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TECHNOLOGY REVIEW DEUTSCHE AUSGABE NR. 09 SEPTEMBER 2007 COMBOTS | FOKUS: KÜNSTLICHE INTELLIGENZ 09 | 2007 6,80 Österreich 7,00 e | Schweiz 11,80 sfr Benelux 8,00 e | Italien 8,50e | Spanien 8,70 e LUFTFAHRT Flugzeuge mit Wasserstoff-Antrieb FOKUS Künstliche Intelligenz: Wie Computer denken lernen DATENFUNK Neue Konzepte für mehr WLAN-Hotspots MEDIZIN Ersatzorgane aus Stammzell-Laboren Warum Combots-Gründer Michael Greve sein Vermögen auf seinen Traum von besserer Internet- Kommunikation verwettet

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09 | 2007 6,80€

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LUFTFAHRTFlugzeuge mitWasserstoff-Antrieb

FOKUSKünstlicheIntelligenz: Wie Computerdenken lernen

DATENFUNKNeue Konzepte fürmehr WLAN-Hotspots

MEDIZINErsatzorgane ausStammzell-Laboren

Warum Combots-Gründer MichaelGreve sein Vermögen auf seinenTraum von besserer Internet-Kommunikation verwettet

tr.0907.001 17.08.2007 11:43 Uhr Seite 3

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Hier stand im Heft eine Anzeige

tr.0000.dummy.osx.EP 14.07.2005 14:06 Uhr ©Seite 2

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EDITORIAL 3

Kennen Sie Michael Greve? Sollten Sie auf jeden Fall: Er istnicht nur Chef des womöglich bestkapitalisierten Start-upsder Welt, sondern offensichtlich auch ein Unternehmer-Tier.Denn statt sich mit den vielen Millionen aus dem Verkauf desKerngeschäfts seines vorigen Unternehmens Web.de einfach zurRuhe zu setzen, hat Greve noch einmal voll losgelegt (mehr dazuab S. 26) – offenbar unbeeindruckt von der Tatsache, dass erÄhnliches schon bei Web.de erfolglos versucht hat und dass auchder erste Versuch mit seiner neuen Combots AG ein Reinfallwar. Vor diesem Hintergrund wäre es ein Leichtes, Greve zuunterstellen, seine Geschäftsidee sei nur ein Hobby auf Kostender freien Aktionäre. Als Mitgründer von Web.de hat er enormvom kritiklosen Internet-Hype zur Zeit des Börsengangs pro-fitiert – der gab ihm die Möglichkeit, bis zuletzt viel mehr Geldauszugeben, als das Unternehmen einnahm. So gesehen hatteGreve vielleicht einfach nur Glück mit dem Timing, und dasdicke Kapitalpolster sorgte dafür, dass er trotz grundfalscherStrategie jahrelang weitermachen konnte.

Diese Betrachtungsweise aber lässt außer Acht, dass esdurchaus verdienstvoll ist, Trends frühzeitig zu erkennen undzu versuchen, davon zu profitieren. Eigentlich liegt darin dochgenau das, was in Deutschland sonst oft so schmerzlich vermisstwird: Unternehmergeist. Und auch das Geld, mit dem Grevearbeitet, stammt ja nicht vom Steuerzahler, sondern von Leu-ten, die freiwillig in seine Aktien investiert haben. Dass er inmanchen Medien wegen des zweiten Fehlstarts jetzt schon wie-der mit Häme überschüttet wird, finde ich deshalb unangemes-sen. Natürlich hat Greve Fehler gemacht, und natürlich kanner mit seinen großen Plänen scheitern. Aber dass er sich die-ser Gefahr überhaupt aussetzt, dafür müsste sich der StandortDeutschland eigentlich bedanken. Oder sehen Sie das anders?Bitte schreiben Sie an [email protected].

+++Dass Misserfolge dazugehören, findet auch der Intel-Technik-vorstand Justin Rattner: Er drängt seine Forscher zu mehr Pro-jekten, bei denen nichts herauskommt. Den Grund dafür ver-rät er im Interview ab Seite 36 .

+++Nicht zuletzt: Vielen Dank für die Antworten auf meine Fragenzum Phänomen Apple – Auszüge finden Sie auf Seite 6. Ganzschön viele Leute wollten auch unser Titel-iPhone haben. Ge-winnen konnte es natürlich letztlich nur einer: Martin Schieleaus Villingen-Schwenningen. Herzlichen Glückwunsch!

Viel Spaß beim Lesen wünscht

Sascha MattkeChefredakteur

Danke fürs Versuchen

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TECHNOLOGY REVIEW September 2007

tr.0907.003.neu2 23.08.2007 11:46 Uhr Seite 1

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Blicke in ferne Galaxien

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�Medizin 10 Biochip ermittelt Blutmerkmale exakter

�Verkehr 11Elektromotoren sollen Düsentriebwerke ersetzen

�Software 12 Programme erkennen, wer wann spricht

�Medizin 14Diabetes-Diagnose schon vor dem Ausbruch

�Raumfahrt 14Plasma-Triebwerk erreicht Ausdauerrekord

�Update 16Neues aus den wissenschaftlichen Zeitschriften

52

Forschung & Entwicklung

�Medizin 18 Bio-Tinte macht Tätowierungen entfernbar

�Infotech 19Neues Geschäftsmodell für WLAN-Internet

�Verkehr 20Elektro-Motorräder mit Hightech-Akkus

�Software 22Casual Games als Zukunft der Spielebranche

�Medizin 22Schnelltest ermittelt Vogelgrippe-Viren

�Idee sucht Kapital 22Software-Werkzeug für Fahrzeug-Leichtbau

�Infotech 23Drahtlose Alternative zum USB-Anschluss

�Spin-off 24Zentimetergenaue Ortung durch Funkwellen

Unternehmen & Produkte

�Froitzeleien 84 Kolumne: Der Ratte langer Schwanz

�Verkehr 85Deutsche Autobauer entdecken das Spritsparen

�Forschung 86Unis und Forschungszentren rücken aneinander

�Biotech 87Deutschen Unternehmen fehlt es an Investoren

Analyse & Meinung

�Das Institut 88 Kolumne: Fallera statt Fulleren

�Materialien 89Pflanzen-Kunststoffe als Ersatz für Erdöl

�Bücher 92Ein Ex-Entwickler entlarvt Innovationsmythen

�Lexikon 94Datenspeicher: Das Gedächtnis der Kultur

Wissen

Inhalt

�DIESE THEMEN SIND AUF DER TITELSEITE ANGEKÜNDIGT TECHNOLOGY REVIEW September 2007

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Satelliten in der Fabrik24

Heilen mit Stammzellen 44 Die Zukunft

der MedizinTEIL 4

tr.0907.004-005 23.08.2007 9:24 Uhr Seite 4

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DIESER TEXT IST UNTER WWW.TR.AUDIBLE.DE ALS AUDIO-DATEI VERFÜGBARTECHNOLOGY REVIEW September 2007

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Kommunizieren mit Avatar

RubrikenEditorial 3

Leserbriefe 6

Einblick 8

Technologiezentren 78

Kongresse | Veranstaltungen 81

Unternehmensbörse 82

Firmenindex 96

Impressum | Vorschau 97

Letzte Fragen 98

�Infotech 36Interview: Intel-Technikchef Justin Rattner über Innovation,

die Konkurrenz aus Asien und die Zukunft des Computers

�Fallstudie 42Viele Kundenbedürfnisse dringen nie bis zu den Herstellern

vor. Der Automobilzulieferer Webasto möchte das ändern

�Serie: Medizin (IV) 44Stammzellen könnten ganze Organe neu wachsen lassen –

oder krankes Gewebe bei der Selbstheilung unterstützen

�Astronomie 52NASA-Ingenieure bereiten den Start des Hubble-Nachfolgers

vor. Er soll 13 Milliarden Jahre in die Vergangenheit schauen

Report

�Internet 26Web.de-Mitgründer Michael

Greve verfolgt unbeirrt eine

Mission: Mit reichlich Geld

aus dem Verkauf des alten

Geschäfts will er Internet-

Kommunikation neu definieren

Fokus: Künstliche Intelligenz�Pragmatismus und Vision 62

Im Mittelpunkt der KI-Forschung stehen heute nicht mehr

denkende Maschinen, sondern nützliche Werkzeuge

�Der dritte Weg 69 In simulierten Hirnstrukturen soll Intelligenz entstehen

�Fahrschule für Roboter 72 Infografik: Wie autonom agierende Fahrzeuge lernen,

sicher durch normalen Straßenverkehr zu navigieren

�Runter vom Holzweg 74 Warum Computer nie ein Bewusstsein haben werden

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6 LESERBRIEFE

»APPLE-VEREHRUNG

UND JOBS-KULT RÜH-

REN DAHER, DASS SICH

DIESE FIRMA BEMÜHT,

DIE MÖGLICHEN WÜN-

SCHE DER KUNDEN

IN IHREN PRODUKTEN

UMZUSETZEN.«

Richard Kinseher

TECHNOLOGY REVIEW September 2007

Zu: Editorial /„Kult und Kontrolle“ (08/07)

�Tyrannei muss nicht seinViele Leute glauben, dass ein Team besser wird, je mehr Leute es hat. Nurleider stimmt diese Intuition nicht. Abeiner gewissen Größe gibt es mehr Rei-bung als Ergebnis. Daher sind erfolgrei-che Teams zum einen klein, und manfindet dort häufig einen Diktator bezie-hungsweise eine Person, welche die un-angenehmen Entscheidungen trifft unddafür sorgt, dass sie umgesetzt werden.Jobs ist ein gutes Beispiel für dieses Prin-zip, aber es gibt sie überall, und nichtüberall ist es ein Diktator. Häufig ist eseinfach eine Person, die zuhört unddann eine Entscheidung trifft, die seltsa-merweise von allen getragen wird (auchwenn sie für viele unangenehm seinmag), einfach weil wir gern jemandemfolgen, der sich entscheidet. Es muss garkein Tyrann sein.

Aaron Digulla

�„Jobs ist ein Puzzlestück“Ich arbeite seit über 15 Jahren mit Apple-Macintosh-Rechnern – praktischvon Beginn an. Alle Apples, die ich selbstoder meine Firma gekauft haben, funk-tionieren heute – egal wie alt sie sind. Siehaben mich noch niemals im Stich gelas-sen, genervt oder Anlass dazu gegeben,sie vor Wut aus dem Fenster zu werfen. Sie arbeiten verlässlich, sind einfach zubedienen, sehen gut aus und macheneinfach Spaß. Und es kommt immeretwas Spannendes, Neues, Sinnvolleshinzu. Das überzeugt. Steve Jobs ist einPuzzlestück des Erfolges – kein unerheb-liches, aber auch nicht das einzige.

Heike Mathis

�Vision vom CharakterkopfWir leben immer noch in einer Design-und Usability-Wüste. Ästhetik bzw. De-sign führt aber nun auch nicht zur ein-deutigen Lösung einer Gestaltungsfrage.Und hier wirkt sich die einmalige Tat-sache aus, dass bei Apple offensichtlicheiner über alles wacht und die Fädenzusammenhält. Nur mit einer klarenVision ist es möglich, auch eine durch-gängige, klare Gestaltung zu verfolgen.Solange Steve Jobs „funktioniert“, wirdauch Apple funktionieren. Solch eineVision muss zunächst mal von einem

Charakterkopf ausgehen, der eine Mis-sion hat und sie bedingungslos umzu-setzen versucht. Denn leider erfordertgutes Design Querdenken, im Sinne voneine andere Perspektive einnehmen alsalle anderen. Und das scheint eine Qua-lität von Steve Jobs zu sein.

Hans Beck

�Kein Beleg für einen KultNach meiner Beobachtung kursierennoch eine ganze Menge Mythen überApple. Auch Ihr Artikel gibt einen da-von wieder. Seit einigen Jahren lese ichimmer wieder Artikel, die vom Apple-Kult reden. In keinem einzigen hat sichder Autor die Mühe gemacht, einen Be-leg anzugeben. Und beachten Sie, dassLeute, die, sei es aus echter Begeisterungoder falsch verstandenem Erklärungs-zwang, von ihren Apple-Produktenschreiben, noch kein Beleg für einen Kultum die Firma oder gar den CEO sind.

Dr. Jürgen Schweizer

Zu: Fokus Energiespeicher (08/07)

�Höhere Wirkung mit PressluftIst es sinnvoll, dass die Windräder erstStrom erzeugen, um diesen dann inDruckluft umzuwandeln? Da das prinzi-piell mit Verlusten behaftet ist, wäre esnicht sinnvoller, direkt einen Druckluft-erzeuger/Scrollverdichter im Windradzu betreiben? Man könnte die so erzeug-te Druckluft dann zwischenspeichernund in Schwachlastzeiten durch einma-liges Wandeln ans Netz abgeben.

Martin Priess

Zu: „Zum Schleuderpreis“ (07/07)

�Schlechtes Omen?Ist es Zufall, dass Sie im Titelbild des Ar-tikels „Zum Schleuderpreis“ die BerlinerTreptowers zeigen? In diesem Gebäudesaß früher die Star 21 Telecom, welcheals Wireless Local Loop Provider schei-terte. Das WLL-Spektrum wird jetzt, wieSie schreiben, für Wimax wiederverwen-det. Ich hoffe, dass das kein schlechtesOmen ist.

Matthias Krippendorf

�Leserbriefe an:[email protected]: Die Redaktion behält sich

vor, Leserbriefe zu kürzen.

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Eingabe Ihren letzten Gang in der Ver-brauchskette treten Einwegpfandflaschen undDosen durch die 13,8 Zentimeter große Ein-wurföffnung [1] an. Zum Erkennen der Sicherheitsmerkmale wie Barcode, Flaschen-form und Pfandlogo bugsieren Rollen undFörderbänder [2] das Pfandgut in eine güns-tige Position. Ein 24-Volt-Gleichstrommotor[3] sorgt dabei für den nötigen Antrieb.

Erkennung Um es Pfandbetrü-gern nicht zu leicht zu machen, hält sichWincor Nixdorf bei diesem Thema be-deckt. So viel war zu erfahren: Um dieForm des Leerguts zu erkennen, erstellteine Graustufen-Kamera [4] mit einerAuflösung von 400 000 Pixel 25 Bilder proSekunde. Gefilmt wird über einen Spiegel,während die Getränkeverpackung vor ei-nem Beleuchtungsschirm [5] liegt. Außer-dem erfasst ein Fotosensor [6] dasPfandlogo aus spezieller Infrarot-farbe [7], das dafür von zwei LED-Blitzeinheiten [8] beleuchtet wird.

Barcode-Erfassung Auf derSuche nach dem dritten Sicher-heitsmerkmal – dem EAN-Strich-code – scannt ein Barcode-Leserzugleich einen 30 Zentimeter gro-ßen Bereich. Dazu wandern wiebei Supermarktkassen 4000 Malpro Sekunde zwei Laserstrahlenmit der Wellenlänge von 650 Na-nometer übers Etikett.

Computer Mit 1,266Gigahertz Prozessortakt, 384 Me-gabyte Arbeitsspeicher und Linuxals Betriebssystem wertet ein Pen-tium-III-Computer [10] die Da-ten der Erkennungseinheiten ausund vergleicht sie mit Datenban-

8 EINBLICK

TECHNOLOGY REVIEW September 2007

Es summt, knirscht, manchmal ist ein Lichtblitz zu sehen, und irgendwann spuckt das Gerät einenBon aus – Rücknahme-Automaten für Einweg-Pfandflaschen sind ein modernes Mysterium. Umherauszufinden, was dahintersteckt, haben wireinen ReVendo 7000 von Wincor Nixdorf geöffnetVON HEIKO SPILKER; MARTIN JEHNICHEN (FOTO)

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Enthülltes Mysterium

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EINBLICK 9

TECHNOLOGY REVIEW September 2007

ken. Beim Erkennen der 2500 gespeicherten Ge-fäßformen kommt dabei unter anderem FuzzyLogic zum Einsatz. Passt die Form zum Barcodeund wurde auch das Sicherheits-Logo erkannt,wird das Leergut angenommen. Aufgrund der Er-schütterungen im Automaten rotiert im Rechnereine bis 800 g schockresistente, 20 Megabyte großeFestplatte aus dem Automobilbau. Eine Tastaturgibt es nicht, lediglich über ein Zahlenfeld [11] las-sen sich per Ziffernkombination Neustarts oderauch ein Reinigungsmodus initiieren.

Pressen Zwei 80 Kilogramm schwere Kom-paktor-Einheiten quetschen im hinteren Bereichdem Pfandgut das Letzte heraus. Wahlweise kön-nen beide für PET-Flaschen oder auch eine für Do-sen und eine für Flaschen genutzt werden. Immerdrückt dabei ein vier Millimeter starkes Stahlpad-del das Leergut auf zwei gegenläufige Schneidwal-zen, die jeweils mit 24 Messerringen besetzt sind.Beim Pressen werden die Gefäßwände so ange-schnitten, dass sie sich ineinander verhaken. So-mit ist die Form fixiert, und die Behältnisse sindzugleich eindeutig entwertet.

Entsorgung Ob Dose oder Flasche –beides landet am Ende im Container aus verzink-tem Stahlblech [13]. 400 Flaschen oder bis zu 1500Dosen passen dort hinein. Damit nichts überquillt,misst ein Ultraschallsensor [14] stetig den Füll-stand und zeigt das Ergebnis über die zweifarbigeLeuchte [15] an der Geräteoberseite an. Gelb heißthalb voll, Rot bedeutet nichts geht mehr.

Bondrucker Ein kurzes Surren, dann liefertder Thermodirektdrucker mit 203 dpi Auflösungden Bon als Beweis für die Kasse aus. Die dafür be-nutzte 330 Meter lange Rolle reicht für maximal5500 Ausdrucke. Ausgeschrieben wie auch als Bar-code enthalten sie üblicherweise eine Bon-Num-mer, Angaben zum Supermarkt und die Anzahlder Einweggefäße mit Pfandwert.

Netzwerkverbindung Wer denkt, er könnteBons kopieren und mehrmals einlösen, liegt falsch:Wahlweise über ISDN oder Ethernet werden dieBon-Daten im XML-Format ans Kassensystemgeschickt. So ist jeder Bon schon vorm Abgeben ander Kasse bekannt, und Betrug ist nicht möglich.Danach gehen die Supermarktdaten per Internetan die Clearing-Stellen der Deutschen Pfand-system GmbH zur endgültigen Abrechnung. Sokommt schließlich jeder an sein Pfandgeld. y

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Forschung & Entwicklung

Gentest statt Blutgruppe

WATCHLIST PROJEKTE

Bei Bluttransfusionen müssen ähnlich wie bei Organver-

pflanzungen die Gewebemerkmale von Spender- und

Empfänger-Blutzellen genau zueinanderpassen. Um

das zu gewährleisten, werden neben dem AB0-System drei

weitere Merkmale bestimmt – die Rhesus-, Kell- und Duffy-

Faktoren. Dazu werden im Blut mittels Antikörpern spezielle

Moleküle auf der Membran der roten Blutzellen identifiziert.

Diese serologischen Tests hält Professor Neil Avent vom

Bristol Genomics Research Institute aber für zu ungenau, um

gefährliche Immunreaktionen auszuschließen. Er hat deshalb

einen Biochip entwickelt, der mittels Gentests die wichtigsten

9 der insgesamt 29 bekannten Blutmerkmale bestimmt.

Der Vorteil der Genotypi-

sierung besteht darin, dass

die DNA-Sequenzen der

Blutmerkmal-Gene immer

gleich bleiben; dagegen kön-

nen Menge und Form der

auf ihrer Grundlage gebilde-

ten Moleküle durch winzige

Genmutationen stark

variieren. Während der sero-

logische Test für AB0 sehr

genau ist, zeigt er etwa

beim Rhesus-System das

sogenannte RhD-Molekül

nicht immer richtig an, wenn es in zu geringer Zahl vorliegt.

Das kann bei Schwangeren und Patienten, die häufig Trans-

fusionen brauchen, zu großen Problemen führen.

Laut Avent ließe sich das vermeiden, wenn die DNA von

Spendern und Empfängern mit allen bekannten Genvarianten

der wichtigsten Blutmerkmale abgeglichen würde. Dazu wer-

den die Kammern seines Biochips mit DNA-Sequenzen befüllt,

die zu den gesuchten Genvarianten passen. Dann kommt die

aufgearbeitete Blutprobe dazu – wenn sich darin enthaltene

DNA-Stücke in einer Kammer anlagern, lösen sie Lichtsignale

aus, die mit einem Fotosensor erfasst werden. So lässt sich

feststellen, welche Genvarianten der neun geprüften Merk-

male in der Probe vorliegen. Noch aber hat der Chip ausge-

rechnet beim klassischen AB0-Merkmal Schwächen und müss-

te in Kombination mit serologischen Tests eingesetzt werden.

Laut Professor Axel Seltsam, Transfusionsexperte an der

Medizinischen Hochschule Hannover, ließen sich mit dem

Chip besonders seltene Rhesus-Varianten tatsächlich genauer

bestimmen. Eine Genotypisierung aller Blutspender würde es

allerdings noch schwieriger machen, zu einem bestimmten

Patienten passendes Blut zu finden. VERONIKA SZENTPÉTERY

Kampf gegen KeimeDas Bundesforschungsministe-rium will die Umsetzung von Er-gebnissen aus der sogenanntengenombasierten Infektionsfor-schung vorantreiben. Gefördertwerden interdisziplinäre Verbund-projekte mit Beteiligung der In-dustrie, die neue Ansatzpunktefür den Kampf gegen pathogeneMikroorganismen bieten.

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Blut-Biochip: Genauer, aber mitSchwächen beim AB0-Merkmal

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Schneller mit SpinIm Forschungszentrum Dresden-Rossendorf ist eine Forschungs-gruppe für ferromagnetische

Halbleiter eingerichtet worden.Die Forscher erwarten schon innaher Zukunft von der soge-nannten Spinelektronik neueBauelemente, die um ein Viel-faches schneller sein könntenals heute im Einsatz befind-

liche Produkte.

[email protected]

Bessere BiomodelleUm experimentelle Befunde inden molekularen Biowissen-

schaften zu analysieren odervorherzusagen, brauchen Wissenschaftler bessere Mo-delle. Die VW-Stiftung fördertdaher die Weiterentwicklungvon Computersimulationenmolekularer und zellulärer

Biosysteme sowie komplexerweicher Materie.

[email protected]

Ein Biochip soll Blut deutlich genauer klassifizierenund so gefährliche Immunreaktionen verhindern

EU gegen GoogleMit THESEUS will die EU neueSuchtechnologien für das Internetentwickeln lassen. In der erstenPhase werden nur Großunterneh-men Zuschüsse erhalten.

www.theseus-programm.de

tr.0907.010-012 23.08.2007 9:17 Uhr Seite 10

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Fliegen mit Supraleiter

Mit technischen Revolutionen tun sich Flug-zeugbauer schwer. Denn selbst wenn eineWand der Gepäckablage nur einen Millime-

ter dünner wird, wirkt sich das schon bis in die Aus-legung der kleinsten Schraube aus. Was ein Team umden NASA-Forscher Gerald Brown jetzt in einerMachbarkeitsstudie vorschlägt, dürfte daher jedemFlugzeugbauer den Schweiß auf die Stirn treiben:Elektromotoren auf der Grundlage von Hochtempe-ratur-Supraleitern (HTS) sollen die konventionellenJet-Triebwerke ersetzen. Letztlich will Brown sogardas „All-Electric-Aircraft“, bei dem HTS-Technik alles von der Toilettenspülung bis zum Ausfahren desFahrwerks steuert.

Möglich wird diese Vision durch bereits 1986 ent-deckte Kupferoxid-Verbindungen. Anders als Metal-le wie Niob oder Titan müssen sie nicht mit flüssigemHelium auf minus 269 Grad Celsius gekühlt werden,damit sie als Supraleiter jeglichen elektrischen Wider-stand verlieren. Zum Hervorrufen der verlustfreienStromleitung reicht es, sie mit leichter zu hand-habendem Flüssigstickstoff bei minus 196 Grad zu

kühlen. Bis vor einigen Jahren war die Verarbeitungder spröden keramischen Oxide noch mit zu viel Auf-wand und zu hohen Kosten verbunden. Mittlerweileaber bringen verbesserte Produktionsprozesse Hoch-leistungs-HTS-Kabel, supraleitende Strombegrenzerund leistungsfähigere Elektromaschinen in die Näheder Markteinführung (siehe TR 01/06).

„Unser All-Electric-Aircraft basiert auf dieserverfügbaren Technologie“, erklärt Brown, Leiter der„Vibration Control and Magnetic SuspensionGroup“ am Glenn Research Center der NASA. DenStrom für die Elektrodüsen sollen dabei supralei-tende Generatoren erzeugen, die von nahezu emissi-onsfreien Hochgeschwindigkeits-Gasturbinen ange-trieben werden – der minus 253 Grad Celsius kalteflüssige Wasserstoff, den diese Turbinen verbrennen,würde in dem Konzept zugleich die Kühlung dersupraleitenden Spulen sicherstellen.

In bisherigen Strahltriebwerken saugt ein Propel-ler Luft an, die verdichtet wird. In der nachfolgendenBrennkammer wird Treibstoff eingespritzt und dieseMischung verbrannt; die Verbrennung erhöht die

VERKEHR

NASA-Forscher wollen Düsentriebwerke durch Hochleistungs-Elektromotorenersetzen. Diese Pläne sind nicht so verrückt, wie sie zunächst klingen mögen

Elektromotor mitsupraleitenden Spulen

Konventionelles Düsentriebwerk Triebwerk mitElektroantrieb

tr.0907.010-012 23.08.2007 9:17 Uhr Seite 11

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Temperatur und die Strömungsgeschwindigkeit. Das be-schleunigte Gas treibt eine Turbine an, die wiederum als An-trieb des Luft ansaugenden Propellers dient. Allerdings dürfendie großen Schaufelblätter des Propellers eine vom Durch-messer abhängige Drehzahl nicht überschreiten, da ihre Blatt-spitzen sonst in den Überschallbereich geraten, was zum Strö-mungsabriss und zu Leistungseinbußen führt. Die Turbinehinter der Brennkammer ist auf derselben Welle gelagert,braucht für optimalen Betrieb aber eigentlich weit höhereDrehzahlen – ein fauler Kompromiss.

Der HTS-Motor könnte damit Schluss machen: Er ersetztBrennkammer und Turbine und treibt an ihrer Stelle den Pro-peller an. Dabei lässt er sich für beliebige Drehzahlen auslegen,der Austausch wäre unproblematisch und würde auch nichtzu Leistungseinbußen führen, sagt Philippe Mas-son, Forscher am „Center for AdvancedPower Systems“ an der Florida State University und Co-Autor der Machbarkeitsstudie: ModerneHigh-Bypass-Flugzeugtriebwerke erzeugten den Vortriebschon zu 90 Prozent über die an der Brennkammer vorbeige-leitete Luft. Man könne auf den heißen Abgasstrahl also auchganz verzichten – mit dem angenehmen Nebeneffekt, dass dasTriebwerk leiser wird.

Zusätzlich zum Antrieb und zum Kühlen der Gasturbinenwill Masson den Wasserstoff ein drittes Mal nutzen: Über dieAbwärme der Turbinen könnten Hochtemperatur-Brenn-stoffzellen als Zusatzaggregate noch mehr Strom erzeugen.„Momentan ist diese Technologie deutlich zu schwer für denEinsatz im Flugzeug“, relativiert er. Prinzipielle Einwände gebees aber nicht – die Wasserstofftechnik schätzt er sogar alsungefährlicher ein als riesige Kerosintanks. Und eine auf aktu-elle HTS-Technologie umgerüstete Boeing 737-200 würde denBerechnungen der Forscher zufolge kaum mehr wiegen als einFlugzeug mit herkömmlicher Technik.

„Die Studie verliert sich nicht in wilde Spekulationen undhat in der Tat Charme“, kommentiert Wilfried Goldacker, Lei-ter der „Arbeitsgruppe Supraleiter und Strukturmaterialien“am Institut für Technische Physik des ForschungszentrumsKarlsruhe. Kupferdraht-Elektromotoren mit vergleichbarenLeistungen schieden bisher wegen Gewicht und Größe für dasFlugzeug aus. HTS-Motoren aber machten ein solches Szena-rio denkbar. Zu Spulen aufgewickelte HTS-Drähte, die bis zu hundert Mal so viel Strom transportieren können wie eingenauso dickes Kupferkabel, erzeugten ein wesentlich stärke-res Magnetfeld als normale Elektromotoren. So werde eine

äußerst kompakte Bauweise möglich.Man müsse freilich sehen, dass die

Technologie trotz aller Fort-schritte noch in der Entwicklungs-

phase stecke, sagt Goldacker. „Das Problem ist das Material“, sagt

Joachim Bock, Spezialist für HTS-Drähte beim Supraleiter-Ex-perten Nexans Superconductor: „Die Drähte der sogenanntenersten Generation bestehen aus einem Komposit von Silberund HTS-Keramik-Filamenten – und sind zwar technologischausgereift, aber sehr teuer.“ Bei der zweiten Generation aufBasis der Keramik Yttrium-Barium-Kupferoxid habe manzwar ein verbessertes Verfahren entwickelt. Aber auch hierseien noch längst nicht alle Komponenten so günstig, wie es fürden industriellen Einsatz nötig wäre.

„Wir sagen auch nicht, dass morgen schon das All-Electric-Aircraft fliegen kann“, räumt Masson ein. Zuvor müssten aufjeden Fall alle Bauteile exakt an die geänderte Gewichtsver-teilung angepasst werden. Doch diese Arbeit werden sich dieIngenieure bei Boeing und Airbus wohl machen müssen: Weilviele Anwendungen im Flugzeug hohe Energiedichten beimöglichst kleinem Bauraum und wenig Gewicht benötigen,dürfte auf längere Sicht an der Supraleitung im Flugzeug ohne-hin kein Weg vorbeiführen. DENIS DILBER

Das präzise Erkennen unterschiedlicher

Sprecher ist nicht nur für das automati-

sche Indizieren von Tonaufnahmen ent-

scheidend, sondern erhöht auch die

Genauigkeit aller Spracherkennungs-

systeme. Ein neues Verfahren der Uni-

versity of Hertfordshire verspricht nun

wesentliche Verbesserungen: „Wir

haben bewiesen, dass sich durch

unsere neue Methode die Genauigkeit

der Sprecherwechselerkennung um

30 Prozent erhöhen lässt“, erklärt

Aladdin Ariyaeeinia, dessen Gruppe

das Verfahren entwickelt hat.

Die grundlegende Vorgehensweise

der Hertfordshire-Forscher gleicht der

üblichen Methode: Das Audiosignal wird

durch Abtasten und mathematische

Verfahren in eine Folge von Vektoren

(Features) umgewandelt. Die Feature-

Folge wird Stück für Stück durch ein

imaginäres zweigeteiltes Schiebefenster

betrachtet. Eine eigens berechnete Ver-

teilungsfunktion stellt dabei die Features

in jedem Fenster dar. Fällt die berech-

nete Ähnlichkeit der beiden Verteilun-

gen unter einen definierten Schwellen-

wert, wird ein Sprecherwechsel ange-

nommen. Das Verwenden einzelner

Verteilungen kann allerdings zu einer

erhöhten Anzahl falsch angenommener

Sprecherwechsel führen.

Die Forscher um Ariyaeeinia verrin-

gern diese Fehlerrate, indem sie das

gesamte Audiosignal mit einer gewich-

teten Summe von Gaußverteilungen

darstellen – von ihr ausgehend können

sie auf die Verteilungen in den einzel-

nen Fenstern schließen. Den dadurch

erhöhten Rechenaufwand kompen-

sieren sie durch einen neu entwickelten

Algorithmus. GORDON BOLDOUAN

Sprecher-Wechsel im Griff

SOFTWARE

TECHNOLOGY REVIEW September 2007

12 FORSCHUNG & ENTWICKLUNG

tr.0907.010-012 23.08.2007 9:17 Uhr Seite 12

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Wissenschaftler schätzen, dass Patien-

ten bereits 50 bis 90 Prozent ihrer

Insulin produzierenden Zellen verloren

haben, wenn bei ihnen das erste Mal

Diabetes diagnostiziert wird. Ein neuer

Biomarker soll Ärzten nun dabei helfen,

Diabetes früher zu erkennen: Er bindet

sich an einen Rezeptor innerhalb der

gesunden Insulin-Zellen und ist radio-

aktiv gekennzeichnet, sodass er mit

einem Positronen-Emissions-Tomogra-

fen (PET) erfasst werden kann. Die auf

diese Weise markierten Zellen sind

dann auf dem PET-Bild als leuchtende

Flächen zu sehen. Erste Tests bei

Ratten haben bestätigt, dass auf

diese Weise zwischen gesunden und

beschädigten Insulin produzierenden

Zellen in der Bauchspeicheldrüse

unterschieden werden kann.

„Wenn wir den Zellverlust früh

erkennen können, können wir mög-

licherweise eine Therapie beginnen,

bevor irreversible Schäden auftreten“,

sagt Dan Skovronsky, Gründer und

Vorstandsvorsitzender von Avid Radio-

pharmaceuticals, dem Entwickler des

Markers. Avid plant, noch in diesem

Jahr mit Tests an menschlichen Patien-

ten zu beginnen.

Nach einem ähnlichen Prinzip funk-

tioniert ein ebenfalls von Avid entwickel-

ter Marker, der sich an die Alzheimer

verursachenden Plaques im Hirn bindet.

Dieser Biomarker wurde im Juni von

Bayer Schering

Pharma lizen-

ziert. EMILY SINGER

Die Plasmarakete war für vieleScience-Fiction-Autoren derSiebzigerjahre das bevorzugte

Vehikel zum Erobern des Alls. Von die-ser Begeisterung hat sich auch FranklinChang-Diaz anstecken lassen: Seit 1979arbeitet der am MIT promovierte Plas-ma-Physiker – unterbrochen durch eineKarriere als NASA-Astronaut – an demfuturistischen Raketenantrieb. Jetzt hatsein Unternehmen Ad Astra RocketCompany gleich zwei wichtige Hürdenfür die Realisierung von Plasmaraketenüberwunden.

Als Grundlage hat Ad Astra von derNASA ein Patent für einen Plasmamotorübernommen. Dabei wird das EdelgasArgon durch elektromagnetische Wel-len in ein 50 000 Grad heißes Plasma ausIonen und Elektronen zerlegt. Damit dieBrennkammer nicht schmilzt, halten supraleitende Magnete das Plasma imZaum. Dieses Magnetfeld beschleunigtzugleich den Plasmastrom und bündeltihn wie eine verstellbare Düse zu einemAntriebsstrahl. Durch die hohen Tem-peraturen soll eine Plasmarakete lautChang-Diaz deutlich effizienter arbeitenals eine mit herkömmlichem Raketen-motor und etwa doppelt so viel Nutzlastim Verhältnis zum Eigengewicht auf-nehmen können.

Doch die Plasmaprozesse sindschwer zu beherrschen. Im Juni schaff-ten es die Ad-Astra-Ingenieure in einemVersuchstriebwerk in Costa Rica erst-mals, über vier Stunden hinweg ein sta-biles Plasma zu erzeugen, und stelltendamit einen neuen Rekord auf. „Die Pa-rameter haben sich während dieser Pha-se nicht mehr verändert. Das bedeutet,dass die Maschine beliebig lange laufenkann“, sagt Chang-Diaz. Zudem habendie Forscher die nötige Erzeugungs-energie für ein Elektron-Ionen-Paar aufunter 100 Elektronenvolt gesenkt – dieSchwelle, ab der ein Plasmaantrieb ener-getisch erst sinnvoll ist.

Die nötige elektrische Energie zurErzeugung, Erhitzung und Beschleu-nigung des Plasmas soll zunächst vonSonnensegeln stammen. Für eineMond-Mission wäre dafür eine Flächevon 3600 Quadratmetern notwendig.Deshalb müsste eine Plasmarakete miteinem konventionellen Shuttle in dieUmlaufbahn geschossen werden. Fern-ziele sind für Chang-Diaz der Mars undein Kernreaktor als Stromquelle. Dochfürs Erste schweben ihm bodennähereAnwendungen vor – etwa ein fernge-steuertes Service-Raumschiff, das imOrbit Satelliten auftankt.

Die aktuelle Versuchsmaschine leis-tet 70 Kilowatt. Im Januar 2008 soll ein200 Kilowatt starkes Aggregat getestetwerden – genug für ein Raumschiff inder Umlaufbahn. Noch stärkere Maschi-nen können aber nicht auf der Erde ge-testet werden, weil sie auf Vakuumkam-mern angewiesen sind. Für Ende 2010peilt Chang-Diaz deshalb einen Probe-lauf bei der Internationalen Raumstationan. Für einen Mars-tauglichen Fünf-Megawatt-Motor will er noch höher hinaus: „Wir planen ein Testgelände aufder Mondoberfläche.“ GREGOR HONSEL

Mit Plasma zu den Sternen

RAUMFAHRT

MEDIZIN

TECHNOLOGY REVIEW September 2007

14 FORSCHUNG & ENTWICKLUNG

Biomarker verrät Diabetes

Linkwww.avidrp.com

Antrieb der Zukunft: Die 70-Kilowatt-Ver-suchsmaschine läuft stabil, stärkere folgen

Linkwww.adastrarocket.com

Strahlend gesund: Nur funktionierendeZellen leuchten im PET-Scan hellbau auf

tr.0907.014 23.08.2007 9:12 Uhr Seite 14

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KONTEXT: Bevor auf Indus-triebrachen neue Wohnvier-tel entstehen können, müs-sen die Böden oft abgetragenoder aufwendig von belasten-den Schwermetallen gerei-nigt werden. Mit speziellenporösen Werkstoffen könntedieser Reinigungsprozess ver-einfacht und beschleunigtwerden. Ein griechisch-ame-rikanisches Forscherteamsetzt dazu auf eine neue Materialklasse aus Schwefel-und Selenverbindungen.METHODE: Mercouri G. Ka-natzidis von der UniversitätKreta und seine Kollegen vonder Northwestern Universityin Evanston stellten das Ma-terial her, indem sie einewässrige Suspension aus Sul-fid- und Selenid-Clusternunter hohem Druck mit su-perkritischem Kohlendioxidtrockneten. Dabei entstandein poröses Aerogel mit einerOberfläche von bis zu 327Quadratmetern pro Gramm.Besonders Quecksilberionenkonnte dieses Material dau-erhaft in seine Poren aufneh-men und so die Konzentra-tion an Quecksilber in einerbelasteten Testprobe auf 0,04 ppm (Teile pro Millio-nen Teile) senken.RELEVANZ: Außer fürSchwermetall-Filter sind An-wendungen für Ionentau-scher, molekulare Siebe oder

Katalysatoren denkbar. Dasich Aerogele in ihrer Zu-sammensetzung leicht ver-ändern lassen, können sie an ihre jeweilige Aufgabe flexibel angepasst werden.Nach der Synthese kleinerMengen wollen die For-scher die Eigenschaften opti-

mieren und den Ober-flächenanteil pro Gramm erhöhen. Danach soll eingünstiges Verfahren für dieMassenproduktion entwi-ckelt werden.

Quelle: „Porous SemiconductingGels and Aerogels from Chalco-genide Clusters“, S. Bag et al.,Science, Vol. 317, S. 490

KONTEXT: Mit grausamerRegelmäßigkeit rafft Cholerajedes Jahr Tausende vonMenschen in den Entwick-lungsländern dahin. Flä-chendeckende Impfungengestalten sich wegen dernötigen ununterbrochenenKühlkette für den Impfstoffschwierig. GenveränderterReis bewirkte nun nach demschlichten Verzehr bei Mäu-sen eine ausreichende Im-munität.

METHODE: Tomonori Nochiund seine Kollegen von derUniversität Tokio veränder-ten das Erbgut von Reis-pflanzen derart, dass sie eineUntereinheit des Cholera-toxins B (CTB) produziertenund bis zu 30 MilligrammCTB in jedem einzelnenKorn einlagerten. Im Maus-versuch wiesen die Nagetierenach dem Verzehr diesesImpfreises eine ausreichendeImmunität gegen Cholera-Erreger auf. Anders als nacheiner klassischen Cholera-Impfung über eine Injektionkonnten die Forscher dasCholeratoxin sogar in denSchleimhäuten nachweisen.Dadurch konnte das Ein-dringen des Erregers in denKreislauf der Tiere zusätzlicherschwert werden.RELEVANZ: Besonders fürEntwicklungsländer birgtdieser Ansatz großes Poten-zial, denn die genveränder-ten Reiskörner waren sogarnach anderthalbjähriger La-gerung ohne Kühlung nochfür eine Impfung geeignet.Zusätzlich reduziert eineorale Impfung das Risiko vonanderen Infektionen, die mitgebrauchten Spritzen ver-breitet werden könnten.Nach den erfolgreichen Tier-versuchen muss nun die Verträglichkeit für den Men-schen in klinischen Tests belegt werden. Die Forscherhalten essbare Impfungenauch gegen weitere Infekti-onskrankheiten für möglich.

Quelle: „Rice-based mucosalvaccine as a new global strategy forcold-chain and needle-free vaccina-tion“, T. Nochi et al., PNAS, DOI10.1073/pnas.0703766104

KONTEXT: Trotz vieler For-schungsansätze sind einfacheBlut-Schnelltests auf Prio-nen-Krankheiten wie BSE,Scrapie oder Creutzfeldt-Ja-kob noch nicht verfügbar; biszu zwei Wochen dauert auchder gesicherte Nachweis vonkrankhaften Prionen in derRückenmarksflüssigkeit. Mitgentechnisch veränderten Pri-onproteinen lässt sich dieserVorgang nun auf zwei bisdrei Tage verkürzen. METHODE: Byron Caugheyund seinen Kollegen vomNational Institute of Allergyand Infectious Diseases inBethesda ist es gelungen, inBakterienkulturen Hamster-Prionproteine gentechnischherzustellen. Diese könnenanstelle des aufwendig ge-reinigten Hirnextrakts alsGrundsubstanz für einenPrionentest eingesetzt wer-den – sie lassen sich ver-gleichsweise schnell, in gro-ßen Mengen und in reinerForm erzeugen. In erstenVersuchen genügten denForschern zwei MikroliterRückenmarksflüssigkeit, ummit ihrer Hilfe Scrapie-infi-zierte Hamster von nicht infizierten zu unterscheiden:Wenn defekte Prionen aufdie Test-Proteine treffen,werden diese ebenfalls infek-tiös. So entsteht eine Ketten-reaktion, deren Resultat mitInfrarot-Spektroskopie nach-gewiesen wurde. N

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UPDATE

Das Wichtigste aus den wissenschaftlichen Zeitschriften: Jeden Monat werden neue

Resultate veröffentlicht, aus denen neue Technologien hervorgehen können. Natürlich kann

niemand wissen, was morgen wirklich zählt. Aber wir tun unser Bestes, es für Sie zu finden

TECHNOLOGY REVIEW September 2007

16 FORSCHUNG & ENTWICKLUNG

CLEANTECH

Gel gegenSchwermetalle Poröses Material speichert Quecksilber in Hohlräumen

Impfung im Essen

Genetisch veränderterReis macht Mäuseimmun gegen Cholera

BIOTECH

Schnelltest aufRinderwahn

Genveränderte Prion-proteine als Ersatz fürHirngewebe-Extrakt

tr.0907.016-017 21.08.2007 11:35 Uhr Seite 16

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TECHNOLOGY REVIEW September 2007

RELEVANZ: Die Prionpro-teine bieten eine viel verspre-chende Alternative zu denExtrakten aus Hirngewebe.Doch das eigentliche Ziel istnoch nicht erreicht: Nurnoch eine Blutprobe soll bald einen sicheren Prionen-Nachweis liefern können.Zudem könnte der jetzt entwickelte Reaktionsansatzhelfen, Wirkstoffe zu finden,die die krankhaften Zusam-menlagerungen von Prionenund damit das Fortschreitender Krankheit blockieren.

Quelle: „Ultrasensitive detection ofscrapie prion protein using seededconversion of recombinant prionprotein“, Ryuichiro Atarashi et al.,Nature Methods, DOI: 10.1038/nmeth1066

KONTEXT: Schon heute er-übrigt sich das zeitraubendeHochfahren eines Rechners,wenn man SRAM-Moduleund eine Pufferbatterie ver-wendet – das funktioniert abernur so lange, wie die Batteriegeladen ist. Abhilfe bietennicht flüchtige Speicher, dieDaten ohne jede Stromzu-fuhr sichern. Würzburger Physiker ergänzen die Paletteder möglichen Kandidaten umein Speicherbauelement auseinem magnetischen Halb-leiter.METHODE: Dem Team umLaurens Molenkamp von derUniversität Würzburg gelanges mit dem ferromagne-tischen Halbleiter Gallium-manganarsenid, eine Art magnetischen Transistor auf-zubauen. Dazu ordneten siezwei etwa 200 Nanometer

breite und 20 Nanometerdünne Streifen aus diesemMaterial senkrecht zueinan-der an. Der Vorteil: Mit ei-nem kleinen Magnetfeld vonbis zu 300 Millitesla kann jeder Streifen unabhängig von den anderen magnetisiertwerden. Je nach Ausrichtungder Magnetisierung wechselt

auch der elektrische Wider-stand dieser Schicht zwischenleitend und isolierend. RELEVANZ: So elegant dieserSchaltvorgang funktioniert,ist dieser Prototyp nochnicht für Computerchips ge-eignet, da das Modul bislangauf minus 271 Grad Celsiusgekühlt werden musste. Nungilt es, ferromagnetischeHalbleiter zu entwickeln, diedieses Schaltverhalten auchbei Raumtemperatur ermög-lichen.

Quelle: „A non-volatile-memorydevice on the basis of engineeredanisotropies in (Ga,Mn)As“, KatrinPappert et al., Nature Physics,DOI:10.1038/nphys652

KONTEXT: Nanoforscher set-zen heute mit den Spitzenvon RasterkraftmikroskopenMilliardstel Meter kleinePartikel zu einzelnen Modu-len wie zum Beispiel Nano-transistoren zusammen. Al-

ternativen zu diesem auf-wendigen Verfahren, dieauch in flüssiger Umgebungfunktionieren, werden nochgesucht. US-Wissenschaftlerwollen nun Bakterien als Arbeitstiere einsetzen, umvorerst zumindest mikrome-tergroße Objekte gezielt zubewegen.METHODE: Min Jun Kim undseine Kollegen von der Dre-xel University in Philadel-phia nutzten eine Kultur mitBakterien der Art Serratiamarcescens. Diese verfügenüber Geißeln, mit denen siesich durch eine Nährflüssig-keit bewegen können. In ei-ner Pufferlösung bewegtendie Mikroben ein Kunststoff-Dreieck von 50 MikrometernBreite und 10 MikrometernDicke mit etwa neun Mikro-metern pro Sekunde. UnterUV-Bestrahlung stellten dieMikroorganismen ihre Be-wegungen sofort ein undnahmen sie nach Abschaltender UV-Lampe wieder auf. RELEVANZ: Die Bewegungenvon Bakterien für den An-trieb von Mikro- oder Nano-objekten zu nutzen klingtelegant. Doch trotz desSchaltens über UV-Licht istdiese Methode noch sehrweit von einer halbwegs zu-verlässigen Kontrolle ent-fernt – in Grenzen ist bislangnur die Steuerung über Kon-zentrationsänderungen che-mischer Substanzen möglich.Andere Ansätze, wie bei-spielsweise elektrisch oderoptisch geregelte Nanoak-tuatoren, sind diesem Ziel –sowohl in trockener als auchnasser Umgebung – näher.

Quelle: „Control of microfabricatedstructures powered by flagellatedbacteria using phototaxis“, EdwardSteager, Min Jun Kim et al.; AppliedPhysics Letters, Bd. 90, Art. Nr.:263901

ZUSAMMENGESTELLT VON JAN OLIVER LÖFKEN

Arbeitsspeichermit GedächtnisFerromagnetischeHalbleiter behaltenDaten ohne Strom

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INFOTECH

Bakterien als Nano-Arbeiter

Schwimmende Mikro-organismen lassen sichmit UV-Licht schalten

NANOTECH

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Unternehmen & Produkte

Tätowieren ohne Reue

WATCHLIST PATENTE

Eine neue Tattoo-Tinte lässt sich vom Körper raschabbauen – aber erst, wenn der Träger das auch will

Permanente Tätowierungen sind nicht nur ein ästhe-

tisches, sondern auch ein gesundheitliches Risiko.

Die oft selbst gemixten Tinten können Schwermetalle

enthalten, krebs- oder allergieauslösend sein, ihre Entfernung

kann mehrere Laserbestrahlungen erfordern und vierstellige

Beträge kosten. Der Dermatologie-Professor Rox Anderson

von der Harvard Medical School arbeitet deshalb an Tattoo-

Tinten, die ungefährlich und einfach zu entfernen sind. Als

Pigmente benutzt er Kohlenstoff und Eisenoxid für Schwarz

und Braun sowie Betacarotine für Gelb und Orange. Zudem

experimentiert er mit Lebensmittelfarben.

Diese Stoffe sind ungiftig, werden aber innerhalb einiger

Tage vom Körper wieder abgebaut. Um sie permanent in der

Haut zu halten, hat sich Anderson mit Edith Mathiowitz, Medi-

zin-Professorin an der Brown University, zusammengetan.

Mathiowitz ist spezialisiert auf Mikrokapseln, die Medikamente

an einen bestimmten Ort im Körper transportieren und dort

gezielt freisetzen. Mit Polymethylmethacrylat, das auch bei

Kontaktlinsen oder Herzklappen verwendet wird, fand sie ein

Material, das ungiftig, haltbar und transparent genug ist, um

als Kapsel für die Pigmente zu dienen. Bei Tierversuchen

waren die Farben auch nach Monaten noch sichtbar.

Um Tattoos trotzdem einfach entfernbar zu machen,

bauten Anderson und Mathiowitz einen kleinen schwarzen

Fleck in die Kapseln ein, der auf Laserlicht einer genau

definierten Wellenlänge anspricht und die Pigmente dann

freisetzt, sodass sie vom Körper abgebaut werden können.

„Die größte Herausforderung ist es aber, die Tinte nicht nur

sicher, sondern auch für Tattoo-Künstler ansprechend zu

machen“, sagt Mathiowitz. Ihr Forscher-Kollege Anderson

hat bereits ein Unternehmen namens Freedom-2 gegründet,

das im nächsten Jahr die erste

Generation seiner Bio-Tinte auf

den Markt bringen soll. JENNIFER CHU

MEDIZIN

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Affe statt MausUS-Forscher haben ein Verfahrenzur Gewinnung von embryonalenKeimzellen aus Affen entwickelt.

Diese können zwar nicht zurTherapie beim Menschenbenutzt werden, aber sieerlauben aussagekräftigereStammzellen-Forschung alsdie Zellen einer Maus.

WO/2007/084585

Großes KinoDie Imax Corporation hat ein Verfahren entwickelt, das die Auf-lösung und die Bildfrequenz vonalten, auf konventionellem Mate-rial gedrehten Filmen deutlichverbessert. Anschließend sollensie auf Großleinwänden gezeigtwerden können.

WO/2007/085950

Besser ladenAkkus sollen schneller gela-den werden können, ohnedadurch an Lebensdauereinzubüßen, indem sie nichtmit einem konstanten Lade-strom, sondern über einenfrequenz- und amplituden-modulierten Strom geladenwerden.

WO/2007/077078

Sprechende E-MailEine Text-to-speech-Software sollE-Mails oder andere Dokumentemit der Stimme ihres Autors vorle-sen. Dazu werden die Stimmmerk-male des Absenders extrahiert,zusammen mit dem Dokument aufden Rechner des Empfängersgeschickt und dort mittels Sprach-synthese vorgelesen.

WO/2007/087120

Linkwww.freedom2ink.com

Abruf der Patente im Volltext:

www.wipo.int/pctdb/en

Gelöschte Jugendsünde: Verkapselte Spezialtintemacht die Entfernung alter Tätowierungen einfacher

tr.0907.018-020.qxp 23.08.2007 9:20 Uhr Seite 18

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Vom kostenlosen Freifunk.net über Kommu-nen und die halbkommerzielle CommunityFon bis zu T-Mobile: Die Liste der Anbieter,

die mobilen Menschen in Deutschland und anders-wo Internet-Zugang über WLAN ermöglichen, istlang. Doch just in der Vielfalt der Anbieter und Mo-delle liegt auch ein Problem begründet: Solange sichkein dominierender Dienst herausgebildet hat, derweithin verfügbar ist, müssen sich reisende Nutzermit unterschiedlichsten Log-ins und womöglichnoch Verträgen herumschlagen.

Neue Software samt einem neuen Geschäftsmo-dell aus dem thüringischen Städtchen Ilmenau solljetzt für Bewegung sorgen. René Böringer, Geschäfts-führer des IT-Start-ups Cuculus, spricht gar von ei-ner „Bombe“, die im Markt gezündet werden könne,und einer Hotspot-Dichte, die sich „so schnell mitkeinem anderen Modell erreichen“ lasse.

Technische Grundlage für diese hochfliegendenPläne ist das von Cuculus entwickelte Mini-Betriebs-system Zonos. Es läuft auf unterschiedlichen WLAN-Routern und macht aus einem physischen zwei vir-

tuelle Geräte: Das erste kümmert sich wie ein ge-wöhnlicher Privat-Router um die Surf-Belange desNutzers daheim, das zweite fungiert als WLAN-Hotspot für fremde Surfer. Der Datenverkehr landetin jedem Fall auf der DSL-Leitung des Router-Betrei-bers – aber der kann genau festlegen, welchen Teilseiner Netzkapazität er abgeben will. Zudem istdurch die Zweiteilung gewährleistet, dass der An-schlussinhaber nicht ausspioniert oder für möglicheOnline-Straftaten des Surf-Gastes zur Verantwor-tung gezogen werden kann.

Ähnliche Möglichkeiten bieten auch andere Rou-ter oder Erweiterungen dafür. Der eigentliche Cloudes Cuculus-Systems liegt deshalb eher im Geschäfts-modell, das durch die Software möglich wird: Nichtder Endkunde selbst soll den Hotspot-Teil des Heim-Routers betreiben, sondern dessen DSL-Provider –der Kunde gibt also einen Teil der gemieteten Anbin-dung virtuell gleich wieder zurück. So wird der DSL-Anschluss zum Hotspot, für den der Provider wedereinen Standort suchen musste noch Stromrechnun-gen bezahlen muss. Als Anreiz dafür kann er den

INFOTECH

WLAN-Hotspots bieten bequemen Internet-Zugang für unterwegs. Mit einemneuen Geschäftsmodell könnte sich ihre Verbreitung deutlich beschleunigen

TECHNOLOGY REVIEW September 2007

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Drahtlos in Weimar: Cuculus-Chef René Böringer will die thüringische Stadt zum WLAN-Labor machen

Beeindruckende Zahlen

tr.0907.018-020.qxp 23.08.2007 9:20 Uhr Seite 19

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TECHNOLOGY REVIEW September 2007

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DSL-Preis senken, einen Teil derHotspot-Erlöse abgeben oder demHotspot-Betreiber freien WLAN-Zu-gang über alle anderen Partner ge-währen.

Für die erhoffte explosive Wir-kung auf dem Markt würde es lautBöringer schon ausreichen, wenn sichzehn Prozent der Kunden eines klei-neren Providers für das Modell gewin-nen ließen. Tatsächlich kommt manso schnell auf beeindruckende Zahlen:Die aktuelle Nummer zwei im deut-schen DSL-Markt ist United Internetmit 2,4 Millionen Kunden; wenn nur jeder Hundertste davonmitzieht, kämen dabei schon 24 000 Hotspots heraus – deut-lich mehr als beim nach eigenen Angaben größten kommerzi-ellen WLAN-Anbieter T-Mobile mit seinen 17 000 Hotspotsund auch mehr als bei der wohl größten WLAN-CommunityFon, die Anfang des Jahres 11327 Zugangspunkte in Deutsch-land meldete.

Um Praxiserfahrungen mit der Zonos-Software zu sam-meln, hat Cuculus Anfang August damit begonnen, in der be-nachbarten Stadt Weimar 70 WLAN-Router an private undgewerbliche Nutzer zu verteilen, die als Hotspot fungieren sol-len. Wer sich über einen dieser Hotspots einwählt, landet dannzunächst auf einem Portal mit regionalen Informationen. Werin den Rest des Webs will, muss sich als Nutzer registrieren,

nach spätestens zwei Stunden wird die Sessionbeendet. Der Start in den Live-Betrieb war fürEnde August geplant.

Parallel verhandelt Cuculus derzeit mitDSL-Providern im In- und Ausland über dieEinführung der kommerziellen Variante. Dasallerdings gestaltet sich insbesondere inDeutschland schwierig, sagt GeschäftsführerBöringer: „Die Provider sind ja ziemlich unterPreisdruck und haben keine Budgets für neueAngebote.“ Mit Sicherheit werde es in dennächsten drei Monaten noch nicht zu einemAbschluss kommen.

Vor Cuculus dürfte deshalb ein Konkurrentdie Gelegenheit bekommen, die Macht des neues Partnermo-dells zu demonstrieren: In Frankreich hat Fon mit dem Inter-net-Provider Neuf Cegetel ein Abkommen geschlossen, nachdem dieser seine DSL-Boxen bei allen Kunden über ein Soft-ware-Update für die Nutzung als Fon-Hotspot vorbereitet.Anfang September soll der Dienst offiziell starten; wer dann dieOption aktiviert, stellt drahtlosen Internet-Zugang für andereFon-Mitglieder zur Verfügung und kann im Gegenzug alle150 000 Fon-Hotspots weltweit kostenlos nutzen. Ende Julimeldete Neuf Cegetel rund drei Millionen Breitbandkunden –gut möglich also, dass der Wanderpokal für das weltweit um-

fassendste Netz von WLAN-Hot-spots erst einmal nach Frankreichgeht. GREGOR HONSEL

20 UNTERNEHMEN & PRODUKTE

Aus eins mach zwei: Virtuelle Doppel-

Router sollen für mehr Hotspots sorgen

VERKEHR

Hightech-Akkus auf Rädern

Der US-Hersteller Vectrix hat mit dem

„Maxi Scooter“ einen Elektroroller

vorgestellt, der ähnliche Leistungen wie

ein Motorrad bietet – ohne jeglichen

Schadstoff-Ausstoß. Ganz billig wird

das Öko-Vergnügen allerdings nicht:

Der Vectrix-Scooter soll rund 11000

Dollar kosten. Das Gefährt, das im Juli

erstmals an US-Kunden ausgeliefert

wurde, ist zudem nicht das einzige

schnelle Zweirad mit Elektromotor. Ab

2008 sollen in den USA mindestens

zwei weitere elektrische Motorräder

angeboten werden. Möglich wird

dies vor allem durch eine verbesserte

Batterietechnologie (siehe TR 08/07).

Vectrix setzt auf Nickel-Metall-

hydrid-Akkus, das demnächst auf den

Markt kommende E-Motorrad Enertia

von Brammo Motorsports verwendet

Lithium-Ionen-Akkus. Solche

leichten Batterien machen den

Elektroantrieb selbst für Moto-

cross-Zweiräder interessant: Zero

Motorcycles arbeitet an einer

Maschine, die problemlos 20

Meter weite Sprünge vollführen

soll; eine Straßenversion inklusive

Ladegerät ist für 2008 angekün-

digt. Die verwendeten Hochleis-

tungs-Batterien stammen hier vom MIT-

Spin-off A123 Systems. Enertia setzt

hingegen auf Batteriepacks von Valence

Technologies, wie sie auch im Ein-

mannroller Segway verbaut werden.

Die neuen Elektro-Motorräder haben

allerdings noch immer eine einge-

schränkte Reichweite. Das „Zero“-Moto-

cross-Motorrad schafft aktuell 64 Kilo-

meter mit einer Aufladung, das Vectrix-

Bike 96 Kilometer, das Enertia-Motorrad

kommt auf 72 Kilometer. Und auch bei

der Höchstgeschwindigkeit können die

Elektro-Räder noch nicht recht mithal-

ten: Das Vectrix-Modell als schnellste

Maschine des Trios erreicht maximal

100 km/h. KEVIN BULLIS

Leicht und leise: Das Elektro-MotorradEnertia fährt mit Lithium-Ionen-Akkus

Linkwww.cuculus.net

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22 UNTERNEHMEN & PRODUKTE

SOFTWARE

Von mehr als 60 Tonnen schweren

Lokomotiven würde man nicht unbe-

dingt Anstöße für den Leichtbau erwar-

ten. Doch Hans-Peter Dahm fand den

Einstieg in die Welt des Gewichts-

managements genau hier –

denn auch bei Loks kommt

es auf jedes Kilogramm an:

„Wenn die Achslasten nicht

stimmen, bekommen die

Fahrzeuge keine Zulas-

sung“, sagt der frühere

Werkstudent bei der ABB

Daimler-Benz Transpor-

tation GmbH.

Solange Ingenieure noch Excel-

Stücklisten benutzen, um das Gewicht

eines Fahrzeuges abzuschätzen, lassen

sich Fehlentwicklungen kaum frühzeitig

erkennen. „Ich bin erst einmal ein Jahr

im Keller verschwunden und habe eine

vernünftige Software für das Gewichts-

management geschrieben“, erinnert sich

Dahm. Diese Software eignet sich im

Gegensatz zu einer Excel-Tabelle für

die Zusammenarbeit von verteilt arbei-

tenden Entwicklern, für die Errechnung

der Gewichtsverteilung und für den Ver-

gleich verschiedener Szenarien.

Das Programm und das damit ge-

wonnene Know-how ist heute die Ge-

schäftsgrundlage für Dahms

1997 gegründete Firma TGM.

Es wird bisher intern einge-

setzt, um Mitarbeiter bei Bera-

tungsprojekten zu unterstüt-

zen – etwa bei Airbus oder in

der Autoindustrie. Nun will

TGM das Programm zu

einem marktreifen Produkt

ausbauen, das Schnittstellen

zu gängigen CAD-Systemen hat und

mit dem Haltbarkeit und Kosten einbe-

zogen werden können. Der Markt ist

laut Dahm noch weitgehend unbeackert:

„Die CAD-Anbieter haben das Thema

noch nicht erkannt.“ GREGOR HONSEL

KontaktHans-Peter Dahm / TGM GmbH

0 30 / 43 40 96 - 31

[email protected]

Idee sucht Kapital

IDEESUCHT KAPITAL@

TECHNOLOGYREVIEW.DE

SOFTWARE

TR: Was genau sind CasualGames? Jesper Juul: Spiele, die nur einekurze Einspielzeit und geringesVorwissen benötigen. Sie sind soentwickelt, dass sie in das Lebenihrer Spieler und deren Zeitplänepassen. Man kann sie nur ein paarMinuten spielen und trotzdem etwas erleben.

Im Mai hat der weltweit größteComputerspiel-Verleger Electronic Arts eine eigeneCasual-Games-Abteilung gegründet. Liegt darin die Zu-kunft der Spiele-Industrie?Ja, in dem Sinne, dass sie in Zu-kunft der dominierende Spieltypwerden könnten. Es fällt auf, dasseine Menge Menschen spielenwollen. Sie sehen sich aber nichtals Gamer an und übertreffen die-se auch in der Zahl bei Weitem.

Die geringen Hardware-An-forderungen machen Casual Games auch für Handysattraktiv. Eine Goldgrube? Ich denke, das ist eine Sache, vonder jeder gehofft hätte, dass siepassieren würde. Ist sie aber bis-lang noch nicht. Die großen Ca-sual Games wie „Dinner Dash“und „Bejeweled“ haben es auf dasMobiltelefon geschafft, aber an-sonsten ist das Handy gegenwär-tig nicht so wichtig. GORDON BOLDUAN

Das ungekürzte Interview finden Sie unter www.technologyreview.de/juul

„Trotzdemetwas erleben“

Werkzeug für Gewichtswächter

Wenn der Verdacht auf Vogel-grippe besteht, muss die Er-mittlungsarbeit schnell gehen.

Als Erstes wird das Vorhandensein vonInfluenza-A-Viren geprüft – fällt dieserTest negativ aus, kann Vogelgrippe so-fort ausgeschlossen werden. Nach demgleichen Muster wird bei Verdacht aufeine Virusgrippe beim Menschen die Er-krankung bestätigt oder ausgeschlossen.

Der Labordienstleister 4base lab hatjetzt einen neuen Test für Influenza-A-Viren entwickelt, der laut der Geschäfts-führerin Despina Tougianidou in zweiStunden Ergebnisse liefert und genauerist als andere Verfahren. Nachweise die-ser Art zielen auf das M-Protein, das alleInfluenza-A-Viren in ähnlicher Form inihrer Hülle tragen. Während viele Testsdas Protein selbst suchen, fahndet 4baselab nach dessen RNA-Sequenz.

Zwar gibt es Schnelltests, die damitwerben, bereits nach zehn Minuten Er-gebnisse zu liefern. Sie weisen aber nurHüllproteine oder Antikörper gegen sienach und „erkaufen sich die Schnellig-keit durch viele falsch negative Ergeb-nisse“, sagt Tougianidou. Ebenso gibt esauch andere RNA-Tests, doch die verfü-gen laut der 4base-lab-Chefin nicht überdas von der EU geforderte CE-Siegel zurProduktsicherheit. VERONIKA SZENTPÉTERY

MEDIZIN

TECHNOLOGY REVIEW September 2007

Jesper Juullehrte bis JuniComputerspiel-Theorie an derIT-Universität Kopenhagen. Mit seiner FirmaSoup Games ent-wickelt er jetzt„Casual Games“

Eindeutige Antwort: Die RNA-Sequenzeines Proteins verrät Influenza-A-Viren

RNA-Schnelltest auf Grippeviren

tr.0907.022-023 22.08.2007 15:01 Uhr Seite 22

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Die USB-Schnittstelle verbindetComputer schnell und einfachmit Kameras, Druckern oder

Festplatten. Der Preis dafür ist allerdingsKabelsalat. Der neue Standard „WirelessUSB“ soll das nach langer Vorbereitungs-zeit nun ändern (siehe TR 09/03).

Die ersten WUSB-Geräte kommengerade in den USA auf den Markt: Dellund Lenovo haben ihre ersten Note-books mit einem WUSB-Modul aus-gestattet, Belkin und D-Link bietenWUSB-Adapter für konventionelleUSB-Geräte an. Sie bestehen aus einemVerteiler mit USB-Buchsen und eigenerStromversorgung („Hub“) sowie einemSender, der in einen USB-Anschluss desRechners gesteckt wird und dann perFunk mit dem Hub kommuniziert. Übereine Entfernung von zwei bis drei

Metern überträgtWUSB bis zu480 Megabit proSekunde (Mb/s). Deretablierte drahtlose Über-tragungsstandard Bluetoothschafft derzeit nur 2,1 Mb/s.

WUSB basiert auf dem Ultra-Breitband-Funk (UWB), der im Märzvon der Normierungsorganisation Isozertifiziert wurde. UWB sendet im Be-reich von 3,1 bis 10,6 Gigahertz – in demauch W-LAN oder Radar arbeiten. Umsie nicht zu stören, werden UWB-Signa-le mit einer geringen Sendeleistung überein großes Frequenzband verteilt. Ande-re Anwendungen sollen UWB dadurchnur als schwaches Rauschen wahrneh-men. So zumindest die Theorie, von dersich die US-Behörde Federal Commu-

nications Commissionüberzeugen ließ und UWB

die Zulassung erteilte. Kritiker monieren, dass UWB

Interferenzen bewusst in Kauf nehme– Belkin verhandelt noch über eine Zu-lassung in Europa. Doch auch dannwäre das Rennen noch offen: Die nächs-te Bluetooth-Generation wird ebenfallsauf UWB aufsetzen und damit prinzi-piell die gleiche Leistung bringen. StattKabelsalat steht Nutzern künftig alsoWellensalat ins Haus. GREGOR HONSEL

Wellen- statt Kabelsalat

INFOTECH

USB per Funk: Drahtlos-Verteiler von Belkin

Link

www.wimedia.orgHomepage des UWB-Konsortiums

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Hitze, Staub, Rauch und Vibrationen sind der natürlicheFeind jeder Elektronik. Für Christoph Rommel undDirk Brunnengräber aber waren diese Störfaktoren

Geburtshelfer für das eigene Unternehmen: Mit ihrer Aus-gründung Symeo GmbH entwickeln und vertreiben sie einfunkbasiertes Positionierungssystem, das auch dann noch zen-timetergenau arbeitet, wenn herkömmliche Verfahren wegenwidriger Umstände die Segel streichen müssen.

Genau damit hatte das Stahlwerk Dillinger Hütte im Saar-land zu kämpfen: Dessen laserbasiertes Positionierungssystemfür die Kräne fiel immer wieder aus – und brachte damit dieProduktion ins Stocken. Denn die Lagerverwaltungssoftwarekann die mehreren tausend Stahlbrammen unterschiedlicherLegierungen nur dann im Lager finden, wenn sie bei der Ab-lage die genaue Position des Krans kennt. Als die Hütte des-halb Anfang des Jahrzehnts nach einem Ersatz für die Laser-Positionierung suchte, stieß sie auf eine Veröffentlichung vonSiemens-Ingenieuren zur Positionserfassung per Funk. Ge-meinsam mit Siemens entwickelten die Stahlwerker die Tech-nik, genannt Local Positioning Radar (LPR), weiter.

LPR arbeitet ähnlich wie das Navigationssystem GPS: Einmobiles Funkmodul tauscht Signale mit stationären Einheitenaus und ermittelt anhand der Signallaufzeit die Entfernungenzu den Stationen; anhand der Unterschiede lässt sich die ge-naue Position bestimmen. Anders als bei GPS aber sind diestationären Einheiten bei Symeo keine Satelliten, sondern etwahandtellergroße Geräte, die auf dem Betriebsgelände an die

Wand geschraubt werden. Sie senden mit 0,025 Watt im lizenzfreien Frequenzband von 5,725 bis 5,875 Gigahertz. Dasermöglicht derzeit eine Reichweite von rund einem Kilometerund eine Genauigkeit von zwei bis drei Zentimetern.

Im Jahr 2002 installierte die Dillinger Hütte eine erste Test-version, zwölf Monate später waren schon 20 Kräne mit denFunkmodulen ausgestattet. Damit war der erste Schritt zurProduktreife getan – doch die größten Schwierigkeiten auf

dem Weg auf den Markt sollten erst nochkommen: Keine Siemens-Abteilung wollteLPR als Produkt anbieten, also schrieben diebeteiligten Mitarbeiter einen Geschäftsplanfür eine Ausgründung. Das Management gabgrünes Licht, doch dann brachte das just zudieser Zeit geänderte Steuerrecht das Vorha-ben noch fast zum Scheitern: Die Anteile derGründungswilligen hätten sofort mit fünfstel-ligen Beträgen versteuert werden müssen. Erst2005 fand sich eine Lösung dafür. Noch imselben Jahr wurde Symeo gegründet.

Als erster Investor beteiligte sich die Sie-mens Technology Accelerator GmbH. Bei derweiteren Suche stellte das Symeo-Team fest,dass Venture-Capital-Geber risikoscheu seinkönnen: „Viele haben schnell die Klappe fal-len lassen, wenn es um Technologie in derFrühphase geht“, sagt Dirk Brunnengräber,Sprecher der Geschäftsführung, der 2004 alsbis dahin einziger externer Mitarbeiter zu Symeo stieß. Erst im April 2007 fand er mit

dem Baumaschinenhersteller Moba Mobile Automation einenstrategischen Investor.

Mittlerweile hat das Siemens-Spin-off einen Quasi-Stan-dard gesetzt. „In vielen Ausschreibungen steht schon drin: DieSensorik soll vom Symeo kommen“, freut sich Brunnengräber.Symeo-Technik arbeitet heute unter anderem bei Audi, Lindeund ThyssenKrupp. Ende des Jahres will das Unternehmeneinen Prototypen mit einer Genauigkeit von einem Zentime-ter vorstellen. Damit würde sich die Technik nicht mehr nurfür Lagerverwaltung und Logistik eignen, sondern auch fürautomatische Kräne und Stapler. „Das macht die Tür zu einemganz neuen Markt auf“, sagt Christoph Rommel, Geschäfts-führer Business Development und Finanzen bei Symeo undeiner der fünf Gründer des Unternehmens. GREGOR HONSEL

SPIN-OFF

Das Siemens-Spin-off Symeo ist erst zwei Jahre alt – und hat in dieser kurzen Zeitschon einen Quasi-Standard für die Positionsbestimmung in Fabriken etabliert

TECHNOLOGY REVIEW September 2007

Satelliten an der Wand

Auf Position: Die Symeo-Geschäftsführer Dirk Brunnengräber (links) und Christoph Rommel präsentieren die stationären Einheiten ihrer LPR-Technologie

Name Symeo GmbH | Branche Informationstechnologie |

Gründungsjahr 2005 | Sitz München | Beschäftigte 12 |

Finanzierung insg. sechsstelliger Betrag, 76 % Siemens Tech-

nology Accelerator GmbH, 24 % Moba Mobile Automation AG

tr.0907.024 21.08.2007 11:42 Uhr Seite 24

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TECHNOLOGY REVIEW September 2007

INTERNET 27

Missionar in eigener Sache Wer Michael Greve nicht mehr viel zutraut, dem sei verziehen: Schonzweimal hat der Web-Unternehmer hochfliegende Erwartungen geschürtund dann auf der ganzen Linie enttäuscht. Doch er lässt sich nicht beirren – und verfügt über genügend Geld, um noch lange durchzuhalten

VON ULF J. FROITZHEIM

tr.0907.026-034 22.08.2007 15:28 Uhr Seite 27

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Wenn sich Michael Greve Zeit für ein persönlichesTreffen nimmt, führt er den Besucher erst einmalhinab in die Katakomben. Hinter den Sicherheits-

schleusen im Untergeschoss des loftig-schnieken AnwesensAmalienbadstraße 41 in Karlsruhe-Durlach, in dem einst dieschnöde Firma Pfaff schnöde Nähmaschinen montierte, giltes, ein Rechenzentrum von Weltformat zu bewundern. FünfPetabyte, also fünf Millionen Gigabyte, können die Serverspeichern, die sich in hermetisch abgeschirmten, aufwendigbrandgeschützten Räumen bis unter die Decke türmen. Bün-delweise führen Glasfaserkabel aus dem LED-blinkendenMulti-User-Verlies hinaus ins weltweite Netz, 20 Gigabits proSekunde passen durch die Super-Pipeline. Kein Zweifel: Gre-ves Untergrundreich, ein von allerlei merkwürdigen Gestaltennamens „Combots“ bevölkertes Paralleluniversum, ist bestensgewappnet für einen Ansturm ungeheurer Horden von Usern.Müsste etwa die gesamte Einwohnerschaft von Second Lifesamt ihrer Simmobilien auf Völkerwanderung gehen, fändesie hier locker 50-fach Unterschlupf.

Doch so stolz Greve seine Luxus-Serverfarm präsentiert,so ungern spricht er über ihre fast demütigend niedrigeAuslastung: Erst 30 000 Nutzer machen nach aktuellsten Zah-len Gebrauch von der imposanten Infrastruktur, mit derenHilfe Greve das Versenden von Nachrichten und Dateien neudefinieren will (siehe Kasten rechts). Rein rechnerisch könntejeder der im Juli 2007 angemeldeten Combots-User hier 167Gigabyte als Zwischenlager für seine Videoclips, Fotos undSprachnachrichten okkupieren – weit mehr als die meistenvon ihnen auf der Festplatte ihres Heimcomputers zur Verfü-gung haben dürften. Diese überaus üppigen Kapazitäten ließsich Greve allein im zweiten Quartal 2007 mehr als 100 Europro Kundenkopf kosten. Kassiert hat er im Durchschnitt we-niger als zehn Cent. Anders gesagt: 99,9 Prozent der laufen-den Aufwendungen sind nicht durch Einnahmen gedeckt.

Für wen sich das nach einer Neuauflage von New-Eco-nomy-Blütenträumen nach 1990er-Jahre-Muster anhört, derliegt natürlich erst einmal genau richtig: Auch in dieser Zeitdes locker sitzenden Börsengeldes gaben Unternehmer Aber-millionen von Euros aus, bevor sie sich um die zu solchenInvestitionen passenden Einnahmen kümmerten – in denmeisten Fällen viel zu spät. Auch Greve selbst ist ein Kinddieser Ära. Als Mitgründer des Portals Web.de gehört er aller-dings zu den wenigen, deren Netzunternehmen nicht nurüberlebt haben, sondern sogar selbst zu begehrten Über-nahmeobjekten wurden. Mit den so herangeschafften 200Millionen Euro in bar und United-Internet-Aktien, die dankKurssteigerungen an der Börse inzwischen weitere rund 300Millionen Euro wert sind, will der Maserati-Fahrer im zwei-ten Anlauf schaffen, womit er bei Web.de gescheitert ist: SeinCombots-Dienst soll die Welt der Internet-Kommunikationrevolutionieren und der gleichnamigen Nachfolgerfirma zuMillionen verhelfen. Bislang allerdings steht diesen großenPlänen nur ein homöopathischer Umsatz von 3000 Euro imQuartal gegenüber.

Lokaltermin also beim umstrittenen Star-Gründer. Der44-Jährige hat zwar nicht das Charisma des Herr-der-Ringe-

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Avatar-Zentrale: Früher Näh-maschinen, heute Internet-Software

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Stars Viggo Mortensen, der ihn als Combots-Avatar auf denDesktops seiner Öffentlichkeitsarbeiter vertritt. Aber der Mannmit dem zumindest an diesem Nachmittag vollkommenpapierlosen Schreibtisch weiß, was er will, und weiß das auchdeutlich zu machen. Was immer andere über ihn denken odersagen mögen, der notorische Schlipsverweigerer erklärt gedul-dig, warum er von seinen Combots überzeugt ist. Als Mis-sionar in eigener Sache betet Greve ruhig seine schon oftrezitierten Argumente herunter: „Wir glauben, dassKommunikation über das Internet emotionaler werdensollte. Die Technik muss für den Nutzer in den Hinter-grund treten. Sie soll den Leuten nur ermöglichen, daszu machen, was sie machen wollen.“

MICHAEL, MATTHIAS UND BILLAuch in Sachen Selbstbewusstsein braucht Grevekeine Nachhilfe: „Wir sorgen dafür, dass es funktio-niert. Wir haben einen höheren Sicherheitsstan-dard als die meisten Unternehmen in ihrer IT.“Und irgendwie schafft es der Unternehmer, beiFreunden und Mitarbeitern unter dem comic-haften Spitznamen „Calvi“ bekannt, dass solcheBehauptungen nie angeberisch klingen, son-dern nach dem Brustton der Überzeugung: Ichweiß, dass ich recht habe, scheint er zwischenden Zeilen mitzuteilen, und wer das nichtbegreift, ist selber schuld. Die üblichenKonventionen des Geschäftslebens – derChef kann gerade nicht gestört werden, erhat Besuch – tangieren ihn nur peripher.Bibbert während einer Unterredung seinHandy, überlässt er den Gast kurzerhandseinem PR-Manager Oliver Schwartz, dergerade ohnehin souverän His Master’s Voiceabspult, als sei er der Ghostwriter seines Chefs,und verschwindet wortlos aus seinem Designer-Büro. Ein Weilchen später kommt er leise zurück und steigtohne überflüssigen Small Talk wieder ins Gespräch ein.

Hätte Greve nicht die vielen Millionen aus dem Verkauf desWeb.de-Kerns im Rücken gehabt, wäre vielleicht auch ein Ri-sikokapitalist als Finanzier für Combots eingesprungen. Dennder Studienabbrecher im Fach Elektrotechnik gilt, zusammenmit seinem jüngeren Bruder Matthias, nicht zu Unrecht alsAusnahmeerscheinung unter Deutschlands Unternehmern.Zwar mussten auch Web.de-Aktionäre nach dem Börsengangim Februar 2000 schnell und dauerhaft erhebliche Kursein-bußen hinnehmen. Aber das Unternehmen kam durch, undmit dem Verkauf seines Portalgeschäftes an United Internetim Herbst 2005 bewiesen die Greves, dass sie etwas geschaffenhatten, das dem Aufkäufer mehrere hundert Millionen Eurowert war. Diese Erfolgsgeschichte trug dem Älteren den Ruf eines weitsichtigen Vordenkers ein, der ein hervorragendesGespür für Trends und Innovationen im Online-Geschäft hat.Als eine TV-Reporterin der Deutschen Welle um einen popu-lären Vergleich rang, fiel ihr nichts Treffenderes ein als „derdeutsche Bill Gates“.

TECHNOLOGY REVIEW September 2007

In den USA gibt es einen Wettbewerb, bei dem selbst gebaute Spielzeug-Androiden gegeneinander

kämpfen, bis die Funken fliegen – die CombatRobots, kurz: Combots (www.combots.net).

Auch in Deutschland gibt es seit KurzemCombots (www.combots.de), doch diesind friedliche Softies. Ihr Spitz- und

Markenname steht für CommunicationRobots. Die Helferlein, die derzeit auf

Windows-XP- und -Vista-PCs undeinigen Java-fähigen Nokia-Smart-

phones funktionieren, kombinie-ren Instant Messaging mit

einem Tool zur asynchronen Übertragung großer Dateien. Fotos

oder Videos mit bis zu 100 Mega-byte und komplette Ordner bis zueinem Gigabyte kann der Nutzerdamit per Drag & Drop einem oder mehreren Freunden schicken, wenn die ebenfallseinen Combots-Account haben, oder an eigene Geräte über-tragen. Das funktioniert auch, wenn der Empfängergerade offline ist, denn die

Daten werden auf dem Combots-Server zwischengespeichert, bis alle

angegebenen Zielgeräte auf das Angebotzum Download oder zur Kontaktaufnahmereagiert haben.

Ein als Alleinstellungsmerkmal beworbe-nes Feature von Combots hat sich aller-dings bislang eher als Instrument der Kun-denabschreckung denn als Nutzermagneterwiesen: die Darstellung aller Kommuni-kationspartner als „Characters“, also Comic-

Figuren wie Garfield, Snoopy oder Tweetie, sowieder Assistentinnen-Avatar „Heidi“. Inzwischen kannman sich und seine Freunde und Kollegen zumin-dest durch sogenannte Business-Objekte wie Spiral-kugeln darstellen lassen. Die Forderung einiger Nutzer, anstelle der Avatare auch Fotos der echtenPerson zuzulassen, wurde bislang nicht umgesetzt.

Auf Beschwerden, bei mehr als einem Dutzend Kontakten sei der Windows-Desktop vor lauterCharacters nicht mehr benutzbar, hat Combots da-gegen reagiert: Jetzt gibt es Ordner, in denen manKollegen, Freunde und Verwandte zu Gruppenzusammenfassen kann. Außerdem ist Combots mittlerweile zu allen gängigen Chat-Programmen,ausgenommen Skype, kompatibel. Über dieintegrierte SIP-Software sind, wenn der Nutzer einen Vertrag mit einem Voice-over-IP-Telefon-anbieter abgeschlossen hat, außerdem Internet-Telefonate möglich. Noch allerdings führt diese Funktion bisweilen zu Konflikten mit VoIP-Geräten à la Fritzbox Fon.

Was die Combots können

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Das war schmeichelhaft gemeint, aberMichael Greve selbst weiß am besten, dassder Vergleich hinten und vorn nicht auf ihnpasst. Der deutsche Web-Pionier war nie soweit oben, dass er unter Monopolismusver-dacht hätte geraten können; finanziell hater ausgesorgt, doch von Gates’schen Reichtumsdimensionenist er gut und gern zwei Zehnerpotenzen entfernt. Neben derTatsache, dass beide Computer-Enthusiasten sind, die ihr Stu-dium einer Firmengründung geopfert haben, verbindet ihnmit dem langjährigen Microsoft-Chef allerdings eine schwererschütterliche Sturheit: Hatte Gates eine neue Idee, sparte ernie an Entwicklungsaufwand, und wenn sich ein Produkt oderDienst nicht gleich gewinnbringend verkaufen ließ, warf ernoch lange nicht die Flinte ins Korn. Bill G. kann sich solchenLuxus beliebig lang leisten, Michael G. zumindest eine halbeEwigkeit.

ZUSCHAUER IM FALSCHEN FILMBis dato sind es drei Zeit- und Hunderte vonEntwickler-Jahren, die Greve in sein einzigesProdukt investiert hat. Geschlagene zwei Jahrevergingen allein, bis er auf der Bühne der Karls-ruher Stadthalle vor 2000 geladenen Gästen denSchleier lüftete – und erst einmal einen bilder-buchmäßigen Fehlstart hinlegte. „Ich dachte, ichsitze im falschen Film“, erinnert sich eine Zuschaue-rin. Dabei war die Premierenshow im Juli 2006 sogründlich vorbereitet: Nach einem sehr amerika-nischen PR-Video, das die gesamte bisherige Ge-schichte der Telekommunikation wie die Vorge-schichte des zu präsentierenden „revolutionären

Kommunikationsdienstes“ aussehen ließ, nach einem audio-visuellen Spektakel mit Nebelschwaden, Hubschrauber-Surroundsound, Schritten aus dem Off, gruseligem Türen-knarzen und irrlichternden Scheinwerfern mimte Greve nichtetwa Bill Gates, sondern so etwas wie den deutschen Steve Jobs.Hemdsärmelig und in abgewetzt aussehen sollenden Jeanswie der Apple-Boss, allerdings mit unüberhörbarem Lam-penfieber, skizzierte er ein Horrorbild der technischen Kom-munikation im Zeitalter vor Combots: überall Spam, Phishing,Viren, miese Usability – und Konfigurationsstress. „Ich hasseHandbücher“, sagte der Firmenchef und frühere Web.de-Technikvorstand und konnte sich ähnlich großer Zustim-mung sicher sein, wie sie Jobs zu ernten pflegt.

Das Gefühl der Zuschauerin, im falschen Filmzu sitzen, hatte freilich weniger zu tun mit Tira-

den über unintuitive Technik, sondern mit demverhüllten Wesen, das Greves Adlatus FrankSchüler dann auf die von Trockeneis verne-

belte Bühne führte. Das kugelköpfige Etwas, das un-ter einem Laken in der Firmenfarbe Orange nochausgesehen hatte wie R2D2 oder ein Smiley aufBeinen, entpuppte sich als junge Frau mit blon-den Zöpfen und knallroten Kniestrümpfen, dieaus ihrem blau-weiß-roten Kleinmädchendirndlherausgewachsen zu sein schien: Heidi. Als die

Karikatur einer alpinen Kindfrau dem vom

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Figuren vom Fließband:Hunderte Entwickler-Jahre sind in das bislangeinzige Produkt geflossen

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Der Begriff „Web“ hatte sich in Deutschland noch garnicht als Synonym für die surfbaren Weiten des Internetsdurchgesetzt, da sicherten sich die Brüder Michael undMatthias Greve schon die Domain „web.de“. Unter dereinprägsamen Adresse starteten sie im Jahr 1995 einenwerbefinanzierten Wegweiser durch die deutsch-sprachigen Sites, ähnlich wie damals Yahoo in den USA.Ebenfalls wie Yahoo folgten die Greves dann dem Trendzum Webportal. Anfang 1999 lagerten die Brüder, die ihrdamaliges Unternehmen Cinetic GmbH schon 1987 als23-jähriger Studienab-brecher (Michael) und 20-jähriger Abiturient (Matthias)gegründet hatten, das Web-geschäft in eine Tochter-gesellschaft aus. Als dasSpin-off Web.de im Februar2000 an die Börse ging, wardie Aktie 20-fach überzeich-net. Beflügelt wurde die Fantasie der Anleger unteranderem durch den Einstiegdes Unternehmens ins „Uni-fied Messaging“, das dietechnischen Grenzen zwi-schen E-Mail, Fax, SMS undAnrufbeantworter verschwin-den lassen sollte.

Nach dem Platzen derAktienblase des NeuenMarktes im Jahr 2001 fiel Kritikern auf, dass Web.de dasGeld der Anleger verbraucht, um der Kundschaft Guteszu tun: Im Jahr des Börsengangs hatte die Greve-Firmajeden Euro Umsatz mit Kosten von 2,26 Euro erkauft. Diedurchaus nützlichen Messaging-Dienste gab es zum Null-tarif, die Einnahmen aus der Werbung reichten aber beiWeitem nicht aus, die Kosten zu decken. Obwohl derKurs der Aktie eingebrochen war, steckte der VorstandMillionen in die Weiterentwicklung seiner Unified-Messa-

ging-Software: Ab Oktober 2002 bot die neue Tochter-firma Web Telekom unter der Marke Com.Win einenweb-basierten Kontaktmanager an, über den der Kundeper Mausklick beliebig viele Teilnehmer aus seinemOnline-Adressbuch zu Telefonkonferenzen zusammen-schalten kann; neben Verbindungsentgelten wurde einemonatliche Grundgebühr fällig. Doch die Kunden bissennicht an – dabei hatten die Greves im Vorfeld nochangekündigt, das neue Produkt werde Web.de in die Liga der Umsatz-Milliardäre katapultieren. Vier Jahre

und einige Versionen späterwurde es ohne viel Aufhe-bens komplett vom Marktgenommen.

Zu diesem Zeitpunkt gab esWeb.de als Firma schon nichtmehr: Anders als die Bezahl-Software lief das Portal-geschäft zumindest hinsichtlichder Nutzerzahlen gut – rund10,5 Millionen Besucher proMonat ließen sich dort blicken.Das weckte das Interesse des Internet-Konzerns UnitedInternet (UI). Für 200 MillionenEuro in bar und 5,8 Millioneneigene Aktien übernahm er im Herbst 2005 das Portal-geschäft. Das verschaffteMichael Greve, der bald zum

Vorstandschef des Rest-Unternehmens wurde und es inCombots umbenannte, zum Übernahme-Stichtag einStartkapital von insgesamt 354,28 Millionen Euro. Erklär-tes Ziel der neuen Combots AG: die Entwicklung vonWeb-Telekommunikations-Produkten der nächsten Gene-ration. Während diese erneut enttäuschten, ist allein dasUI-Aktienpaket inzwischen rund 300 Millionen Euro wert –Combots bezeichnet es seit diesem Sommer als Teileiner „dualen Strategie“.

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SWR ausgeliehenen Conferencier Markus Brock ins Ohr säu-selte, sie werde ab sofort den Anwendern das Produkt Com-bots näherbringen, verstanden das manche Zuhörer – woraufdie Häme in diversen Foren und Blogs hindeutet – wohl eherals Drohung.

„Damit hatte nun wirklich niemand gerechnet“, erzählt dieAugenzeugin des Heidi-Events, die in der Karlsruher High-tech-Szene gut vernetzt ist. Das also sollte sie sein, die langeangekündigte Killerapplikation, mit der Combots zum „globalerfolgreichsten Unternehmen für Personal Digital Communi-cation“ werden will, wie Greve vorher mehrfach in Pressemit-teilungen hatte verlauten lassen. Doch nicht nur angesichts dergroßen Worte im Vorfeld war die Software eine Enttäuschung:Obendrein schafften es weder die Teilnehmerin noch mancherandere Neugierige, sie überhaupt zum Laufen zu bringen, wieein Blick in das Combots-Forum beweist. Mithilfe von Rück-meldungen hartnäckiger Tester gelang es den Technikern in

der Folgezeit immerhin, die vielen Kinderkrankheiten wie denpathologisch hohen Speicherbedarf zu beseitigen. Die eigent-liche Klientel aber – eben gerade die wenig technikbegeister-ten Normal-Nutzer – bekam davon nichts mit, weil sie dasThema längst abgehakt hatte.

SCHLAFMITTEL STATT KILLERAPPLIKATIONSchlimmer noch: Die Nachricht, dass die vermeintlicheRevolution nichts weiter als unausgereifter Kinderkram sei,verbreitete sich sowohl in der Technologieregion Karlsruheals auch in der Blogosphäre. Combots hatte ausgerechnet dieMultiplikatoren enttäuscht, die nach dem Konzept des vira-len Marketings Aufmerksamkeit und jede Menge Nutzer fürdas Produkt hätten erzeugen sollen. Sechs Wochen nach derErstvorstellung, zur IFA 2006, startete der öffentliche Beta-test. Mutig kündigte Greve vorher an, sein Service werde aufder Messe „sicherlich im Rampenlicht eines Weltpublikums

Wie Web.de zu Combots wurde

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Umfirmierung inCombots AG

Desinteresse an der Börse

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32 REPORT

stehen“, hinterher schrieber seinen Aktionären tap-fer, die Start-Show undder Auftakt zum Betatesthätten „ein riesiges Me-dienecho“ gefunden. Als

Beleg präsentierte er kurzeAuszüge aus mittelgroßen

Zeitungen, in denen manAnzeichen von Begeisterung

allerdings vergeblich sucht.Über Nutzerzahlen im Rahmen der erhofften „weltweiten

Verbreitung“ schwieg sich das Unternehmen dann ein Jahrlang konsequent aus. Auch inoffiziell drang nichts nach außen– Greve hatte seinen zeitweise 100 eigenen F&E-Mitarbeiterneine strenge Schweigepflicht auferlegt, nicht einmal mit Kolle-gen anderer Abteilungen durften sie über Details ihrer Arbeitreden. In der Karlsruher IT-Szene machte sogar das Gerüchtdie Runde, die Combots-Angestellten müssten in ihrem Lie-besleben Einschränkungen in Kauf nehmen: Lebenspartnervon Angestellten anderer IT-Firmengälten im Konzern als Sicherheitsrisiko.Laut Combots-Sprecher Oliver Schwartzist an dieser „Unterstellung“ nichtsdran. Doch Greves Ruf als notorischerGeheimniskrämer steht dem von SteveJobs (siehe TR 08/07) kaum noch nach.

Was ihm dagegen seit einiger Zeitfehlt, ist der Erfolg. Und so ist Grevemittlerweile gravierenden Attacken aus-gesetzt. In einem Antrag an die Haupt-versammlung im Juli forderte derFrankfurter Anleger Christian Strenger,den Bilanzgewinn aus der Wertstei-gerung der United-Internet-Aktien involler Höhe an die Aktionäre auszu-schütten und die Arbeit an Combots’Kerngeschäft und Greves Traum ein-fach aufzugeben: „Die Combots-Idee ist offenkundig gescheitert, Vorstandund Aufsichtsrat geben es nur nochnicht zu. Die angekündigte ‚Killerap-plikation‘ hat sich als Schlafmittel entpuppt.“ Insbesondere monierteStrenger, angesehener Ex-Banker undMitglied der RegierungskommissionCorporate Governance, die „infantilen“Avatare, „die den Kundenkreis vonvornherein auf die 8- bis 16-Jährigen“limitierten. „Wenn der Vorstand seine aussichtslose Geschäfts-idee weiter verfolgen will, soll er das mit eigenem Geld tun“,forderte Strenger.

Dem streitbaren Vorkämpfer für die Rechte der Minder-heitsaktionäre war natürlich klar, dass sein Antrag nicht mehrals ein provokantes Statement sein konnte. Es sind ja geradeder Vorstandschef und sein Bruder, die am meisten Geld ris-

kieren. Über ihre Holdingfirma Cinetic halten die Web.de-Gründer 56,26 Prozent der Combots-Aktien. Einen anderenGroßaktionär, der Mitspracherechte reklamieren könnte, gibtes nicht. Auch aus dem Aufsichtsrat droht der Firmenspitzekeine Gefahr: Das dreiköpfige Gremium besteht aus Greveslangjährigem Steuerberater Hansjörg Reiter, seinem VaterFelix Greve, dem fast eine halbe Million Aktien gehören, sowiedem Software-Unternehmer Karl Schlagenhauf, der den Grevesschon beim Aufbau von Web.de zur Seite stand. Wie Schlagen-hauf Greves Chancen einschätzt, mit Combots doch noch Er-folg zu haben, dazu will er nichts sagen. Bei Anfragen verweistder Aufseher einsilbig auf Michael Greve: „Beim Vorstand sindSie mit Ihren Fragen richtig.“

ZURÜCK ZUR INNOVATIONEin paar Wochen nach der Hauptversammlung ist ChristianStrengers Unmut zwar nicht verflogen, aber trotz der un-ausweichlichen Abstimmungsniederlage liegt eine gewisseGenugtuung in seiner Stimme: „Herr Greve hat das Büßer-hemd angezogen und zugegeben: Das Ding fliegt so nicht.“ In

Karlsruhe scheine sich der Realitätssinneingestellt zu haben, den er zuvor vermissthabe. Jetzt will Strenger für eine bessereInformationspolitik kämpfen. Als er am27. Juni seinen Antrag stellte, hattenGreve, Schüler & Co. nämlich selbst längstKurskorrekturen in die Wege geleitet.Dass der bislang proprietäre Combots-Messenger nun mit den weit verbreitetenChat-Programmen ICQ, AIM, YahooMessenger oder Google Talk kompatibelist, erfuhr Strenger offiziell erst am 12. Juliaus einer Pressemitteilung. Die Fachpressedagegen war schon vorher im Bilde, hattedie Information aber nur gegen schriftlicheZusicherung einer Sperrfrist erhalten.Auch mit seinem als Angriff verklausulier-ten Rat, statt kindischer Comicfiguren„erwachsenere“ Bildschirmsymbole anzu-bieten, mit denen ältere Zielgruppen etwasanfangen können, rannte Sprenger ohnees zu ahnen Türen ein, die kurz zuvorschon geöffnet worden waren.

Mit einem zähneknirschenden Einge-ständnis auf der Hauptversammlung, dasser Fehler gemacht habe, hat Michael Grevedie Opposition erst einmal besänftigt. Imlaufenden dritten Quartal, verspricht erjetzt, werde sich etwas tun, spätestens zur

Funkausstellung soll Combots – wieder einmal – Furore ma-chen. Und auf einmal drehen sich die Nachrichten wieder umeine technische Innovation, nicht um die Oberflächenkosme-tik über unsichtbarer Technik. Eine Vorschau auf das, was inder Pipeline ist, gibt es seit Wochen: Der Combots Mobile Cli-ent, der für technische Laien eine Brücke zwischen Multime-dia-Handys und PCs schlagen soll, liegt als Beta-Version für

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„DIE IDEE IST GESCHEITERT,

VORSTAND UNDAUFSICHTSRATWOLLEN DAS

NUR NOCH NICHTZUGEBEN.“

CHRISTIAN STRENGER

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drei Nokia-Modelle zum Download im Netz. Versionen fürandere Mobiltelefone soll es geben, wenn es mit den erstendreien keine Probleme mehr gibt.

Möglich, dass damit die Zeiten überwunden sind, in denenBeobachter den Namen Combots am liebsten mit Begriffen wie„Fiasko“ oder „Nullnummer“ in Verbindung brachten. „Wernicht mitmachen will, der soll doch seine Aktien verkaufen“,rät der Münchner Venture-Capital-Experte Rafael Laguna. Ersieht die Dinge positiv: „Die Greves sind A-Typen. Das sindLeute, die fürs Land Mehrwert generieren.“ Und die Chancenauf einen Erfolg seien allemal „höher als beim Roulette“, wasman nicht von allen Technologie-Investments sagen könne.

GELD FÜR DIE NÄCHSTEN 15 JAHREZumindest dürften Produktmanager Frank Schüler und seinChef-Freund Greve verstanden haben, dass sie sich erneuteKlagen über unausgereifte Software nicht leisten können.Womöglich werden sie sich jetzt auch dazu durchringen, diebornierten Freaks im eigenen Fan-Forum zu ignorieren, diemit ideologischem Eifer gegen die Idee agitieren, statt Comic-figuren und Spiralkugeln wahlweise schlicht Fotos der Kom-munikationspartner zu verwenden. Damit wäre auch Chef-kritiker Strenger einverstanden, der sich mit Greve in einemPunkt sogar grundsätzlich einig ist: dass Instant Messaging fürErwachsene einen interessanten Markt darstellt.

Unter externem Zeitdruck bei dessen Eroberung steht derVorstandschef jedenfalls nicht: Bei der aktuellen Geldverbren-nungsrate, am besten erkennbar am Ergebnis vor Steuern undZinsen von minus 8,2 Millionen Euro im letzten Quartal, wür-de das zu Ende Juni ausgewiesene Eigenkapital seiner CombotsAG noch für 15 Jahre reichen.

Ulf J. Froitzheim ist regelmäßiger TR-Autor. Er benutzt Com-

bots jetzt, um Dateien zwischen Computern zu verschieben.

Für Branchenbeobachter ist esein Déjà-vu-Erlebnis, denn dieseRechnung hatten sie schon einmalangestellt: nach dem Börsengangvon Web.de; damals wäre das Geldnach sieben Jahren aufgezehrt gewe-sen. Auch versucht sich Greve nicht daserste Mal an einer Kommunikationsrevo-lution – schon als Technikvorstand von Web.dehatte er eine versprochen und dann nicht geliefert (siehe KastenSeite 31). Dass er diesen Misserfolg jetzt mit Combots wieder-holt hat und immer noch nicht aufgibt, mag bei manchemZweifel am Realitätssinn des bekennenden Fantasy-Fans kei-men lassen. Doch er wäre nicht der Erste, der eine Idee unge-achtet aller Fehlschläge doch noch zum Erfolg bringt – undanders als bei Web.de setzt er sich heute immerhin nicht mehrder Gefahr aus, sich mit der Ankündigung von Milliarden-umsätzen unglaubwürdig zu machen.

Das deutlichste Anzeichen für die eigene Lernfähigkeit lie-ferte Greve auf der diesjährigen Hauptversammlung: Wenn dieNutzerzahlen im laufenden Quartal nicht deutlich anstiegen,sagte er dort, schließe er auch eine „grundlegende Anpassungder Geschäftsstrategie nicht aus“. Schon bald wird sich alsoerweisen, ob Combots ein Kommunikationsdienstleisterbleibt, den Aktionären doch eine Sonderausschüttung zukom-men lässt – oder ob Greve vielleicht eine neue Geschäftsideehat, die er mit seiner Erfahrung, seiner technischen Kompetenzund jeder Menge Geld zu verwirklichen versucht. y

Geschlossene Reihe: Der Aufsichtsrat stützt Greve, größte Aktionäre sind er selbst und sein Bruder

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Freund der Technik:Intel-CTO Justin Rattnerim Firmen-Museum

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TECHNOLOGY REVIEW September 2007

INFOTECH 37

„Ihr müsst aggressiver werden“Justin Rattner, Chief Technology Officer des Chip-Giganten Intel, überInnovationen, Konkurrenz aus Asien und die Zukunft des Computers

VON WOLFGANG STIELER

Einige Unternehmen im IT-Sektor,wie Microsoft oder IBM, haben bis-weilen ein ziemlich düsteres Image– ihnen wird nachgesagt, siewollen die Welt beherrschen. Intelhatte mit diesem Problem nie zukämpfen. Woran liegt das?Justin Rattner: Ich kann das ehrlichgesagt nicht so genau festmachen. Viel-leicht liegt es daran, dass wir – von eini-gen Ausreißern abgesehen – nur Kom-ponenten liefern. Und als derartigerAnbieter versuchen wir eben nicht,Steuerfunktionen über Computer zuübernehmen. Äußerst amüsant ist aller-dings, dass manche Leute uns mit derWintel-Verschwörung eine geheimnis-volle, konspirative Zusammenarbeit mitMicrosoft unterstellen – es wäre schön,die zu haben! Die Zusammenarbeit mit

Microsoft ist für uns aber in Wirklich-keit eine ziemliche Herausforderung.Wir sitzen da nicht einfach in lockererRunde beisammen und überlegen unsmal eben, welche neuen Übel wir derMenschheit bescheren können. Wir hat-ten noch nie einen Cross-Licence-Ver-trag mit Microsoft, obwohl das für unsdurchaus wünschenswert wäre. Dafür istes schon mehrfach vorgekommen, dasswir Technologien entwickelt haben unddann mehr oder weniger geduldig da-rauf warten mussten, dass deren Poten-zial auch bei Microsoft erkannt wird.Ein klassisches Beispiel dafür war derQuantensprung von 16 auf 32 Bit. Oderauch die aktuelle Virtual-Machine-Technologie: Da hat Microsoft ziemlichlange gebraucht, um sie voll und ganz zuakzeptieren.

Intel muss Neuerungen schnellvorantreiben, um seine Position als Marktführer zu behaupten. Wie gehen Sie dabei vor? Wir könnten viel besser sein, das war ge-rade heute Morgen wieder ein Tagesord-nungspunkt. Vor einem Jahr haben wirunsere Forschungsprojekte und die da-bei eingesetzte Anzahl an Mitarbeiternmal genauer beleuchtet und mit denMitarbeiterzahlen bei der Produktent-wicklung verglichen. Wenn Sie sich denzeitlichen Verlauf der Mitarbeiterzahlenansehen, dann bemerken Sie eine offen-sichtliche Lücke, die wir „Tal des Todes“nennen: Die Forschung wurde abge-schlossen, und die Sache wird den Pro-duktentwicklern übergeben, die abererst mal die bereits laufenden Projektefertig stellen müssen und dadurch keine

Als Chief Technology Officer von Intel hat Justin Rattnererheblichen Einfluss auf die Entwicklung der IT-Branche. Der

studierte Elektrotechniker und Informatiker ist unter anderem

verantwortlich für die Mikroprozessor-, Kommunikations- und

Systemtechnologie-Laboratorien des Prozessor-Marktführers.

Nach seinem Studium an der Cornell University arbeitete

Rattner zunächst bei Xerox und dann bei Hewlett-Packard,

seit dem Jahr 1973 ist er seinem heutigen Arbeitgeber treu.

Bereits 1979 hatte er sich hier zum „Principal Engineer“ hoch-

gearbeitet, 1988 wurde er mit dem Titel eines „Intel Fellow“

ausgezeichnet – dem vierten, der bis dahin in der Firmen-

geschichte vergeben worden war. Von 1996 bis 2000 war

Rattner maßgeblich an der Entwicklung des ASCI Red

beteiligt, dem ersten Supercomputer, der mehr als tausend

Milliarden Rechenoperationen (ein Teraflop) pro Sekunde

schaffte. Im Jahr 2000 wurde er dafür vom US-Fernsehsender

ABC zur Person des Jahres erklärt; 2005 übernahm Rattner

von Pat Gelsinger den Posten des CTO.

TREUER ANGESTELLTER SEIT 1973

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Mitarbeiter für neue Technologien frei-geben können. Na ja, und dadurch wirddas Ganze erst einmal auf Eis gelegt.Hakt man dann nach einer Weile nach,muss man häufig erfahren, dass die An-gelegenheit nicht länger verfolgt wirdoder an einem anderen Projekt gearbei-tet wird.

Wie haben Sie darauf reagiert?Wir haben einen Kompromiss mit derProduktentwicklung geschlossen: DieZahl der Mitarbeiter für neue Projektein der Produktentwicklung wird bereitsfrüher hochgefahren – bevor die For-schungen abgeschlossen sind. Durch

diesen Ansatz besteht eine reelle Chan-ce, einen großen Prozentsatz der in der Planung befindlichen Technologienauch tatsächlich umzusetzen. Bislang ar-beiten wir so in ungefähr einem Drittelder Fälle, wir streben aber die 50-Pro-zent-Marke an. Das wird bei uns internals „Pathfinding“ bezeichnet. Das läuft

also nicht so ab, dass die Forscher ihrenTeil der Arbeit abschließen und den Entwicklern die Dokumentation über-geben, die dann das Konzept für sich erschließen müssen und anschließendganz auf sich gestellt sind. Beim gemein-samen Pathfinding wird wirklich Seitean Seite gearbeitet. Dadurch lassen sichauch die sinnvollsten Entwicklungs-ansätze einfacher herausfinden.

Wie groß ist bei Ihnen der Anteilder Forschungsprojekte, die zueinem konkreten Ergebnis führen? Ungefähr 80 Prozent der Forschung beiIntel wird gezielt vorgenommen, die

restlichen 20 Prozent sind experimen-tell. Im vergangenen Jahr lagen wir beiungefähr 17 oder 18 Prozent des Ge-samtbudgets, schätze ich. Innerhalb die-ses Rahmens stellen wir ziemlich wildeExperimente an. Die Leute haben abertrotzdem stets im Hinterkopf, dass dieErfolgsquoten auch stimmen müssen.

Und wenn das Risiko zu hoch ist, blei-ben sie dann lieber vorsichtig. Ich sageden Forschern deshalb immer wieder:„Wenn 50 Prozent eurer Ideen zur Pro-duktreife gelangen, traut ihr euch nichtgenug. Ihr müsst aggressiver werden.“Ich wünsche mir Quoten um die 10 bis15 Prozent. Vier Fünftel unserer Mitar-beiter machen Arbeit, deren Ergebnisseziemlich vorhersehbar sind. Die For-scher brauchen nun wirklich nicht aufdenselben Zug aufzuspringen, das istnicht ihr Job.

Seit Jahren wird davon gesprochen,dass der PC, die zentrale Steuer-einheit bei Arbeitsplatz-Computern,bald der Vergangenheit angehörenwird. Und doch ist er immer nochda. Wird das auch in fünf oderzehn Jahren noch so sein?Schwer zu sagen, wir können nur Ver-mutungen anstellen. Vor einigen Jahrenwar noch der Netzwerkcomputer dasNonplusultra, und in diesem Sektor fan-den viele Produkteinführungen statt.Doch damit wurde der PC nicht ersetzt,vielmehr sanken die Preise für PCs. Ausfinanzieller Sicht ergaben sich deshalbdurch die neue Netzwerkcomputer-

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TECHNOLOGY REVIEW September 2007

„Ich sage den Forschern immer: Wenn 50 Prozent eurer Ideen zur Produktreife gelangen, dann traut ihr euch nicht

genug. Ich wünsche mir Quoten von 10 bis 15 Prozent“

Vorhersehbare Ergebnisse: Intel-Forscher sollen im experimentellen Bereich mehr Mut zu Misserfolgen zeigen

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Technologie also keine wahren Vorteile,sodass viele Leute einfach bei der be-währten PC-Lösung bleiben.

Also gibt es keine Chance für wirk-lich neue Entwicklungen?Ein neuer Forschungsansatz, den wirfür das Jahr 2007 verfolgen, hat zumZiel, bei minimalen Hardware-Abmes-sungen maximale Rechenleistung zuerzielen. Wir nennen das „Carry small,live large“. Der Ansatz baut unter ande-rem auf der Idee auf, dass das eigentliche

Datenzentrum des Computers kleinund mobil ist und einfach an normalgroße Monitore und Tastaturen ange-schlossen werden kann. Die Größe derHardware soll so klein wie möglichsein, aber die Rechenleistung – im Rah-men der Umgebungsbedingungen – sogroß wie möglich. Wir konzentrierenuns also zunächst auf die Architekturund sehen zu, die Hardware ins Hand-taschenformat zu pressen und mobil zumachen. Auf dem Schreibtisch brauchtman dann eigentlich nur noch einengroßen Monitor und Eingabe- undAufzeichnungsgeräte.

Vielleicht hält dann auch die Touch-screen-Technologie Einzug in vieleBüros oder Geräte zur Sprach- oder Bewegungserkennung. Aber das ist allesreine Spekulation. Wie gesagt, wir arbei-ten an diesem Thema, aber ich lassemich ganz bestimmt nicht zu Aussagenwie: „In fünf Jahren wird die Tastaturaus dem Büro verschwunden sein, dieEingabe erfolgt dann sprachgesteuert“

hinreißen. Wenn überhaupt, dann wirddas in 10 oder – noch wahrscheinlicher– erst in 20 Jahren der Fall sein.

Neuerdings wird auch viel überenergieeffiziente Computer disku-tiert. Wird das ein großer Trend?Ja, allein der Energieverbrauch von PCsmacht einen recht großen Anteil des ge-samten Energieverbrauchs auf Verbrau-cherseite aus – so um die zehn Prozentvielleicht, in den USA noch mehr. Ichhalte also Maßnahmen in dieser Rich-tung für sinnvoll. Wir können bei denClients ansetzen, sie verwaltbarer ma-chen. In vielen Unternehmen wird derPC einfach nicht ausgeschaltet. Esscheint bequemer zu sein, den Rechnereinfach laufen zu lassen und somit einenstabilen Betrieb zu haben, statt ihn stän-dig herunterzufahren und neu zu star-ten. Ein weiterer Aspekt sind die hohenLaufwerkstemperaturen. Es wäre daherdurchaus eine sinnvolle Maßnahme, diePCs ferngesteuert abzuschalten oder in

den Stand-by-Betrieb versetzen zu kön-nen. Auch in den Rechenzentren gibt es viele Möglichkeiten, den Energiever-brauch zu drosseln. Das ist durchaus einwichtiges Thema, und die Branche sollteumgehend Eigeninitiative zeigen, undzwar noch bevor es von staatlicher Seiteentsprechende Auflagen gibt, die dannzwingend umgesetzt werden müssen.

Wo steckt noch Öko-Potenzial?Wir haben zum Beispiel über eine Neu-konzeption der Stromversorgung nach-gedacht. Eine Stromversorgung funktio-niert im herkömmlichen Sinne so, dassdie maximale Leistung bei Volllast er-zielt wird. Bei zehnprozentiger Last istsie aber extrem unzuverlässig. UnsereÜberlegung bestand nun darin, dieStromversorgung so zu ändern, dassauch bei niedrigsten Lasten ein effizien-ter Betrieb gewährleistet ist. Es gibt be-reits Mehrphasen-Stromversorgungen,die nicht mehr so hochkomplex sind.Diese können ohne große Schwierigkei-

ten von der Branche realisiert werden.Wir sind außerdem dabei, die Produkterecyclingfähiger zu machen. Die Mo-therboard-Technologie ist kein beson-ders modularer Ansatz, da schauen wirnach, ob wir eine Möglichkeit findenkönnen, das Recycling einfacher zu ge-stalten. Meiner Meinung nach ist Um-weltbewusstsein auf diesem Sektor imAllgemeinen immer mehr im Kommen,und die Industrie muss darauf entspre-chend reagieren, und das nicht nur mitMarketingkampagnen.

Wenn wir über Umweltfragen spre-chen, dann spielen aufstrebendeMärkte wie Indien und China einegroße Rolle. Glauben Sie, dernächste Konkurrent von Intel wirdaus China kommen?Das ist noch offen. Ich habe mich kürz-lich in China mit Vertretern des Minis-teriums für Wissenschaft und Technikgetroffen. Professor Ni hat uns dabei imZuge einer äußerst interessanten Prä-

sentation einen Überblick über den ak-tuellen Status der Elektronikbranche inChina gegeben. Dabei hat er erzählt,dass nur ein Bruchteil der chinesischenElektronikunternehmen wirklich Ge-winne macht und kaum ein Unterneh-men nennenswert in Forschung undEntwicklung investiert. Die wenigen Fir-men, die tatsächlich F&E betreiben, zumBeispiel Huawei, ein Unternehmen imBereich Netzwerktechnologie, werfendeutlich höhere Gewinne ab. In Chinaist das aber nicht von so hohem Belang,da alle Unternehmen mehr oder wenigerunter staatlicher Führung operieren. Esgeht hier deshalb nicht darum, den Ent-wicklungsschritt zum Marktführer inSachen Technologie zu schaffen. Viel-mehr müssen sich die Unternehmens-modelle ändern. Was China eigentlichbraucht, ist ein forschungsfreudiges Un-ternehmen, das mit eigener, führenderTechnologie aufwartet und bereit ist,zehn Prozent seiner Ressourcen in For-schung und Entwicklung zu stecken. y

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„Umweltbewusstsein ist in unserem Sektor immer mehr im Kommen, und die Industrie muss darauf entsprechend reagieren. Und das nicht nur mit Marketingkampagnen“

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Ob man Cabrio, Limousine oder Kombi fährt – dieWahrscheinlichkeit ist groß, dass zentrale Teile desWagens von der bayerischen Firma Webasto stam-

men. Das Traditionsunternehmen baut unter anderemStandheizungen, Schiebedächer, Heckklappen und Faltverdeckefür Hersteller wie Ferrari, Volvo oder VW. Doch Autokäufernist der Name Webasto selten ein Begriff.

Umgekehrt ist auch der Autokäufer für Webasto ein weit-gehend unbekanntes Wesen. „Endkunden entscheiden sichzwar aktiv für mein Produkt, aber durch den Autobauer zwi-schen uns und dem Endkunden sind wir im Prinzip doch nurso etwas wie ein Schraubenlieferant“, sagt Alexander Lang,Marketing-Leiter von Webasto. Wie also soll Webasto erfah-ren, was der Endkunde wirklich wünscht? Ein klassischerMarktforscher würde antworten: Fragt doch die Kunden, wassie haben möchten! Doch Lang kennt die typische Antwortbereits: „Das Gleiche, was ich jetzt habe – nur billiger undbesser.“ Auf neue Ideen kommt man so nicht.

Dabei gibt es eine kleine Gruppe von Kunden, die durchihre Einfälle ganz neue Märkte eröffnet haben. So stammten

die ersten Mountainbikes von kalifornischen Bastlern, die solange an ihren Fahrrädern herumschweißten, bis diese auchwüsteste Dünenabfahrten überstanden. Der MIT-ForscherEric von Hippel hat für solche Nutzer, die Produkte selbstihren Bedürfnissen anpassen, den Begriff „Lead User“ geprägt.

Doch diese Definition brachte Lang nicht weiter: „Niemandflext bei einem neuen 7er-BMW das Dach ab, um mit dem Ver-deck zu experimentieren – wenn doch, würde ich ihn gern kennenlernen.“ Zusammen mit der TU München ermittelte erdeshalb zunächst, was der ideale Lead User für seine Brancheist. Das Ergebnis: Er muss vor allem Willens sein, Wissens-transfer zu leisten und sollte ein gewisses technisches Ver-ständnis, Intelligenz und Teamfähigkeit mitbringen.

Um solche Nutzer zu finden, haben Webasto und die TUMünchen einen Fragebogen entwickelt, der mithilfe einerselbst aufgebauten, 14 000 Endkunden umfassenden Daten-bank an eine vorselektierte Gruppe verschickt wird – etwa anKombi-Fahrer, wenn es um Heckklappen gehen soll. Mit die-sem Fragebogen und durch Telefoninterviews werden rund 20 B

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Webasto AG

Der Fall: Schiebedächer oder Cabrio-Verdecke von Webasto tragen oft unmittelbarzur Entscheidung für ein bestimmtes Auto-modell bei. Doch der Automobilzulieferer hatkaum Kontakt zu Endkunden und deshalb Probleme damit, deren Wünsche zu erfahren.

Maßnahme: Sorgfältig ausgewählteEndkunden werden zu Ideen-Workshopseingeladen. Über ein Internet-Tool wählenWebasto-Mitarbeiter die besten Ideen aus.

Ziel: Diskontinuierliche Innovationenentwickeln, die auf echten Kunden-bedürfnissen beruhen

Ideen frisch vom KundenViele Bedürfnisse von Kunden dringen nie bis in die Entwicklungsabteilungen der Hersteller vor. Der Automobilzulieferer Webasto möchte das ändern

VON GREGOR HONSEL

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Endkunden ausgewählt, die zu einem Workshop-Wochenendeeingeladen werden. Für die Teilnahme gibt es lediglich eineReisekostenentschädigung. Zudem verpflichten sich die Teil-nehmer, auf jegliche Rechte an ihren Ideen zu verzichten undanderen nicht davon zu erzählen. Was sich wie eine ziemlicheZumutung für die Teilnehmer anhört, funktioniert in der Pra-xis laut Lang erstaunlich problemlos: „Es gibt eben Endkun-den, die uns gern bei der Produktentwicklung unterstützen.“

Die Workshops werden von Designern begleitet, die Ideensofort visualisieren. Klassische Kreativitätstechniken kitzelndann pro Veranstaltung etwa hundert Ideen aus den Teilneh-mern heraus. Um die guten Einfälle auszusieben, hat Webastoein internetbasiertes Tool entwickelt, mit dem Mitarbeiter undkünftig auch Händler die Vorschläge bewerten und ergänzenkönnen; auch das Einstellen eigener Vorschläge ist möglich.Die am besten bewerteten Ideen werden in einer dritten Phasemit klassischer Marktforschung am Endkunden überprüft.

Rund zwei Dutzend Workshops hat Webasto in den vergan-genen zwei Jahren veranstaltet. Jeder davon brachte imSchnitt eine Idee, die zu einer patentfähigen Lösung weiterent-wickelt wird. Beispiele möchte Lang nicht verraten, um den er-hofften Vorsprung vor der Konkurrenz zu halten.

Lohnt sich dafür der Aufwand? Laut Lang auf jeden Fall:„Ingenieure arbeiten oft an inkrementellen Verbesserungen.Bei unseren Workshops geht es aber ganz klar um diskonti-

nuierliche Innovationen. Selbst wenn aus dem eigenen Hausvöllig neue Ideen kommen, weiß man immer noch nicht, obdie wirklich auf Kundenbedürfnissen beruhen.“ Ein weitererEffekt: „Mit ,Approved by the customer‘ haben wir ein neuesVertriebsargument entwickelt“, freut sich Lang. In mehrerenForschungsprojekten will Webasto nun die Lead-User-Metho-de genauer evaluieren.

Parallel dazu hat Lang ein weiteres Projekt angestoßen, umdas Prinzip des Workshops auf eine größere Teilnehmerzahlauszuweiten: Zusammen mit MIT-Forscher von Hippel arbei-tet Webasto an einer Web-Software, über die eine CommunityIdeen-Keime weiterspinnen kann. Zentraler Bestandteil dieserSoftware wird ein Werkzeug sein, mit der Nutzer 3D-Modelleerstellen und verändern können. Ob es selbst entwickelt, ge-kauft oder der ganze Prozess gleich in eine 3D-Welt wie SecondLife verlagert wird, ist noch nicht entschieden.

Lang und sein Team veranstalten regelmäßig Seminareüber ihre Methodik, die Web-Software für die Bewertungenwird auch an andere Unternehmen verkauft. Im eigenen Landallerdings hat es der Prophet wie üblich schwer. „Wir habenimmer noch Schwierigkeiten, diesen Weg als Standard im Un-ternehmen zu etablieren“, klagt Lang. Seine Gegenstrategie:„Steter Tropfen höhlt den Stein.“ y

FALLSTUDIE 43

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Näher zum Kunden: Webasto-Marketing-Leiter Alexander Langholt Ideen von außen ins Haus

Link www.webasto-openhouse.de

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Gewebe-Zucht: Bevor Knorpelzellen ineinem Bioreaktor kultiviert werden, müssensie auf einem Kollagengel vermehrt werden

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Regenerieren statt reparierenMit Fortschritten in der Stammzellforschung keimt Hoffnung darauf,ganze Organe nachzüchten und dann implantieren zu können. FrüherenErfolg verspricht aber die Unterstützung von Selbstheilungskräften

VON ULRICH KRAFT

Sich mit dem Chef anzulegen kann gefährlich sein. DieseErfahrung musste auch Prometheus auf schmerzliche Artmachen, als er den Menschen gegen den Willen des Zeus

das Feuer brachte. Der erzürnte Göttervater ließ den Titanen-sohn an einen Fels ketten und den Adler Ethon jeden Tag einStück von der Leber seines Opfers fressen. Damit Prometheus’Qualen kein Ende nehmen, wuchs das lebenswichtige Organüber Nacht immer wieder nach.

Prometheus ist Augustinus Baders Lieblingsgestalt aus dergriechischen Mythologie. Kein Wunder, steht der Titan dochsymbolisch für ein Gebiet, in dem der Leiter des Biotechno-logisch-Biomedizinischen Zentrums der Universität Leipzig zu den führenden Kapazitäten gehört: regenerative Medizin.„Bislang konnte krankes oder fehlendes Gewebe selbst mit modernsten Verfahren nur behelfsmäßig ersetzt werden. Re-generative Therapien mit körpereigenen Stammzellen zielendarauf ab, den gesunden Originalzustand wiederherzustellen“,erklärt Bader. Dabei gibt es prinzipiell zwei Möglichkeiten:Entweder wird der Körper dazu gebracht, Gewebeschädenselbst zu beheben; oder der Ersatz wird außerhalb des Körpersgezüchtet und dann eingepflanzt („Tissue Engineering“).

STAMMZELLEN ALS JUNGBRUNNENEinige Verfahren sind in beiden Gebieten bereits etabliert. BeiHaut- und Knorpelschäden etwa wird das patienteneigene Gewebe im Labor nachgezüchtet und dann verpflanzt. Leu-kämie-Patienten bekommen fremdes Knochenmark aus demBeckenkamm injiziert, das für die Produktion von gesundenweißen Blutkörperchen sorgt; verantwortlich dafür sindStammzellen, die im Knochenmark enthalten sind. Damit istdie Knochenmark-Transplantation im Prinzip die erste eta-blierte Behandlung mit Stammzellen. Und auch in vielen an-deren Fällen bilden diese noch nicht zu einem bestimmten Typausdifferenzierten Vorläuferzellen zunehmend die Grundlagefür neues funktionierendes Gewebe – sei es bei der externenZüchtung oder beim Nachwachsen im Körper. Auf diese Weisewollen Mediziner eines Tages Volksleiden wie etwa Diabetes,Herzinfarkt, Alzheimer und Parkinson heilen.

Was sich mit Stammzellen heute schon machen lässt, führtBader nur zu gern vor: Er öffnet die Tür zu einem Labor undzeigt auf einen Glaskolben. Darin schwimmt ein kleiner weiß-licher Lappen: eine Herzklappe, gezüchtet aus Gefäßzellen.Weiter geht es zu einem Glasquader, halb gefüllt mit rosa Flüs-

Die Zukunftder Medizin

TEIL 4

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sigkeit. Die Farbe des Nährmediums macht es schwer, den aufdem Boden schimmernden Zellrasen zu erkennen – „Leber-gewebe“. Der Professor für Zelltechniken und angewandteStammzellbiologie zieht eine flache Plexiglasbox aus einemBrutschrank und schwenkt sie hin und her: „Knorpel“.

Das letzte Demonstrationsobjekt zeigt zugleich, welcheVorteile die Arbeit mit Stammzellen bringen kann. Knorpel-schäden treten besonders bei Sportlern und alten Menschenhäufig auf – weil Knorpel anders als Knochen keine eigeneBlutversorgung hat, kann sich das Gewebe selbst kaum rege-nerieren. Unternehmen wie Genzyme in den USA oder Codonin Deutschland entnehmen Patienten deshalb eigene Knorpel-

zellen und bringen sie dazu, sich zu vermehren. Bader dagegenwill vermeiden, den Defekt in einem ohnehin schon angeschla-genen Gelenk durch eine Gewebeprobe zu vergrößern undarbeitet deshalb mit Stammzellen aus dem Knochenmark derBetroffenen. Dazu braucht es nicht nur die richtige Nähr-lösung: In Baders Bioreaktor bewegt ein starker Magnet eineMetallplatte auf und ab und erzeugt so Druck, wie er auch inechten Gelenken vorkommt.

Denn um das Potenzial von Stammzellen zu nutzen, sindviele Hilfestellungen nötig – mitentscheidend ist etwa dasMaterial, auf dem sie wachsen, und auch dessen räumlicheAnordnung. „Das Material muss mitmachen und den Zellensagen, was sie tun sollen“, erklärt Bader. So lassen sich Stamm-zellen in der Petrischale zwar vermehren, differenzieren sich

aber ohne entsprechendes Gerüst nicht unbedingt in das ge-wünschte Gewebe.

Knorpel ist in dieser Hinsicht relativ anspruchslos, für dieErzeugung von Knochengewebe aber muss Bader zu einemTrick greifen: Er zeigt einen zehn Zentimeter langen Plastik-zylinder voller Calciumphosphat-Kügelchen; sie dienen alsTrägermaterial für Stammzellen aus dem Knochenmark, dasPatienten mit großen Knochenschäden etwa nach einer Tumor-entfernung entnommen wurde. Im Bioreaktor bildet sich dannaber nicht etwa fertiges Gewebe, sondern eine formbare Masse,die voller Stammzellen steckt. Mit dieser werden die Lückenim Knochen gefüllt, im Laufe von einigen Monaten macht derKörper daraus Knochengewebe. Das Verfahren wurde lautBader bereits bei einigen Patienten erfolgreich eingesetzt.

ERSATZ FÜR DIE LEBER„Bis sich solche regenerativen Therapien in der klinischenPraxis wirklich etabliert haben, können schon noch fünf biszehn Jahre vergehen – aber es wird definitiv passieren“, sagt derMediziner. Ähnlich langwierig ist die Entwicklung von Bio-geräten, die wie bei der Nierendialyse etwa nach einer Vergif-tung Funktionen der Leber so lange mit übernehmen, bis sichdas Organ erholt hat. Bei Mäusen hat Bader einen Weg gefun-den, Lebergewebe mithilfe von Stammzellen herzustellen – nurso lassen sich die nötigen Zellmengen gewinnen.

Doch selbst wenn ein ähnliches Verfahren auch für mensch-liches Lebergewebe gefunden wird: Ein komplettes Organ samtAnbindung an den Blutkreislauf und das Nervensystem wirdsich vorerst nicht züchten lassen – ebenso wenig wie andere Or-gane aus mehreren Zelltypen wie Herz, Bauchspeicheldrüseoder Niere. Nicht einmal bei einfacheren Organen kommt manso richtig weiter: Im vergangenen Jahr wurde eine Arbeits-gruppe um US-Forscher Anthony Atala von der Wake ForestUniversity gefeiert, die angeblich eine neue Blase geschaffen

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„ES IST SINNVOLLER, DEN ORGANISMUS SELBST ZURREGENERATION ANZUREGEN.“

Augustinus Bader, Universität Leipzig

Unternehmerischer Forscher: Augustinus Bader sieht regenerative Stammzelltherapien in fünf bis zehn Jahren in der Praxis

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hatte. Tatsächlich aber handelte es sich nur um ein Teilstück,das zwar Probleme wie Harnrückstau und daraus resultierendeNierenschäden entschärfen konnte. Die Kontrolle über ihreBlase gewannen die Patienten damit aber nicht zurück.

Mittlerweile setzt sich laut Bader deshalb die Erkenntnisdurch, dass es sinnvoller ist, den Organismus selbst zur Rege-neration geschädigter Regionen zu stimulieren, statt ihm ge-züchtete Organe einzupflanzen. Der Schlüssel zum Wiederauf-bau im Körper könnten Stammzellnester sein, die in fast allenOrganen gefunden wurden. Hier dienen sie dazu, kleinereReparaturen vorzunehmen – wenn es gelänge, diesen natür-lichen Prozess zu verstärken, könnte er vielleicht auch schwe-rere Schäden beheben.

HEILEN IN HANDARBEIT Wie lang bei regenerativen Therapiender Weg vom Labor ans Kranken-bett sein kann, zeigt ein kurzerGang über den Hof der LeipzigerBioCity. Im hinteren Teil des Back-stein-Komplexes befindet sich dasFraunhofer-Institut für Zelltherapieund Immunologie (IZI). Der dritteStock gehört Gerno Schmiede-knecht. Das Herz seines Reichs isteine 450 Quadratmeter große Rein-raumanlage. In Klasse-A-Bereichen,der höchsten Reinheitsstufe, herrschtkomplette Sterilität. Hinter Glasschei-ben pipettiert eine mit weißem Ganzkör-per-Schutzanzug vermummte GestaltNährlösung in eine Zellkulturflasche.„Regenerative Therapien sind derzeit

noch überwiegend Handarbeit“, sagt Schmiedeknecht. Dochqualifiziertes Personal kostet Geld – zu viel Geld für die meis-ten kleinen Start-ups. Kein Wagniskapitalgeber übernimmt diehohen Investitionen für eine Reinstraumproduktionsanlage,wie Schmiedeknecht berichtet: „Die Investoren sagen, schaut,wie ihr euer Präparat in die klinische Erprobung bringt, underst wenn es funktioniert, gibt es eine zweite Finanzierungs-runde. An diesem Punkt zerplatzen viele Träume.“

Dies zu verhindern gehört zu den Aufgaben des gebürtigenBerliners. Schmiedeknechts Arbeitsgruppe GMP-Herstellung(Good Manufacturing Practice) bietet nicht nur ihre millio-nenteure Technik an, sondern eine Art Rundumversorgung:„Wir nehmen Firmen an die Hand und bringen mit ihnen ihre

Idee zur Herstellung – von der Antragstellung bis hin zumPräparat für die klinischen Tests. Die regenerative

Medizin ist an einem Punkt, an dem viele For-schungsansätze in die Klinik transferiert werdenkönnen.“

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Härtetest für Zellen: Knorpelgewebe wird in einem Bioreaktorunter Bedingungen gezüchtet, wie sie auch in Gelenken herrschen

Schaf mit Schlaganfall: Neuronale Stammzellen sollen im Gehirnfür eine Erneuerung der abgestorbenen Nervenzellen sorgen

Offenes Knie: An den Gelenken vonSchweinen wird getestet, ob gezüch-

tete Knorpelzellen gut einwachsen

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SERIE: MEDIZIN 49

Auf der Schwelle zu klinischen Tests für einen Therapiean-satz gegen die Parkinson-Krankheit steht etwa das Biotechno-logie-Unternehmen NeuroProgen. Das Spin-off der LeipzigerUniversität hat ein Verfahren entwickelt, mit dem sich diekostbaren Stammzellen nicht nur vermehren, sondern auch zuDopamin produzierenden Neuronen differenzieren lassen.Morbus Parkinson ist eine der häufigsten neurodegenerativenErkrankungen. Allein in Deutschland gibt es laut dem Kom-petenznetz Parkinson etwa 300 000 Betroffene. Dabei sterbendiejenigen Nervenzellen ab, die den Botenstoff Dopamin her-stellen. Der Mangel verursacht schwere Motorikstörungen.

NEURONEN AUS DEM KNOCHENMARK „Wir wollen die abgestorbenen Zellen der Patienten durchmenschliche Stammzellen ersetzen, die zu Nervenzellen aus-differenziert sind. Neurochirurgen könnten diese Zellengezielt in das Gehirn der Patienten implantieren, wo sie dannDopamin produzieren und den Mangel beheben“, erklärtNeuroProgen-Geschäftsführerin Sigrid Schwarz. Die Tier-versuche verliefen bislang so gut, dass NeuroProgen dieGMP-Abteilung des IZI vor einem Jahr mit der Produktioneines klinischen Prüfpräparats beauftragt hat. Die Zellen fürVersuche am Menschen wurden in den USA aus Föten ent-

nommen, die vor der Geburt verstorben sind – die Elternhatten sich mit der Entnahme einverstanden erklärt.

Auch im eigenen Haus betreut die GMP-Abteilung desFraunhofer IZI einen aussichtsreichen Kandidaten: eineStammzellbehandlung bei Schlaganfall. Auslöser ist meist einBlutgerinnsel, das eine Hirnarterie verstopft und so Teile desGehirns von der Sauerstoffversorgung abschneidet. Die betrof-fenen Neuronen sterben ab, was zu schweren Behinderungenwie Sprachstörungen und Lähmungen führt. „Dass sich dieSymptome fast immer mit der Zeit bessern, zeigt aber, es gibtendogene Reparaturprozesse“, sagt Frank Emmrich, Direktordes Fraunhofer IZI. Verantwortlich dafür sind wahrscheinlichneuronale Stammzellnester im Gehirn. Da die körpereigenenHeilkräfte meist nicht ausreichen, um den Schaden zu behe-ben, wollen die Fraunhofer-Forscher Stammzellen aus demKnochenmark und aus Nabelschnurblut zu Hilfe holen.

Bei Ratten funktioniert das schon – die Nager erholen sichnach der Stammzelltherapie binnen weniger Tage fast vollstän-dig von einem experimentell ausgelösten Schlaganfall; auch beiMerino-Schafen wurde die Methode erfolgreich getestet. Diewundersame Genesung vollzieht sich aber nicht dadurch, dassdie Stammzellen selbst zu funktionsfähigen Neuronen werden.Stattdessen „geben sie offenbar Botenstoffe ab, die bestimmte

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die Regeneration behindernde Prozesse wie eine Abkapselungdes Infarktgebiets verhindern“, vermutet Emmrich. Schaf undMensch seien eher vergleichbar als Ratte und Mensch, sodasssich schon jetzt „mit hinreichender Sicherheit“ sagen ließe,dass die Behandlung auch menschlichen Patienten helfenkönnte. Im nächsten Jahr soll eine klinische Studie beginnen.

Für ihre Zelltherapie verwenden die Fraunhofer-Forscheradulte Stammzellen, also solche, die nach der Geburt entnom-men werden. Das liegt zum einen an der schwierigen Gesetzes-lage für die Arbeit mit embryonalen Stammzellen. Zum ande-ren aber ist die extreme Wandlungsfähigkeit der embryonalenZellen gar nicht immer gewünscht – denn manchmal bilden siestatt gesundem Gewebe Tumore. Im Gehirn ist dieses Risikobesonders hoch. Auch Gewebe-Ingenieur Bader sieht embryo-nale Stammzellen eher als Mittel der Grundlagenforschung,für konkrete Therapien seien adulte besser geeignet: „Dass diesich nur noch in eine bestimmte Richtung entwickeln können,

ist ein biologischer Sicherheitsfaktor.“ Um regenerative The-rapien zum Patienten zu bringen, engagiert sich der umtriebi-ge Uni-Forscher nebenbei bei drei Start-ups – unter anderembei der von seiner Frau geführten Bionethos Alphacells GmbH.

WANKENDE DOGMENDem Transfer von der Wissenschaft ins Krankenhaus hat sichauch das Berlin-Brandenburgische Zentrum für regenerativeTherapien (BCRT) verschrieben. Am Campus Virchow derBerliner Charité sollen 23 Forschergruppen regenerative The-rapien und Produkte entwickeln. 40 Millionen Euro hat dasBCRT in den nächsten vier Jahren zur Verfügung, der Groß-teil davon kommt vom Bundesforschungsministerium.

Eine der BCRT-Gruppen beschäftigt sich mit dem KillerNummer eins in den westlichen Industrienationen – Herz-Kreislauf-Erkrankungen. „Wir Kardiologen leben in einer span-nenden Zeit. Alte Dogmen sind ins Wanken geraten“, sagt Cars-ten Tschöpe, Leiter der Gruppe. Ende der 90er-Jahre konntenWissenschaftler die Einwanderung von Stammzellen ins Herznachweisen und so zeigen, dass es entgegen aller Annahmenauch in diesem Organ eine gewisse regenerative Potenz gibt.Als Tschöpe davon erzählt, muss er lachen: „Man glaubte an-fangs wirklich, dass man einfach eine Million Stammzellen insHerz spritzt und Simsalabim – aus einer Infarktnarbe wird wie-der voll funktionsfähiges Herzmuskelgewebe. Doch heute stehtfest, das Prinzip aus Alt mach Neu funktioniert nicht.“

Denn die Stammzellen wandern zwar ins Herz ein, doch nurein sehr geringer Teil wird zu Herzmuskelzellen. Dass sich einesolche Zelltherapie bei manchen Patienten trotzdem günstigauf den Krankheitsverlauf auswirkt, führt Tschöpe ähnlich wieder Leipziger Forscher Emmrich darauf zurück, dass die Stamm-zellen Wachstums- und Schutzfaktoren mitbringen. Diesen

Seit sich der nationale Ethikrat im Juli für eine Ände-rung des Stammzellgesetzes aussprach, ist eine alteDiskussion aufs Neue entbrannt. Es geht wieder ein-mal um die embryonalen Stammzellen, jene Multi-talente unter den Zellen, die die Fähigkeit besitzen,sich in sämtliche Zelltypen des menschlichen Körperszu verwandeln. Diese als Pluripotenz bezeichneteEigenschaft haben adulte Stammzellen, die nach derGeburt in den verschiedensten Organen des mensch-lichen Körpers zu finden sind, zumindest teilweise verloren: Ihr Differenzierungspotenzial ist so weiteingeschränkt, dass sich beispielsweise neuronaleStammzellen zwar noch zu den verschiedenen Zell-arten des Nervengewebes entwickeln können, abereben nicht mehr zu Leber- oder Hautzellen.

Dank ihrer unbeschränkten Wandelbarkeit und weil sie sich im Labor gut vermehren lassen, gelten em-bryonale Stammzellen als die Hoffnungsträger derregenerativen Medizin. Umstritten sind sie wegen derGewinnung. Dabei gibt es zwei Möglichkeiten: Ent-weder entnimmt man sie aus wenige Tage altenEmbryonen, die nach einer künstlichen Befruchtungnicht gebraucht werden. Oder eine entkernte Eizellewird mit dem Zellkern einer Körperzelle verschmolzenund durch dieses sogenannte therapeutische Klonenquasi wieder in den embryonalen Urzustand versetzt.

Da die verwendeten Embryonen zerstört werden, sindbeide Verfahren nicht nur ethisch umstritten, sondernin Deutschland auch verboten. Die ideale Lösungwäre, ausgereifte Körperzellen wieder in embryonaleStammzellen zurückzuverwandeln. Was als utopischgalt, wurde jetzt offenbar Wirklichkeit: Fast zeitgleichmeldeten drei Gruppen die gelungene Reprogram-mierung von Hautzellen der Maus zu pluripotentenStammzellen. So schleusten Forscher um den ausDeutschland stammenden Biologen Rudolf Jaenischmithilfe von Viren vier in der Embryonalentwicklungwichtige Gene in die Zellen ein und induzierten so dieVerjüngungskur. Zwar hält Jaenisch es für undenkbar,derart drastische gentechnische Eingriffe auch beimMenschen durchzuführen. Doch der prinzipielle Beweis,dass man embryonale Stammzellen auch ohne denUmweg über die Eizelle gewinnen kann, ist erbracht.

Zurück zum Urzustand

MANCHMAL BILDEN EMBRYONALESTAMMZELLEN NICHT GESUNDES

GEWEBE, SONDERN TUMORE

Verwandlungskünstler: Embryonale Stammzellen sindbegehrt, weil sie sich zu allen Geweben entwickeln können

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SERIE: MEDIZIN 51

Effekt wollen die BCRT-Forscher nutzen, um Herzinfarkteund die dilatative Kardiomyopathie, eine krankhafte Ver-größerung des Herzens, zu behandeln. Auslöser dafür ist ofteine Virusinfektion wie eine Grippe, die auf den Herzmuskelübergreift. In 80 Prozent der Fälle heilt das ohne Folgen aus,bei 20 Prozent der Betroffenen aber wird eine chronische Ent-zündung ausgelöst, die das Herz schädigt. „Wir setzen Stamm-zellen aus dem Knochenmark ein, um die körpereigene Ab-wehr wieder in kontrollierte Bahnen zu lenken. Sie sollen denSchenkel des Immunsystems schwächen, der das Krankheits-system vorantreibt“, erklärt Tschöpe. Erste Tierversuche ver-liefen so vielversprechend, dass jetzt eine klinische Studie vor-bereitet wird – Tschöpe hofft, dass am Ende der Versuche „dieerst anti-entzündliche Zelltherapie weltweit“ gefunden ist.

Bei aller Fortschrittsbegeisterung fällt sein Urteil über denStand der regenerativen Medizin nüchtern aus: „Wir müssenweiter an den grundlegenden Mechanismen forschen unddann einen neuen Anlauf nehmen.“ So viele Fragen seien nochoffen: Wann ist der optimale Zeitpunkt für die Behandlung?Muss man sie wiederholen? Welcher Stammzelltyp ist am bes-ten geeignet? Der Mediziner zeigt zwar Verständnis dafür, dassUnternehmen schnelle Erfolge brauchen, um ihre wirtschaft-liche Existenz zu sichern. Doch die Vorgehensweise sieht er

kritisch: „Viele Firmen, die Stammzellen haben, bieten sieüberall an und sagen mach mal. Egal was daraus wird – viel-leicht Herz, vielleicht Hirn, vielleicht Fußnägel.“

Tschöpe gibt zu, dass er es manchmal seltsam findet, etwaszu tun, von dem er noch nicht genau weiß, wie es funktioniert.„Natürlich müssen wir intensiv weiterforschen, aber seriös,objektiv und in wohl kalkulierten Schritten“, sagt er. Im Mo-ment sei die regenerative Medizin ungefähr so weit wie OttoLilienthal anno 1891 mit seinem Hängegleiter. Der erste Flugund damit der erste Schritt der Menschheit zum Airbus gelangdank intensiver theoretischer Vorarbeit – ohne die hätte derKaufmannssohn wohl eine Bauchlandung hingelegt. y

links

www.gesellschaft-regenerative-medizin.de Forschungs-nachrichten, Informationsmaterial und Veranstaltungshinweise

www.bmbf.de/de/1084.php Informationen über aktuelleForschungsprojekte und Link zu einer ausführlichen BMBF-Broschüre mit Grundlagenwissen

Im nächsten Heft: Medizinische Großgeräte als Kostentreiber

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52 REPORT

TECHNOLOGY REVIEW September 2007

Blick in die VergangenheitIm Jahr 2013 soll das neue „James Webb Space Telescope“ dieNachfolge des betagten Hubble-Teleskops antreten. Tief im Welt-raum wird es dann mit neuester Technologie Informationen überObjekte liefern, die seit mehr als 13 Milliarden Jahren existieren

VON BRITTANY SAUSER

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ASTRONOMIE 53

Der Hauptspiegel desneuen Teleskops (linkesFoto) hat einen Durchmes-ser von mehr als sechsMetern, seine Oberflächeübertrifft die des Hubble-Teleskops um das Sieben-fache. So lässt sich mehrLicht in kürzerer Zeit einfan-gen und eine höhere Auflö-sung erreichen. „Er ist extremleicht und hat sehr präzisgeschliffene optische Ober-flächen“, sagt John Decker,stellvertretender Direktor desTeleskop-Projekts.

Um den riesigen Spiegel inden Weltraum zu bekommen,arbeiten die NASA-Ingenieuremit einem Trick: Sie setzen ihnaus 18 Stücken zusammen,die zunächst zusammengefal-tet werden; erst während derReise zur Zielposition werdensie entfaltet. Jedes der Seg-mente wird nach exakten Spe-zifikationen geschliffen undpoliert (rechtes Foto). Dabeigehen die Ingenieure beson-ders sorgfältig vor – sie wollenPannen wie beim Hubble-Teleskop vermeiden, daswegen Fehlern bei der Vor-bereitung erst nach einer Service-Mission scharfe Bilderliefern konnte.

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54 REPORT

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Der Spiegel des Teleskopsbesteht aus Beryllium,einem der leichtesten be-kannten Metalle (links).Beryllium besitzt zudem her-ausragende Wärme-Eigen-schaften, die gleich bleibendeoptische Leistungen trotzgroßer Temperaturschwan-kungen gewährleisten.

Die Spiegelsegmente werdenvon einer Rückwand in Posi-tion gehalten und gestützt(oben); entwickelt hat sie derRaumfahrt-Zulieferer AlliantTechsystems. Die Konstruk-tion ist enorm wichtig, dennsie stabilisiert den Spiegel –jede ungewollte Bewegungkönnte die Bilder verzerren.

Die Spiegelsegmente werdensieben Freiheitsgrade besit-zen: Die Forscher können sieentlang der Raumachsen ein-zeln drehen und verschiebensowie fokussieren, ohne dassdarunter ihre Fähigkeit zumZusammenspiel in einemGesamtsystem leidet. DieSteuersoftware wurde von derNASA und ihrem Partner BallAerospace entwickelt. FürTests haben Ball-Ingenieureein Modell des Teleskopspie-gels im Maßstab 1:6 konstru-iert (rechts).

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Ein Teleskop-Modell in Ori-ginalgröße wurde in diesemJanuar in Seattle präsen-tiert. Es ist mehr als 24Meter lang und wiegt etwa9000 Kilogramm (rechts).Damit das echte Teleskopspäter Signale von sehr weitentfernten Objekten aufneh-men kann, haben Ingenieurevon Raytheon Vision Systemsund Teledyne Technologieszwei empfindliche Detektorengebaut. Sie erfassen nahesund mittleres Infrarotlicht undwandeln wie eine Digital-kamera die auftreffendenPhotonen in Elektronen um.So entstehen Aufnahmen vonSternen und ganzen Gala-xien.

Im linken Bild zeigt ein Projekt-Wissenschaftler am NASA Jet Propulsion Laboratory denDetektor für mittleres Infrarot.

Eine weitere Verbesserungder Empfindlichkeit für schwa-che Signale kommt durch einebei der NASA entwickelteMikroblende zustande: Siefungiert als Filter, der den For-schern erlaubt, das Objektihres Interesses auszuwählenund Licht von anderen, helle-ren Quellen zu blockieren. Aufdiese Weise kann das Tele-skop mehr als 100 entfernteGalaxien gleichzeitig beob-achten.

Weil das Teleskop bei extremniedrigen Temperaturen ar-beiten soll, muss es vor Hitze-strahlung geschützt werden.Dafür hat Northrop Grummanein großes Sonnenschild ent-wickelt (unten). Es bestehtaus fünf Schichten des Hoch-leistungskunststoffes Kapton,die zusätzlich mit Siliziumummantelt sind.

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58 REPORT

TECHNOLOGY REVIEW September 2007

Bevor das fertige TeleskopMillionen von Kilometer weitins All geschickt wird, sindTests in der Wärme-Va-kuum-Kammer des NASAJohnson Space Centers inHouston vorgesehen. DieKammer hat einen Durchmes-ser von 19,8 Metern und ist36,6 Meter hoch. Allein ihreTür wiegt 40 Tonnen. Bisherwurde die Kammer nur fürTests von Objekten verwen-det, die in einer erdnahenUmlaufbahn operieren sollten.Um die extrem niedrigen Tem-peraturen für den Hubble-Nachfolger zu erreichen, sinddeshalb einige Modifikationennötig. So werden zu denbestehenden, mit flüssigemStickstoff gekühlten Plattenneue hinzugefügt, die mitHelium gekühlt werden. Damitsollen in der Kammer Tempe-raturen bis hinunter zu minus243,15 Grad Celsius entste-hen. Das Teleskop soll mithilfeeines mobilen Krans in derKammer positioniert werden,das Abkühlen wird dann 30 bis40 Tage in Anspruch nehmen.Die NASA-Ingenieure hoffen,mit diesen Tests im Jahr 2010beginnen zu können. y

link

www.springerlink.com/content/h2374012xk30qpw5/fulltext.pdf Ausführlicher Aufsatz über die Möglichkeitenund die Implementierung des James-Webb-Teleskops

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ASTRONOMIE 59

TECHNOLOGY REVIEW September 2007

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62 ÜBERBLICK KI-Forschung zwischen Pragmatismus und Vision

69 FORSCHUNG Drei Projekte orientieren sich am Vorbild des Gehirns

72 INFOGRAFIK Roboter-Autos auf dem Weg in den Stadtverkehr

74 ESSAY Warum Computer kein Bewusstsein haben können

Künstliche Intelligenz

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Fokus

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62 FOKUS

TECHNOLOGY REVIEW September 2007

62 FOKUS

Im Mittelpunkt der Forschung zur künstlichen Intelligenz stehen heute statt denkenderRechenmaschinen eher nützliche Anwendungen und Werkzeuge für die Informatik

Zwischen Pragmatismus und Vision

Wenn Marvin Minsky, dergroße alte Mann der künst-lichen Intelligenz (KI), über

den Zustand seines Fachgebietes spricht,klingt das nicht gerade nach einer Er-folgsgeschichte. Nein, von menschlicherIntelligenz seien Computer noch weit

entfernt, sagt er: „Es gibt noch immerkein Programm, das nach einem Blick inein Zimmer sagen kann, da sitzt einMensch, da steht ein Glas Wasser aufdem Tisch. Kein Computer kann auchnur einfache Geschichten verstehen.“Dass gerade die Dinge, die Menschen

leicht fallen, Computern bis heute sohartnäckige Probleme bereiten – dashatten Minsky und seine MitstreiterJohn McCarthy und Claude Shannonwohl nicht erwartet, als sie 1956 am Dartmouth College im US-BundesstaatNew Hampshire mit einem Workshop

VON PETER KÖNIG

Die Vorstellung, Automaten mit menschlicher Geistes-kraft zu bauen, geht bis auf die Antike zurück. Die rasante Entwicklung der frühen Computertechnik in der Mitte des 20. Jahrhunderts brachte schließlich dasForschungsgebiet der künstlichen Intelligenz (KI)hervor. Doch nach ersten Erfolgen geriet die Entwick-lung denkender Maschinen ins Stocken.Währendeinzelne KI-Verfahren Einzug in Alltagstechnologiengehalten haben, suchen Forscher inzwischen nachneuen Ansätzen, das Rätsel der Intelligenz zu lösen,etwa in Logik, Neurowissenschaften oder Statistik.Das wird zumindest helfen, bessere Computer zu bauen – ob es je intelligente Maschinen mit eigenemBewusstsein geben wird, ist allerdings heftig umstritten.

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KÜNSTLICHE INTELLIGENZ 63

TECHNOLOGY REVIEW Dezember 2006TECHNOLOGY REVIEW September 2007

zur „Untersuchung der künstlichen In-telligenz“ eine neue Forschungsdisziplinbegründeten.

Damals erschien alles ganz einfachund klar. Die Forscher waren zuversicht-lich, „dass jeder Aspekt des Lernens oderjeder anderen Eigenschaft der Intelligenzim Prinzip so genau beschrieben werdenkann, dass er mit einer Maschine simu-liert werden kann“, wie es im Förderan-trag des Workshops an die Rockefeller-Stiftung hieß. Das ist so nicht gelungen,und aus dem revolutionären Projekt voneinst ist ein halbes Jahrhundert spätereine normale Wissenschaft geworden.

„Inzwischen hat sich die KI in starkerWeise ausdifferenziert“, stellt Bernhard

Nebel, Professor für künstliche Intelli-genz an der Albert-Ludwigs-UniversitätFreiburg, fest. „Hand in Hand mit derAusdifferenzierung nach Teilfeldern hatauch eine Ausdifferenzierung der Me-thoden und Forschungsfragen stattge-funden. Und obwohl solch eine Spezia-lisierung sinnvoll ist, gerät dabeinatürlich das große Ganze aus demBlickfeld.“

Hirne aus HalbleiternDas große Ganze – das ist die immernoch ungeklärte Frage, wie Intelligenzeigentlich zustande kommt, wie dermenschliche Geist funktioniert. Die KI-Forscher, die diese Frage noch umtreibt,

setzen inzwischen darauf, Denkprozesseam Computer zu simulieren. Einige hal-ten handelsübliche Rechner für diesenZweck für ausreichend, andere bauen in Superrechnern oder neuartiger Hard-ware natürliche Gehirnstrukturen mi-nutiös bis hinunter auf die Ebene che-mischer Prozesse der Nervenzellennach. Die ferne Hoffnung: Irgendwannkönnte der Haufen Silizium-Neuronenvon selbst zu denken beginnen (siehe„Der dritte Weg“ ab Seite 69).

Solche Halbleiterhirne bauen aufden neuesten Erkenntnissen aus Neuro-wissenschaften und kognitiver Psycho-logie auf. Zwar haben die mittlerweileLicht in die biochemischen VorgängeG

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64 FOKUS

TECHNOLOGY REVIEW September 2007

am einzelnen Neuron gebracht unddank bildgebender Verfahren fest-gestellt, dass sich Farbe, Form und Bewegung eines Objekts vor dem Augeim visuellen Kortex in drei getrenn-ten Erregungsmustern widerspiegeln.Lückenlos erklärt sind die Gehirnpro-zesse beim Denken jedoch längst nochnicht. Rätselhaft bleibt etwa, wie Ge-hirn und Geist imstande sind, die ver-schiedenen Erregungsmuster korrektaufeinander zu beziehen, wenn einMensch gleichzeitig mehrere verschie-denfarbige und unterschiedlich ge-formte Objekte sieht.

Der Palm-Gründer Jeff Hawkins,der sich inzwischen der KI zugewandthat, glaubt allerdings, eine Softwarenach dem Vorbild des menschlichenNervensystems entwickeln zu können.Die soll dann das leisten, woran sich dieKI-Forscher bislang die Zähne ausge-bissen haben: nämlich aus Daten einWeltmodell generieren, mit dem Com-

puter selbstständig beliebige Dinge er-kennen können (siehe Kasten „Hirn-strukturen statt Neuronen“).

Die pragmatische Mehrheit der KI-Forscher jedoch interessiert sich für denmenschlichen Geist nur am Rande. Ihrgeht es heute um raffinierte Computer-programme und praktisch einsetzbareAnwendungen, und sie müssen ihrenGeldgebern funktionierende Prototy-pen präsentieren. Dafür suchen sie nachMethoden, um Computer Probleme lösen zu lassen, die für Algorithmen derklassischen Informatik zu aufwendigoder gar nicht zu knacken sind.

Die Pragmatiker sind damit recht erfolgreich. Manche ihrer Programmelösen spezielle Probleme besser als Men-schen, gerade weil sie nicht im Detailnachbilden, wie der menschliche Geistdie Aufgabe in Angriff nehmen würde.Schon im Jahr 1997 etwa setzte derSchachcomputer Deep Blue den amtie-renden Weltmeister Garri Kasparow

Hirnstrukturen statt Neuronen

Was treibt einen erfolgreichen Gründer von Computerfirmen

dazu, die Funktionsweise des menschlichen Gehirns erkunden

zu wollen? Glaubt man der Selbstdarstellung von Jeff Hawkins,

dem eloquenten Gründer der in Techie-Kreisen legendären PDA-

Schmieden Palm und Handspring, verfolgt ihn dieses Rätsel

bereits seit seiner Jugend – und er hält es noch innerhalb sei-

ner Lebenszeit für lösbar. Mit seinem im Jahr 2004 erschiene-

nen Buch „On Intelligence“ hat Hawkins es jedenfalls geschafft,

die Forschungsgemeinde neugierig zu ma-

chen – in diesem Jahr wird er auf der Jah-

restagung der renommierten Society for

Neurosciences den Hauptvortrag halten.

Hawkins’ Credo: Der Schlüssel zur

Intelligenz von Säugetieren liegt in der

anatomischen Struktur ihres Nerven-

systems, das hierarchisch gegliedert ist.

„Es genügt nicht, nur einige Neuronen

zu modellieren“, erklärt Hawkins, „damit

werden Sie Intelligenz nicht verstehen.“

Seiner Meinung nach werden im Hirn

Sinneseindrücke, die nichts weiter darstel-

len als zeitlich und räumlich veränderliche

Signale, in Form von „invarianten Reprä-

sentationen“ abgelegt. Diese unveränder-

lichen Repräsentationen enthalten die

charakteristischen Merkmale eines Sinneseindruckes – bei-

spielsweise das Verhältnis von Augenabstand zur Länge eines

menschlichen Gesichtes. Der Neokortex trifft nun permanent

Vorhersagen darüber, wie sich der ständig auf ihn einströmen-

de Fluss von Sinneseindrücken fortsetzt – sobald die Vorher-

sage nicht mit den nachfolgenden Sinnesreizen übereinstimmt,

setzt ein Lernprozess ein. Diese Funktionsweise lasse sich,

davon ist Hawkins überzeugt, auch in Maschinen nachbilden.

Vor zwei Jahren hat Hawkins ein Unternehmen gegründet,

das diese Erkenntnisse technisch verwerten will: Numenta.

Dessen erstes Produkt ist eine Software, die ein hierarchisches

Speichersystem nach menschlichem Vorbild

simuliert. Dann lässt der Programmierer dieses

Systems Daten darauf los: Bilder von einer

Kamera, Sensordaten von einem Auto, Finanz-

daten. „Indem man diese Daten in das System

eingibt, erschafft das System automatisch ein

Modell seiner Welt – ein strukturiertes Bild der

Daten. Aus diesem Wissen kann man dann wei-

teres Wissen ableiten oder Vorhersagen treffen“,

beschreibt Hawkins das Konzept. Zwar gebe es

viele Algorithmen zur Mustererkennung, aber

kein Programm, das das tun kann, was Men-

schen ohne Weiteres schaffen – auf ein Bild

schauen und sagen können, was darauf zu

sehen ist. Das soll sich jetzt ändern: „Wir haben

Fortschritte bei diesem Problem gemacht, und

wir denken, dass wir die Aufgabe lösen können.“Jeff Hawkins orientiert sich amAufbau des Nervensystems

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TECHNOLOGY REVIEW September 2007

KÜNSTLICHE INTELLIGENZ 65

matt – dank roher Rechenkraft und mit-hilfe einer gigantischen Datenbank ausmöglichen Spielzügen. 2005 fuhr dasRoboterauto „Stanley“, entwickelt vonder Arbeitsgruppe um den Stanford-Forscher Sebastian Thrun, rund 200Kilometer autonom durch die Mojave-Wüste in den USA und gewann damitdie DARPA Grand Challenge. Wie manAuto fährt, brachte dem Roboter nochein menschlicher Lehrer bei – seineKenntnisse vertiefte Stanley dann mitmaschinellen Lernmethoden und setztebei der Bewertung von unklaren Sen-sordaten statistische Verfahren ein (sie-he Kasten „Statistik als Wunderwaffe“).

KI im StandardrepertoireWährend solche spektakulären Projektefür Schlagzeilen sorgen, haben verschie-dene KI-Konzepte bereits ihren Weg in Alltagstechnologien gefunden. „DieBuchstaben KI stehen nicht nur für,Künstliche Intelligenz‘, sondern auch

für ,Kommende Informatik‘“, frotzeltWilfried Brauer, KI-Mann der erstenStunde in Deutschland. Was denSprung aus der Forschung zur markt-fähigen Anwendung schafft, gehörtschnell zum Standardrepertoire derInformatik und wird nicht mehr alsErrungenschaft der KI-Forschung wahr-genommen: •ˇˇSuchmaschinen wie Google bewerten

die Relevanz gefundener Webseiten mit-hilfe von Methoden, die aus der KI-For-schung stammen.•ˇˇSpam-Filter sortieren unerwünschte

Werbe-Mails mithilfe von Textklassifi-kations-Verfahren wie dem Bayes-Filterselbstständig aus.•ˇ ˇProgramme, die per Zeichenerken-

nung (Optical Character Recognition,OCR) gedruckten in editierbaren Textumwandeln, sind schon seit Jahren aufdem Markt. •ˇ ˇGPS-gestützte Navigationssysteme

planen wahlweise die kürzeste oder

Statistik als Wunderwaffe

Der erste Sieg eines Schachcomputers über einen mensch-

lichen Schachweltmeister im Jahr 1997 schien den Propheten

der KI-Forschung recht zu geben. Doch ähnlich spektakuläre

Erfolge blieben lange aus – bis ein Team der Stanford Univer-

sity 2005 die mit einer Million Dollar dotierte DARPA Grand

Challenge gewann: ein Rennen autonomer Fahrzeuge über

212,8 Kilometer Wüstenstrecke. Das Erfolgsgeheimnis von

Teamleiter Sebastian Thrun, Professor für künstliche Intelligenz

an der Stanford Universität: maschinelle

Lernalgorithmen.

„Beim klassischen Programmieren

muss der Programmierer alle Gegebenhei-

ten, die vorkommen können, quasi vorher

bereits durchdenken. Aber für jede mög-

liche Situation eine Regel zu schaffen ist

nicht einfach – besonders, wenn es um so

etwas Komplexes geht wie das Fahren

durch die Wüste“, erklärt Thrun. „Beim

Maschinenlernen dagegen schafft man

Beispiele, indem man beispielsweise von

Hand Strecken abfährt. Was das Fahrzeug

dann selbst macht, ist, die passenden

Regeln zu finden.“ Das heißt, das Fahrzeug

abstrahiert, wie es sich künftig durch die

Welt bewegen sollte.

Die Grundlagen dafür bietet ein Verfahren, das der

presbyterianische Pfarrer Thomas Bayes bereits vor 250

Jahren entwickelte. Bayes fand heraus, dass sogenannte

bedingte Wahrscheinlichkeiten sich aus bereits vorhandenen

Informationen berechnen lassen. Wenn ein Arzt etwa weiß,

dass Meningitis in 50 Prozent aller Fälle einen steifen Hals ver-

ursacht, die Wahrscheinlichkeit, Meningitis zu diagnostizieren,

bei 2 Prozent und die Wahrscheinlichkeit, einen Patienten mit

steifem Hals zu haben, bei 5 Prozent liegt, kann er bei bekann-

ter Wirkung – in diesem Fall einem steifen Hals – auch die

Wahrscheinlichkeit für eine Meningitis-Infektion als Ursache

ermitteln. Analog erlaubt das Verfahren also

einem Roboterauto auszurechnen, mit welcher

Wahrscheinlichkeit ein Bremsmanöver die Ursa-

che dafür war, dass der Wagen ins Schleudern

geraten ist – und sein Fahrverhalten dann

entsprechend anzupassen.

In wenigen Jahren schon, prophezeit Thrun,

könnten autonome Fahrzeuge in kontrollierten

Umgebungen wie Autobahnen eingesetzt

werden. Eine dem Menschen nachgebildete

künstliche Intelligenz dagegen findet er zwar

faszinierend, aber wenig nützlich – der Mensch

baue ja auch keine Fortbewegungsmittel mit

Beinen, sondern Autos. Das Gleiche, sagt

Thrun, „gilt eigentlich auch für die universale

Intelligenz. Wir bauen intelligente Systeme

unter anderem, um uns zu ergänzen.“Sebastian Thrun setzt auf statisti-sche Lernverfahren für Computer

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66 FOKUS

schnellste Route mithilfe von KI-Such-techniken wie dem A*-Algorithmus.•ˇˇStaubsaugerroboter wie das Modell

„Roomba“ navigieren mithilfe von Ver-fahren, die im KI-Labor am MIT ent-wickelt wurden – der Hersteller iRobotist eine Ausgründung des Labors.

KI-Technik alltagstauglich zu ma-chen hat allerdings seine Tücken. „Manmuss ein Produkt verkaufen, nicht ei-nen Prototypen“, sagt Ulrich Furbach,KI-Forscher an der Universität Ko-blenz-Landau. Technisch seien Compu-ter weitgehend in der Lage, etwa maß-geschneiderte Lehrbücher zusammen-zustellen, deren Umfang und Niveau aufdie Bedürfnisse eines individuellen Le-sers abgestimmt sind. Es fehle aber anGeschäftsmodellen, wie Verlage mit sol-chen individuellen Büchern Geld ver-dienen könnten, sowie an geeignetenSchnittstellen, mit deren Hilfe Verlags-mitarbeiter – und nicht etwa Program-mierer – die nötige Wissensbasis weiter

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pflegen könnten. Auch bei personali-sierten elektronischen Stadtführern aufmobilen Geräten hapert es laut Furbachnicht an der Technik, sondern an derAkzeptanz: „Die notwendigen Inferenz-maschinen laufen zwar schon auf jedemSmartphone, aber die Leute wollen sichdafür keinen Client installieren.“

Der Wert der ErfahrungAn derlei praktischen Anwendungenorientiert sich vor allem die KI-For-schung in Deutschland. Das liegt nichtzuletzt an der Forschungsförderung: Inden vergangenen dreißig Jahren stecktedas Bundesministerium für Bildungund Forschung (BMBF) insgesamtrund 500 Millionen Euro in die deutscheKI-Forschung, drängt aber seit einerEvaluation im Jahr 1993 verstärkt aufden Transfer der entwickelten Techno-logien in die Wirtschaft.

Besonders gut im Geschäft sind diedeutschen KI-Forscher und -Firmen bei

Weltgewandte Maschinen

„Computer sind doof“, hieß ein Titel der Berliner Band Spliff

Anfang der Achtzigerjahre. Die flapsige Zeile enthält mehr

als nur ein Körnchen Wahrheit: Bis heute sind die Rechen-

maschinen nicht in der Lage, die Bedeutung natürlichsprach-

licher Informationen zu erfassen – weil ihnen sogenanntes

Weltwissen fehlt. Für sie ist „Empire State Building“ nur eine

Zeichenkette: Dass es sich dabei um einen 1931 erbauten

Wolkenkratzer in New York City handelt, wissen sie nicht.

Solange Computer nicht über solches

Weltwissen verfügen, können sie keine sinn-

vollen Antworten auf beliebige menschliche

Fragen und Probleme geben. „Wir müssen

Computer dazu bekommen, dass sie Infor-

mationen nicht nur speichern, sondern

verstehen“, sagt Doug Lenat. Der amerikani-

sche KI-Forscher startete deshalb 1984

ein bislang einmaliges Projekt: „Cyc“, eine

Wissensbasis, in der eben jenes Weltwissen

nach den Regeln der Prädikatenlogik kodiert

ist. Bereits in den 1970er-Jahren war Lenat

zu dem Schluss gekommen, dass Methoden

des Maschinenlernens nicht ausreichen, um

ein Computersystem eine solche Wissens-

basis aus einem geringen Start-Input heraus

von selbst aufbauen zu lassen. Also begann

er mit einigen Mitstreitern, Tausende von alltäglichen Konzep-

ten wie „Haus“, „Blume“ oder „Staat“ samt ihrer Eigenschaften,

ihrer Beziehungen untereinander und ihrer Zugehörigkeit zu

allgemeinen Kategorien in der Cyc Representation Language

CycL zu formulieren. Eine solche Wissensrepräsentation aus

Begriffen und Relationen wird in der Informatik „Ontologie“ ge-

nannt; Inferenzmaschinen können aus diesen Ontologien nach

festgelegten Regeln Aussagen bilden.

Heute, 23 Jahre nach dem Start, ist Cyc in der Lage, auf

die Frage nach „allen gewählten Staatsoberhäuptern nördlich

des Äquators“ eine Liste auszuspucken. Rund 300ˇ000 Konzepte

und drei Millionen Regeln, wie diese in logi-

schen Operationen verknüpft und erschlossen

werden können, umfasst die Wissensbasis

zurzeit. Besonders interessant: Bereits nach

zwölf Jahren hatte Cyc eine kritische Schwelle

überschritten und konnte mithilfe seiner

Regeln auch selbstständig neue Konzepte

erstellen, wie Lenat sagt: „Wir müssen nicht

mehr wie mittelalterliche Mönche Konzepte

per Hand eingeben. Neue Informationen kön-

nen aus natürlichsprachlichen Webinhalten

automatisch extrahiert und damit gelernt

werden.“ Verglichen mit den zehn Millionen

Konzepten, über die ein Erwachsener verfügt,

ist Cyc trotzdem noch ein Kleinkind. Bis 2020

hofft Lenat es so erweitert zu haben, dass

eine künstliche Intelligenz möglich wird.Doug Lenat bringt Computerngesunden Menschenverstand bei

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der Analyse natürlicher Sprache. Mit120 Unternehmen in dieser Sparte, dieetwa Dialogsysteme für Navigations-geräte entwickeln und verkaufen, istDeutschland in dieser Branche inner-halb Europas führend. Die fortschritt-lichsten Programme kombinieren statis-tische und symbolische KI-Verfahren,um Spracheingaben zu verstehen, wasdie Genauigkeit erhöht.

Telefone, die beliebige Gesprächesimultan übersetzen können – eine klas-sische KI-Vision aus den Achtzigerjah-ren –, bleiben allerdings noch auf unbe-stimmte Zeit Zukunftsmusik: Bislangreichen maschinell in eine andere Spra-che übersetzte Texte höchstens für eingrobes Verständnis des Inhalts oder alsGrundlage für eine Nachbearbeitungdurch Menschen aus. Die Systeme leis-ten sich noch manch groben Schnitzerbei der Interpretation von Bezügen ein-zelner Satzteile oder produzieren Stil-blüten, wenn sie mehrdeutige Wörter

KÜNSTLICHE INTELLIGENZ 67

TECHNOLOGY REVIEW September 2007

unpassend zum aktuellen Kontext über-setzen. Solche Fehler lassen sich nur mitdem vermeiden, was die Forscher„Weltwissen“ nennen: Ein menschlicherÜbersetzer greift auf einen Erfahrungs-schatz zurück, der sich bei Erwachsenenauf rund zehn Millionen Konzepte sum-miert, zusammengetragen im Lauf desgesamten bisherigen Lebens. Dagegenkommt bisher kein Computer an.

Ein Projekt, das diese harte Nussknacken will, ist das 1984 gestartete Cycdes Informatikers Doug Lenat. Er undseine Mitarbeiter arbeiten an einer Wis-sensbasis mit Fakten aus der realenWelt, deren Bedeutung mittels einerOntologie (einer formalen Repräsenta-tion der Grundbegriffe und ihrer Zu-sammenhänge) kodiert wird. Ange-peiltes Ziel: 100 Millionen Fakten undRelationen, die am Ende auch anderenComputern und KI-Systemen zur Ver-fügung stehen und etwa Suchmaschinenintelligenter machen sollen (siehe Kas-

Körper und Geist

„Ich glaube, die beiden Gebiete haben sich einfach ausein-

andergelebt. Die verfolgen andere Zielsetzungen“, sagt Rolf

Pfeifer, Leiter des Labors für künstliche Intelligenz an der Uni-

versität Zürich. Im Laufe der vergangenen Jahre ist der auf den

ersten Blick gar nicht kämpferisch wirkende Mann zur Galions-

figur einer wissenschaftlichen Rebellion geworden: Die „Neue

KI“ (Nouvelle AI) – eine Forschungsrichtung, die eine bunte

Mischung aus Neurologen, Roboter-Forschern, Psychologen

und Informatikern versammelt – hat sich von der klassischen

KI-Forschung getrennt und beansprucht, deren wahres Erbe

anzutreten. „Der klassische Ansatz ist ja, im Sinne von Anwen-

dungen, sehr erfolgreich gewesen“, sagt

Pfeifer, „wenn es mir darum geht, ein

Programm zu machen, das gut Schach

spielt, dann ist das eine Super-Leistung.

Aber wenn wir die Intention haben,

etwas darüber zu lernen, wie sich Syste-

me in der realen Welt verhalten, dann

muss ich mich mit der Idee des Embodi-

ment auseinandersetzen.“

Die „Idee des Embodiment“ hat Pfei-

fer 2006 gemeinsam mit seinem Kolle-

gen Josh Bongards in seinem neuesten

Buch „How the Body Shapes the Way

We Think“ zu einer „Theorie der Intelli-

genz“ verdichtet. Demnach ist Intelligenz keine mehr oder

weniger passive Verarbeitung einer inneren, symbolischen

Repräsentation der Welt, wie von der klassischen KI-Forschung

postuliert. Erkenntnisse über die Welt gewinnt „ein vollständi-

ger, autonomer Agent“ – für Pfeifer sozusagen ein prototypi-

sches intelligentes Wesen – vielmehr durch aktives Einwirken

auf seine Umwelt: „Wenn ich ein Glas in die Hand nehme,

wird durch das Ergreifen Sensorstimulation erzeugt – an den

Fingerkuppen. Damit kann ich zum Teil vorhersagen, wie

dieser Gegenstand, den ich da in der Hand halte, aussehen

wird“, erklärt Pfeifer. Aus solchen einfachen „sensomotorischen

Schleifen“ entstünden schließlich auch höhere kognitive Funk-

tionen. Denn „gerade in der Entwicklungsrobotik, aber auch in

der Entwicklungspsychologie, ist es so, dass das Ausbilden

von Assoziationen durch mehrfache

Sinneseindrücke zentral für die Bildung

von Kategorien und Konzepten ist“,

sagt Pfeifer, „und das Ganze ist dabei

im Körperbau verankert.“

Noch allerdings existiert Pfeifers

Theorie der Intelligenz nur als Skizze –

bislang kann er beispielsweise nur

„Design-Regeln“ angeben, die man

mindestens befolgen muss, um einen

intelligenten Roboter zu bauen. Sein

nächstes Ziel ist daher nicht minder

ehrgeizig: Er will „die Robotik etwas

mehr zu einer Wissenschaft machen“.Rolf Pfeifer glaubt, dass körperlose Softwarekeine intelligenten Systeme hervorbringt

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68 FOKUS

ten „Weltgewandte Maschinen“). Dochselbst wenn Cyc eines Tages über zehnmal so viel Alltagswissen verfügensollte wie ein erwachsener Mensch: Eshandelt sich um den Alltag einer Welt,die dem Rechner völlig fremd ist. DieFakten und ihre Verknüpfungen habenfür ihn keinerlei Bedeutung, da er mitder Welt selbst nicht interagieren kann.

Verbrannte ZungenKI-Programme müssten eigentlich ihreeigenen Erfahrungen mit der realenWelt machen und daraus Weltwissenableiten können, folgern manche For-scher. Dazu bräuchten sie einen Körper,etwa in Form eines Roboters, der überSensoren und Aktuatoren seine Umge-bung wahrnimmt, sie verändert undmit ihr interagiert.

Dieser Ansatz der „Embodied Cog-nition“ (verkörperte Kognition) wirdetwa am Labor für künstliche Intelli-genz an der Universität Zürich von RolfPfeifer verfolgt. Lernt ein Roboterselbst laufen, so die These, benötigt erkein von außen einprogrammiertesKonzept, etwa für die Schwerkraft. Daserschließt er sich beim Lernen so wieein kleines Kind (siehe Kasten „Körperund Geist“).

KI-Pionier Marvin Minsky stehtauch diesem Ansatz skeptisch gegen-über: „Sie lernen nichts Neues, wennSie einen Roboter bauen.“ Er hält es fürwichtiger, erst einmal das Denken zuverstehen. Dieses sei dadurch gekenn-zeichnet, dass Menschen für verschie-dene Zwecke verschiedene Repräsen-tationen der Welt in ihrem Geistverwenden. Als schlau könnten Men-schen deshalb angesehen werden, „weilsie zwischen verschiedenen Repräsen-tationen umschalten können“. Dabeiwiederum spielen Minskys Ansichtnach Emotionen eine Schlüsselrolle.

Der mühelose Wechsel zwischenmehreren Denkwelten reicht für Mins-ky allerdings noch nicht aus: „Niemandhat bisher jemals ein System gebaut, dasWissen über das Nachdenken selbsthatte oder erwerben konnte, sodass esbeim Problemlösen mit der Zeit besserwerden konnte.“ Aber auch das seiletztlich keine unlösbare Aufgabe, sagt

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Die würden, wahrscheinlich mittelsevolutionärer Algorithmen, ihre ganzeigene Art von Intelligenz entwickeln.Einen solchen Prozess würden Men-schen zwar anstoßen, sie könnten aberden weiteren Verlauf weder im Detailverstehen noch kontrollieren. „Wirmüssen das akzeptieren“, sagt Pearson.Am Ende stünde eine Maschine, diemöglicherweise fähig wäre zu denken –„aber sie wird nicht genau auf die glei-che Weise wie wir denken“.

Wer lenkt, wer denkt?Mit diesen ersten Prototypen denken-der Maschinen müsse man dann sehrvorsichtig umgehen, warnt Pearson.Einfach darauf zu vertrauen, die künst-liche Intelligenz würde den Menschenaktiv bei der Lösung drängender Pro-bleme wie der Welternährung oder denFolgen des Klimawandels helfen, hältder Zukunftsforscher nicht für dasideale Szenario. Lieber wäre es ihm,man fände einen Weg, die künstlichenGehirne direkt an menschliche zu kop-peln, um die „gefährliche Intelligenz-Kluft zwischen Maschinen und Men-schen“ zu überbrücken. Die Maschinedenkt, der Mensch lenkt.

Auch das kann allerdings schief-gehen: Ende Juli folgte der Fahrer einesReisebusses in den französischen Alpender Routenempfehlung seines Naviga-tionssystems, nahm eine steile Gebirgs-straße, ignorierte elf Verbotsschilderund kam in einer scharfen Kurve vonder Fahrbahn ab. Der Bus durchbracheine Leitplanke, stürzte in eine Schluchtund ging in Flammen auf. 26 Menschenfanden den Tod.

Bei diesem Unglück hatte die KI desRoutenplaners keinen Fehler gemacht.Ihr fehlten lediglich die entscheidendenInformationen, dass sie für einen Reise-bus plante und die betreffende Straßefür solche Fahrzeuge zu steil und des-wegen gesperrt ist. „Ein Mensch weißsehr genau, wann er nichts weiß – wirkönnen damit sehr gut umgehen“, sagtSebastian Thrun, Entwickler des Robo-terautos „Stanley“. Weiß der Menschaber nicht, was die Maschine nichtweiß, und überlässt ihr trotzdem dasDenken, kann das tödlich enden. y

Minsky: „Wenn ich fünf gute Pro-grammierer anwerben könnte, ichglaube, in drei bis fünf Jahren könnteich ein solches System bauen.“

Mit derlei vollmundigen Ankündi-gungen haben KI-Forscher von Anfangan nicht gespart: Bereits 1957 prophe-zeite der spätere Nobelpreisträger fürWirtschaftswissenschaften und KI-

Pionier Herbert A. Simon, binnenzehn Jahren werde ein Computer denSchachweltmeister schlagen. Bekannt-lich gelang das tatsächlich, aber es dau-erte viermal so lang, wie Simon ver-sprochen hatte. „Manche haben sichmit Voraussagen die Zunge ver-brannt“, konstatiert Wolfgang Bibel,emeritierter Professor für Intellektikund einer der Gründerväter der KI-Forschung in Deutschland. Er selbst istdeshalb vorsichtig: Was KI-Systeme inden nächsten fünfzig Jahren leistenkönnen, darüber will Bibel lieber nichtspekulieren.

Andere aber wagen sich weiterhinweit vor: Ian Pearson, Chef-Futurologebei British Telecom, sagt voraus, dassdie Konvergenz von Nano- und Bio-technik, Informatik und Kognitions-wissenschaften spätestens im Jahr 2020die ersten Prototypen von Maschinenmit Bewusstsein hervorbringen wird.

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KÜNSTLICHE INTELLIGENZ 69

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Der dritte WegVom Original lernen statt am Reißbrett entwerfen: Drei Forschungsprojekte wollen Intelligenz durch eine Simulation der Gehirnstruktur entstehen lassen

Warum das Rad als Software neuerfinden, wenn es sich viel-leicht auch nachbauen lässt?

Wenn man Nervenzellen nur genaugenug nachahmt und genügend dieserkünstlichen Nervenzellen miteinanderverbindet, fängt ein künstliches Hirn viel-leicht ganz von allein an zu denken.

Dass diese Idee nicht mehr im Be-reich spekulativer Science-Fiction an-gesiedelt ist, zeigen drei sehr ernst gemeinte Forschungsprojekte: An derEidgenössischen Technischen Hoch-schule Lausanne simuliert das „BlueBrain“-Projekt um Henry Markram dasZusammenspiel von 10 000 Neuronen

eines Rattenhirns auf einem Hochleis-tungsrechner; Kwabena Boahen, Neuro-ingenieur an der Stanford University,will eine Million Neuronen aus Siliziumschaffen; und Soo-Young Lee vomKorea Advanced Institute of Technologyarbeitet mit Kollegen an einer natur-getreuen Nachbildung menschlicherSinnesorgane samt Signalverarbeitung.

Zwar weiß die Hirnforschung nochrecht wenig über die Funktionsweise des komplizierten Neuronengeflechtsim Kopf. Doch zumindest die Grund-bausteine sind mittlerweile recht gutbeschrieben. Jede Zelle – so auch dieNervenzelle im Gehirn, das Neuron – istdurch eine Außenhaut gegen die Um-welt abgegrenzt. Diese Membran ist allerdings durchlässig: Ionenpumpengenannte Proteine transportieren fort-laufend Kalium ins Zellinnere und Na-trium aus der Zelle heraus, sodass an derMembran bereits im Ruhezustand eineSpannung anliegt. Wenn sich nun ent-weder durch chemische Botenstoffe

oder durch einen elektrischen Impulsauch die Natriumkanäle der Membranöffnen, kann Natrium einströmen – diePotenzialdifferenz wird ausgeglichen,ein Spannungsimpuls entsteht.

Daraus ergibt sich ein zeitlich ver-änderliches Ungleichgewicht der Ionen,das sich entlang der lang gezogenen Zell-fortsätze wie eine Welle auf einem Seil

fortpflanzen kann. Dazu besitzt jede ein-zelne Nervenzelle fein verästelte Fortsät-ze, über die sie Verbindungen mit bis zu10 000 anderen Neuronen ausbildenkann. Über diese Synapsen kann jedeNervenzelle von den anderen beein-flusst werden oder diese ihrerseits beein-flussen. Wenn die Signale insgesamt einen Schwellenwert überschreiten, öff-nen sich die Natriumkanäle, und die

betreffende Zelle sendet selbst einenelektrischen Impuls aus – sie „feuert“,wie es in der Fachsprache heißt. DiesesEreignis hat dann wieder Auswirkungenauf die mit der Zelle verbundenen Neu-ronen und über diese auf den Rest desGehirns. Wie genau aus diesem Wech-selspiel Informationsverarbeitung wird,ist noch relativ unklar.

VON WOLFGANG STIELER

„Altersabhängige Veränderungen müssen inein Hirnmodell einbezogen werden.“

Joachim Lübke

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70 FOKUS

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Henry Markram und seine Kollegenin Lausanne konzentrieren sich zur Be-antwortung dieser Frage auf die soge-nannte kortikale Kolumne, eine in denFünfzigerjahren entdeckte Hirnstruk-tur. Sie bilde eine Art Universalbausteinder Großhirnrinde, sagt Markram: „Nurder Input entscheidet über die Funktionder Kolumne.“ Tatsächlich machenauch andere Wissenschaftler das Modulverantwortlich für die Verarbeitung von

Wahrnehmung, für kognitive Prozesse,für Gedächtnisleistungen und sogar fürdas Bewusstsein.

10 000 Neuronen im RechnerDie Kolumne, die das Team um Mar-kram im Rechner simuliert, entstammtdem sensorischen Kortex junger Rattenund enthält etwa 10 000 Neuronen. DenGroßteil der vergangenen zehn Jahrehat Markrams Team damit verbracht,

die genaue Lage der einzelnenNervenzellen zu ermitteln undihre Verschaltung zu untersu-chen. Die minutiös ermitteltenErgebnisse werden anschließendin einen IBM-Supercomputergefüttert, der dann mit bis zu23 000 Milliarden Rechenopera-tionen pro Sekunde das Ratten-hirn simuliert.

Im Frühjahr 2006 hat das„Blue Brain“ genannte Projektder Fachwelt erste Ergebnisse,eine „Version 1.0“, der Simulati-on der 10 000 Neuronen präsen-tiert. Allerdings entsprachen dieVerbindungen zwischen den Zel-len noch nicht den vorliegendenMesswerten. Über den neuestenStand will Markram derzeit nichtreden – vermutlich hebt er sichdas für die Jahreskonferenz derSociety for Neuroscience imHerbst auf.

Sein Ansatz ist in der Fach-welt aber nicht unumstritten. „Esgibt einfach noch zu viele offeneFragen“, sagt Joachim Lübke,Leiter der Arbeitsgruppe Zellulä-re Neurobiologie am Forschungs-

zentrum Jülich. Er und sein Co-LeiterDirk Feldmeyer bemängeln im Fachma-gazin „Brain Structure and Function“unter anderem, dass Markram zwar dasGroßhirn einer ausgewachsenen Rattesimulieren will, viele der Daten aber inExperimenten an jungen Rattengehir-nen erhoben wurden.

Die lassen sich leichter untersuchen,und die Präparate leben länger als dieRattengehirne ausgewachsener Tiere.Das Problem: „Die kortikale Kolumneverändert sich im Laufe der Zeit struk-turell, funktionell und selbst in moleku-laren Komponenten“, sagt Lübke. Sol-che altersabhängigen Veränderungenmüssten eigentlich in ein Hirnmodellmit einbezogen werden. Lübke undFeldmeyer wollen deshalb nun in Jülicheine eigene Simulation starten.

Kwabena Boahen geht mit seiner Kritik noch weiter: Jede Software-Simulation eines Gehirns sei eine „Sackgasse“, sagt der Neuroingenieur an der Stanford University – mit zu-nehmender Genauigkeit des Modellssteige die nötige Rechenleistung über-proportional an. Boahen verfolgt des-halb einen anderen Ansatz: Er will, sosagt er, unsere Großhirnrinde „in Sili-zium gießen“ und damit einen „drittenWeg“ zwischen Neuroforschung und Simulation gehen, der über einenIngenieursansatz zum Verständnis desGehirns führen soll.

Der Mikroelektronik-Pionier CarverMead hatte in den Achtzigerjahren her-ausgefunden, dass dieselben Transis-toren, aus denen die Schaltkreise vonComputerprozessoren bestehen, sichauch zu analogen Schaltungen verbin-

Neuro-Spionage: Mit aufwendigen Apparaturen erfassen Schweizer Forscher Schaltungen im Gehirn

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den lassen, die das elektrische Verhaltenvon Neuronen nachahmen. Seither ar-beiten Wissenschaftler und Ingenieuredaran, immer komplexere künstlicheNervenzellen auf Siliziumbasis zu ent-wickeln. Im Modell nachgebildet wur-den unter anderem schon die Netzhautund der für die Erinnerung wichtigeHirnteil Hippocampus.

Bislang allerdings waren die Ver-bindungen zwischen den künstlichenNervensystemen anders als im natür-lichen Vorbild nicht veränderbar. Boa-hen will das ändern. Sein Trick bestehtin virtuellen Verbindungen zwischenden einzelnen künstlichen Zellen, den„Neurocores“. Die bestehen aus einerSchaltung mit acht Transistoren undkönnen den zeitlichen Verlauf vonStrom und Spannung von Ionenkanälensimulieren. Wenn ein Neurocore feuert,dann nicht direkt an den nächsten Neurocore, sondern zunächst an eineeindeutig identifizierbare Adresse, die in einer programmierbaren Tabelle abgelegt ist und auf den empfangendenNeurocore verweist. Das „Neurogrid“soll drei Verbindungsschichten be-kommen: Arbeitsspeicher auf den ein-zelnen Neurochips mit mehreren Neu-rocores, externe Arbeitsspeicher undWiderstandnetzwerke, die Verbindun-gen zwischen Neuronen abschwächenkönnen.

Die erste Version des Modells sollaus 16 Chips bestehen, die jeweils eineAnsammlung von 256 mal 256 Feldernmit künstlichen Neuronen aus Siliziumenthalten. Jedem davon werden zunächstnur zwei verschiedene Schaltungen fürIonenkanäle zugeordnet – laut Boahen„keine ernsthafte Einschränkung“.

„Wir haben vor, verschiedene Ver-bindungsmuster und verschiedene Ab-läufe durchzuprobieren. Mit dem Neu-rogrid können wir die Abläufe imKortex im Detail modellieren“, erklärtBoahen. Das sei so bislang nicht mög-lich gewesen. In der Endphase sollenChips stehen, die andere Forscher kau-fen können, um ihre eigenen Theorienzur Funktionsweise der Großhirnrindezu überprüfen. In zwei Jahren soll der erste Prototyp fertig sein.

Emotionen für das KunsthirnNoch ehrgeiziger ist das Hirn-Projektdes Korean Advanced Institute ofScience and Technology. Forscher umSoo-Young Lee arbeiten seit 1998 aneiner Hard- und Software-Plattform,die sie schlicht „Artificial Brain“ nen-nen. Die Hardware erinnert entfernt aneinen Kunstkopf: Zwei Kameras sindbeweglich aufgehängt, ihre Signale wer-den von Schaltungen weiterverarbeitet,die der menschlichen Netzhaut nach-empfunden sind. Zwei Mikrofone sindan verbesserte Cochlear-Chips ange-schlossen – Spezialprozessoren, wie siein einfacherer Form seit Jahren Gehör-losen implantiert werden.

Der Vorteil dieser Sensoren nachbiologischem Vorbild: Sie melden nichtstumpf Reize weiter, sondern überneh-men die erste Verarbeitungsstufe selbst.So können die Kunstohren dazu ge-bracht werden, nur dann Signale weiter-zuleiten, wenn deren Charakteristiketwa auf einen menschlichen Sprecherals Quelle hinweist. Das könnte diedahinterliegende Verarbeitungsinstanz,eine relativ klassisch angelegte KI-Soft-ware, erheblich entlasten.

Kameras und Mikrofone sind lautLee fertig entwickelt, jetzt widmet ersich verstärkt der Software. Wie das bio-logische Vorbild soll das künstliche Ge-hirn durch die Erregung von Aufmerk-samkeit gesteuert werden – es dreht alsobeispielsweise den Kopf hin zum Spre-cher. Aus der Kombination von visuel-len und akustischen Reizen soll dieSteuerungssoftware selbsttätig lernen;als erstes Anwendungsbeispiel haben dieForscher Assistenzaufgaben in einerBüroumgebung ins Auge gefasst. NebenAufmerksamkeit wollen sie Emotionennutzen, um der Software bei Entschei-dungen zu helfen – auch auf die Vorgän-ge im menschlichen Hirn hat die Bewer-tung durch Gefühle großen Einfluss.

Diese Art der Originaltreue aller-dings könnte sich als Nachteil zumin-dest für das Kunsthirn entpuppen: DerSchriftsteller Douglas Adams jedenfallswar fest davon überzeugt, dass einefühlende künstliche Intelligenz, die sichmit einfachen Menschen abgeben muss,garantiert depressiv wird. y

„Mit dem Neurogrid können wir die Abläufe im Kortex im Detail modellieren.“

Kwabena Boahen

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Geradeausfahren

Kamera interne Computerdarstellung

Überholen

Kamera Laserscanner

Abbiegen

Rotations-ScannerKamera

TECHNOLOGY REVIEW September 2007

Fahrschule für RoboterIm November findet die DARPA Urban Challenge statt: Erstmals werden autonom agierende Fahrzeuge durch eine von anderen Autos befahrene Stadtlandschaft –nachgestellt auf einem Kasernengelände – navigieren

VON NIELS BOEING; INFOGRAFIK: BIRTE SCHLUND

Der 3D-Rotations-Scanner tastet einen kugelförmigen

Raum um den Wagen herum ab und erfasst so Haus-

wände, die beim Abbiegen umfahren werden müssen.

Verkehrszeichen gibt es in diesem Jahr noch nicht.

Ein vom Laserscanner erfasstes Auto wird zunächst als

Punktwolke dargestellt und dann auf eine zweidimensio-

nale Streckenkarte projiziert. Die Software muss dabei

berechnen, in welche Richtung und wie schnell das Auto

fährt. Fährt es in derselben Richtung, aber langsamer,

kann die Software entscheiden, den Abstand zu halten

oder zu überholen – je nachdem, ob ein weiteres beweg-

tes Hindernis auf der anderen Fahrbahn als Gegenver-

kehr identifiziert worden ist.

Die Software des Roboterautos erfasst mittels Algorith-

men zur Mustererkennung aus den Videokamera-Daten

die Lage der Fahrbahnmarkierungen. Dabei müssen

etwa 60 Megabyte pro Sekunde verarbeitet werden.

72 FOKUS

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tr.0907.072-073.neu1 22.08.2007 15:27 Uhr Seite 72

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Das Roboterauto

Rotations-3D-Scanner

Videokameras

Laserscanner

Daten-Input

Output

GPS-Antenne und Trägheitssensor

Computer

Steuerung für Drive-by-wire

Steuereinheitzur Positions-bestimmung

Kilometerzähler

220°150 m

Laserscanner

360-Grad-Videokamera

Batterie

TECHNOLOGY REVIEW September 2007

Die Roboterwagen der Urban Challenge setzen auf ein Arsenal ver-

schiedenster Sensoren, die Daten über die Außenwelt liefern. Aus

denen erzeugt ein Computer mittels KI-Verfahren ein Weltmodell

und errechnet die nötigen Befehle für die Drive-by-wire-Steuerung.

SteuerungAnhand des

berechneten

freien Weges

(Trajektorie) wer-

den Gas, Bremse

und Lenkrad

angesprochen.

Bildung desWeltmodellsSoftwaremodule

errechnen für alle

relevanten Punkte

im Weltmodell, ob

sie befahrbar sind.

Vorgege-

bene Rou-

tenkarte

Daten von

Scannern

und Kameras

KI-Software

freiblockiert

nicht erfasst

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74 FOKUS

TECHNOLOGY REVIEW September 2007

Seit ihren Anfängen istdie Künstliche-Intelli-genz-Forschung von

mehreren Fragen besessen:Können wir aus Software einen Verstand schaffen?Wenn nicht, warum nicht?Wenn ja, von welcher Artvon Verstand sprechen wirdann? Von einer Intelligenzmit eigenem Bewusstsein –oder von einer bewusst-seinslosen, die zwar zu den-ken scheint, aber keine Erfahrungen machen kannund kein geistiges Innen-leben hat? Diese Fragen spie-len eine zentrale Rolle fürunser Verständnis von Com-putern und ihren Möglich-keiten – und letztlich auchdavon, was den mensch-lichen Geist ausmacht undwie er funktioniert.

Die gegenwärtige Debat-te dreht sich vor allem umden Gegensatz zwischen et-was, das ich „simulierterVerstand mit Bewusstsein“nennen möchte, und „simulierter Intelligenz ohne Bewusst-sein“. Wir hoffen herauszufinden, ob Computer eine, beideoder gar keine dieser Formen erreichen können.

Ich selbst halte es für höchst unwahrscheinlich, wenn auchnicht völlig unmöglich, dass je eine Intelligenz mit eigenemBewusstsein aus Software geschaffen werden kann. Diese Po-sition vertreten auch andere, aber sie sind in der Minderheit:Die meisten KI-Forscher und Philosophen glauben, eine be-wusste Software-Intelligenz sei in greifbarer Nähe. Um es imFachjargon auszudrücken: Die meisten Forscher sind „Kogni-tivisten“, nur wenige „Antikognitivisten“, zu denen auch ichgehöre. Tatsächlich glaube ich aber, dass die Kognitivistennoch falscher liegen, als ihre Gegner üblicherweise behaupten.

Dennoch geht es mir hier nicht darum, die bisherige KI-Forschung als Fehlschlag abzutun. Sie hat nur seit einiger Zeiteinen blinden Fleck. Meine antikognitivistischen Mitstreiterwiederum haben zwar den Kognitivismus heftig angegriffen,

allerdings nur wenige neueIdeen vorgebracht, die ihnersetzen könnten. Sie ha-ben gezeigt, was ihrer An-sicht nach nicht möglich ist– eine Software-Intelligenzmit Bewusstsein. Abernicht, wie wir etwas nichtganz so Dramatisches, aberdoch sehr Wertvolles kreie-ren könnten: eine Soft-ware-Intelligenz ohne Be-wusstsein. Wenn sich dieKI-Forschung auf die Me-chanismen des Denkenszurückbesinnt, kann sieechte Fortschritte machen.

Bis dahin jedoch ist sieauf dem Holzweg.

Ein digitaler GeistDas Ziel der Kognitivistenist es, eine künstliche Intel-ligenz aus Software zuerschaffen, die auf einemdigitalen Computer läuft.Warum aber konzentriertsich die KI-Forschung aus-schließlich auf digitaleComputer und ignoriertandere Technologien? Ein

Grund dafür ist, dass Computer schon zu Beginn ihrer Ent-wicklung als künstliche Gehirne verstanden wurden. Darüberhinaus sind Computer die entscheidende Technik unsererZeit. Es ist nur natürlich, dass wir uns fragen, wie weit wir sienoch treiben können.

Es gibt noch einen grundsätzlicheren Aspekt, warum dieKI-Forschung sich vor allem für digitale Computer interes-siert: Das Konzept des Rechnens ist die Grundlage unsererheutigen Vorstellung von Intelligenz. Der Philosoph JerryFodor hat in seinem im Jahr 2000 erschienenen Buch „TheMind Doesn’t Work that Way“ seine mittlerweile weithinakzeptierte „Neue Synthese“ vorgestellt: „Die Schlüsselidee der‚Neuen Synthese‘ ist, dass kognitive Prozesse Rechenprozessesind. (…) Eine Berechnung ist in diesem Sinne eine formaleOperation mit syntaktisch strukturierten Repräsentationen.“Das bedeutet: Denkprozesse hängen von der Art der Elementeab, mit denen sie arbeiten, nicht von deren Bedeutung.

Runter vom HolzwegProbleme zu lösen ist nicht das Gleiche wieDenken. Wenn die Forschung an künstlicher

Intelligenz wirklich nützlich sein soll, muss sieakzeptieren, dass Computer wohl nie ein

Bewusstsein haben werden

VON DAVID GELERNTER

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KÜNSTLICHE INTELLIGENZ 75

TECHNOLOGY REVIEW September 2007

Genauso ist es mit Computern: Sie können Zahlen addie-ren, haben aber keine Ahnung, was „addieren“ bedeutet, waseine „Zahl“ ist, oder wofür „Arithmetik“ gut ist. Ihre Aktionenbasieren auf Formen, nicht auf Bedeutungen. Nach der NeuenSynthese von Fodor ist „der menschliche Geist ein Compu-ter“. Wenn das aber so ist, kann auch ein Computer intelligentsein – und ein Bewusstsein haben. Wir brauchen nur die rich-tige Software dafür. Wie aber können wir herausfinden, ob einComputer, auf dem eine KI-Software läuft, ein Bewusstseinhat? Ganz einfach: Indem wir versuchen uns vorzustellen, wiees ist, dieser Computer zu sein.

Was macht ein Computer? Er führt „Maschinen-Befehle“aus – simple Operationen wie Arithmetik (Addition zweierZahlen), Vergleiche (welche Zahl ist größer?), Verzweigungen(wenn eine Addition null ergibt, fahre mit Befehl 200 fort),Datenbewegungen (verschiebe eine Zahl von einem Speicher-ort zu einem anderen) und so weiter. Alles, was Computerkönnen, baut auf solchen primitiven Operationen auf.

Wie ist es also, ein Computer zu sein, der ein komplexesKI-Programm ausführt? Die Antwort: nichts anders als einComputer zu sein, der irgendein Programm ablaufen lässt.

Natürlich können wir nicht wirklich wissen, was es heißt,ein Computer zu sein, der eine lange Folge von Befehlen aus-führt. Aber wir wissen, was es heißt, ein Mensch zu sein, derdasselbe macht. Stellen Sie sich also einmal vor, sie halten ei-nen Stapel Spielkarten in der Hand. Sie sortieren die Karten,dann mischen Sie sie wieder durcheinander und sortieren sieerneut. Diese Prozedur wiederholen sie unendlich oft. Dabeistellen Sie Vergleiche an (welche Karte kommt zuerst?), bewe-gen Daten (stecken die Karten an neuePlätze) und so weiter. Um sich also ineinen Computer mit einer ausgeklügel-ten KI-Anwendung hineinzuversetzen,müssen Sie einfach nur einen Nachmit-tag lang Spielkarten sortieren.

Wenn Sie das nur lange und schnellgenug machen, entsteht dann auf ir-gendeine Weise ein ganz neues eigenesBewusstsein? So stellen sich Kognitivisten das im Prinzipjedenfalls vor: Wenn ein Computer nur die richtige Kombi-nation primitiver Befehle in der richtigen Reihenfolge aus-führt, wird eine Intelligenz mit eigenem Bewusstsein daraushervorgehen.

Natürlich sind Menschen viel, viel langsamer als Rechner.Kognitivisten argumentieren deshalb, dass wir selbstverständ-

lich wissen, wie es ist, einfache Befehle langsam auszuführen;erst wenn man das sehr schnell macht, könne daraus ein neuesBewusstsein entstehen. Dennoch: Es wirkt geradezu absurd zubehaupten, Bewusstsein entstehe, wenn viele primitive Opera-tionen nur schnell genug ausgeführt werden.

Das beste Argument der Kognitivisten„Nicht so schnell!“, werden die Kognitivisten jetzt einwerfen.Es mag willkürlich und absurd erscheinen, dass eine Intel-ligenz mit eigenem Bewusstsein dadurch entsteht, dass maneinfache Software-Operationen sehr schnell ausführt. Aber

klingt es nicht ebenso willkürlich und absurd, zu behaupten, Bewusstseinentstehe durch das Zusam-menfügen vieler Neuronen?So jedenfalls argumentiertder führende kognitivisti-sche Philosoph Daniel C.Dennett in einem jüngst

erschienenen Buch: Unser Geist hat ein Bewusstsein – undbesteht doch nur aus einer Unmenge von winzigen Elemen-ten ohne eigenes Bewusstsein. Es gibt, so das Argument, keineRohmaterialien für die Erschaffung von Bewusstsein, außer sol-chen, die selbst nicht darüber verfügen.

Vergleichen wir einmal ein Neuron und eine Hefezelle.„Hundert Kilo Hefe zerbrechen sich nicht den Kopf über Braque“, schreibt Dennett, „Sie aber tun es, und Sie bestehenaus Teilen, die im Wesentlichen dasselbe wie Hefezellen sind,nur dass sie eine andere Aufgabe haben.“ Viele Neuronen sum-mieren sich zu einem Gehirn, aber viele Hefezellen nicht, weilNeuronen und Hefezellen nicht dieselben Aufgaben haben. Siesind unterschiedlich programmiert.

Kurzum, wenn wir eine riesige Anzahl bewusstseinsloserElemente zusammennehmen und ihnen die richtige Aufgabezuweisen, dann wird an einem bestimmten Punkt etwas pas-sieren: Bewusstsein entsteht. So funktioniert unser Gehirn.Warum also können wir nicht dasselbe mit Software-Elemen-

ten als Rohmaterial machen? Warum sollte dann nicht auch etwas passieren und aus der Software eine Intelligenz miteigenem Bewusstsein entstehen?

Der Grund ist: Neuronen und Hefezellen erledigen nichteinfach verschiedene Aufgaben – sie verhalten sich unter-schiedlich, weil sie chemisch verschieden sind. Ein Wassermo-lekül ist nicht nass, auch nicht zwei oder drei oder hundert. Aber

„Computer addieren, wissenaber nicht, was das bedeutet“

„Entsteht Bewusstseinbeim Kartensortieren?“

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76 FOKUS76 FOKUS

irgendwann wird eine Schwelle überschritten, etwas passiert,und das Ergebnis ist ein Wassertropfen. Dieser Trick funktio-niert aber nur wegen der chemischen und physikalischen Eigen-schaften von Wassermolekülen. Er lässt sich nicht mit jederbeliebigen Art von Molekül vorführen.

Tatsächlich entsteht Bewusstsein ausvielen Neuronen und eben nicht aus vie-len Pfannkuchen oder vielen einfachenComputerbefehlen. Warum also sollte Be-wusstsein entstehen, wenn ich Neuronendurch Computerbefehle ersetze? Vielleichtkönnte das sogar funktionieren. Aber esgibt keinen vernünftigen Grund, daran zuglauben.

Ziemlich genau dieses Argument hat mein antikognitivis-tischer Mitstreiter John Searle in einem Paper über die „kau-salen Eigenschaften“ des Gehirns vorgebracht. Seine Gegnerhaben es als reaktionäres Zeug abgetan. Weil Searle nicht sagen konnte, wie diese „kausalen Eigenschaften“ genau funk-tionieren, erklärten sie das Argument für null und nichtig. Was auch wieder Unsinn ist: Ich muss überhaupt nichts überWassermoleküle wissen, um zu erkennen, dass viele von ihnenWasser ergeben, viele Kryptonatome hingegen nicht.

Wichtigstes Faktum: das kognitive KontinuumZu behaupten, dass eine künstliche Intelligenz mit eigenemBewusstsein hochgradig unwahrscheinlich ist, heißt nicht, dieKI-Forschung für überflüssig zu erklären. Der derzeit wich-tigste und spannendste Forschungsgegenstand in Kognitions-wissenschaft und Philosophie ist meiner Ansicht nach das„kognitive Kontinuum“.

Was ist damit gemeint, und warum ist es so wichtig? Wennwir denken, setzt unser Geist Gedankenabfolgen aus einzelnenGedanken oder Erinnerungen zusammen. Manchmal geschiehtdas, das glauben wir zumindest, bewusst und absichtlich. Dannwieder schweifen unsere Gedanken umher, und die Abfolgenscheinen sich von selbst zu ergeben.

Ganz offensichtlich muss man wach sein, um analytisch zudenken. Um einen Satz mathematischer Gleichungen zu lösenoder einen Beweis nachzuvollziehen, muss man seine Auf-merksamkeit fokussieren. Unsere Konzentration nimmt imLaufe des Tages ab, wenn wir ermüden. Kurz vor dem Ein-schlafen wird unser Geist dann merkwürdig: Er gerät in einenfrei assoziierenden Zustand, in dem ein Gedanke dem vorigennicht mehr logisch folgt, sondern eher assoziativ; in dieser Zeitkönnen wir uns nicht konzentrieren. Da wir aber unseren Tagin dem einen – konzentrierten – Zustand beginnen und ineinem anderen – frei assoziierenden, unkonzentrierten – be-enden, müssen die beiden etwas miteinander zu tun haben.

Dies wiederum legt den Schluss nahe, dass es ein Kontinu-um mentaler Zustände zwischen voller und gar keiner Konzen-triertheit gibt. Am oberen Ende dieser Skala ist das „Ich“ vonder Gedankenabfolge getrennt, betrachtet sie kritisch, verfolgtund steuert sie. Am unteren Ende geht das „Ich“ in der Gedan-

kenabfolge auf. Das kognitive Kontinuum dürfte wohl daswichtigste Faktum hinsichtlich des Denkens sein. Wenn wirseine Existenz anerkennen, könnten wir die Dynamik desDenkens erklären und modellieren (etwa in Software).

Wenn wir anerkennen, dass ein solches Spektrum existiert,kommen wir sogar fast wie von selbst zu einer Erklärung undeinem Modell dafür, wie Analogien entdeckt werden – unddamit auch dafür, wie Kreativität funktioniert. Am unterenEnde des Spektrums, wo wir sozusagen in unseren Gedankenwohnen, können wir sie fühlen. Anders gesagt, am unterenEnde entstehen die Emotionen. Träumen ist emotional.

Gefühle sind ein starkes Mittel zum Kodieren oder Kom-primieren von Informationen. Auch ein Strichcode kann vieleInformationen verdichten. Eine Emotion kann deshalb alsmentaler Strichcode angesehen werden, der eine Erinnerungverdichtet. Dabei können zwei verschieden erscheinende Erin-nerungen dasselbe Gefühl erzeugen. Eine Analogie wiederumist eine Gedankenabfolge aus zwei Elementen. Was aber ver-bindet sie? Die Antwort lautet: In manchen Fällen, vielleichtsogar in vielen, passen die beiden emotionalen Strichcodesgenau oder zumindest hinreichend gut zusammen. Die Theo-rie vom kognitiven Spektrum legt nahe, dass Analogien durchgleichartige Emotionen erzeugt werden: durch die Verbindungzweier Gedanken, die denselben emotionalen Inhalt haben.

Um eine simulierte Intelligenz ohne Bewusstsein zu bauen,brauchen wir keinen Computer mit echten Emotionen – sie zu simulieren würde reichen. Aber auch das wird schwierig,ebenso wie eine Nachbildung von Erinnerung mit all ihrenkomplexen Multimedia-Daten.

Aber wenn wir das Bewusstsein außer Acht lassen und unsstattdessen auf den Prozess des Denkens konzentrieren, stehendie Chancen gut, dass die KI-Forschung auf den rechten Wegzurückkommt. Dann könnte sie leistungsfähige neue Softwarehervorbringen – und uns zugleich wichtige Erkenntnisse überdie menschliche Intelligenz bringen.

Die ungekürzte Fassung dieses Essays finden Sie unterwww.technologyreview.de/gelernter

„Gefühle sind ein starkesMittel zum Kodieren“

David Gelernter ist Professor für Informatikan der Yale University. Er trug maßgeblich zur Entwicklung von Parallelrechnern bei. Dievon ihm geschaffene ProgrammierspracheLinda diente als Inspiration für das für Web-anwendungen populäre Java.

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12489 BerlinBiotechnologie, Informationstechnologie, Optische TechnologienWissenschafts- und Technologiepark Berlin Adlershof Neue Zentren für Material-/Mikrosystemtechnologie und Photovoltaik Wista-Management GmbHDr. Peer Ambrée, Rudower Chaussee 17–19Tel.: 0 30/63 92 22 50 E-Mail: [email protected] www.adlershof.de

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K O N G R E S S E & V E R A N STA LT U NG E N

Informieren Sie die Leser von Technology Review über Ihre Veranstaltungen und Kongresse.Ansprechpartner: Julia Wittig, Telefon: 05 11/53 52-633, Fax: 05 11/53 52-443, E-Mail: [email protected]

30. 8. 2007, Berlin

Venture LoungeMedia, IT & Games (zur Funkausstellung)�www.venturelounge.de

11.–12. 9. 2007, Bonn

InnovationsmanagementInnovationsprozess – Wie Sie diesen effek-tiv gestalten, Ideen finden – Wie Sie durchThink Tanks Ideen zielgerichtet generie-ren, Ideen bewerten – Wie Sie neue Pro-duktideen sinnvoll bewerten, Ideen um-setzen – Wie Sie vorhandene Ressourcen und die Unternehmensstruktur optimal nutzen, Innovative Markttests – Wie Sie erfahren, was Ihr Kunde von Ihrem inno-vativen Produkt hält�www.iir.de/innovation

19. 9. 2007, Hamburg

Geld verdienen im InternetDie zweite WelleTechnology-Review-Seminar�www.tr-konferenz.de

21. 9. 2007, Düsseldorf

3. Österreichisch-DeutschesRegulierungssymposium Kern des Symposiums wird die Regulie-rung der Telekommunikationsmärkte in Deutschland, Österreich und Europa sein�www.juconomy.com/index.php?id=91

24. 9. 2007, München

Fraunhofer Academy DayWeiterbildung – Innovation – KarriereWoran liegt es, wenn in Deutschland ein Fachkräftemangel beklagt wird und gleich-zeitig 60 000 Ingenieure Arbeit suchen? Wie muss Weiterbildung heute aussehen, um Fach- und Führungskräften Karriere-chancen zu eröffnen?�www.technology-academy.fraunhofer.de

24.–25. 9. 2007, Lindau

Internationales Match-Making Forum One-on-One Automobil, Luft- und Raumfahrt, Maschinenbau �www.bayern-innovativ.de

24.–27. 9. 2007, Leipzig

Die internationale IT-Konferenz SABRE – „Software, Agents and Ser-vices for Business, Research and E-Sciences“ findet vom 24.–27. 9. 2007 erstmals an der Universität Leipzig statt. Als Nachfolgekonferenz der Net.Object.Days werden in Vorträgen, Workshops und wissenschaftlichen Teilkonferenzen neueste Techniken der Softwareentwick-lung, Agententechnologien, Servicecom-puting und Logistik-IT vermittelt.�www.sabre-conference.de

26. 9. 2007, Hamburg

Venture LoungeHightech & Cleantech�www.venturelounge.de

27. 9. 2007, Hamburg

Innovationsmanagement im UnternehmenTechnology-Review-SeminarSteigerung der Innovationsleistung mit modernen Mitteln �www.tr-konferenz.de

27.–30. 9. 2007, Messe Augsburg

RENEXPO® 2007Internationale Fachmesse und Kongressfür regenerative Energien und energie-effizientes Bauen und Sanieren, E-Mail:[email protected]�www.renexpo.de

28. 9. 2007, Augsburg

Biomass/Biofuels, Solar Energy and Energy Efficient Buildings European Partnering Event �www.bayern-innovativ.de

1. 10. 2007, München

Open Mobile Web�www.mobile-monday.de

16.–17. 10. 2007, München

Innovation 2007 �www.innovation2007.de/review.de

16.–18. 10. 2007, München

MATERIALICA 2007 �www.materialica.de

16.–18. 10. 2007, München

COMPOSITES 2007 �www.composites.de

17.–18. 10. 2007, Bonn

VOICE Days 2007 Lösungen für Self-Service und Kunden-interaktion. Europas Leitveranstaltung für Sprachtechnologie�www.voicedays.de

17.–19. 10. 2007, Berlin

24. Deutscher Logistik-Kongress zusammen mit der Eurolog. Unter dem Titel Effizienz, Verantwortung, Erfolg referieren Fachleute aus aller Welt�www.bvl.de/dlk

30.–31. 10. 2007, München

Zukunftskongress mit FachausstellungTOMORROW+Zukünftige Innovationen für unser Leben …und das Automobil�www.tomorrow-plus.de

6. 11. 2007, Düsseldorf

Venture Lounge�www.venturelounge.de

13.–14. 11. 2007, München

Interdisziplinäres Denken als Erfolgsfaktor8. Deutscher Wirtschaftsingenieurtag (DeWIT 2007) Der führende Management-Kongress fürEntscheider und Querdenker in der neuenBMW-Welt �www.dewit.de

25.–30. 11. 2007, CH-Brunnen am

Vierwaldstättersee

Lehrgang Innovationsprozesse in F&E�www.zfu.ch/weiterbildung/seminare/

felt.htm

27.–28. 11. 2007, Heidelberg

Heidelberger Innovationsforum�http://heidelbergerinnovationsforum.de

27.–28. 11. 2007, München

trendforum Das 6. Business-Symposium für Trend-forschung, Innovationsmanagement & Trendmarketing�www.management-forum.de

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BRANCHEN: INFORMATIONSTECHNOLOGIE, TELEKOMMUNIKATION

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BRANCHE: INFORMATIONSTECHNOLOGIE

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BRANCHEN: INFORMATIONSTECHNOLOGIE, BIOTECHNOLOGIE, MEDIZINTECHNOLOGIE

Unternehmensschwerpunkt: Telemedizin und Expertenwissensportal

Plan-Umsatz 136 TEUR p. a.Kapitalbedarf: 500 TEUR

Die Unternehmung bietet internetbasierte diagnose-unterstützende Analyse- und Recherchemethoden an, fürNeurologen, Psychologen und Psychiater, in den USA undEuropa. Die Investition wird für Forschung, Produkt-weiterentwicklung und Vertriebsintensivierung verwendet.Kontakt über Chiffre-Nr.: TR-07-07-03

UNTERNEHMENSSCHWERPUNKTE: MESSTECHNIK (DICHTIGKEITSPRÜFUNG); AUTOMATISIERUNG

Plan-Umsatz 3 Mio. EURKapitalbedarf: 1,5 Mio. EUR

Entwicklung und Vertrieb von kompakten Dichtprüfgerätenmit Formiergas. Weltweit erstes standardisiertes Dichtprüf-gerät für Testgase (Patent angemeldet). Branchen u. a. Auto-mobil, Elektronik, Medizintechnik, Pharmazie bis hin zuConsumer Industry. Kapitalbedarf für Unternehmens- undVertriebsaufbau im In- und Ausland benötigt. F&E abge-schlossen mit nachweisbarem Markteintritt. Suche von stra-tegischen Partnern in allen Industriezweigen und Ländern. Kontakt über Chiffre-Nr.: TR-09-07-01

Ansprechpartner: Julia Wittig, Telefon: 05 11/53 52-6 33, Fax: 05 11/53 52-4 43, E-Mail: [email protected]

TECHNOLOGY REVIEW: UNTERNEHMENSBÖRSE

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Analyse & Meinung

Der Ratte langer Schwanz Die Probleme mit Internet-Fernsehen lehren: Nichtjede globale Minderheit wird gemeinsam stark

Die Sonnenseite der Globalisierung trägt einen Namen,

der nicht so appetitlich klingt: „Long Tail“, der Lange

Schwanz. Gemeint sind die flachen Seitenausläufer

der Gauß’schen Normalverteilung. In der kompakten Mitte

ballen sich billige Futtersäcke für Milliarden Fliegen, die nicht

irren können, also Welthits, Blockbuster, Bestseller. Am Rand

geht es scheinbar endlos weiter mit Raritäten, die sich kein

kluger Offline-Kaufmann ins Lager legen würde. Dank Ebay

und Google aber finden Kleinstproduzenten weltweit Kunden,

und Leute mit obskurem Geschmack passende Ware.

Das funktioniert prima bei allem, was einen googlebaren

Namen hat: bei Sammlerstücken, Büchern, Musik, Videos. Bei

all den Projekten aber, die nach diesem Prinzip jetzt das Fern-

sehen umkrempeln wollen, beißt sich die Katze in den langen

Schwanz. Dass Joost, Zattoo, Ba-

belgum & Co. irgendwann 50 000

Internet-TV-Kanäle anbieten, mag

ja technisch möglich sein. Diese

Kanäle voll zu kriegen, nicht. Nicht

einmal der Groß-Spartensender

DSF sendet rund um die Uhr Sport

– denn gutes Material ist teuer.

Und gäbe es auch nur die 500 Pro-

gramme, die uns die Everything-

on-Demand-Euphoriker einst in

Aussicht stellten, würden 90 Pro-

zent davon im (sub-)promillären

Einschaltquoten-Orkus dahinvege-

tieren. Hinter der Kanal-Inflation

verbirgt sich deshalb ein Etiketten-

schwindel: Ein „Channel“ bei Joost

ist nichts weiter als eine Endlos-

schleife, in die man an beliebiger Stelle einsteigen kann. Bis

man auf Stop klickt, plätschern Serienfolgen und andere

Konserven aus der DSL-Strippe.

Auch die Bildqualität ist bisher grenzwertig, weil Peer-to-

Peer-Technik und Streaming nur zusammen gehen, wenn der

Nächste, der gerade das Gleiche sehen will, nicht fern ist. Das

ist so ziemlich das Gegenteil von Long Tail – und der Grund

dafür, dass die Server von Joost und Zattoo im Widerspruch

zur reinen P2P-Lehre doch viel Arbeit haben. Noch kniffliger

als die technischen Fragen aber sind die nach den Sende-

rechten: Die Möchtegern-TV-Revolutionäre müssen für jedes

Land Verträge mit den Lizenzgebern schließen – oder dessen

Einwohner anhand der IP-Adresse aussperren.

Die IT-Cracks, die Fernsehen neu erfinden wollten, haben

wohl nicht geahnt, was da für ein Rattenschwanz dranhängt.

FROITZELEIEN

BA

RB

AR

A D

ELLE

R-L

EP

PE

RT

Ulf J. Froitzheim (48) ist freierJournalist und verschafft sich zeitver-setzten Fernsehgenuss mit einem altmodischen Festplatten-Rekorder

84

WATCHLIST POLITIK

Blogger zum Gipfel Hasso Plattner, Wissenschafts-mäzen und Mitgründer des Software-Konzerns SAP, hatangeregt, für die Organisationdes IT-Gipfels im Dezember inHannover die Blogger des „IT-Gipfelblogs“ stärker einzubezie-hen. Am Zukunfts-Thema derInformations- und Kommuni-kationstechnologien solle manmehr Bürger mitarbeiten lassen.

Gen-Kartoffel kommt Die EU-Kommission wird denAnbau der sogenannten Amflora-Kartoffel aus der Linie SolanumTuberosum L.EH92-527-1 vonBASF genehmigen. Das gabeine Sprecherin des EU-Umwelt-kommissars Stavros Dimasbekannt. Die EU-Zulassung istfür den kommerziellen Anbauvon genetisch veränderten Pflan-zen erforderlich.

Mit Strahlen fesselnDas US-Heimatschutzministeriumplant, amerikanische Bundes-beamte mit einer neuen, nichttödlichen Waffe auszurüsten. Siegleicht äußerlich einer Taschen-lampe und soll bei Verdächtigenmittels wechselnden Lichtblitzenfür Desorientierung und Übelkeitsorgen. Ab dem Jahr 2010 sollenPolizisten und Grenzbeamte sieeinsetzen.

Effizienz im ExportDas Bundesministerium für Wirt-schaft und Technologie will miteiner „Exportinitiative Energieeffi-zienz“ Unternehmen dabei helfen,energiesparende Produkte undDienstleistungen im Ausland zuvermarkten. Zielländer sind unteranderem Frankreich, Irland, dieNiederlande, Spanien, Ungarn,Rumänien, China, Hongkong,Taiwan und Kanada.

TECHNOLOGY REVIEW September 2007

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ITF

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Zur Internationalen Automobilausstellung indiesem September haben sich die deutschenAutobauer ein Vokabular angeeignet, das gera-

dezu nach frischer Luft riecht: Audi proklamiert den„saubersten Diesel der Welt“, VW preist das „Sauber+ Sorglos“-Paket an, BMW wirbt mit „Hightech fürdie Umwelt“, und Porsche erklärt sich zum Sieger inder selbst erfundenen Kategorie „geringster CO2-Aus-stoß pro PS“. Solche Sprüche lassen keinen Zweifeldaran, dass die Industrie auf die wachsende Sorge umdas Klima reagiert. Wirklich zukunftsträchtige neueWege aber befährt sie damit nicht.

Tatsächlich werden auf der IAA eine ganze Reihevon Modellen vorgestellt, die deutlich sparsamer sindals ihre Vorgänger. BMW etwa bietet in diesem Jahr4 Benzin- und 13 Dieselmodelle an, die dank Start-Stop-Automatik, Leichtlaufreifen und anderen un-spektakulären Maßnahmen weniger als 140 GrammKohlendioxid pro Kilometer ausstoßen – bis dato

war der sparsamste BMW mit 150ˇg/km unterwegs.Volkswagen hat sein „BlueMotion“ genanntes Spar-konzept bereits vom Polo auf den Passat ausgeweitetund präsentiert zur IAA sechs weitere Modelle mitverbesserter Aerodynamik und längeren Übersetzun-gen. Auch andere Hersteller stellen neuerdings dengeringeren Spritverbrauch neuer Modelle heraus.

Schritte in die richtige Richtung – doch sie dürf-ten zu spät kommen, um noch die Selbstverpflich-tung der europäischen Autobranche zu erfüllen, bis2008 den durchschnittlichen CO2-Ausstoß ihrerNeuzulassungen auf 140 Gramm pro Kilometer zusenken: Nach den neuesten verfügbaren Zahlen lagder europäische Schnitt im Jahr 2004 bei 162 g/km,für Deutschland im Jahr 2006 hat das Kraftfahrtbun-desamt einen Durchschnitt von 172 g/km errechnet.Das ist zwar weniger als in den Jahren davor – aberdie Sparkurve flacht immer weiter ab, wie Gerd Lott-siepen, verkehrspolitischer Sprecher des Verkehrs-

Deutsche DickschiffeVERKEHR

Die Autohersteller überschlagen sich mit Spritsparmodellen. Der Trend gehtin die richtige Richtung, wird aber längst nicht konsequent genug verfolgt

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clubs Deutschland, festgestellt hat. Denn radikalere Neuerun-gen sind noch weit entfernt. Der Diesel-Benzin-Zwitter „Dies-Otto“ von Mercedes-Benz etwa, der eine Oberklassen-Limou-sine mit nur sechs Litern auf hundert Kilometern bewegen soll,wird zur IAA nur als Forschungsobjekt vorgestellt und soll erst„mittelfristig“ zum Einsatz kommen. Ein ähnliches Konzeptmit dem Titel „Combined Combustion Engine“ ist bei VWschon recht weit gediehen, aber auf synthetischen Treibstoffangewiesen, der noch nicht flächendeckend verfügbar ist. Dererste deutsche Vollhybrid-Wagen wird voraussichtlich mit

dem Porsche Cayenne erst 2009 – zwölf Jahre nach dem erstenToyota-Hybrid – auf den europäischen Markt kommen. Undauch der wird noch sehr viel mehr saufen als konventionelleFamilienkutschen.

Die angebliche PS-Verliebtheit der Käufer wird von denAutobauern standardmäßig als Grund für das absehbare Schei-tern ihrer Selbstverpflichtung angeführt. Sie wirklich zu ver-fehlen wäre peinlich, aber weitgehend folgenlos – ans Einge-machte aber könnte es für die Autobauer gehen, wenn sich derEU-Umweltkommissar Stavros Dimas mit seinen Plänendurchsetzt: Er will vorschreiben, dass neu zugelassene Autosspätestens 2012 im Durchschnitt höchstens 130 Gramm CO2

pro Kilometer emittieren (siehe TR 02/07). Darüber, dass daskaum zu schaffen ist, sind sich sogar Umwelt- und Autover-bände einmal einig: „Ich bezweifele das. Bis jetzt hat manschließlich nur die tief hängenden Trauben gepflückt“, sagtLottsiepen. Auch der europäische Autoverband ACEA be-zeichnet das Ziel als „nicht machbar“ und fordert mehr Zeit.

Welche konkreten Konsequenzen ein CO2-Gesetz für dieModellpolitik haben wird, hängt von der Ausgestaltung desbisher nur vage formulierten Vorhabens ab. Dass die 130Gramm als Durchschnitt für die Flotte jedes einzelnen Herstel-lers gelten werden, wie es ursprünglich angedacht war, haltenExperten für unwahrscheinlich. Doch auch die Frage, ob eingesamteuropäischer Flottenverbrauch quer durch alle Fahr-zeugklassen als Maßstab genommen werden soll, entzweit dieBranche: Die italienischen und französischen Hersteller, dievor allem Kleinwagen bauen, können mit dem Dimas-Grenz-wert leben und möchten nicht für deutsche Dickschiffe in Sippenhaft genommen werden. Die deutschen Hersteller wie-derum argwöhnen, die CO2-Kappung laufe auf eine Wettbe-werbsverzerrung zugunsten von Kleinwagenherstellern hin-aus. „Wenn wir uns nicht einigen, dann gibt es einen Krieg“,zitierte die „Süddeutsche Zeitung“ einen anonymen deutschenVorstandschef nach einem Branchentreffen im Juli.

Der Gegenvorschlag des deutschen Autoverbandes VDAlautet, Grenzwerte für nach Gewicht gestaffelte Fahrzeugklas-sen einzuführen, sodass jede Klasse proportional gleiche Anteile leisten müsse. Verkehrsclub-Sprecher Lottsiepen be-zeichnet das als absurd, denn dadurch würde ein Zweieinhalb-Tonnen-Geländewagen einen Bonus just dafür bekommen,dass er ein Zweieinhalbtonner ist. Er favorisiert deshalb eineStaffelung nach der Grundfläche eines Autos: „Dabei gibt esweniger Manipulationsmöglichkeiten als beim Gewicht.“

Generell sieht Lottsiepen Hersteller und Verbraucher im-merhin auf dem richtigen Weg: „Der Trend, der jetzt gesetztwird, ist nicht mehr umkehrbar. Vieles von der neuen Tech-nik ist seit Langem da und wird jetzt endlich durch den mas-siven öffentlichen Druck angeboten.“ Hans-Jochen Luhmannvom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie aller-dings ist skeptischer: „Selbst wenn eine Schnecke in die rich-tige Richtung kriecht – ist ihr Beitrag zu einem Hundert-meterlauf deshalb schon der Rede wert?“ GREGOR HONSEL

86 ANALYSE & MEINUNG

TECHNOLOGY REVIEW September 2007

DIE DEUTSCHEN HERSTELLER ARG-WÖHNEN, DASS DIE CO2-KAPPUNGDEN WETTBEWERB ZUGUNSTEN VONKLEINWAGEN-BAUERN VERZERRT

Die Bündelung von Forschungskompe-

tenz ist in: Nachdem sich Universität

und Forschungszentrum Karlsruhe vor

gut einem Jahr zum Karlsruhe Institute

of Technology (KIT) zusammenge-

schlossen haben, wollen jetzt die

RWTH Aachen und das Forschungs-

zentrum Jülich die „Jülich-Aachen Re-

search Alliance“ (JARA) bilden. Beide

Initiativen beanspruchen für sich Modell-

charakter, ihre Ziele sind gleich und

kühn: Die weltbesten Wissenschaftler

anlocken und neue Maßstäbe in der

Nachwuchsförderung setzen. Dagegen

ist nichts einzuwenden. Aber reichen

Zusammenschlüsse, dreistellige Millio-

nen-Budgets und die gern genannten,

neu erschaffenen „Marken“ dafür aus?

Immerhin erinnert das Aneinander-

rücken von Campus und Forschungs-

labor an die Blütezeit der deutschen

Forschungsuniversitäten in der Mitte des

19. Jahrhunderts. Doch diese entstan-

den nicht per Verwaltungsanweisung,

sondern entwickelten sich organisch,

angetrieben vom Konkurrenzdenken

zwischen den damaligen Kleinstaaten.

Stolze Landesherren ließen ehrgeizige

Jung-Professoren – Größen wie Gauß

und Riemann in Göttingen oder Jacobi

und Dirichlet in Berlin – frei walten.

KIT und JARA haben solche Per-

sönlichkeiten nicht. Ob sie noch kom-

men, hängt davon ab, ob potenzielle

Genies dort von Bürokratie und Haus-

politik unbelastet forschen können. Das

wäre ein Segen: Star-Forscher ziehen

nicht nur ehrgeizige Doktoranden an,

sondern können auch bei der Jugend

Interesse für ein Technikstudium

wecken – authentischer und direkter als

jede Marketingmaßnahme. GORDON BOLDUAN

Authentischer und direkter

FORSCHUNG

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ANALYSE & MEINUNG 87

TECHNOLOGY REVIEW September 2006

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TR: Sind Biotech-Start-ups zu sehrauf ihre Technologie fokussiert? Holger Patzelt: Ein häufiger Fehler vonWissenschaftlern, die ein Unternehmenführen, ist, dass sie sich zu sehr auf dieTechnologieentwicklung konzentrieren.Sie schauen gar nicht, ob der Markt jetztdiese Technologie will. Sie sind einfachwissenschaftlich fasziniert. Der zweitePunkt ist: Was passiert, wenn dieseTechnologie scheitert? Es ist ein großespsychologisches Problem, vor sich selbstzuzugeben, dass man gut zehn Jahre aufdas falsche Pferd gesetzt hat, und dasauch anderen gegenüber zu rechtferti-gen, beispielsweise den Investoren oderder wissenschaftlichen Community.

Haben die gegenwärtigen Start-upsaus den Krisenjahren gelernt? Meine Information ist, dass gerade indiesem Moment die Branche wieder eine

schwierige Zeit durchmacht. Es war so,dass nach diesen Jahren, 2002 bis 2004, indenen das Kapital ja relativ knapp war,die Investoren wieder mehr Geld rein-geschossen haben in die Unternehmenund deren Optimismus wieder da war.Allerdings sind im vergangenen Jahr dieInvestitionen wieder zurückgegangen,und im Moment, also gerade auch in denletzten Monaten, gibt es leider auch un-glückliche oder unerfreuliche Nachrich-ten aus der Produktentwicklung.

Wie bei dem Münchner Biotech-Unternehmen GPC? Das ist das eine. Eine zweite Firma istPaion. Die hatten ein relativ weit ent-wickeltes Medikament gegen Schlagan-fall, und dann hat sich in der letzten kli-nischen Phase quasi herausgestellt, dasses wahrscheinlich nicht wirken wird –entsprechend ist auch die Bewertung an

BIOTECH

Holger Patzelt, 33 Jahre, forscht amMax-Planck-Institut für Ökonomik inJena. Parallel zu seiner Promotion inMolekularbiologie begann er Wirt-schaftswissenschaften an der Fern-universität Hagen zu studieren. Fürseine Doktorarbeit in diesem Fachuntersuchte er Biotech-Start-ups, diedie Krisenjahre 2002 bis 2004 über-standen. Für die Arbeit erhielt erunter anderem den Fürther Ludwig-Erhard-Preis, den BundeskanzlerinAngela Merkel ihm persönlich über-reichte. Die Arbeit ist abrufbar unter:www.opus-bayern.de/uni-bamberg/volltexte/2006/86

„Sicherlich ein Manko“Der deutschen Biotech-Branche fehlt es an Investoren,sagt der Ökonom Holger Patzelt – und auch an Glück

der Börse zurückgegangen. Das zeigteinfach das Risiko. Solche Unterneh-men, die müssen gar nicht schlecht geführt werden, die sind sogar sehr gutgeführt, aber das Restrisiko können sieschlichtweg nicht ausschließen.

Fehlt der deutschen Biotech-Bran-che zum Durchbruch also Glück? Ja, und und auch ein bisschen das Steh-vermögen der Investoren. Es gibt inDeutschland wenige Investoren mit Er-fahrung in der Biotechnologie. Und esgibt wenig Venture-Capital-Firmen, diebereit sind, richtig große Summen zu in-vestieren. Ich habe die Fusion zwischender deutschen Ribopharma und der ame-rikanischen Alnylam untersucht. Alny-lam war zwei Jahre jünger als Ribophar-ma. Die Patente beider waren recht stark,aber in Amerika hatte Alnylam gleich inden ersten ein oder zwei Jahren hohezweistellige Millionenbeträge von Risi-kokapitalgebern gekriegt, wohingegenRibopharma mit ein paar wenigen Mil-lionen auskommen musste. Der Unter-schied ist so groß am Kapitalmarkt, dassdas sicherlich ein Manko der Branche ist.

Wie wird sich der Rückschlag beiGPC auf den deutschen Kapital-markt auswirken? Wenn so ein großes und bekanntesUnternehmen wie GPC den Investorenwieder vor Augen führt, wie risikoreich esist, Medikamente zu entwickeln, dann istdas nichts, was die deutsche Risiko-Kapi-talbranche besonders motivieren wird.

INTERVIEW: GORDON BOLDUAN

Die Langfassung dieses Interviews finden Sie unterwww.technologyreview.de/patzelt

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Wissen

TECHNOLOGY REVIEW September 2007

88

Fallera statt Fulleren

BETREFF: NeuafnangVON: [email protected] richtig zu verstehen ist manchmal nicht einfach, leiberFrank. Meine Tante hat immer “Blumenkrug” verstan den es“Blue Man Group” hieß, aber ich schweife ab. Wir verstehenuns zum Glück, so ein Institustfest hat ja auch was seelischDestillierendes. Diese anderen, also, Dinge vergessen wir.Was Sie als Nanobananen bezeichnet haben, geht übrigensin die richtige Richtung. Kleinst anfangen, groß rauskommen.Bananotechnologie wäre ein methodischee Ansatz, wirwerden das auf der Kofrenenz in Honolulu vorstellen. Skiseiz-zieren das bis Ende der Woche. Gruß, Pfeifer

BETREFF: Re:generationsversuch VON: [email protected] in Kairo angekommen, im Geist mit euch gefeiert.Durch das hiesige Bier namens Stella komplett neue Geistes-verfassungen erlebt. Heute angenehm desorientiert aufge-wacht und erst mal die Krönungsdaten Heinrich II. in Euro unddann in Hex umgerechnet. Wer überkomplexe Systeme ver-stehen will, muss hier nur mal Bus fahren. Remote loginverhält sich sonderbar, hat mein Rechner gestern mit mirgesoffen? Al Kaseltzer statt Al Kaida, Tom

BETREFF: PI * 2VON: [email protected] fordern ein partylabor. fallera statt fulleren! bin vorhin denbeiden gastprofessoren im herrenklo begegnet, der eine hatdem anderen erklärt, dass man sich in berkeley die händewäscht, nachdem man auf der toilette war, und der andere demeinen, dass man in harvard lernt, sich nicht auf die finger zu pin-keln. zur nanokalibrierung: klein-pi macht auch mist, kräht kurt.

BETREFF: Re: Re: RundungenVON: [email protected] Frank, was meinst du damit, dass du beim Rundenimmer an mich denken musst? Deine Nanobanane (ich meinedas Konzept) ist im Übrigen nicht ganz neu, mit Nanopartikelnhaben sie schon im Mittelalter gearbeitet. Das Fensterglas dergotischen Dome ist mit Goldstaub rot gefärbt. Falls du michaus Kollegialität mit wissen lassen könntest, was du mit Pfeiferzu mauscheln hattest und weshalb er jetzt so merkwürdigdrauf ist, könnte ich dir trotzdem bei der Projektsicherung helfen. Wir leben ja heute im Drittmittelalter. Lea.

BETREFF: Spaziergang am WochenendeVON: [email protected] Frank, es würde mich nicht wundern, wenn ProfessorPfeifer Sie vielleicht gelegentlich doch als Reiseassistenz anfordern würde. Übrigens ist Ihnen sicher nicht entgangen,was drüben bei den Physikern los ist. Die können sich kaumretten vor Besuchern, seit die das Bosonenbaby in ihrem Teilchenzoo haben – das IST aber auch niedlich. UnseremInstitut würde etwas mehr Aufmerksamkeit auch guttun. Mit besten Grüßen, Friedericke von Breulitz

AN: [email protected] (11)*

* Namen und Handlung frei erfunden von Peter Glaser

ZITATE

„Wir stehen vor einemHype, der mit der NewEconomy zu Beginn desJahrzehnts vergleichbarist.“Umweltexperte Thorsten Henzelmann vonder Beratungsfirma Roland Berger über denMarkt für Umwelttechnik

„Man muss hundertausendMilliarden Kollisionen aus-werten, um ein einzigesHiggs-Teilchen nachzuwei-sen. Wir sind an der Gren-ze dessen, was Menschenund Technologie zu leistenvermögen.“Sylvia Schuh, Physikerin am CERN

„Das eindeutige Potenzial,die Leistung der Athletenzu steigern, indem manmit natürlichen oderkünstlichen Verfahren dasMyostatin-Gen ausschal-tet, könnte das Gesichtvon Sportwettbewerbenverändern.“Mikrobiologin Elaine Ostrander über dasDopingpotenzial von Genmutationen

„Wir haben gute Chancen,auch in der Informations-technologie zu den Export-Weltmeistern zu werden.“ Karl-Heinz Streibich, Vorstandschef derSoftware AG

„Wenn datenintensiveDienste eines Anbietersdas Netz verstopfen und alle Nutzer darunterleiden, stößt das an dieGrenzen unternehmeri-scher Freiheit.“Berater Roman Friedrich von Booz AllenHamilton über die Belastung des Internetsdurch Videodateien

„Der Kreationismus inDeutschland ist ein florierendes Business.“Ulrich Kutschera, Evolutionsforscher

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Es war ein Preisausschreiben im Jahr 1869, dasdie Ära der Massenkunststoffe einläutete. Ge-sucht wurde ein preiswerter Ersatzstoff für das

teure Elfenbein in Billardkugeln. Sieger dieses Wett-bewerbs wurde Celluloid, ein Material, das aus Cellu-lose und dem aus Pflanzenöl gewonnenen Campherhergestellt wurde. Knapp 40 Jahre später verdrängtedas billigere Erdöl diese Naturstoffe als Ausgangs-material. Mittlerweile aber, vor dem Hintergrundknapper werdenden Öls, wächst das Interesse an Biokunststoffen wieder rapide: Laut einer Studie derEuropäischen Kommission soll sein Marktanteil inEuropa von derzeit nahezu null auf vier Prozent imJahr 2020 zunehmen.

Chemisch gesehen werden alle Kunststoffe durchdas wiederholte Zusammenfügen des gleichen Mo-lekülbausteins (Monomer) zu langen Ketten (Poly-mer) hergestellt. Zu den wichtigsten Biokunststoffengehören Stärkepolymere, Polymilchsäure, Polyhy-droxyfettsäuren und Cellulose-Werkstoffe. Als Pro-duktionsverfahren kommen chemische Synthese unddie biotechnologische Herstellung durch Mikroorga-

nismen oder genetisch modifizierte Pflanzen zumEinsatz. Reine Biokunststoffe haben jedoch meistnoch unerwünschte Eigenschaften wie eine leichteEntflammbarkeit oder Reaktionsfreudigkeit mitWasser. Deshalb werden sie häufig mit weiteren Polymeren und Zusatzstoffen kombiniert.

Am weitesten verbreitet unter den Biokunst-stoffen ist das natürliche Polymer Stärke aus demMonomer Glukose; es wird aus Mais, Kartoffeln undWeizen gewonnen. Besser formbar wird es durch dieZugabe von Weichmachern und Plastifizierungs-mitteln wie Sorbit oder Glycerin, die Zugabe von Erd-öl-basierten Polymeren wie Polyester macht Stärkezusätzlich wasserabweisend. Die dadurch entstehen-den sogenannten Stärkeblends werden zu Verpackun-gen wie Folien, Joghurtbechern und Tragetaschen, zuFolienbeschichtungen für Windeln und Pappe sowiezu Pflanztöpfen verarbeitet.

Ebenfalls recht verbreitet sind Biokunststoffe ausPolymilchsäure (Polylactid, PLA). Die industrielleProduktion des Grundbausteins Milchsäure über-nehmen Bakterien, indem sie aus pflanzlicher Stärke

Natürlich künstlichMATERIALIEN

Angesichts schwindender Ölvorräte wächst das Interesse an Kunststoffen aufpflanzlicher Basis. Doch noch sind sie deutlich teurer als gewöhnliches Plastik

TECHNOLOGY REVIEW September 2007

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Becher mit Verfallsdatum: Aus Milchsäure lassen sich transparente Kunststoffe gewinnen

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stammende Glukose zu Milchsäure vergären. Durch eineanschließende Polymerisierung mittels chemischer Syntheseentstehen transparente Kunststoffe. Milchsäure kann in zweiVariationen auftreten – je nachdem, welche Anteile sie haben,und durch die Zugabe von anderen Polymeren lassen sichdamit wahlweise schnell abbaubare PLA für medizinischeImplantate und OP-Fäden oder jahrelang stabile für Becher,Lebensmittelschalen oder Folien herstellen.

Der japanische Elektronik-Produzent NEC hat inzwischenauch die größte Schwäche dieser Materialklasse – die Hitze-empfindlichkeit – behoben: Durch die Verstärkung der PLAmit der Pflanzenfaser Kenaf und Metallhydroxiden schuf er ei-nen Biokunststoff, der nicht nur schwer entflammbar, sondernobendrein gut formbar und stabil ist. Mit dem MobiltelefonFOMA N701iEco ist in Japan bereits das erste Produkt auf die-ser Grundlage auf dem Markt. Derzeit entwickeln die NEC-Techniker Biokunststoffe mit völlig neuen Eigenschaften: Siesollen ein Formgedächtnis haben und recyclebar sein.

Als Geheimtipp unter den Biokunststoffen gelten die so-genannten Polyhydroxyfettsäuren, insbesondere die Polyhy-droxybutyrate (PHB). Mit den richtigen Hilfspolymeren ver-mischt, ähneln ihre Eigenschaften denen des Erdöl-basiertenMassenkunststoffs Polypropylen, und sie können auf die glei-che Weise per Spritzguss verarbeitet werden. PHB werdennatürlicherweise von Bakterien aus überschüssiger Nahrungwie etwa Zucker produziert und als Energiereserve gespeichert.Allerdings ist die Gewinnung des Kunststoffs aus den Bakteri-en aufwendig, da die Zellmembran erst einmal mit wenig um-weltfreundlichen Mitteln wie Chloroform oder mit Enzymengeknackt werden muss. Zudem braucht es drei KilogrammZucker, um ein Kilogramm PHB herzustellen. Der Zuckerpreisaber ist wegen der starken Nachfrage nach Bioethanol, dasebenfalls aus Zuckern hergestellt wird, erheblich gestiegen.

An einer billigeren Methode arbeiten unter anderem Ger-rit Luinstra von BASF und Professor Bernhard Rieger von derUniversität Ulm: Die beiden Forscher entdeckten, dass sich

PHB mithilfe eines Katalysators aus den kleineren und indus-triell leicht verfügbaren Verbindungen Propylenoxid undKohlenmonoxid chemisch synthetisieren lässt. Trotzdem istder Biokunststoff noch teurer als Polypropylen: „PHB würdezunächst in kleineren Anlagen produziert und könnte daherkostenmäßig mit dem etablierten Massenkunststoff nicht mit-halten“, sagt Luinstra. Entscheidend für eine erfolgreicheMarkteinführung sei daher, ob Kunden für den ZusatznutzenBioabbaubarkeit mehr zu zahlen bereit sind.

Angesichts wachsender Plastik-Müllberge zu Land und zuSee, die sich oft nur über mehrere hundert Jahre zersetzen,macht sich zunehmend auch die Politik für Biokunststoffestark. So werden in Frankreich ab 2010 nur noch Plastiktüten

aus nachwachsenden Rohstoffen erlaubt sein. In Deutschlandwurden Hersteller von kompostierbaren Bioverpackungen inder neuen Verpackungsverordnung bis zum Jahr 2012 von derVerpflichtung ausgenommen, eine flächendeckende Entsor-gung zu gewährleisten. Allerdings lösen sich nicht alle natür-lichen Biokunststoffe unter Einwirkung von Wärme, Luft undFeuchtigkeit auf. Ebenso gibt es Erdöl-Kunststoffe, bei denendas sehr wohl der Fall ist; auch sie werden verwirrenderweiseals Biokunststoffe bezeichnet.

Noch ist der Markt für die natürlichen Biokunststoffe rechtklein. In Europa werden laut dem Branchenverband EuropeanBioplastics jährlich etwa 50 000 Tonnen davon hergestellt; dieProduktionsmenge bei den konventionellen Erdöl-Kunststof-fen dagegen beträgt pro Jahr etwa 45 Millionen Tonnen. Dochobwohl Biokunststoffe im Schnitt doppelt bis viermal teurersind, übersteigt die Nachfrage schon die Produktionskapazitä-ten: „Biokunststoffe werden vor allem für die Verpackungs-hersteller zunehmend attraktiv, weil sie die höheren Pro-duktionskosten durch Einsparungen bei der Entsorgungwettmachen können“, sagt Michael Carus, Geschäftsführer derMarktforschungsfirma Nova-Institut. So muss eine bio-ab-baubare Mulchfolie im Gartenbau nicht mehr entfernt wer-den, sondern zersetzt sich selbst.

Allerdings ist leichte Abbaubarkeit nicht unbedingt gleich-bedeutend mit Umweltschutz, gibt Wolfgang Beyer, Kunst-stoff-Experte beim Umweltbundesamt, zu bedenken: „AusUmweltsicht ist es falsch, zu kompostieren. Ich bekomme keinewiederverwertbaren Wertstoffe wie beim Recycling.“ Der Trendkönnte also auch zu Kunststoffen gehen, die zwar auf Pflanzenbasieren, sich aber trotzdem für das Recycling eignen – und beinicht fachgerechter Entsorgung ebenso wie ihre Vorbilder ausErdöl jahrelang die Landschaft verschandeln. VERONIKA SZENTPÉTERY

OBWOHL BIOKUNSTSTOFFE BIS ZUVIERMAL SO VIEL KOSTEN WIE

SOLCHE AUS ERDÖL, ÜBERSTEIGTDIE NACHFRAGE DAS ANGEBOT

TECHNOLOGY REVIEW September 2007

90 WISSEN

Linkwww.biomatnet.org/secure/Ec/S1944.htm Studie derEuropäischen Kommission über den Biokunststoff-Markt

Biologisch und robust: NEC hat mithilfevon Pflanzenfasern einen Biokunststoff fürHandy-Gehäuse hitzeresistent gemacht

tr.0907.088-090 22.08.2007 15:05 Uhr Seite 90

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Hier stand im Heft eine Anzeige

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92 WISSEN

Scott Berkun glaubt nicht an diegöttliche Eingebung – und das istnicht der einzige Mythos, den er

in seinem Buch hinterfragt. Der frühereMicrosoft-Programmierer und heu-tige Dozent für kreatives Denken hatHunderte von Hintergrund-Artikeln zu revolutionären Erfindungen undTechnologie-Flops durchgearbeitet. DasErgebnis: Der entscheidende Erfolgs-faktor für Innovationen ist in den meis-ten Fällen nicht Genie, sondern harte,methodische Arbeit.

Für Berkun gleicht der Innovations-prozess dem Zusammensetzen einesPuzzlespiels. Inder Öffentlich-keit wahrgenom-men aber werdemeistens – wennüberhaupt – nurdas Einfügen desletzten Stückes.Das Internet et-wa habe 40 JahreVorarbeit in Elektronik, Netzwerk-Technik und Software gebraucht, bevores auf einem Stand war, auf dem TimBerners-Lee das WWW erfinden konn-te. Auch zitiert Berkun den Erfinder desLasers, Gordon Gould, er habe seinezündende Idee nur deshalb gehabt, weiler zuvor 20 Jahre Erfahrung mit Physikund Optik gesammelt habe.

Insgesamt identifiziert Berkun inzehn Hauptkapiteln zehn Mythen – mitdurchaus schwankendem Grad an Ori-ginalität. So braucht man heute eigent-lich niemandem mehr zu er-zählen, dass nicht immer diebesten Ideen gewinnen unddass Innovationen auch ihreSchattenseiten haben können.Schon interessanter ist Ber-

kuns Versuch, in vielen Beispielen Mus-ter zu entdecken und daraus Lehren abzuleiten. Als die wichtigsten Heraus-forderungen nennt er: Ideen finden,Umsetzungen ausarbeiten, Finanziersgewinnen, Massenherstellung ermögli-chen, die Kunden erreichen, Konkur-renten übertreffen, den richtigen Zeit-punkt wählen – und bei all dem nichtvergessen, dass man laufend Rechnun-gen bezahlen muss.

Ein eigenes Kapitel ist dem Mythos„Gute Ideen sind schwer zu finden“ ge-widmet. Zwar hätten viele Menschentatsächlich Probleme damit, doch das

sei hauptsäch-lich das Ergeb-nis schlechterGewohnheiten.„Das erneuteVerwenden al-ter Ideen inForm von Pro-dukten, Ma-schinen, Web-

seiten ist so einfach geworden, dassLeute schon seit Jahren nicht mehrihren eigenen Kopf einsetzen“, schreibtBerkun und hebt zu einer grundlegen-den Gesellschaftskritik an: Schule undBerufsleben seien so angelegt, dass Krea-tivität in die Ecken des Gehirns gedrängtwerde. Sein Lösungsvorschlag: Wennschon nicht nur gute, dann solle mandoch zumindest versuchen, erst einmalmöglichst viele Ideen hervorzubringen.

Berkun bezeichnet sein Buch als„Crossover“ zwischen geschichtlichen,

kulturellen, geschäftlichenund technischen Betrachtun-gen und empfiehlt, für dasLesen Neugierde und Humormitzubringen. Tatsächlichfühlt man sich nach der Lektüre umfassend über dieKunst der Innovation infor-miert – und sieht daher überdie Schwächen bereitwillighinweg. GORDON BOLDUAN

Wie würde die Erde aussehen, wenn der

Mensch mit einem Schlag verschwinden

würde? Die meisten Wohnhäuser etwa

halten gerade einmal 50 bis 100 Jahre.

Doch Weismans Buch

bietet mehr als nur

morbide Science-

Fiction: Mit seinem

Blick in die erdachte

Zukunft liefert er einen

kenntnis- und detail-

reichen Blick in die Erd-

geschichte.

Die Welt ohne uns Alan Weisman Piper, 2007,

378 Seiten, 19,90 Euro

Informationen an mehreren Orten ab-

speichern – für die einen bedeutet das

Chaos, für Weinberger ist es die Chance,

Wissen neu zu strukturieren und die

Grenzen der bisheri-

gen physischen Ord-

nung zu überwinden.

Die These von der

„vielseitigen Ordnung“

belegt der Querdenker

unter anderem mit

Web-Phänomenen.

Everything is Miscellaneous David Weinberger Times Books, 2007,

277 Seiten, 18,45 Euro

In Energiefragen ist Wagner eine feste

Größe. Der Professor für Energiesysteme

und Energiewirtschaft liefert einfach for-

muliert eine nüchterne Darstellung der

Fakten und erklärt,

unter welchem techni-

schen Aufwand, politi-

schen und wirtschaft-

lichen Randbedingun-

gen die Verfügbarkeit

von Energie sicher-

gestellt werden kann.

Was sind die Energien des 21. Jahrhunderts?Hermann-Josef Wagner Fischer Taschenbuch, 2007,

310 Seiten, 9,95 Euro

Geistesblitze für jedermannMethodisches Arbeiten ist für den Ex-Software-EntwicklerScott Berkun der beste Weg zu außergewöhnlichen Ideen

�BÜCHER

DER AUTORVERSUCHT, INBEISPIELENMUSTER ZUENTDECKENUND DARAUSLEHRENABZULEITEN

The Myths of Innovation Scott Berkun O’Reilly, 2007,

176 Seiten, 22,95 Euro

TECHNOLOGY REVIEW September 2007

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94 WISSEN

In Hunderten von Bierfäs-sern, tief im Inneren einesBergwerkstollens, lagert dieGeschichte Deutschlands –nicht etwa wegen des Rein-heitsgebots, sondern weil die modifizierten Edelstahl-behälter Mikrofilmen denbesten Schutz bieten. 500 bis1500 Jahre sollen die mehr als1,4 Milliarden Aufnahmenvon Urkunden wie den Bau-plänen des Kölner Doms,Kafkas Briefen oder gar Krönungsurkunden so demZahn der Zeit widerstehen.Atombombensicher und mitblauweißen Rautezeichen im

Eingangsbereich unter denKulturgutschutz der HaagerKonvention gestellt, spei-chert der Barbarastollen imSchwarzwald als „ZentralerBergungsort der Bundesre-publik Deutschland“ kultu-relle und nationale Datenvon bedeutendem Wert.

„Es gibt zwei Arten vonWissen: Entweder wissen wires selber, oder wir wissen, wowir die Informationen findenkönnen“, erkannte schon derenglische Schriftsteller Sa-muel Johnson (1709–1784)den Vorteil gespeicherterDaten als Erweiterung des

Gedächtnisses. Da sich dasGehirn bestimmte Daten wie lange Zahlenketten nurschwer merken kann, ist eswichtig, solche Informatio-nen leicht auffindbar abzu-legen. Gleiches gilt, wennDaten zur Kommunikationweitergegeben werden sollen.

Dabei folgt das Hortenvon Informationen dem glei-chen Prinzip wie die Einlage-rung von Getreide oder dasSpeichern von Energie: Umetwas sicher aufzubewahren,wird es in einem besonderenSpeichermedium abgelegt.Entscheidend ist, dass das zu

Speichern […] in speicherthun. […] verzeichneteswort, das zuerst um 1750[…] in der zusammen-setzung aufspeichern […],später auch als einspeichern[…] auftritt; danach ist ein-faches speichern in gehobe-ner rede und in der freierenbedeutung des aufsammelnsum 1775 angewendet […]Aus: Deutsches Wörterbuch von

Jacob Grimm und Wilhelm Grimm,

Leipzig, 1854–1960

Speicher Ursprünglich ein[Dachboden]raum, Gebäu-de oder Bauwerk zur Lage-rung von Gegenständen,insbesondere von landwirt-schaftlichen Produkten[…]; im weiteren Sinne jedetechnische Einrichtung, Anlage […], die […] feste,flüssige oder gasförmigeStoffe […], Energie […]oder Daten, Informationen,Signale und anderes aufbe-wahren und zu einem späte-ren Zeitpunkt wieder zurVerfügung stellen kann. Aus: Meyers Enzyklopädisches

Lexikon, Mannheim, Wien, Zürich,

1981

Speicher In der Informatik:„Gedächtnis“, dessen In-halte in diversen Medienpersistent oder flüchtigabgelegt werden können:Zustände von Flipflops, Polung submikroskopischerMagnetstäbe, Oberflächen-beschichtungen mitbestimmtem optischen Verhalten und andere.Aus: Lexikon der Informatik, Leck,

2004

�LEXIKON

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Bewahrende stabil gelagertwird, also nicht über die Zeitverloren geht. Mehrere Tau-send Jahre alte Wandbilderin Höhlen bieten uns somitheute Einblicke in frühereLebenswelten. Und Tonta-feln mit Keilschrift aus demMesopotamien des drittenJahrtausends v. Chr. zeigenuns einstige Handelsbezie-hungen und Besitzverhält-nisse durch ihre in Lehm gedrückten Zeichen.

Schon damals entschie-den Speicherdichte undHandhabbarkeit über denErfolg eines Mediums. Per-gament aus gebeizten Tier-häuten und Papyrus aus gepressten Stängeln der Papyruspflanze machten alshandlichere Dokumenten-rollen den Tontafeln baldKonkurrenz. Mit ihnen ent-stand einer der ersten großenWissensspeicher der Antike:die Alexandrinische Biblio-thek mit über 700000 dieserRollen, deren Bestand infolgevon Kämpfen zwischen dem3. und 4. Jahrhundert zer-stört wurde. Ungefähr zurgleichen Zeit setzte sich dasbeidseitig zu beschreibendePergament mit seiner feine-ren Oberfläche gegenüberdem Papyrus durch, verlorjedoch im 13. Jahrhundertdiese Stellung mit der Ver-breitung der chinesischenErfindung Papier in Europawieder an Bedeutung.

Nicht nur auf schriftli-cher Ebene entwickelten sichSpeichersysteme und Medi-en. Lange Zeit galt es alsunmöglich, Schall zu spei-chern, wie noch im Jahr 399der antike Philosoph Aure-lius Augustinus bekümmertfeststellte: „Was immer er-tönt, geht vorbei, und manwird darin nichts finden, dasman wieder in Gebrauch nehmen könnte.“ Hoffnungs-

voller war 1761 der Mathe-matiker Leonhard Euler, derschrieb: „Es wäre wohl eineder wichtigsten Entdeckun-gen, wenn man eine Maschi-ne bauen könnte, welcheimstande wäre, alle Klängeunserer Worte mit allen Arti-kulationen nachzuahmen“.Doch erst 1877 stellte Tho-mas Alva Edison seinen Pho-nographen zur direktenSchallspeicherung vor. Beiseiner Präsentation warensieben Sekunden des Kinder-lieds „Mary had a little lamb“zu hören, festgehalten aufeiner 30 Zentimeter langenWalze mit Stanniolfolie. Aufdiese hatte eine an einer Per-gamentmembran befestigteNadel am Ende eines Trich-ters die Stimme Edisons ein-geprägt. Die Wiedergabe er-folgt umgekehrt, wobei dieApparatur wie schon bei derAufnahme mit einer Hand-kurbel betrieben wurde. Nurwenige Jahre später folgtenPlatten aus Schellack undVinyl und die elektronischeVerstärkung.

Heute leben wir in einemdigitalen Zeitalter, Datenwerden im binären Compu-ter-Code in Form von Nullenund Einsen abgelegt. So wur-de die Schallplatte technischerst durch CDs, dann durchtragbare Multimedia-Playerwie Apples iPod abgelöst, dieTausende von Songs oderauch Videos speichern. Auchdie optische Bildspeicherungerlebte die Digitalisierung.Als 1839 der Franzose Louis-Jacques Daguerre in Parissein Verfahren zur Herstel-lung von Fotografien mittelsversilberter Kupferplatten,die er mit Jod empfindlichgemacht hat, vorstellte, wardies nur der Startschuss fürspätere Entwicklungen. Zwarwird noch immer mit Linsendas Licht zur Datenspeiche-

rung auf einen Träger gelei-tet, doch bannt kein Film mitlichtempfindlichen Salzenmehr das Bild: In der Digital-fotografie haben Halbleiter-sensoren diese Aufgabe über-nommen.

Längst sind wir allerortenvon Datenspeichern umge-ben: von der Compact Discals optisches Speichermedi-um mit ihren mittels Lasernauszulesenden Vertiefungenüber DVDs mit noch dichtergepackten Informationen bishin zu Flash-Speichern inMobiltelefonen und denFestplatten in unserenComputern. In Letzterensind mehrere übereinander-gestapelte Platten aus Glasoder Aluminium enthalten,die von einer magnetisier-baren Schicht wie Eisenoxidüberzogen sind. Ein Motorbewegt sie mit mehrerenTausend Umdrehungen proMinute, während ein Lese-Schreibkamm in die Zwi-schenräume greift, um dieDaten auszulesen.

Zwar protzen schon dreiFestplattenhersteller mit Ein-Terabyte-Laufwerken, dochwerden auch die den Spei-cherhunger nicht stillen kön-nen. Somit wird an neuenTechnologien geforscht, beidenen teilweise auch unge-wöhnliches Material wiespröde Keramiken als Spei-cher zum Einsatz kommensollen; von einer kommer-ziellen Umsetzung ist manjedoch noch weit entfernt.Kandidaten für die nähereZukunft sind holografischeSpeicher. Auf CD-ähnlichenKunststoffscheiben aus so-genannten fotoadressierba-ren Polymeren könnten wiebei üblichen Holografien Daten als Interferenzmustergespeichert werden. Vorteilwäre eine überaus hohe Spei-cherdichte von bis zu zehn

Gigabyte pro Quadratzen-timeter, verbunden mit Un-empfindlichkeit gegenüberTemperaturschwankungenund elektromagnetischenFeldern. Ein erstes hologra-fisches Laufwerk will das Unternehmen InPhase indiesem Herbst für 18 000 US-Dollar auf den Marktbringen.

Manches neue Mediumverdrängt ein bisher genutz-tes. So gibt es immer wiederVerlierer, die sich nichtdurchsetzen konnten odereinfach veralten: DVD undCD haben schon in vielenWohnzimmern der VHS-Kas-sette den Garaus gemacht,Apple führte 1998 ersteComputer ohne Disketten-laufwerk ein, und der DVDrücken schon wieder neueStandards wie Blu-ray undHD-DVD auf den Leib. Diesführt zu dem Problem, dassInhalte verloren gehen, weilSoftware, Trägermedien oderLesegeräte nicht mehr vor-handen sind. Um Daten ge-rade aufgrund ihrer digitalenArchivierung nicht zu ver-lieren, entwickeln Forscherim EU-Programm „Planets“oder im deutschen „Nestor“Lösungen für sichere Lang-zeitarchivierung.

Eines steht also fest: Da-tenspeicherung ist in derheutigen Informationsge-sellschaft zum Überlebenwichtig geworden. Das zeigtsich selbst beim SchweizerOffiziersmesser als kleinstemSurvival-Paket des Groß-stadtnomaden: Seine zeit-gemäße Ausführung beinhal-tet auch einen USB-Spei-cherstick. Und sollte keinRechner zur Verfügung ste-hen, sorgt ein integrierterKugelschreiber dafür, dasswichtige Daten und Gedan-ken trotzdem nicht verlorengehen. HEIKO SPILKER

WISSEN 95

TECHNOLOGY REVIEW September 2007

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�Organisation4base labAlliant Techsystems 55Apple 30Audi 24, 85Babelgum 84Ball Aerospace 55Belkin 23Bionethos Alphacells 50BMW 42, 85British Telecom 68Cinetic 31 f.Combots 26 ff.Cuculus 19DaimlerChrysler 86Dartmouth College 62Dell 23Deutsche Pfandsystem 9Ebay 84Eidgenössische Technische Hochschule Lausanne 69Electronic Arts 22Ferrari 42Forschungszentrum Dresden-Rossendorf 10Forschungszentrum Jülich 70, 86Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie 48Google 84GPC 87Huawei 41IBM 39, 70Inphase 95Intel 39 ff.iRobot 66Joost 84Karlsruhe Institute of Technology 86Korea Advanced Institute of Technology 69Lenovo 23Linde 24Max-Planck-Institut für Ökonomik, Jena 87Microsoft 30 ff., 39MIT 42, 66Moba Mobile Automation 24, 29NeuroProgen 49

Nokia 34Northrop Grumman 57Northwestern University, Evanston 16Numenta 64Paion 87Porsche 85Raytheon Vision Systems 57RWTH Aachen 86Siemens 24Stanford University 65, 69 f.Symeo 24T-Mobile 19 f.Teledyne Technologies 57TGM 22ThyssenKrupp 24Toyota 86TU München 42United Internet 29Universität Freiburg 63Universität Koblenz 66Universität Kopenhagen 22Universität Kreta 16Universität Leipzig 45Universität Tokio 16Universität Würzburg 17Universität Zürich 67 f.Universitätsklinikum Münster 98University of Hertfordshire 12University of Philadelphia 17Vetrix 20Volvo 42VW 42, 85Wake Forest University 46Web.de 28Webasto 42 f.Wincor Nixdorf 8Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie 86Yale University 76Zattoo 84Beilagenhinweis: Die Abonnenten erhalten mit dieser Ausgabe eine Beilage des ManagementCircles, München, und von Euroforum, Düsseldorf.

96 INDEX

tr.0907.096-097 22.08.2007 14:04 Uhr Seite 96

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IMPRESSUM | VORSCHAU 97

c’t 19/07ab 3. September im Handel

Sportcomputer: mit GPS fürsHandgelenkFoto-Workshop: mit Tools aufHeft-DVDPrint-Server: für Scan-Druck-KombisEclipse: Universal-IDE auf Heft-DVD

� Der Traum vom FliegenObwohl die grundlegende Technik zuverlässig ist, gibt es

noch keine fliegenden Autos zu kaufen. Probleme macht

die Verkehrsregelung – doch hier geht es schnell voran.

� In der Welt der BakterienIn jedem von uns stecken etwa zehnmal mehr bakterielle

Zellen als menschliche. Die Erforschung dieses Mikrobioms

soll jetzt Krankheiten verstehen und bekämpfen helfen.

� Wenn Technik versagtGeplatzte Turbinen, zerrissene Kurbelwellen, abgebrannte

Rollstühle – wer sehen will, wie Technik versagt, ist beim

Allianz Zentrum für Technologie in Ismaning genau richtig.

iX 9/07jetzt im Handel

Hoster-Test: Virtualisierte Root-server von 4,99 bis 19,99 EuroElektronische Rechnungen:Digitale Signaturen im Alltags-einsatzPHP-Frameworks: Zend, ezComponents, Symfony undCakePHP

Das Heft erscheint am 27. 9. 2007

MAGAZIN FÜR PROFESSIONELLE INFORMATIONSTECHNIK

magazin fürcomputertechnik

magazin fürcomputertechnik

Technology Review ist die deutsche Lizenzausgabe von „Technology Review – MIT’s Magazine of Innovation“

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TECHNOLOGY REVIEW September 2007

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Herr Professor Hucklenbroich, wie definieren Sie alsPhilosoph und als Mediziner den Tod?Die Definition ist jeweils dieselbe, einfach und kurz: Der Todist das Ende des individuellen menschlichen Lebens.

Was passiert, wenn ein Mensch stirbt?Wenn keine künstlichen Eingriffe von außen erfolgen, danngibt es bestimmte Abläufe, die immer gleich bleiben. Am An-fang fällt eines der Vitalsysteme aus. Das ist entweder die Herz-Kreislauf-Funktion, die Atmung oder die Hirnfunktion. Dieszieht in kurzer Zeit auch den Ausfall der anderen nach sich,und im Abstand von Sekunden bis Minuten schwindet dasBewusstsein. Diese Phasen sind bei jedem natürlich eintreten-den Tod dieselben. Als Kriterium für den Tod lässt sich somitdas irreversible Erlöschen der Vitalfunktionen definieren, wo-bei die Betonung auf „irreversibel“ – nicht umkehrbar – liegt.

Ist es dabei möglich, einen exakten Todeszeitpunktfestzustellen – zu sagen, ab wann ein Mensch tot ist?Theoretisch ist es sehr leicht zu sagen, wann der Tod eingetre-ten ist, nämlich dann, wenn die Irreversibilität eingetreten ist.Aber gerade diese macht es schwierig festzustellen, wann der„Point of no return“ genau ist. Er ist nämlich von dem abhän-gig, was wir technisch können. Je mehr wir können, desto wei-

ter verlagert sich dieser Punkt nach hinten. 20 bis 40 Minutenist der Zeitraum, in dem man noch eine Reanimation versuchensollte. Wenn es bis dahin nicht gelungen ist, sind die Funktio-nen des Gehirns irreversibel ausgefallen.

Diesen Hirntod führte 1968 ein Komitee der HarvardMedical School offiziell in die Medizin ein. Gibt esdamit anstatt eines definitiven Endes viele Teiltode? Nein, der Hintod bildet lediglich eines der drei möglichen Kri-terien für den Tod eines Menschen. Es kommt eher zu einerFragmentarisierung, dass man also den natürlichen Ablauf anbestimmten Stellen anhalten kann: Zum Beispiel wenn manbeim Hirntod die Atmung und den Kreislauf mit einer Maschi-ne aufrechterhält. Dann haben wir einen vom Organismus ab-getrennten – einen sogenannten dissoziierten Hirntod. Dannist der Todesablauf an einer bestimmten Stelle eingefroren.

Aber gerade deswegen weigern sich manche Ärzte,hirntoten Menschen Organe zu entnehmen ... Manche meinen, wenn der Prozess angehalten ist, dann ist dasSterben noch nicht abgeschlossen. Somit gäbe es keinen Toten,und dann dürfte man auch keine Organe entnehmen. Für michist der Hirntod jedoch eine Variante des Todes. Zwar tretendurch das Anhalten die sicheren Todeszeichen wie Leichen-flecken nicht auf, jedoch zersetzt sich schon das Gehirn. Dasliegt daran, dass es wirklich ein Tod ist. Im zeitlichen Ablauf –bis alles verfallen ist – kann man Anhaltepunkte setzen. Aberdas heißt nicht, dass der Patient nicht schon gestorben wäre.

Trennen wir dann nicht eine Art religiöse Seele vomKörper? Das würde ich nicht so sehen. Es ist ja nicht die Seele, sonderndas Gehirn, das als tot betrachtet wird. Es ist also ein körper-licher Teil – ein Anteil des Körpers –, der im biologischen Sinnetot ist. Die Frage der Seele oder des Bewusstseins spielt da alsreligiöses Kriterium gar nicht rein.

Ist der Tod in der Biologie immer die letzte Konsequenz? Es gibt Alternativen. Eine ganze Reihe von Lebewesen im Tier-reich, im Pflanzenbereich oder bei den Mikroben stirbt nicht,sondern teilt sich und hinterlässt dann zwei Tochterorganis-men. Und wenn von außen kein Schaden zugefügt wird, bleibtes immer dabei. Dann lebt das Wesen unendlich fort. Insofernbleibt biologisch die Frage offen, ob Tod und Sterben wirklichzum Leben zwangsläufig dazugehören. y

98 LETZTE FRAGEN

Peter Hucklenbroich, Jahrgang 1949, lehrt Ethik, Geschichte und Theorie derMedizin am Universitätsklinikum Münster

»Ab wann ist einMensch tot?«VON HEIKO SPILKER

TECHNOLOGY REVIEW September 2007

mehr antwortenPeter Hucklenbroich „Tod und Sterben“, Lit, 2001, 256 Seiten, 20,90 Euro

Johann Friedrich Spittler „Gehirn, Tod und Menschenbild“, Kohlhammer,Stuttgart, 2003, 300 Seiten, 49 Euro

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