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Page 1: Stern: Online-Ticketing – Rechtliche Rahmenbedingungen und wirtschaftliche Aspekte des Online-Ticketing

M Recht der neuen Medien

M12

26 Kultur & Recht November 2004

M12S. 1

Online-Ticketing

Rechtliche Rahmenbedingungen und wirtschaftliche Aspekte desOnline-Ticketing

Dr. Michael Peter SternWissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Informationsrecht der UniversitätKarlsruhe (TH)

Inhalt Seite

1. Einführung, Begriffsklärung und Übersicht 32. Die einzelnen Arten von Online-Tickets 42.1 Postalisch versandte oder persönlich ausgehändigte Karten auf

Online-Bestellung 42.2 Vom Zwischenhändler online ausgedruckte Tickets 52.3 Tickets zum Selbstausdrucken am Veranstaltungsort 52.4 Print-at-home-Tickets 62.5 Elektronische Tickets 73. Einmal Ticket hin und zurück 83.1 Zustandekommen des Ticketkaufvertrags und des

Veranstaltungsvertrags 83.2 Besondere Informationspflichten 103.3 Erwerb und Verlust des Eigentums an Tickets 113.4 Zahlungsweise und Preisgestaltung 133.5 Was ist, wenn es das versprochene Ticket nicht (mehr) gibt? 133.6 Was geschieht, wenn die verbriefte Leistung nicht (mehr)

erbracht werden kann? 143.7 Widerruf 143.8 Gewährleistungsrechte 153.9 Anfechtung 163.10 Anspruch auf Auflösung des Ticketkaufvertrags aus c.i.c.? 173.11 Haftung bei Verkehrspflichtverletzung 173.12 Rechtliche Stellung und Verantwortlichkeit von Zwischenhändlern,

System- und Portalbetreibern sowie Vermietern vonVeranstaltungsräumen 18

4. Besonderheiten bei zusätzlichen Leistungen 204.1 Transfer 214.2 Verköstigung und Übernachtung 234.3 Verwahrung von Gepäck und Garderobe, Parkhausticket 234.4 Reiserücktrittsversicherung 245. Datenschutz 245.1 Abfrage und interne Speicherung von Kundendaten 25

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5.2 Weitergabe von Kundendaten 275.3 Kundendaten auf Tickets 285.4 Pflicht zur Vorlage von Ausweispapieren 286. Anwendbares Recht und prozessuale Fragen 296.1 Anwendbares Recht 296.2 Gerichtliche Zuständigkeit 326.3 Statthaftigkeit des Urkundsprozesses? 337. Zusammenfassung 33

Checkliste 1: Besondere Informationspflichten 10

Checkliste 2: Print-at-home oder doch besser klassisch? 34

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1. Einführung, Begriffsklärung und Übersicht

Die Zeit langer Schlangen vor Kinokassen und anderer Ticket-Verkaufsstellendürfte bald zu Ende sein, da immer mehr Veranstalter die Eintrittskarten auchüber das Internet anbieten. Das Internet wird dabei in funktioneller Hinsichtunterschiedlich eingesetzt. Teilweise werden über das Internet nur Informationenzu Veranstaltungen geboten, manchmal zusätzlich die Tickets online verkauft,dann aber offline übergeben (Stufe 1, unten 2.1). Andere Veranstalter gehen nocheinen Schritt weiter und ermöglichen den Ticketdruck bestimmten Zwischen-händlern oder den Kunden selbst über spezielle Ticketdrucker am Veranstal-tungsort (Stufe 2, unten 2.2 und 2.3). Nur selten ermöglichen Veranstalter ihrenKunden sogar den Ausdruck der Tickets am heimischen PC (Stufe 3, unten 2.4).Diese Form des Ticketvertriebs ist sowohl im Hinblick auf die Fälschungssicher-heit als auch in wertpapierrechtlicher Hinsicht nicht unproblematisch. Noch invollem Gange ist die technische Entwicklung vollständig elektronischer Tickets,die ohne Papier auskommen und z.B. auf dem Handy oder der Kreditkarte desKäufers gespeichert werden können (Stufe 4, unten 2.5). Durch die große Ver-breitung elektronischer Speichermedien sind jedoch bereits die grundlegendenRahmenbedingungen geschaffen worden, die diese neue Ticketform benötigt, umsich durchsetzen zu können.

Unter „Online-Ticketing“ wird gemeinhin der Verkauf von Einlass- oder Fahr-karten über das Internet verstanden. Es handelt sich in Deutschland um keinenfeststehenden Rechtsbegriff. Weder erscheint er in einem Gesetz, noch wurde erbisher von der Rechtsprechung oder Literatur aufgegriffen und zu definierenversucht. Entsprechend der eingangs beschriebenen unterschiedlichen Einsatz-möglichkeiten des Internet beim Ticketverkauf umfasst der Begriff verschiedeneVertriebsformen (Stufen 1-4). Da in der Praxis die beiden ersten Stufen des On-line-Ticketing noch die größte Rolle spielen, es aber absehbar ist, dass sie vonden Stufen 3 und 4 bald in den Schatten gestellt werden, setzt sich dieser Beitragmit Rechtsproblemen aller Stufen auseinander. Darüber hinaus weist der Beitragauf ökonomisch wichtige Gesichtspunkte hin, die in der Zusammenschau mit denrechtlichen Ausführungen die Entscheidung für oder gegen eine Online-Vertriebsform erleichtern sollen. Die Untersuchung beschränkt sich zunächst aufEintrittskarten (unten 2.) und erläutert deren Rechtsnatur. Danach werden dieeinzelnen Schritte des Ticketerwerbs rechtlich analysiert und gezeigt, welcheAnsprüche aus dem Ticketvertrag resultieren können sowie welche Möglichkei-ten bestehen, sich vom Vertrag zu lösen (unten 3.). Da häufig mit dem Erwerbeines Tickets über den bloßen Eintrittsanspruch hinaus weitergehende Ansprüche(z.B. auf Reiseleistungen) erworben werden, ergeben sich auch zahlreicheRechtsfragen bezüglich derart verbundener Leistungen (unten 4.). Anschließendwerden die besonderen datenschutzrechtlichen Anforderungen an das Online-Ticketing erläutert (unten 5.), bei dem anders als beim Kartenverkauf am Schalterhäufig Kundendaten erfasst und gespeichert, teilweise sogar auf Tickets gedrucktwerden. Schließlich beleuchtet der Beitrag die beim grenzüberschreitenden Ti-cketing auftretenden Fragen des internationalen Privatrechts sowie Fragen desnationalen und internationalen Prozessrechts (unten 6.).

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2. Die einzelnen Arten von Online-Tickets

2.1 Postalisch versandte oder persönlich ausgehändigteKarten auf Online-Bestellung

Diese schlichteste Form des Online-Ticketing ist wohl noch immer die beliebte-ste. Sie unterscheidet sich von den später dargestellten Formen vor allem darin,dass die Tickets grundsätzlich zentral hergestellt und nicht von mehreren Stellenparallel erzeugt werden. Derartige „klassische“ Tickets sind echte Wertpapiere,also Urkunden, die ein privates Recht in der Weise verbriefen, dass eine unmit-telbare Verknüpfung zwischen verbrieftem Recht und Papier entsteht und dasRecht ohne die Urkunde nicht ausgeübt werden kann. Unter einer Urkunde ver-steht man insoweit jede schriftliche Verkörperung einer Gedankenäußerung, auchwenn diese nur aus den Gesamtumständen unter Zugrundelegung der Verkehrsan-schauung zu entnehmen ist. Auch Tickets, die keine Unterschrift tragen, sinddaher Wertpapiere, wenn die vorgenannten Voraussetzungen vorliegen.

Klassische Tickets können verschiedenen Wertpapiergattungen angehören:

- Häufig sind Eintrittskarten als Inhaberpapiere i.S.d. § 807 BGB ausgestaltet.Wenn der Wert der verbrieften Forderung – wie häufig bei Tickets – relativklein ist, spricht man auch von „kleinen Inhaberpapieren“. Wegen der zumeistnur unvollständigen Angabe des Leistungsversprechens sind auch die Begrif-fe „unvollkommene Inhaberpapiere“ und „Inhaberzeichen“ für Eintrittskartengebräuchlich. Derartige Tickets werden weitgehend wie Inhaberschuldver-schreibungen behandelt. Ihre Übereignung erfolgt also wie die beweglicherSachen nach §§ 929 ff. BGB. Es gelten damit auch die Regeln über den gut-gläubigen Erwerb gemäß §§ 932 ff. BGB und §§ 366 f. HGB. Das Recht ausdem Papier folgt dann dem Recht am Papier. Nicht anwendbar ist gemäߧ 807 BGB das in § 793 Abs. 2 BGB enthaltene besondere Formerfordernisfür Inhaberschuldverschreibungen.

- In manchen Fällen sind Eintrittskarten als qualifizierte Legitimationspapierenach § 808 BGB ausgestaltet. Dies ist dann der Fall, wenn der Aussteller nureiner bestimmten Person gegenüber verpflichtet sein will, die nicht unbedingtnamentlich bezeichnet sein muss (z.B. den Mitgliedern eines Fördervereinsoder Fanclubs gegenüber). In letzterem Fall spricht man von unbenanntenLegitimationspapieren. Der Schuldner kann bei qualifizierten Legitimations-papieren aber mit befreiender Wirkung (Liberationswirkung) an den nichtbe-rechtigten Papierinhaber leisten, ohne dass der nichtberechtigte Inhaber da-durch gegenüber dem Berechtigten legitimiert würde. Daher sprechen mancheauch von „hinkenden Inhaberpapieren“. Diese nehmen eine Zwischenstellungzwischen den Inhaber- und den Namens-/Rektapapieren ein. Ihre Übertragungerfolgt wie bei reinen Namens-/Rektapapieren nicht nach den sachenrechtli-chen Vorschriften in §§ 929 ff. BGB, sondern nach den Abtretungsregeln in§§ 398 ff. BGB. Das Eigentum am Papier folgt dem verbrieften Recht, § 952