei, indem wir Tagesstruk-turen schaff en, die ihnen den Rahmen für ihre Entwicklung bieten.

Unsere AufgabenEine grosse Herausforderung ist das Aufrechterhalten von Strukturen und das Fördern der oft starken psychischen Schwankungen unterworfenen Pati enten. Sie müssen lernen, Rückschläge zu ver-kraft en. Es fordert uns stark, sie vom Dro-genkonsum gedanklich abzulenken. Auf die Dauer kann es sehr frustrierend sein, wenn man sich als Team anstrengt, um et-was Positi ves auf die Beine zu stellen, sei es einen Ausfl ug oder eine Akti vität, und die Pati enten dann dies kaum wahrneh-men und schätzen können.

Unsere HerausforderungenOft rücken in schwierigen Situati onen die Wertschätzung und die gute Atmosphä-re, die wir zu pfl egen versuchen, in den Hintergrund. Die Bewohner können sehr verletzend sein. Sie pfl egen dann wie-der Umgangsformen, die ihnen geholfen hatt en, auf der Strasse zu überleben, die in der Gesellschaft aber nicht akzepti ert

werden. Solche Momente nicht persönlich zu nehmen, ist wichti g. Dabei hilft es, sich bewusst zu machen, dass unsere Pati en-ten eigentlich gute Menschen sind, die ein schweres Schicksal zu tragen haben.

Unsere Moti vati onWegen ihrer komplexen Krankheitsdia-gnosen sind unsere Bewohner Langzeit-pati enten. Sie haben zum Teil eine jahr-zehntelange Drogengeschichte hinter sich und mussten in ihrem Leben schon

Walter Munz, bevor Sie als Arzt im Sune-Egge zu arbeiten begannen, waren Sie 10 Jahre in Albert Schweitzers Urwald-spital in Lambarene, Gabun, täti g und täg-lich mit Leid und Elend konfronti ert. Wa-rum zog es Sie nach Ihrem Engagement als Chirurg im Spital Wil SG nochmals an einen Ort, wo Leid und Not alltäglich sind?Walter Munz: Menschen, die im Schatt en leben, haben es mir angetan. Das wurde mir nach 18 Jahren in Wil wieder bewusst.

Und was sagten Sie, Jo Munz, zu diesem Stellenwechsel Ihres Mannes?Jo Munz: Walter war ein Arzt, der gerne an

Braucht es den Sune-Egge heute noch, wo es so viele andere gute Spitäler gibt?JM: Ein wesentliches Anliegen des Sune-Egge lag darin, die oft vereinsamten Pa-ti enten mit ihren Familien zu versöhnen. Diese wichti ge Leistung konnte und kann so kaum ein anderes Spital erbringen. So gesehen ist und bleibt der Sune-Egge auch heute einzigarti g und unverzichtbar.

WM: Die niederschwellige, umfassende und oft langfristi ge Betreuung der Pati -

enten ist einmalig – aber auch kosten-intensiv. In der zu-nehmend ökonomi-sierten Medizin steht der Sune-Egge daher etwas quer in der

Landschaft . Die Sozialwerke Pfarrer Sieber und damit deren viele Spenderinnen und Spender leisten einen grossen gesellschaft -lichen Dienst, den sonst kaum jemand er-bringen kann. Was mit sozial desintegrier-ten und allein gelassenen Pati enten ohne den Sune-Egge passieren würde, mag ich mir nicht vorstellen.

• Interview Walter von Arburg

«So will ich nicht weiterleben.»

«Unser Pati enten zeigen ein Verhalten, das übliche Kliniken

überfordert.»

Für sie ist sonst niemand daClaudia Gemperle arbeitet seit 1996 im Sune-Egge. Sie kann sich keinen anderen Arbeitsplatz vorstellen.

Immer mal wieder bekommt Claudia Gemperle sie von Skepti -kern zu hören. Die Zweifel am Sinn unseres Engagements für Dro-genkranke. Das sei doch ein Fass ohne Boden, wer den Drogen einmal verfallen sei, dem sei nicht mehr zu helfen.

«Diese Haltung tut weh», sagt sie . «Und sie ist falsch, wie ich wie-derholt erfahren durft e.» Denn seit sie hier arbeite, habe sie schon etliche «Wunder» erlebt. Hätt en vermeintlich heillos drogenkranke Menschen es geschafft , sich aufzurappeln, neuen Glauben an sich

zu fi nden und sich von den Drogen freizukämpfen. So gesehen, sei die Arbeit im Sune-Egge alles andere als erfolglos.

Sie räumt indes ein, dass es längst nicht alle Pati enten schaff en. Für die Leiterin der Sune-Egge-Administrati on zählt aber etwas an-deres noch mehr: «Die meisten Pati enten sind für die Menschlich-keit und die aufrichti ge Anteilnahme, die sie bei uns erleben, sehr dankbar.» Diese menschliche Zuwendung bei gleichzeiti g hoher medizinischer Kompetenz macht für Claudia Gemperle die Einzig-arti gkeit des Sune-Egge aus. «Ohne uns wäre für die Letzten der Gesellschaft niemand mehr da», sagt sie. Und fügt an: «Das macht das Arbeiten auch nach bald 17 Jahren im Sune-Egge für mich so wertvoll, dass ich mir keinen anderen Arbeitsplatz wünsche.» (arb)

menschengemacht. Die Kranken, die in den Sune-Egge kommen, haben theoreti sch Zu-gang zur Medizin. Aber nur theoreti sch. Ihr Problem ist, dass sie durch ihren Drogen-konsum sozial desintegriert, also von der Gesellschaft ausgeschlossen und darum auf niederschwellige Hilfe angewiesen sind.

Was war die grösste Herausforderung im Sune-Egge der ersten Jahre?WM: Oh, da gab es viele. Zunächst lebten wir von der Hand in den Mund. Vieles musste von Grund auf organisiert werden: die Bestellung von Medikamenten und Sanitätsmaterial, die Bett en, die Wäsche etc. Die damals reali-sierte Einbindung des Spitals in den stadt-ärztlichen Dienst war daher eine grosse Erleichterung und ein Schritt in eine profes-sionellere Betreuung. Die Vielzahl der He-rausforderungen blieb dennoch bestehen – insbesondere in Bezug auf die Pati enten. Das ist – nach wie vor – der wesentliche Unterschied des Sune-Egge zu einem ge-wöhnlichen Schweizer Spital. Die Pati enten hier haben meistens mehrere Krankheiten gleichzeiti g – somati sche und psychische.

der Basis arbeitete. Ihn interessierten stets die Menschen und nicht das Geld. Insofern war mir bald klar, dass dieser Schritt für meinen Mann folgerichti g war.

Unterscheiden sich das Urwaldspital und der Sune-Egge von anderen Spitälern?WM: Leid und Not fi ndet man in jedem Spital. Sie vermuten aber richti g, dass im Urwaldspital und im Sune-Egge diese eine andere Dimension haben. Die Not der Pa-ti enten in Lambarene war von der Natur verursacht: Die Menschen litt en an Krank-heiten, für die sie keine Medizin hatt en. Bei den Sune-Egge-Pati enten ist die Not

Der Sune-Egge ist einzigartig und unverzichtbar

Walter Munz war von 1991 bis 1998 leitender Arzt im Fachspital Sune-Egge. Seine Frau Jo Munz arbeitete

in dieser Zeit beim Sozialamt der Stadt Zürich.

Das tägliche Pendeln zwischen Wil und Zürich gab Walter und Jo Munz die Möglichkeit, den nötigen Abstand zu wahren. Und zu Hause konnten sie die bewegenden Erlebnisse des Tages jeweils beim anderen abladen. Ihre Beziehung war der Boden, der ihnen Halt und Sicherheit gab.

zahlreiche Tiefschläge verkraft en. Es gibt kaum eine Insti tuti on, die sie gerne an-nimmt. Kaum jemand möchte eine Wohnung an sie vermieten. Sie fühlen sich einsam, haben oft keine Familie oder wurden verstossen. Wir sind daher für sie eine Art Ersatzfamilie. Für mich und mein Team ist unsere Arbeit mehr als ein Job. Wir mögen ihn – und wir mögen unsere Pati enten.

• Alexander Wunderli, Leiter Pflegestation Egg

Wichti ge Begleitung in schwerer ZeitDie Arbeit als Seelsorgerin im Sune-Egge ist intensiv und bereichernd zugleich.

In den Gesprächen mit den Pati enten drängen Erlebnisse hervor, wollen geteilt werden und Gehör fi nden. Manchmal geht es um Antworten auf nicht gestellte Fragen. Christus geht voran und sagt durch mich: «Du bist wichti g, angenommen in Würde. Du bist geliebt – bedingungslos. Wir sind für dich da. Du kommst voran.» So wissen sich die Pati enten angenommen. Sie reagieren feinfühlig und unverblümt, wollen die Seelsorgerin spüren. Sie sind froh um den geschützten Raum der Seelsorge. Dort legen sie

Lasten ab, erfahren Vergebung. In der Andacht fi nden sie Gebor-genheit und Gemeinschaft .

Unsere Pati enten sind Persönlichkeiten. In der Beziehung leuchtet trotz ihrer Suchtgeschichte ihre Schönheit auf, ihre Gott eseben-bildlichkeit. Sie lehren und beschenken mich. Im Gespräch, im Ge-bet, in der Zusammenarbeit mit allen Diensten von der Porti erloge bis zum Dachstock, im Miteinander für einen Sterbenden «brennt» mein Herz: Christus ist da, mitt en unter uns! «Ganz gesund wird hier niemand – aber viele werden geheilt»! (H.J.M. Nouwen) Möge das für die Seelsorge in den Sozialwerken Pfarrer Sieber immer wieder wahr werden. • Katharina Zimmermann, Seelsorgerin

Page 4: Sieber Ziitig Mai 2013

Wollen Sie über Ihren Tod hinaus Gutes tun?

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Impressum

Sieber Ziitig Nr. 38Mai 2013Erscheint 4 x jährlich Jahresabo Fr. 5.–

Redakti onWalter von Arburg, Christoph Zingg, Elena Philipp

GestaltungClaudia Wehrli, Winterthur

DruckSpühler Druck, Rüti

HerausgeberinStiftung Sozialwerke Pfarrer Ernst Sieber

PC-Konto: 80-40115-7

Geschäft sstelleHohlstrasse 192, 8004 Zürich 043 336 50 [email protected] [email protected] www.swsieber.ch

GesamtleitungChristoph Zingg

Sti ft ungsratMarlies Petrig, Co-Präsidentin Prof. Dr. theol. Thomas Schlag, Co-PräsidentDr. med. Ulrich ErlingerStefan ElsenerRegina Gabriel Cantieni Claire Häfeli lic. iur. Vanessa Ölz

EhrenpräsidentDr. h. c. Pfarrer Ernst Sieber

RevisionsstellePricewaterhouseCoopers AG, Zürich

BetriebeAnlaufstelle Sunestube und Noteinrichtung für obdachlose Jugendliche NemoMilitärstrasse 118, 8004 Zürich

Auffangeinrichtung Brot-EggeSeebacherstrasse 60, 8052 Zürich

Suchthilfeeinrichtung Ur-DörfliBahnhofstrasse 18, 8330 Pfäffikon

Fachspital für Abhängigkeitserkrankungen und Sozialmedizin Sune-EggeKonradstrasse 62, 8005 Zürich

Rehabilitationszentrum Sunedörflimit Aussenwohngruppe und ambulanter WohnbegleitungPostfach 36, 8816 Hirzel

Diakonische DiensteHohlstrasse 192, 8004 Zürich

Organisati on der Sti ft ung Sozialwerke Pfarrer Ernst Sieber (SWS)

Was empfi nden Sie, wenn Sie Drogen-süchti ge auf der Strasse um Geld bett eln sehen?Ich stelle mir vor, wo die Menschen nun im Leben stehen und was sie machen würden, wenn sie nicht drogensüchti g geworden wären. Oft macht es mich traurig, dass es für sie scheinbar keinen anderen Weg ge-geben hat und ich wünsche ihnen, dass sie die Kraft haben, wieder gesund zu werden.

Im Showbusiness sind Drogen verbreitet. Warum? Als Künstler muss man mit viel Druck um-gehen können und immer wieder kreati ve Ideen haben, was den Griff zu Drogen erleichtert. Zudem gehören alkoholische Getränke am «Arbeitsplatz» – also z.B. in

Klubs und Konzertlokalen – zur Grundaus-statt ung. Zum Teil ist es auch eine Image-sache, die den Drogenkonsum begünsti gt.

Wie beurteilen Sie die Arbeit für Drogen-kranke im Sune-Egge?Ich schätze die Arbeit im Sune-Egge. Sie ist äusserst sinnvoll und unterstützend, da die Pati enten ganzheitlich betreut werden und Behandlungsansätze aus verschiede-nen Richtungen miteinfl iessen und kombi-niert werden. Die Drogenkranken sind im Sune-Egge sehr gut aufgehoben .

• Sängerin und Liedermacherin Lina Button (30)

ist im Thurgau aufgewachsen und lebt in Zürich.

Eben ist ihre neue CD «Copy&Paste» erschienen

(www.linabutton.com).

Im Gespräch mitLina Button

Bestelltalon

Bitte ausschneiden und senden an: Sozialwerke Pfarrer Sieber, Hohlstrasse 192, 8004 Zürich,oder mailen an: [email protected], Stichwort «Bestellung»

Meine Adresse und Telefonnummer

Bitt e senden Sie mir__ Jahresbericht__ Jahresrechnung__ Testamentsratgeber __ Informationen zu grossen Projekten__ Exemplare Sieber Ziitig

__ Doppel-Kunstkarten à Fr. 15.– (10 Ex.) * zuzügl. Fr. 3.– Porto und Verpackung__ Einfach-Kunstdrucke à Fr. 5.– (2 x 5 Ex.) * zuzügl. Fr. 3.– Porto und Verpackung * Ölbilder/Aquarelle von Pfr. Ernst Sieber

__ Gesamtprospekt «handeln»

__ Broschüre Brot-Egge «begegnen»__ Broschüre Gassentierarzt «behandeln»__ Broschüre Sunedörfli und AWB «eingliedern»__ Broschüre Aussenwohngruppe «trainieren»__ Broschüre Sune-Egge «pflegen»__ Broschüre Sunestube «vermitteln»__ Broschüre Nemo «schützen»__ Broschüre Ur-Dörfli «betreuen»

Platzhalter FSC-Logo

Editorial«Ich ha ums Verrecke gnueg vom hu-ere Stress im Unispital, wo me über-haupt nüüt mache törf! Ich mues wieder zu öi choo. Lönd mi ine.» Trotz seines bedrohlichen Pneumo-thorax, die Infusionsfl asche über die Schulter gehängt, zwei abgeklemm-te Schläuche in den Brusthöhlen, im weissen Spitalhemd: So stand Enrico wieder da, kurz nachdem er ins Unispital gebracht worden war. Lange hielt er es nicht aus.

Walter Munz, der den Sune-Egge über Jahre als Chefarzt leitete, hielt diese Begebenheit in seinem Buch «Wir gehören zueinander» fest. Es enthält alles, was den Sune-Egge bis heute zu einem besonderen Spi-tal und zu einem unverzichtbaren Baustein in unserer Spitallandschaft macht: Der Sune-Egge ist nachweis-lich das Haus mit der höchsten Fall-schwere landesweit. Bis zu fünf Di-agnosen sind unseren Pati enti nnen und Pati enten gestellt, und oft sind mehrere gleichzeiti g akut.

Im Sune-Egge arbeiten von Herzen moti vierte Mitarbeitende, das Ge-bäude ist eigentlich nicht geeignet für ein Spital, die Seelsorge ist einer der Kernprozesse und Maltherapie und Körperarbeit gehören zum Kon-zept des Hauses. Dies alles leistet der Sune-Egge für Menschen, die von einer schwierigen Geschichte brutal gezeichnet, von der Sucht ge-trieben und von Schuld geplagt sind – und die sich doch Funke um Funke etwas Licht zurück ins Leben bringen lassen.

«Lönd mi ine!» – In den ersten Jahren kam in den Sune-Egge, wer dem Tod nahe war und in Würde sterben wollte. Heute bleiben die meisten unserer Pati enten am Leben, mehr noch: sie lernen von Neuem zu leben – und ihr Leben zu lieben.

• Christoph Zingg, Gesamtleiter

Den Blick nach vorne richten2013 ist die Sti ft ung Sozialwerke Pfarrer Ernst Sieber 25-jährig. Nach turbulenten Jahren in der Mitt e ihrer Lebensgeschichte steht die Sti ft ung heute gesund da und ist bereit, sich der Zukunft zu stellen.

Unsere Anfänge liegen im Drogen-Elend der 80er-Jahre, im Schrecken von Platz-

spitz und Lett en. Sunestube, Ur-Dörfl i, Sune-Egge und Sunedörfl i sind entstan-den, um Menschen aufzufangen, die durch Sucht und Drogen um ihre Lebens-chancen gebracht und in ihrer Mensch-lichkeit bedroht wurden.

Die seither betriebene Drogenpoliti k hat sehr viel Beruhigung gebracht, und die So-zialwerke Pfarrer Sieber leisten mit ihren Einrichtungen weiterhin einen wichti gen Beitrag an die Rehabilitati on von Drogen-kranken. Die Nöte sind aber nicht ver-schwunden. Sie haben sich verändert.

Noch immer und immer wieder neu sind Menschen unter uns, deren Lebenschan-cen eingeschränkt sind. Neue Phänomene fordern uns heraus: Junge Menschen, die aus desolaten Verhältnissen fl üchten und den Einsti eg ins Leben nicht fi nden. Men-schen, die in Armut alt werden und von

persönlicher und sozialer Verwahrlosung bedroht sind. Europaweit sind Menschen aufgebrochen auf der Suche nach Arbeit und einer Perspekti ve. Wohnraum wird zu-nehmend Luxusraum und für immer mehr Menschen unbezahlbar. Und die, die den Platzspitz überlebt haben, werden früher und anders alt als ihre Jahrgänger.

Die Arbeit wird uns nicht ausgehen, im Ge-genteil: Zwei ganz grosse Stärken der SWS wird es auch in Zukunft dringend brauchen: Erstens den propheti schen Blick, sprich das frühzeiti ge Erkennen und Ansprechen von Nöten, und zweitens die niedrigen Schwellen, damit unsere Angebote einfach erreichbar sind. Beides werden wir auch in Zukunft einbringen – den Menschen in Not und der Gesellschaft zuliebe.

• Marlies Petrig, Prof. Dr. Thomas Schlag,

Co-Präsidium Stiftungsrat SWS

die Geschichte des Sune-Egge. Schutz und Geborgenheit und eine menschenwürdige Behandlung wurden für diese vom Leben schwerstgezeichneten Menschen zur Mit-te. Stadtrat Robert Neukomm formulierte einige Jahre später Folgendes: «Der Sune-Egge entwickelte sich zu einem eigentli-chen Kompetenzzentrum der medizini-schen Versorgung von Drogenabhängigen und HIV-Infi zierten wie auch in der Pfl ege von Aidskranken – häufi g bis zum Tode.»

Am Aufb au der sozialmedizinischen Kran-kenstati on haben Dutzende meiner Freun-de mitgewirkt. So erfuhr ich, wie segens-voll die Zusammenarbeit von Staat und Kirche damals war und ist. Ehrfurchtsvoll grüsse ich die vielen Schwestern, die mit einem totalen Einsatz für den Sune-Egge wirkten und kämpft en. Die allernächsten bleiben mir aber die Kranken, auch jene, die heimgegangen sind. Sie sind aufer-standen. Sie sind uns vorangegangen. Im Glauben an die Auferstehung grüsse ich sie alle. Besonders erwähnen darf ich Dr. Walter Munz, der massgeblich an der richti gen ärztlich-medizinischen Struk-tur gewirkt hat. Erstaunlich, was er ferti g

Pflege ist mehr als MedizinDer Sune-Egge ist mehr als nur einfach ein Spital. Körperlich und seelisch schwerstgezeichnete Menschen fi nden hier zu einer solidarischen Gemeinschaft mit Pfl egenden, Ärzten, Sozial-arbeitenden und Seelsorgenden.

Sozialwerke Pfarrer Sieber auff angen – betreuen – weiterhelfen Nr. 2/2013

Die Augen vieler Brothuuse-Bewoh-ner waren feucht, als sie Ende März nach einem Gott esdienst 1800

Franken in klingenden Münzen aus den kleinen Händen dreier Kinder in Empfang nehmen durft en. Das Geld, alles Fünfl iber, hatt en Mario (8), Lina (4) und Rexhep (4) von der psychosozialen Wohngemein-schaft Brügglihuus zusammen mit den anderen fünf Heimkindern während Monaten von ihrem Sackgeld abgezweigt und gesammelt.

Das Brügglihuus ist eine Notwohnein-richtung für Kinder aus schwierigen Ver-hältnissen und Krisensituati onen. Auf die Idee, Geld zu sammeln, kamen die Kinder, als sie im Fernsehen obdachlo-se Menschen auf Zürichs Strassen sahen. «Das hat uns traurig gemacht. Wir wollen helfen, dass diese Menschen auch ein Zu-hause haben», sagte Mario und fügte an:

«Wie wir selbst.» In der Tat hat die Situati -on von Brügglihuus-Kindern und Brot-huuse-Bewohnern Parallelen. In beiden Fällen haben Menschen gelitt en und sind aus Krisensituati onen heraus zu einem temporären Zuhause gekommen, das ih-nen Zufl ucht und Schutz gewährt. Und in dem sie sich mit Hilfe wohlwollender und engagierter Menschen auf eine bessere Zukunft vorbereiten können.

Entsprechend gerührt nahmen die Brot-huuser das Geschenk aus Kinderhand entgegen. Stellvertretend für die Gemein-schaft bedankte sich Markus Maurer* bei den Kindern: «Ihr zeigt uns, dass diese Welt nicht so schlecht ist, wie sie uns bisweilen dünkt.» Das Geld will die «Dorfgemein-schaft » für eine sinnvolle Anschaff ung entweder im Bereich der Gartenarbeit, im Atelier oder der Werkstatt einsetzen. (arb) *Name geändert

Im Beisein von SWS-Gesamtleiter Christoph Zingg (links) und Brothuuse-Leiterin Eileen Jerichen überreichten die Brügglihuus-Kinder den Be -wohnern von Brothuuse das gesammelte Geld.

Kinder zeigen HerzWeil ihnen Erwachsene in Not leid tun, haben Heimkinder ihr Sackgeld zusammengelegt und den Bewohnern von Brothuuse übergeben.

Sieber Ziiti gSWS

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gebracht hat. So ist das Kompetenzzen-trum Sune-Egge, wie es heute steht, im Wesentlichen auf ihn zurückzuführen. Ihm gelang es, die medizinische Arbeit mit dem theologisch-seelsorgerlichen Dienst zusammenzuhalten.

Woher der Name «Sune-Egge»? «Sune» nenne ich meine liebste Sonja, weil sie mir viel Licht und Frohmut entgegenbringt. Weil unsere Brüder und Schwestern Licht nöti g haben, nenne ich unsere Einrich-tungen Sunestube, Sunedörfl i, Sune-Egge und so weiter. Und ich denke an den lie-ben Gott , der uns die Ecke an der Sonne geschenkt hat, oder eben eine Sonne mit Ecken. Wenn wir von der Sonne reden, meint das letztlich die Symbolhaft igkeit der Auferstehung Christi . Gott sei Dank für die Ecke an der Sonne.

• Ihr Ernst Sieber, Pfarrer

Im Sune-Egge wird umgesetzt, was menschlich und politisch das erste Gebot ist: Leben für die Schwächsten. Medizin und Brot für Leib und Seele bilden den Glauben ab.

Herbst 1988. Täglich begegnete ich am Platzspitz schwerstsüchti gen Menschen. Die meisten waren

sozial und physisch zuti efst beschädigt und wussten weder ein noch aus. Da war wirklich die Hölle los. Es musste et-was geschehen. Und was geschah? Eine Gruppe von zwölf Schwerstbetroff enen folgte mir in ein Haus ganz in der Nähe an die Konradstrasse 62. Die Victor und Rose Goldfarbsti ft ung hatt e mir wenige Tage zuvor das Haus mit zwölf Wohnun-gen zur Verfügung gestellt. Damit begann

25 JahreHilfe für die

Ärmsten

Erfahren Sie mit unserem neuen Film mehr über den Sune-Egge.