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Christologie im Johannesevangelium Marlon Heins 1 Christologie im Johannesevangelium Thematische Facharbeit: Theologie des Neuen Testaments Marlon Heins Januar 2007

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Christologie im

Johannesevangelium

Marlon Heins

1

Christologie

im Johannesevangelium

Thematische Facharbeit:

Theologie des Neuen Testaments

Marlon Heins

Januar 2007

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Johannesevangelium

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1. Einleitung

In dieser Arbeit wollen wir uns mit der Christologie im Johannesevangelium

auseinander setzten. Uns ist bewusst, dass dieser Versuch aufgrund der vielfältigen

Meinungen zu diesem Thema nicht leicht werden wird. Die Person von Jesus war und

ist ein Gebiet, auf dem keine Einigkeit besteht. Die Auszüge aus den Lexika, die im

kommenden Punkt zu lesen sind, werden diese Behauptung belegen. Darum wollen wir

uns in einem ersten Schritt in einer Einführung dem Thema Überblicksartig nähern.

Nach dieser Einführung werden wir uns zwei Entwürfe ansehen, der eine von Eduard

Lohse und der andere von Donald Guthrie. Wie in der Bibliographie vermerkt, haben

wir während der Vorarbeit zu dieser Ausarbeitung noch weitere Entwürfe zur

Christologie im Johannesevangelium durchgearbeitet. Wir haben uns dann für Lohse

und Guthrie entschieden, weil beide unserer Meinung nach in Kombination einen

ausführlichen und detaillierten Einblick ins Thema ermöglichen. Auch wenn Lohses

Entwurf weniger ausführlich ist als der von Guthrie, bringt er dennoch viele Gedanken,

die uns zum Thema wichtig erschienen.

Uns viel jedoch während der Vorarbeit auf, dass alle von uns durchgesehenen Entwürfe

einen Gedanken zur Christologie im Evangelium durchweg auslassen. Hier sahen wir

dann unsere Möglichkeit, am Ende dieser Arbeit unseren eigenen Betrag zum Thema zu

leisten. Ansonsten hoffen wir, dass durch die skizzierten Entwürfe von Lohse und

Guthrie und durch die Einführungen der diversen theologischen Lexika und der

hilfreichen Arbeite von Hans-Joachim Eckstein ein guter Überblick über das Thema der

Christologie im Johannesevangelium entstanden ist.

2. Einführung in die johanneischen Christologie

Die johanneische Christologie hat eine lange Geschichte und bevor wir uns mit

einzelnen Herangehensweisen beschäftigen, sollten wir einen kurzen Überblick

bekommen. Im Grunde genommen wird nirgends bestritten, dass Christologie im

Johannesevangelium absolut zentral ist. Darüber hinaus allerdings ist in der Forschung

zur Zeit so ziemlich alles umstritten und von vielen wird die johanneische Christologie

als „Schmerzenskind der neutestamentlichen Wissenschaft“ (Schweizer 1987:705)

bezeichnet: „Vorschläge reichen vom historisch zuverlässigen Augenzeugen ...

wenigstens für die Jerusalemer Zeit ... bis zur Sicht des „geliebten Jüngers“ als reine

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Symbolgestalt ... von der auch Kap. 21 einschließenden Einheitlichkeit ... über die

Aufnahme vielfältiger Traditionen und Redaktionen ... bis zur Leugnung jeglicher

christologischer Konstanz ... und zur Auflösung in mehrere Schichten ... von einem

Abfassungsdatum vor 70 ... bis gegen 150 ... von einer eindeutig judenchristlichen ... bis

zur rein gnostischen Schrift ... von einer auf das Ärgernis der Fleischwerdung

konzentrierten bis zur doketischen Christologie“ (:705) Einige bekannte Beispiele

sollen diese Uneinigkeit untermauern.

Eine der klassischen Interpretationen in der johanneischen Christologie stammt von

Rudolf Bultmann. Er sieht Christus als Offenbarer. Der Evangelist wendet sich für

Bultmann gegen die Gnosis und verkündet das gnostische Paradox, dass der Logos

Fleisch wurde. Dem gegenüber sah Ernst Käsemann bei Johannes eine Christologie, die

er als naiv und doketistisch einstufte. L. Schotthoff wollte im Johannesevangelium das

erste christlich-gnostische System gefunden haben. Für Bühner liegt im Evangelium der

Schwerpunkt auf der Sendung Jesu. Er „spricht daher von einer Gesandtenchristologie,

die Aussendung, Durchführung der Sendung und Rückkehr schildert“ (:705). Klaus

Wengst, der Bochumer Neutestamentler, baut in seinem Johanneskommentar auf einer

These von J.L. Martyns auf, wenn er schreibt, „daß die johanneische Schilderung Jesu,

seiner Gegner und Jünger für die Situation der johanneischen Gemeinde transparent ist“

(:707). Ferdinand Hahn spricht im Johannesevangelium von einer narrativen

Christologie: „Eine besondere Gestalt besitzt die narrative Christologie im

Johannesevangelium. Das Traditionsgut ist stark mit hoheitlichen Aussagen verwoben

und durch umfangreiche Redeabschnitte ergänzt in denen sich in hohem Maß

theologische Reflexion niedergeschlagen hat“ (Hahn 2002:197).

Die TRE schreibt: „Zweifellos stehen verschiedene Christologien im Hintergrund: a)

Die Logos-Christologie ... b) die Wundertäterchristologie in der Semeiaquelle ... c) die

Menschensohnchristologie, entweder stark apokalyptisch ... oder nach Dan 7,13 ein

neues Israel einschließend ... d) die (Passa-) Lammchristologie ... e) die

Weisheitschristologie“ (:707). Beispielhaft wollen wir kurz eines dieser Konzepte

erläutern: Aufgrund von Joh. 2,11; 4,54, 12,30f. 37f gab es in der Forschung lange die

Diskussion um eine sogenannte Semeia-Quelle. Es wurde die Frage gestellt, ob die

Semeia, also die Wunder Jesu bewusst als Stilmittel eingesetzt worden sind, um den

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Glauben an seine Gottessohnschaft und seine Messianität zu steigern. Dieser Meinung

liegt die Überzeugung zu Grunde, dass das Johannesevangelium aus verschiedenen

Quellen zusammengewachsen ist. Diese Quellen kamen aus dem Judentum, aus dem

Hellenismus, aus Begegnungen mit der Gnosis und aus aktuellen gemeindlichen

Ereignissen (vgl. Karrer 2003:283).

Doch gerade aufgrund der Uneinigkeit in der Forschung und „obwohl die Diskussion

nicht abgeschlossen ist, empfiehlt sich christologisch eine Betrachtung des Ev. als

Einheit“ (:283): Das Evangelium selbst beginnt beim Logos und der Text basiert

möglicherweise auf einem vorchristlichen Lied. Es wird bei Johannes also ein Anweg

zur Christologie gewählt, der in der Präexistenz Jesu und nicht erst mit seiner Geburt

beginnt. Jesus wird als derjenige eingeführt, der allen Vorangegangenen (Mose,

Johannes der Täufer) voraus ist. Er war an der Seite des Vaters, zeigt den Weg zu ihm

hin und erklärt ihn in der Welt. Die Fleischwerdung Jesu bildet somit nur ein Element

der Existenz Jesu, mit der ein weiterer wichtiger Punkt in der johanneischen

Christologie einhergeht; der Konflikt zwischen Jesus und den Seinen. Der Logos findet

keine Aufnahme und mit dieser Spannung beginnen die dualistischen Züge des

Evangeliums (vgl. :283).

Jesus wird oft dargestellt als „Subjekt der christologischen Erkenntnis: Er und sein Weg

bestimmen Auswahl und Sinn der Schriftworte, die zu ihm weisen und sich in ihm

erschließen ... Seine Semeia (Wunder als Zeichen) und Bildreden (10,1-18 bis 15,1-17)

zielen darauf, sich von ihm ergreifen zu lassen, und gehen an Schlüsselstellen zu „Ich

bin“ – Aussagen über (6,35 usw.)“ (:283-284). Menschen müssen Jesus als denjenigen

Erkennen, der er vorgibt zu sein.

Die Sendungschristologie nimmt einen zentralen Stellenwert im Evangelium ein, wobei

die Vater-Sohn Beziehung noch eine Steigerung dieser Sendung beinhaltet. „Jesus ist

als Sohn, in der dichtest möglichen Beziehung, eins mit dem Vater und aus dieser

Einheit (10,30-38; 17,1ff. 21ff.) „von oben“ gesandt ... Deshalb tut er die Werke des

Vaters, vertritt ihn rechtlich bindend. Da das nicht akzeptiert wird, löst es eine Prozeß

aus, vordergründig gegen ihn (ab 5,16.18), in Wahrheit mit ihm als Richter (5,22) ...

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5,25 ff. koppelt das mit dem Menschensohn, der vom ... Himmel herabgeschritten (1,51;

3,13) und zur Verherrlichung bestimmt ist (3,14; 13,31 u.ö.): Als Menschensohn ist der

Sohn zum Gericht bevollmächtigt (5,27)“ (:284).

Doch auch dem Heil der Welt kommt in der johanneischen Christologie eine wichtige

Rolle zu. „Das Lamm Gottes schafft die Sünde der Welt weg (1,29). Jesus bringt Leben

in die Welt ... Er ist der Retter ... Gleichwohl ist der Konflikt unausweichlich. Viele

begreifen nicht, daß Jesus Leben ist ... Das „Für“ seines Sterbens engt sich tendenziell

auf die verstreuten Gotteskinder (11,50-52) und weiter auf die Freunde ein (15,9-13).

Schließlich heiligt er die Seien zur Einheit mit dem Vater in Spannung zum Kosmos

(17,17-24) (:284).

Hans-Joachim Eckstein gibt als guten Einstieg einen Überblick über die einzelnen

Facetten des johanneischen Jesus. Er führt Titel Jesu, seine Anreden sowie die

christologischen Themenbereiche mit Stellenangaben auf: Johannes nennt Jesus häufig

den „Sohn Gottes“ (1,34.49; 3,18; 5,25; 10,36; 11,4. 27; 20,31). An anderer Stelle

einfach nur „Sohn“ (3,16. 17. 35. 36; 5,19.20.21.22.23.26; 6,40; 8,35.36; 14,13; 17,1).

Die Beziehung zwischen Vater und Sohn kommt besonders in 5,19.20.21.22.23.26;

6,40; 14,13; 17,1 zum Ausdruck.

In 1,14.18; 3,16.18 wird Jesus als der „Einziggeborene“ bezeichnet. Als

charakteristischer „Logos“ wird Jesus in 1,1 und 1,14 vorgestellt. Indirekt und direkt

wird er an vielen Stellen des Evangeliums als „Gott“ dargestellt. Direkte Hinweiße auf

Jesu Göttlichkeit finden wir in 1,1.18 und 20.28. Indirekt kommt die Göttlichkeit Jesu

zum Vorschein in seiner (1) Präexistenz (1,1-3.18, 3,13.31; 6,33.50.58.62; 7,28;

8,14.23.26.42.58; 10,36; 12,41; 13,3; 16,28; 17,5.24), in der (2) Rückkehr zum Vater

(3,13; 6,62; 7,33.35; 8,14.21.22; 13,1.3.33.36; 14,2.3.4.5.12.28; 16,5.7.10.17.28; 17,3;

20,17), in seiner (3) Verherrlichung oder auch Erhöhung durch Kreuz und Auferstehung

(3,14-16; 7,39; 8,28.54; 11,4; 12,16.32.34; 13,31f; 17,1.5.10; 18,32), in der (4)

Verherrlichung des Vaters durch den Sohn ( 11,4; 12,28; 13,31f; 14,13; 15,8; 17,1.4.5),

in den (5) Aussagen zur Einheit zwischen Jesus und seinem Vater (8,19; 10,15.30.38;

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12,45; 14,7.9.10.11.20; 17,11.21.22.23) und in (6) dem Vorwurf der Blasphemie, als

Jesus behauptet der Sohn Gottes zu sein (5,17f; 10,33; 19,7).

Weitere Titel für Jesus sind „der Heilige Gottes“ (6,69), „Lamm Gottes“ (1,29.36),

„Retter der Welt“ (4,42) und „Prophet“ (4,19; 6,14; 7,40; 9,17). Das Jesus als Prophet

bezeichnet wird, wird ebenfalls an den Stellen deutlich, wo er im Verhältnis zu Mose

beschrieben wird (1,17.45; 5,39.45.46; 6,32; 7,19.22f; 9,28f). Darüber hinaus wird Jesus

im Evangelium „Menschensohn“ (1,15; 3,13.14; 5,27; 6,27.53.62; 8,28; 9,35; 12,23.34;

13,31), „Christus“ (1,17.20.25.41; 3,28; 4,25.29; 7,26.27.31.41.42; 9,22; 10,24; 11,27;

12,34; 17,3; 20,31), „Messias“ (1,41; 4,25) und „König Israels“ (1,49; 12,13.15) bzw.

„König der Juden“ (18,33.37.39; 19,3.12.14.15.19.21) genannt.

Neben den Titeln, die Jesus im Evangelium trägt, gib es zusätzlich noch einige

Anreden. Zu den häufigsten gehört die Anrede „Herr“ wobei es möglich ist, zwischen

ku/rie als Anrede (4,11.15.19.49; 5,7; 6,34.68; 8,11; 9,36.38; 11,3.12.21.27.32.34.39;

13,6.9.25.36.37; 14,5.8.22; 20,15; 21,15.16.17.20.21), ku/rioj als Bezeichnung (4,1;

6,23; 11,2; 13,13.14; 20,2.13.18.25.28) und ku/rioj als Titel (21,7.12) zu unterscheiden.

Zwei weitere Anreden wären „Rabbi“ (1,38.49; 3,2; 4,31; 6,25; 9,2; 11,8; 20,16) und

„Lehrer“ (1,38; 3,2; 8,4; 11,28; 13,13.14; 20,16).

Zu guter Letzt findet man im Johannesevangelium als Bezeichnung für Jesus die

bekannten „Ich-bin-Worte“. Jesus nennt sich das „Brot des Leben“ (6,35), das „Licht

der Welt“ (8,12), die „Tür zu den Schafen“ (10,7.9), den „Guten Hirten“ (10,11.14), die

„Auferstehung und das Leben“ (11,25), „Weg, Wahrheit und Leben“ (14,6) und den

„wahren Weinstock“ (15,15). Daneben findet man im Evangelium noch die weniger

bekannten „Absoluten Ich bin-Wort“ (6,20; 8,24.28.58; 13,19; 18,5.6.8). (Eckstein

2003:240-243) Nach dieser Hin- und Einführung wollen wir und nun konkrete Entwürfe

zur johaneischen Christologie anzusehen.

3. Johanneische Christologie – Entwurf nach Eduard Lohse

3.1 Die Hoheitstitel der urchristlichen Christologie

Eduard Lohse nähert sich der johanneischen Christologie in einem ersten Schritt über

die Hoheitstitel, die Jesus im Evangelium bekommt. Eine Übersicht der vorkommenden

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Titel haben wir schon weiter oben von Hans-Joachim Eckstein bekommen. Für Lohse

umfasst das erste Kapitel des Evangeliums unter anderem eine Übersicht der

verwendeten Titel für Jesus. Besondere Betonung legt er darauf, dass es sich bei diesen

Titeln um „Hoheitstitel der urchristlichen Christologie“ handelt (Lohse 1979:129). Er

schreibt: „Jesus ist der präexistente und Fleisch gewordene Logos (1,1.14), der

Eingeborene (1,14), der Christus/Messias (1,21.41), der Prophet (1,21), das Lamm

Gottes (1,29.36), der Sohn Gottes (1,34.49), der e)klekto\j tou= qeou= (1,34), der Lehrer

(1,38), der, von dem Mose und die Propheten geschrieben haben (1,45), der König

Israels (1,49), der Menschensohn (1,51). Zu nennen sind ferner die Bezeichnungen

swth\r tou= ko/smou (4,42) und „der Heilige Gottes (6,69) sowie der ku/rioj – Titel,

der erst im Zusammenhang mit der Osterbotschaft seinen vollen Klang erhält

(20,2.13.15.18.25.28)“ (:129).

Lohse weißt darauf hin, dass jeder dieser Titel ursprünglich einen eigenständigen

Bedeutungsinhalt hatte. Doch im Evangelium werden diese unterschiedlichen

Bedeutungen auf Jesus hin zu einer Einheit vereint. Lohse macht diese Vereinigung der

Bedeutung am Beispiel Sohn Gottes und Menschensohn deutlich: „Der Sohn Gottes ist

der Menschensohn, so daß beide Titel ohne erkennbaren Bedeutungsunterschied

verwendet werden können ... In den joh. Worten vom Menschensohn wird von seinem

Leiden zugleich als seinem Erhöht - Werden gesprochen und auf diese Weise die Rede

vom leidenden Menschensohn mit der von seiner Herrlichkeit verknüpft“ (:129). Für

Lohse stellt sich bei diesem großen Vorkommen an unterschiedlichsten Titeln allerdings

die Frage, welche Bedeutung sie im Zusammenhang mit der johaneischen Theologie

haben?

3.2 Der Mittelpunkt der johanneischen Christologie

„Im Mittelpunkt der joh. Christologie steht die immer wiederkehrende Aussage, daß der

Vater den Sohn gesandt hat ... Wer daher den Sohn nicht ehrt, der ehrt den Vater nicht,

von dem er ausgegangen ist (5,23) Daß er vom Vater kommt, bezeugen seine Werke

(5,36) ... Niemand hat jemals Gott gesehen, der unsichtbar, den Menschen unerreichbar

und unzugänglich ist. Aber der Eingeborene, Gott von Art, der im Schoß des Vaters

war, der hat Kunde gebracht (1,18). Allein der Sohn und niemand anders bringt daher

die Offenbarung. Wer darum ihn gesehen hat, der hat den Vater gesehen ... Jesus als

seinem Gesandten offenbart sich der Vater ... Der Sohn, der vom Vater ausgegangen ist,

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ist Fleisch d.h. wirklich Mensch geworden (1,14). Wie das Wunder der Menschwerdung

geschah, ist nicht Gegenstand der Überlegung ... Eben dieser Mensch Jesus von

Nazareth – darin besteht das Ärgernis – ist als der Sohn eins mit dem Vater und handelt

in der Vollmacht des Vaters, die er ihm gegeben hat. Dieser Anspruch wird von den

Juden als Gotteslästerung zurückgewiesen“ (:129-130).

3.3 Die Ich-Bin-Worte des Johannesevangeliums

Für Lohse wird gerade diese Anspruch Jesus, Stellvertretend für Jahwe zu den

Menschen gekommen zu sein, in den e)gw/ ei)mi/ Sprüchen, den Ich-Bin-Worten zum

Ausdruck gebracht: „Die Struktur dieser Sätze entspricht der Redeweise, in der

Offenbarung kundgetan wird. Ihr Charakter tritt am klarste hervor, wenn man das e )gw/

nicht als Subjekt, sondern als Prädikat versteht ... Dann sind die Sätze als

Rekognitionsformeln zu bestimmen, die auf die Frage antworten: Wer ist der Erwartete?

Antwort: Ich bin es“ (:130).

Diese Struktur wird für Lohse schön im Jahweausspruch aus Jesaja 41,4 deutlich: Wer

tut es und macht es und ruft alle Menschen nacheinander von Anfang her? Ich bin es,

Jahwe, der Erste und der Letzte. Der hohe Anspruch, der mit den Ich-Bin-Worten

verknüpft ist, wird unter anderem auch darin deutlich, dass im Anschluss meistens ein

„soteriologischer Nachsatz“ folgt. „Wer zu mir kommt, wird nimmermehr hungern, und

den, der an mich glaubt, wird nimmermehr dürsten“ (6,35). Zu Jesus zu kommen heißt

an Jesus zu glauben und da Jesus auch das Licht der Welt ist, wandeln diejenigen, die

zu ihm gekommen sind, niemals mehr in der Finsternis. Da Jesus auch die Auferstehung

und das Leben ist, wird derjenige, der kommt und glaubt in Ewigkeit nicht sterben. (vgl.

: 130)

3.4 Die Verkündigung vom Kreuz zur Auferstehung

„Der Evangelist interpretiert das Kerygma von Kreuz und Auferstehung Christi, indem

er es mit der Darstellung der gesamten Wirksamkeit Jesu verbindet und zu einer Einheit

verschmilzt. Jesu Erdenweg läuft auf das Ziel zu, das im Augenblick seines

Kreuzestodes erreicht ist“ (Lohse). Lohse argumentiert, dass die johanneische

Christologie von der „theologia crucis“ her begriffen werden muss. Die Erhöhung Jesu,

die mit seiner Auferstehung aus den Toten begann ist elementar eng mit seinem Weg

zum Kreuz verbunden. Das ganze Erdenleben Jesu drängt auf diese Stunde am Kreuz

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hin. Zunächst heißt es lange Zeit, dass diese Stunde noch nicht gekommen ist, aber

dann: „Vor dem Passafest, da Jesu wusste, dass seine Stunde gekommen war, dass er

hinging aus dieser Welt zum Vater (13,1). Die Stunde am Kreuz ist die Stunde, wo

Jesus vom Vater erhöht wird; als der Auferstandene gewinnt er den Sieg.

Eduard Lohse ist es wichtig, im richtigen Verhältnis zwischen der Erniedrigung des

Kreuzes und der Erhöhung der Auferstehung zu bleiben: „Da im joh. Bericht von Jesu

Wirksamkeit die Offenbarung seiner do/za so stark hervorgehoben wird, könnte die

Meinung aufkommen, als schreite ein Gott in Menschengestalt über die Erde. Dann

müßte man dem Evangelisten geradezu einen „naiven Doketismus“ zuschreiben (so

Käsemann). Aber der Evangelist betont am Anfang seines Buches mit den hymnischen

Worten des Prologs, daß der ewige lo/goj Fleisch wurde, in die Niedrigkeit und

Hinfälligkeit menschlichen Lebens einging. Und gegen Schluß seines Buches hebt er

hervor, daß am Kreuz Jesu Werk vollendet wurde (19,30) Der Tod Christi ist nach Joh.

Nicht etwa nur Durchgang zur Herrlichkeit, „sondern im eigentlichen Sinne ihr

Durchbruch“ (Bornkamm). Man wird daher nicht von einem naiven Doketismus des

Joh.-Ev. reden dürfen ... Darum hält der Evangelist nicht nur an der überkommenen

Osterüberlieferung fest (20), sondern hebt er die Wirklichkeit der Auferstehung

nachdrücklich hervor“ (:131).

Diese Wirklichkeit wird für Lohse auch darin deutlich, dass im Johannesevangelium

über das Leiden und Sterben Jesu hinausgeblickt wird: „Während ... die urchristlichen

Aussagen, daß Christus um unserer Übertretungen willen dahingegeben wurde

(Röm.4,25), ausschließlich auf das Leiden und Sterben Christi bezogen ist und in

diesem Sinne auch in den synoptischen Leidensworten davon gesprochen wird, daß der

Menschensohn „dahingegeben wird“ (Mk.8,31 Par.;9,31 Par.; 10,32-34 Par.), bezieht

die joh. Theologie die Hingabe Jesu auf den gesamten Erdenweg (Joh.3,16). Indem der

Vater ihn in die Welt sandte, gab er ihn dahin, damit er seinen Weg gehe, bis die Stunde

da sei, in der er an das Kreuz erhöht wird“ (:131).

3.5 LOGOS Begriff

„Der lo/goj-Begriff findet sich nur im Prolog des Joh.-Ev. (1,1.14), dem ein

urchristlicher Hymnus zugrunde liegt, und im Eingang des 1.Joh ... Der absolut

gebrauchte Begriff o) lo/goj kann nicht unmittelbar aus at.lich-jüdischer Überlieferung

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abgeleitet werden. Zwar weisen die ersten Sätze des Joh.-Ev. unverkennbare Anklänge

an Gen. 1 auf, aber im biblischen Schöpfungsbericht wird nicht vom Wort schlechthin

gesprochen“ (131-132). Darum kommt Lohse zum Schluss, dass die johanneische Rede

vom Logos der jüdischen Weisheitspekulation recht nah kommt. So wie nach Spr.8,22f

die Weisheit vor aller Zeit bei Gott und auch an der Schöpfung beteiligt war, so war

auch der Logos vor allen Zeiten bei Gott und durch ihn wurde alles geschaffen. „Der

Hymnus von Joh.1 knüpft offensichtlich an diese Gedanken an, aber er nennt nicht die

sofi/a, sondern den lo/goj“ (:132).

Lohse geht davon aus, dass der Hymnus, der Joh. 1 zugrunde liegt, eigentlich den

jüdischen Weisheitsgedanken zugrunde liegen hat, dass dieses jüdische Gedankengut

aber in die Sprache des gnostischen Denkens übertrage worden ist und darum den

lo/goj nennt. Für die Gnosis war der lo/goj ein göttlicher Offenbarer und man dachte

sich ihn als Zwischenwesen zwischen Gott und der Welt. Auch die Gnosis würde von

der Präexistenz des lo/goj reden, aber sie könnte niemals wie das Johannesevangelium

behaupten, dass der lo/goj Fleisch geworden ist. „Anders als die Gnosis verfolgen die

Sätze des Hymnus kein spekulativ-kosmologisches Interesse, sondern handeln von der

Offenbarung Gottes in Christus, auf die der Glaube antwortet: „Und wir sahen seine

do/za, eine do/za als des Eingeborenen vom Vater, voller Gnade und Wahrheit“ (1,14)

... Am Ende des Ev. kann daher der Evangelist über die Aussagen des urchristlichen

Bekenntnisses noch hinausgehen, indem er Jesus nicht nur Sohn Gottes, sondern wie

der Prolog (1,1) qeo/j nennt. Thomas fällt anbetend dem Auferstandenen zu Füßen und

bekennt: „Mein Herr und mein Gott.“ (20,28)“ (:132).

3.6 Zusammenfassung des Entwurfs von Eduard Lohse

Lohses Entwurf umfasst fünf Schritte, um die johanneische Christologie zu erfassen. In

einem ersten näherte er sich über die Hoheitstitel der urchristlichen Christologie. Er

stellt fest, dass schon im ersten Kapitel des Evangeliums fast alle verwendeten Titel

vorgestellt werden und das diese, trotzt ihrer ursprünglichen Unterschiedlichkeit, alle

auf Jesus hin angewendet werden. Für Lohse steht im Mittelpunkt der johanneischen

Christologie die immer wiederkehrende Feststellung, dass Jesus als Gesandter des

Vaters agiert. Er vertritt den Vater und kann darum tun, was er tut. Doch gerade dieses

Auftreten Jesu als Gesandter Jahwes bringt ihm bei den Juden den Vorwurf der

Gotteslästerung ein.

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Der Anspruch, Sohn und Gesandter Gottes zu sein, wird für Lohse an den Ich-Bin-

Worten deutlich. Gerade die soteriologische Komponente ihn diesen Aussprüchen Jesu

verdeutlichen die göttlichen Ausschließlichkeitsansprüche. Jesus offenbart sich in den

Ich-Bin-Worten als der von Gott zur Rettung der Welt Gesandte. Wer zu ihm kommt

der glaubt, wandelt im Licht und wird Leben in Ewigkeit. Für Lohse ist darüber hinaus

das besondere Verhältnis zwischen dem Kerygma von Kreuz und Auferstehung Jesus

wichtig. Jesus Erdenleben läuft auf ein ganz bestimmtes Ziel zu, nämlich das Sterben

am Kreuz. Dabei geht es im Evangelium aber nicht primär ums Leiden, sondern um die

Erhöhung. Schon das Erdenleben und das Kreuz, nicht erst die Auferstehung Christi

sind Stationen seiner Erhöhung.

Abschließend betrachtet Lohse dann den Logos. Für ihn wird Logos äquivalent zur

Weisheit gebraucht. Er geht davon aus, das der Hymnus aus Joh. 1 im eigentlichen

Sinne von der Weisheit spricht, dass in diesem Lied zum besserer Verständnis aber

gnostische Sprache verwendet wurde; die Weisheit wurde darum zum Logos. Doch so

wie die Weisheit seit Ewigkeit und auch bei der Schöpfung bei Gott war, so war es auch

der Logos; ein Hinweiß auf Jesus Christus. Lohse selber fasst die Christologie der

Johannesschriften folgendermaßen zusammen: „In der johanneischen Theologie wird

die Christologie der urchristlichen Überlieferung selbstständig weitergeführt und Jesus

als der vom Vater Gesandte dargestellt, durch den allein Gott sich offenbart und seine

Liebe kundtut. Die christologischen Hoheitstitel dienen ausnahmslos dazu, Jesus als den

bevollmächtigen Sohn des Vaters zu verkündigen, der als der Menschensohn erhöht und

verherrlicht wird, indem er sein Werk am Kreuz vollendet“ (:132).

4. Johanneische Christologie – Entwurf nach Donald Guthrie

4.1 Die Menschlichkeit von Jesus

„It is striking that this gospel which presents so much more than the synoptic gospels

evidence of a divine Person, commencing with his pre-existence, also contains strong

features in support of his humanity. The statement in John 1:14 that ‘the Word became

flesh and dwelt among us ... and we beheld his glory‘, while stressing the sonship

manifested in the incarnation, nevertheless suggests a humanity similar to ours which

could be seen“ (Guthrie 1981:222-223). Im Evangelium wird die Menschlichkeit Jesu

an vielen Stellen deutlich herausgestellt. Sowohl die Jünger des Johannes als auch

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Christologie im

Johannesevangelium

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Nikodemus und andere nennen ihn Rabbi (1,38; 3,2; 9,2; 11,8). Er ermüdete auf seiner

Reise durch Samaria (4,6) und war durstig ( 4,7; 19,28). Er musste den Hass der Juden

erleben (7,44; 10,31ff; 11,57). Am Grab von Lazarus war er tief betroffen und weinte

sogar (11,33-35). Bei seinem Einzug in Jerusalem war seine Seele erschüttert (12,27f).

Er wusch die Füße der Jünger (13,1f) und als er ihnen nach seiner Auferstehung

erscheinen sollte, bereitete er ein Essen auf einem Kohlefeuer für sie vor (21,9). „There

can be no doubt that John wishes to create the impression that when the Logos became

flesh, it was real flesh. The pre-existent Word took on humanity. Nevertheless that

humanity could not obscure the equally strong impression that Jesus as a man was

unique“ (:223).

Gerade auch dieser Hinweiß auf die Einmaligkeit von Jesus führte immer wieder in die

Diskussion, ob das Johannesevangelium eine Kampfschrift gegen den Doketismus sei.

Guthrie schreibt dazu: „It may well be that the clear indications of the real humanity of

Jesus are intended to offset the over-emphasis on the divine nature of Jesus, which was

the basic error of the docetic view“ (:223). Doch gerade in diesem Sinne ist es Guthrie

auch ein Anliegen, in seinem christologischen Entwurf mit der Menschlichkeit von

Jesus zu beginnen. Mit einem Hinweiß auf Ernst Käsemann schreibt er: „Lack of

sufficient attention to the humanity of Jesus in John´s account has led some to conclude

that the Johannine Christ is mildly docetic“ (:223). Für Guthrie gibt es im Evangelium

keinen Hinweiß, der solch eine Sicht unterstützen würde. Es gibt bei Johannes zwar eine

„Christology of glory“, aber nichts desto trotz wird die Balance zur Menschlichkeit Jesu

immer gehalten. Guthrie geht davon aus, dass zur Zeit des Johannes „a pressing need to

assert the real humanity of Christ“ vorhanden war. Er schließt darum auch nicht aus,

dass es gewisse doketistische Sichtweisen gegeben hat, gegen die sich das Evangelium

wendet, vor allem auch deshalb, weil in der Einleitung des 1. Johannesbrief eine

deutliche Verurteilung „of those who denied that Jesus is the Christ ... and of those who

denied that Jesus Christ had com in the flesh“ zu sehen ist. (:224)

4.2 Die Sündlosigkeit von Jesus

„John´s account, with its portrait of Jesus as both Son of God and yet truly man,

presupposes sinlessness“ (:230). Das Streitgespräch zwischen Jesus und den Juden in

Joh8 ist nur ein Beleg dafür. Jesus beschuldigt die Juden, Kinder des Teufels zu sein.

Direkt im Anschluss fragt er sie: Wer von euch kann mich einer Sünde beschuldigen

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Christologie im

Johannesevangelium

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(8,46)? Die Juden ihrerseits fangen an, Jesus wüst zu beschimpfen aber können ihm

natürlich keine Sünde nachweisen. Guthrie führt schön aus, dass die Anschuldigungen

gegen Jesus überall im Evangelium niemals aufgrund einer fehlenden Übereinstimmung

zwischen seinen Worte und Taten geschahen. Vielmehr verschworen sich die Juden

aufgrund ihrer Eifersucht gegen ihn (12,10-11).

Weiter schreibt er: „He could hardly have claimed to be one with the Father (10:30;

17:22), had there been any awareness of sin in him. The presentation of Jesus in John´s

gospel assumes for him the highest moral level and there is nowhere any suggestion of

fault or failure in him, except in the false accusations of his enemies (18:30), although

even here no specific charge was brought. His moral purity is inviolable“ (:231).

4.3 Jesus als der Messias

„Unlike the synoptic gospels, John´s gospel mentions two specific occasions when the

title Messiah ist applied to Jesus, on both occasios early in the ministry. Moreover John

preserves the Aramaic form and at the same time gives the Greek translation (Jn. 1:41;

4:25)“ (:243-244).

Beim ersten Vorkommen folgen zwei Jünger von Johannes dem Täufer Jesus nach.

Andreas erzählt seinem Bruder Petrus, dass sie den Messias gefunden hätten. Guthrie

merkt hier an: „A problem arises over the fact that John´s record supposes that the first

disciples at once recognized the messianic status of Jesus, whereas the synoptic gospels

show no awareness of this until the confession at Caesarea Philippi“ (:244). Eine

gängige Möglichkeit, diesen Wiederspruch zu erklären besteht darin, dass Johannes hier

keine authentische Tradition präsentiert. Doch Guthrie löst dieses scheinbare Problem

auf eine andere Weise. Kurz nachdem Andreas mit seinem Bruder über den Messias

gesprochen hatte, findet noch ein Gespräch statt. Philippus erzählt nämlich dem

Nathanael: Wir haben den gefunden, von welchem Mose im Gesetz und die Propheten

geschrieben hat ... (1,45). „This suggests that messiahship among these early disciples

was understood against its OT background. There is no reason to suppose that this early

impression was anything but a glimpse at a truth that would take some time to dawn on

their minds with any clarity. John is giving a insight into first impressions, which the

synoptic gospels omit“ (:244).

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Das zweite Vorkommen findet im Gespräch zwischen Jesus und der Samariterin am

Jakobsbrunnen statt. Auch sie stellt fest: „Ich weiß, dass der Messias kommt, welcher

Christus genannt wird... (4,25). Doch in ihrem Fall sieht Guthrie kein Problem. „But the

use of the messianic title by the woman at Samaria ... is intelligible because for

Samaritans the title would not be subject to the same political misunderstandings as for

the Jews“ (:244).

Das Anliegen des Johannes ist, dass seine Leser anfangen, daran zu glauben, dass Jesus

der Christus ist (20,31). Durch dieses Anliegen war die Auswahl dessen bestimmt, was

er in seinem Evangelium aufgeschrieben hat. Auch wenn „Messias“ in dieser Form nur

zweimal vorkommt gibt es für Guthrie etliche Beispiele im Evangelium, die den

gleichen messianischen Gedanken transportieren sollen. So schreibt Johannes vom

Bekenntnis der Martha: Ich glaube, dass du der Christus bist, der Sohn Gottes, der in die

Welt kommen soll (11,27). Sohn Gottes steht hier äquivalent für Messias. Der Grund,

warum Johannes so selten Messias, aber um so öfter vergleichbare Titel gebraucht liegt

für Guthrie darin, dass diese anderen Titel völlig losgelöst sind von eine

dahinterliegenden politischen Konzept. Wie sehr so ein politisches Denken die

jüdischen Massen dominierte wird deutlich an dem Beispiel aus Johannes 6, wo man

Jesus nach dem Brotwunder zum König machen wollte (6,15). Auch Nathanael

gebraucht den politisch gefärbten Titel „König von Israel“ bei seiner ersten Begegnung

mit Jesus (1,49).

An einigen Stellen lässt Johannes durchleuchten, wie man sich den Messias vorstellte.

Einige glaubten, dass der Messias von einem unbekannten Ort kommen würde (7,27).

Andere waren der Meinung, dass der Messias Zeichen tun müsste (7,31). Wieder andere

meinten aus dem Gesetz wissen zu können, dass der Christus für alle Ewigkeit

existieren würde (12,34). Aufgrund dieser gängigen Meinungen disqualifizierte sich

Jesus an mindestens zwei dieser Punkte von vornherein. Seine Herkunft war allen

bekannt und er verkündigte an zu vielen Gelegenheiten, dass er sterben müsse. Guthrie

ist darum der Überzeugung, dass Johannes die zahlreichen Gespräche zwischen Jesus

und den Juden zu dem Zweck niedergeschrieben hat, um durch die Antworten Jesu

seinen Glaube daran, das Jesus der Messias sein, zu rechtfertigen. Johannes schreibt

davon, dass Jesus der Messias ist, obwohl er in seiner irdischen Existenz nicht derjenige

war, der dem politischen Konzept seiner Zeitgenosse entsprach: „...he points out that

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Jesus as light throws light on the darkness of their minds (12:35ff.), which means that

belief in a suffering Messiah needs spiritual insight“ (:245).

Er fasst zusammen: „Although the gospel of John is dominated more by the concept of

Jesus as Son of God, the messianic presentation plays an important part. The over-all

impression of the gospel is that Jesus ist the Messiah, not in the sence of current

speculations, but in a new spiritual sense which is unintelligible apart from the filial

consciousness of Jesus“ (:245).

4.4 Jesus als der Sohn Davids

„In the Johannine account of the entry into Jerusalem there is no mention of David, but

of him „who comes in the name of the Lord, even the King of Israel (Jn. 12,13). The

same passage from Zechariah is cited as in Matthew´s account and there can be no

doubt that Davidic kingship is implied“ (:256). Allerdings gibt es auch im

Johannesevangelium mindestens einen Hinweis auf Jesus als den Sohn Davids, auch

wenn dieser Titel nicht explizit gebraucht wird.

In Joh7,4f diskutieren die Leute, ob Jesus nicht der Christus wäre und man fängt an,

über seinen Geburtsort zu reden. Da meinen einige: Sagt nicht die Schrift, dass der

Christus aus dem Samen Davids kommt und aus dem Dorf Bethlehem, wo David war?

(7,42). Guthrie schreibt dazu: „The question itself reveals popular ignorance about the

birthplace of Jesus, which is not surprising. But it accords well with the synoptic

evidence that Jesus was born in Bethlehem and with the Davidic origin of the Messiah.

The fact that some wanted to arrest Jesus on the grounds that he might after all be the

Messiah shows their fears that he might fulfil the condition. (:256)

4.5 Jesus als der Gottesknecht

„Only one passage in the fouth gospel (i.e. 12:38) directly cites the servant songs. John

is commenting on the people`s lack of believe in Jesus in spite of the signs performed

among them, and relates this lack of response to Isaiah 53:1, which quotes verbatim

from the LXX text“ (:263). Allerdings gesteht Guthrie eventuellen Kritikern zu, dass

der Zusammenhang dieses Zitates im Evangelium keinerlei Hinweiß auf das Leiden des

Gottesknechtes enthält, sondern sich lediglich auf den Unglauben der Zuhörer bezieht.

Doch für ihn stellt sich die Frage, ob dieser fehlende Hinweiß Grund genug ist, in Jesus

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nicht auch den Knecht Gottes aus dem Jesajabuch zu sehen? Denn neben dem direkten

Zitat aus Jesaja gibt es im Evangelium noch weitere Hinweiße, die einen Vergleich

zwischen Jesus als dem angekündigten Gottesknecht rechtfertigen würden. „The idea of

Jesus lifting up being a glorification, which features in the immediately preceding

passage (12:20-36), may well be indepted to the servant songs (cf. Is.52:13). Allerdings

muß auch bei diesem Vergleich wieder gesagt werden, das der Kontext nichts mit der

Passion Jesu zu tun hat. Doch Guthrie führt noch weiter Möglichkeiten an, wie zum

Beispiel die Begebenheit der Taufe Jesu (1,24ff.). „If the correct reading in John 1:34 is

“the chosen of God” (eklektos), attested as it is by some old MSS, it would in all

probability depend on Isaiah 42:1“ (:263-264) Sofern man an dieser Stelle allerdings

mit „Sohn“ übersetzen würde, wäre eine Parallelität mit Psalm 2 wahrscheinlicher.

„Greater weight can be given to the statement of John the Baptist in John 1:29, where

Jesus is declared to be the Lamp of God, a description which he did not deny. Since the

Isaianic Servant was described in terms of a lamp (Is.53:7), there is some probability

that a connection of thought existed“ (:264) Die Problematik auch bei diesem Vergleich

könnte nur darin liegen, dass „Lamm Gottes“ ebenfalls ein Hoheitstitel Jesu ist.

„Admittedly it is difficult to maintain that “Lamp of God “ as a title was recognized as

being equivalent to “the servant of God”; but it is equally difficult to avoid the

conclusion that the reference to the Lamb by John the Baptist carried overtones of the

suffering servant of Isaiah“ (:264).

4.6 Jesus als der Menschensohn

„There are several passages in John`s gospel which preserve the title Son of man, and

these are important for two reasons: (i) they show substantial agreement with the

synoptic saying, and (ii) they contribute some features more explicitly. The fact that

such sayings are preserved at all in a gospel which differs both structurally and

thematically from the synoptic gospels is a remarkable testimony to the authentic nature

of the sayings. If the Johannine account was later than the synoptic gospels and is

independnt of them (as is most probable), these Son of man sayings must have been

preserved because they were considered significant (:282).

4.6.1 Der unterschiedliche Gebrauch von „Menschensohn“

Guthrie weißt darauf hin, dass an vielen Stellen im Johannesevangelium

„Menschensohn“ als Alternative zur ersten Person Singular gebraucht wird. Zum

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Beispiel wird in 6,27 anstelle eines „Ich“ der „Sohn des Menschen“ als derjenige

bezeichnet, der Speise zum ewigen Leben gibt. Ein weiteres Beispiel finden wir in

5,25ff wo „Ich, Sohn Gottes und Menschensohn“ jeweils abwechselnd für Jesus

gebraucht werden. Manche mögen behaupten, dass hier ein typisch johanneischer

Schreibstil vorliegt, doch Guthrie meint: „...it is not possible to exclude the Son of man

on this score. Indeed, this use of Son of man as equivalent to „I“ is fully in accord with

some of the synoptic sayings“ (:284). Weitere Beispiele sind zu finden in 6,53; 8,28 und

9,35ff.

Demgegenüber finden wir im Evangelium aber auch Stellen über den Menschensohn,

wo nicht eindeutig gesagt wird, wer diese ist. Sowohl 1,51 als auch 3,13f schreiben über

das Auf- und Absteigen des Menschensohnes. Doch es wird nicht eindeutig geklärt, wer

dieser Menschensohn tatsächlich ist. Guthrie weißt allerdings darauf hin, dass der

Kontext seiner Meinung nach auch bei diesen Stellen einen eindeutigen Bezug auf Jesus

gibt. Ähnliches ließe sich für 6,62 und 12,23ff behaupten, wobei wieder der Kontext

einen Bezug zu Jesus impliziert.

4.6.2 Die Eigenschaften des „Menschensohns“

„Although there is much continuity between the synoptic and Johannine sayings about

the Son of man, those in John bring out more explicitly features in the synoptic gospels,

as well as presenting additional features (:285): Zuerst fallen für Guthrie besonders die

Hinweise auf den Ursprung und die Bestimmung des Menschensohns ins Auge. Es fällt

auf, das Johannes vom Ab- und Aufstieg des Menschensohns schreibt (1,52; 3,13). Der

Abstieg passt gut zu dem Bild der Fleischwerdung Jesus. Gott wurde Mensch. Jesus ist

für Johannes das Verbindungsglied zwischen Himmel und Erde. In der jüdischen

Vorstellung ist mit der Vorstellung vom Menschensohn niemals die Idee eines solchen

Abstiegs verbunden gewesen. Natürlich fördert das Reden über das Hinabsteigen des

Menschensohns auch den Gedanken, dass der Himmel über der Erde sein könnte, doch

Guthrie meint, dass man hier ebenso ein Verlassen von Gottes Dimension und den

Eintritt in die materielle Dimension der Menschen verstehen könnte. Dem Abstieg folgt

immer auch der Aufstieg und für Guthrie ist hierbei wichtig, dass der Menschensohn

eigentlich im Himmel und nicht auf der Erde zuhause ist. Als seine Mission hier auf der

Erde beendet war, kehrte er zurück.

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In den oben angeführten Stellen kommt auch die Präexistenz des Menschensohn zum

Vorschein. Ganz offensichtlich wird darauf in 6,62 hingewiesen: Wie nun, wenn ihr den

Sohn des Menschen dorthin auffahren seht, wo er zuvor war? Doch Johannes weißt

nicht nur in den Stellen vom Menschensohn auf die Präexistenz von Jesus hin. Andere

Stellen wären 1,1-14 und 17,5. „Indeed John´s whole approach demands that his portrait

of the historical Jesus should be viewed from the standpoint of his pre-existence. Such a

Son of man must be more than a man and the significance of the title cannot, therefore,

be restricted to his humanity“ (:286).

Ein weiteres Merkmal des Menschensohns ist sein Verherrlichung (12,23; 13,31). Die

Verherrlichung beginnt auf der Erde, geht aber weit darüber hinaus. „It is a specific way

of describing the passion in terms of it’s ultimate consequences. The Son of man´s

glorification involved a cross, but the glory was more important to Jesus than the

shame“ (:286). Darüber hinaus gibt Johannes etliche Hinweise auf die Autorität des

Menschensohns. „Those passages which describe activities of the Son of man parallel to

those attributed to God (as in 6:27) imply that there is no difference in authority

between God the father and the Son of man“ (:286). In 8,28 sagt Jesus, dass er nichts

ohne den Vater tun kann, aber dennoch in der Autorität des Vaters handelt. Es herrscht

im Johannesevangelium eine intensive Verbindung zwischen der Mission des

Menschensohns und dem Willen des Vaters.

Der Menschensohn gibt das ewige Leben (3,14-15; 6,27). Durch dieses Tun entsteht

eine Verbindung zu zwei weiteren Titeln Jesus – dem Messias und dem Sohn Gottes

(20,31). Außerdem hat der Menschensohn die Macht, Gericht zu üben (5,26f), so sagt es

Jesus. Da Richten eigentlich nur Gottes Sache ist, wird deutlich, wie sehr sich Jesus

auch während seiner Zeit auf der Erde bewusst war, in göttlicher Autorität zu handeln.

Das Selbe gilt natürlich auch für das Schenken des ewigen Lebens.

An drei Stellen im Evangelium wird von der Erhöhung des Menschsohns gesprochen

(3,14; 8,28; 12,32f). In 12,33 wird die Erhöhung ausdrücklich mit dem Kreuzestod in

Zusammenhang gebracht. Der johanneische Gebrauch von der Erhöhung Jesu ist aus

zwei Gründen interessant: Zuerst einmal wird deutlich, dass die Christologie des

Johannes eindeutig das Leiden des Menschensohns am Kreuz mit einbezieht. Darüber

hinaus hat das Wort „Erhöhen“ aber eine doppelte Bedeutung. Während es sich in erster

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Linie auf das Kreuz bezieht, so schwingt im Hintergrund immer auch die zukünftige

Erhöhung und Verherrlichung Jesu mit. „In summing up the Johannine Son of man

teaching, we must note that it accords completely with the synoptic presentation, that it

presents both heavently and earthly aspects, that all the passages undoubtedly refer to

Jesus and not to another, and that it is in harmony with other expressions of Christology

in the gospels“ (:287).

4.7 Jesus der Herr

Ähnlich wie in den synoptischen Evangelien findet man einen „non-theological use of

the title before the resurrection and the theological use after“ (:293). An drei

Gelegenheiten lässt Johannes den Titel Herr in einer seiner Berichte über Jesus

einfließen (4,1; 6,23; 11,2). Damit benutzt Johannes „Herr“ auf eine ähnlich Art und

Weise, wie Lukas es in seinen Schriften tut. Guthrie äußert allerdings sein Erstauen

darüber, dass Johannes diesen Titel Jesu nicht öfter gebraucht, da er nach der

Auferstehung Jesu zu einer gängigen Bezeichnung unter den Christen wurde. In 20,38

findet man den wohl großartigsten Bezug auf den Titel, wenn Thomas Jesus „Herr und

Gott“ zur gleichen Zeit nennt.

4.8 Jesus als der Sohn Gottes

„Since the purpose of the gospel of John is specifically stated to be that the reader might

believe that Jesus is the Son of God (Jn. 20:31), it is not surprising to discover

considerably more emphasis on this concept that on Son of man. The title itselfes occurs

several times, but even more significant is the absolute use of the Father-Son

relationship which permeates the words of Jesus in this gospel ... This indeed is the

dominant feature in John´s Christiology and distinguishes it from that of the synoptic

gospels. It has the same basis but focuses on the relationship of Jesus to God as Father

in a manner so striking that the reader is left with the impression that he is being

allowed a glimpse at what it means to be in a unique sense the Son of God“ (:312).

4.8.1 Die Einmaligkeit des Sohn Gottes

An vier Stellen schreibt Johannes von Jesus als dem einzigen (monogenes) Sohn Gottes

(1,14.18; 3,16.18). Auch wenn es kein Einstimmigkeit im Bezug auf die genaue

Bedeutung von „monogenes“ gibt, schlägt Guthrie vor, das „Einziger seiner Art“ damit

gemeint sei. Die Einmaligkeit Jesu als Sohn Gottes wird für ihn besonders an der

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Aussage in 20,17 deutlich, wo Jesus seinen Jüngern sagt: Ich fahre auf zu meinem Vater

und eurem Vater, zu meinem Gott und eurem Gott. Für Guthrie unterscheidet Jesus hier

zwischen seiner Beziehung zum Vater und der Beziehung, die seine Jünger zum Vater

und zu Gott hatten. „The distinction is of great importance because it rules out the view

that Jesus sonship was of the same kind as man´s, but developed to a great intensity“

(:313). Andere werden zu Söhnen Gottes gemacht (1:12), aber Jesus hält in dieser

Hinsicht eine einmalig Position als der Sohn Gottes. Guthrie hält es für

unwahrscheinlich, dass mit „monogenes“ so etwas wie „erstgeborener“ gemeint sein

könnte. Für ihn transportiert das Evangelium hier die absolute Einmaligkeit Jesu.

4.8.2 Die Eigenschaften des Sohn Gottes

„The first is that the Son is sent by the Father. So characteristic is this of John´s gospel

that God is at times reffered to as the one who has sent Jesus (cf. 3:34; 5,36.38; 7,29;

11;42). Für Guthrie ist an diesen Stellen die Präexistenz Jesus angedeutet. Die

Beziehung von Vater und Sohn ist etwas, das vor der Fleischwerdung begann (17,4-5).

Die Darstellung des Sohnes ist hierbei identisch mit dem Logos. Eine zweite, wichtige

Eigenschaft des Sohnes Gottes ist, dass er vom Vater geliebt wird. Das führt dazu, dass

der Vater dem Sohn alles zeigt, was er selber kann (5,20), dass der Vater dem Sohn

alles übergibt (3,35), dass die Liebe des Vaters durch den Gehorsam des Sohnes

intensiviert wird (10,17) und das gesagt wird, dass der Vater den Sohn schon vor

Grundlegung der Welt geliebt hat (17,24). Nirgendwo wird auch nur angedeutet, dass

irgendetwas diese Liebe jemals betrüben könnte. Dabei ist es bemerkenswert, dass die

Liebe Gottes zu seinem Sohn dieselbe Liebe ist, mit der er diejenigen liebt, die an Jesus

glauben (17,23). Genauso heißt es auch, dass Christen sich so gegenseitig lieben sollen,

wie Jesus sie zuerst geliebt hat (13,34). „This is a fine example of the way in which a

high Christology is seen to have practical implications of a far-reaching nature“ (:314).

Eine weitere Eigenschaft ist die Abhängigkeit des Sohnes vom Vater. In 5,19 sagt Jesus,

dass er nichts ohne seinen Vater tun kann und in 5,30, dass er nicht seinen, sondern den

Willen seines Vaters tun möchte (so auch in 14,31; 15,10). Hier wird der absolute

Gehorsam des Sohnes deutlich. Das erklärt auch die Aussage Jesus in 14,28: Der Vater

ist größer als ich. Doch für Guthrie soll durch diese Passage keine Minderwertigkeit

Jesu gezeigt werden. „Jesus contrasting the heavenly state with the earthly. The

dependence of the Son on the will and power of the Father demonstrates, not the

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inferority of the Son, but the identity of purpose between the Father and the Son“ (:314).

Dieser Hinweiß ist wichtig, gerade auch weil im Johannesevangelium der Sohn oft zu

seinem Vater im Himmel betet. Wir sehen das am Grab von Lazarus (11,41), während

seiner Leidensankündigung (12,28) und natürlich im hohenpriesterlichen Gebet von

Joh. 17.

Jesus weißt immer wieder darauf hin, dass er als Sohn eine exklusive Beziehung zum

Vater hat. Er allein hat den Vater je gesehen (6,46) und darum kann nur er den Vater

offenbaren und behaupten: Ihr würdet meinen Vater kennen, wenn ihr mich kennen

würde (8,19). Zwischen Vater und Sohn herrscht einmalige und perfekte

Übereinstimmung (10,15). Das äußert sich unter anderem auch darin, das Jesus die

Worte seines Vater spricht, die er dann zum Beispiel weitergibt an seine Jünger (15,15).

Es geht sogar noch weiter, denn alles was Jesus sagt, hat er zuvor von seinem Vater

gehört (12,49-50). Doch nicht nur die Worte gibt der Vater dem Sohn – alle Dinge hat

der Vater seinem Sohn übergeben (13,3). Dessen ist Jesus sich ganz gewiss (16,15),

genau so wie er weiß, dass zu den Dingen, die ihm vom Vater gegeben worden sind,

auch ein „Kelch“ gehört (18,11).

Einige male spricht Jesus davon, zu seinem Vater zurück zu kehren (14,12; 16,10;

16,28) und er wünscht sich, das seine Jünger sich darüber freuen (14,28) so wie er sich

darauf freut, weil er über das Leiden am Kreuz hinausblickt. In Übereinstimmung damit

steht, dass Jesus davon überzeugt ist, dass sein Vater ihn Verherrlichen und Ehren wird

(8,54). „For him to go to the Father was to go where he belonged“ (:316).

4.9 Jesus als der Logos

„One of the distinctive terms used in John´s gospel is the Greek logos, normally

rendered „word“ in English ... The writer uses logos in this gospel to denote sometimes

the message of Jesus and sometimes the divine word about Jesus. It my be said that the

ordinary use of logos in John, as distinct from the Christological, shows Jesus as

proclaiming the logos ... But the distinctive feature of John´s gospel is the use of logos

in the prologue (1:1-18) in what appears to be a more technical sense as a designation of

Jesus“ (:321). Guthrie geht darum auch zwei Fragen nach: Warum hat Johannes sich

dazu entschlossen, Jesus mit dem Begriff des Logos in den ersten 18 Versen seines

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Evangeliums einzuführen und warum hört er dann urplötzlich damit auf, diesen Begriff

weiter zu verwenden.

Im Bezug auf die erste Frage geht Guthrie davon aus, dass die voraussichtlichen Leser

des Evangeliums der Grund dafür waren, warum Johannes sich dazu entschlossen hat,

mit dem Begriff des Logos zu beginnen. Da er den Logos an keiner Stelle genauer

definiert, müssen wir davon ausgehen, das die ersten Leser mit dem Begriff etwas

anfangen konnten. Griechische Leser dachten vermutlich an eine „Prinzip im

Universum“ und waren erstaunt, dass Johannes dieses Prinzip nicht nur Personalisiert

sondern sogar Inkarniert. Jüdische Leser hätten vermutlich weniger Problem mit der

Idee vom Logos. Sie kannten ja aus ihrer Weisheitsliteratur die personifizierte und

präexistente Weisheit, die, wie der Logos, bei der Schöpfung dabei war. Nichts desto

trotz hätten auch jüdische Leser mit der Inkarnation des Logos ihre Probleme

bekommen. „It seems reasonable to suppose that John wants to present Jesus as the true

Logos in order to prepare the way for his own presentation of Jesus Christ as the Son of

God ... There is no denying that the Logos doctrine raises an expectation that the

presentation of Jesus will be of a person who is both God and man“ (:326-327)

Bei einem Vergleich vom Logos mit der Person von Jesus Christus fallen für Guthrie

drei Hauptmerkmale besonders ins Gewicht. (1) Durch den Vergleich wird die

Beziehung zwischen Jesus und seinem Vater ganz zu Anfang deutlich gemacht. Der

Logos war bei Gott, schon bevor diese Welt geschaffen wurde. Durch die Anlehnung

der Worte an Genesis 1,1 wird auch deutlich, dass der Logos bei der Schöpfung

beteiligt war. Außerdem wird direkt zu Beginn klar gestellt, dass der Logos des

Johannes Gott ist, auch wenn die Grenzen zwischen beiden niemals verwischt werden.

„The meaning must be that although the Word is God, the concept of God is more

embracing than the Word“ (:327). (2) Durch die Einführung mit dem Logos wird dem

Leser die Beziehung zwischen Jesus und der Welt, in die er gekommen ist, verdeutlicht.

Alles ist durch in gemacht und ohne ihn wurde nicht geschaffen (1,3). Johannes macht

keine Unterscheidung zwischen der Schöpfungsmacht Gottes und der des Logos, wobei

der Logos aber klar von der Welt und der Schöpfung unterschieden wird. (3)

Schließlich zeigt Johannes durch seinen Einstieg das Verhältnis von Jesus als dem

Logos zu dem Menschen dieser Welt. „This is summed up in the incarnation of the

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Logos, who became flesh (Jn. 1:14) ... The word „flesh“ is not used here in the way in

which Paul sometimes uses it of „sinful flesh“, because John´s whole presentation of

Jesus would not support such a view. „Flesh“ indicates for him the complete manhood

of the Logos“ (:328). Darum kommt Guthrie zum Ergebnis: „John´s statements about

Logos therefore combine the greatest possible exaltation with the humiliation of

incarnation. This sums up his basic Christology“ (:328).

Im Bezug auf die zweite Frage, warum Johannes den Logos nur ganz zu Anfang und

nicht durchgehend im Evangelium gebraucht, kommt Guthrie zu folgendem Ergebnis:

„In all probability the Christology of the gospel, with ist combination of true humanity

with divine nature, was expressed in contemporary terms with a view of offsetting the

docetic-type over-emphasise on the divine at the expense of the human ... A Logos

doctrine on ist own might have been construed to support the docetic notion, but in

connection with the rest of the gospel, which stresses even more clearly than the

synoptics the human characteristic of Jesus, the „becoming flesh“ becomes

diametrically opposed to docetism“ (:329).

4.10 Jesus und die „Ich bin-Worte“

„An important goup of sayings, which are peculiar to John´s gospel, have a significant

funktion in Christological discussion. Since these are statements in the first person

which atrribute certain predicates to Jesus, they are ... invaluable as revelations of his

self-consciousness“ (:330). Guthrie weißt als erstes darauf hin, dass im

Johannesevangelium mit großer Häufigkeit Personalpronomen gebraucht werden;

gerade auch in den Worten Jesu. „.The very frequency of the „I“ draws attention to his

own person in a striking way, which prepares the reader for the more specific „I am“ ...

sayings“ (:331).

Guthrie erklärt, dass die Besonderheit der Ich-Bin-Worte gerade darin liegt, dass Jahwe

eine ganz ähnlich Ausdrucksweise im Alten Testament benutzt, um sich Mose

vorzustellen (2Mo 3,14): Ich bin der ich bin. Dieser alttestamentliche Hintergrund

belegt die Ich-Bin-Worte mit einer besonderen göttlichen Autorität. Wenn Jesus diese

Vorstellung im Blick hatte, als er die Ich-Bin-Wort auf seine Person anwendete, wird

die Ungeheuerlichkeit für die damaligen Zuhörer deutlich. In 8,58 findet man für

Guthrie den Beleg dafür, dass Jesus genau wusste, wovon er sprach. Er wird dort von

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Christologie im

Johannesevangelium

Marlon Heins

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den Juden gefragt, wie er als junger Mann schon Abraham gesehen habe kann. Jesus

antwortete darauf: Ehe Abraham war, bin ich! Guthrie sieht hier die deutliche Parallele

zum Namen Jahwes und seinen absoluten Gebrauch in Jesaja 46,4. Wenn diese Form im

Alten Testament gebraucht wird (5Mo 32,39; Jes 43,10), dann ist immer Gott gemeint,

gefolgt von Worten, die seine Einmaligkeit und Allmacht bezeugen. Das die Juden den

Anspruch Jesu zu mindestens hier in dieser Form verstanden haben, bezeugt ihre heftige

Reaktion darauf (8,59).

Im Johannesevangelium kommen sieben direkte „Ich-Bin-Worte“ vor, wobei ein großer

Bereich von Bildern abgedeckt wird. Jesus nennt sich Brot (6,36), Licht (8,12), Tür

(10,7), Hirte (10,11), Auferstehung und Leben (11,25), Weg, Wahrheit und Leben

(14,6) und Weinstock (15,1). Jedes dieser Bilder beschreibt eine Funktion oder Aufgabe

Jesu. Dabei ist es interessant, dass kein anderer als Jesus all diese Dinge über sich sagen

könnte. Nur von seinen Lippen klingen Behauptungen wie „Ich bin das Licht der

ganzen Welt“ akzeptabel. Guthrie weißt in diesem Zusammenhang noch mal auf den

Sinn des Prologs zurück. „John´s prologue makes such a saying not only acceptable, but

expected. The light that shone in darkness (Jn. 1:5) is the Logos who made all things,

including light for the created order. Through these „I am“ sayings Jesus makes

personal what in the prologue is still abstract.“ (:331).

4.11 Jesus als Gott

Für Guthrie gibt es zwei Hauptpassagen, die belegen, dass Jesus für Johannes Gott war.

Die erste Kernstelle ist im Prolog unter 1,1 zu finden und die zweite Kernstelle ganz am

Ende des Evangeliums im Bekenntnis des Thomas unter 20,28. Von der griechischen

Grammatik her gibt es für Guthrie keinen Zweifel daran, dass die Aussage über den

Logos in 1,1 mit „das Wort war Gott“ übersetzt werden muss. „There is no denying the

force of the predicate which shows that John meant to say that God was the Word ...

The absence of the article shows unquestionably that Theos is a predicate and not an

adjective“ (:338). Neben 1,1 führt Guthrie dann auch 1,18 an, wo er nicht wie die

meisten Übersetzungen im Bezug auf Jesus lesen möchte „der eingeborene Sohn“

sondern der „einzige Gott“. „This is certainly the more difficult reading, but for that

reason alone is more likely to be authentic. It is striking testimony to the firm conviction

of the evangelist that the man Jsus about whom he writes his gospel is none other that

God“ (:338-339).

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Christologie im

Johannesevangelium

Marlon Heins

25

Für Guthrie ist es von Bedeutung, dass Johannes mit der Göttlichkeit Jesus im Prolog

anfängt und dann durch den Mund eines der Jünger mit der Göttlichkeit Jesus

abschließt. In 20,28 bekennt Thomas, das Jesus sein Gott ist: Mein Herr und mein Gott.

Obwohl diese Aussage von Thomas gemacht wird und darum einige behaupten, dass

hier nicht die Meinung des Johannes ausgedrückt wird, ist Guthrie anderer Ansicht.

„The confession is the evangelist´s own composition, it is still a strong testimony to

John´s belief that Jesus ist God“ (:339).

4.12 Jesus, geboren von einer Jungfrau

„At first sight it might be claimed that John´s gospel contains no reference to the virgin

birth. There is not birth narrative and no specific statement about the manner of the birth

of Jesus. In place of a birth narrative he includes a prologue which focues on the

incarnation of the Logos, who existed before the world and was an agent in its creation.

The bare statement, „The Word became flesh and dwelt among us“ (Jn. 1:14), gives no

clue to the mode of his becoming flesh, but nevertheless requires a mode in which it is

possible for a pre-existent divine being to become man“ (:369). Auch die Behauptung,

dass Jesus der Sohn Gottes ist, wirft die Frage auf, wie der Sohn Gottes plötzlich als

Mensch auf der Erde sein konnte. Dabei fragt Guthrie speziell, ob für eine mögliche

Antwort die Jungfrauengeburt Jesu eine unabdingbare Vorraussetzung ist? Er weißt

darauf hin, dass viele Gelehrte zur Erkenntnis kommen, dass die Jungfrauengeburt für

das Selbstverständnis Jesu unentscheidend ist. „What mattered was what Jesus thought

himself to be“ (:369).

Doch für Guthrie liegt das Problem woanders. Er fragt sich ob Johannes tatsächlich im

Wiederspruch zu den anderen drei Evangelien liegen würde? „Even if John did not use

them in a literary way, it is almost certain that he wrote after them, which raises a high

probability that he was fully acquainted with the belief in the virgin birth. If he includes

no mention of it, it does not necessarily mean that he had no knowledge of it. What he

writes gives no indication that he rejected the idea, and some reason to suppose that he

assumed it“ (:369-370). Auch wenn das Johannesevangelium nicht über eine

Jungfrauengeburt spricht, so weißt Guthrie doch auf einige, in diesem Zusammenhang

interessante Stellen hin: Eine möglichen Hinweiß findet er in 1,12-13, wo Johannes

schreibt, dass alle, die Christus aufnahmen aus Gott geboren sind. Da unmittelbar zuvor

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Johannesevangelium

Marlon Heins

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von der Fleischwerdung des Logos die Rede war, könnte man hier eine Verbindung

zwischen der Wiedergeburt der Gläubigen und der Geburt Jesu sehen. In Kapitel 3

missversteht dann auch Nikodemus dann den Begriff der Wiedergeburt, indem er an

eine echte, leibliche Geburt denkt. In beiden Passagen wird das Verb „gennao“ benutzt,

das eigentlich genau solch eine leibliche Geburt meint. In 6,42 sehen manche einen

direkten Wiederspruch zur Jungfrauengeburt. Die Juden fragen dort: Ist dieser nicht der

Sohn Josephs, dessen Vater und Mutter wir kennen? Da diese Aussage allerdings von

kritischen Gegnern Jesu stammt, geht Guthrie nicht davon aus, dass hier die Meinung

des Johannes wiedergegeben ist. Er sieht allerdings in 8,41 einen möglichen Hinweiß

darauf, dass im Volk einige Gerüchte im Umlauf waren, dass mit der Geburt Jesu etwas

nicht gestimmt hat.

4.13 Jesus und seine Himmelfahrt

„Although this account does not end with an event of ascension, there are significant

hints of it within the body of the gospel“ (:393). In 3,13 sagt Jesus: Niemand ist

hinaufgestiegen in den Himmel, außer dem, der aus dem Himmel herabgestiegen ist. Da

es zu diese Zeitpunkt noch keinen Aufstieg Jesu gegeben hatte, liegt hier für Guthrie ein

johanneischer Hinweiß auf die zukünftige Himmelfahrt vor. Genau so in 6,62, wo Jesus

seine Jünger fragt, wie sie damit umgehen würden, wenn sie ihm bei der Himmelfahrt

zusehen würden. Eine wichtige Stelle ist für Guthrie in die Auferstehungsereignisse

eingebettet. In 20,17 sagt Jesus der Maria, dass er noch nicht zu seinem Vater

aufgefahren sei. Weiter sagt Jesus: Ich fahre auf zu meinem Vater und eurem Vater, zu

meinem Gott und eurem Gott.

Jesus geht es hier nicht darum, dass er sofort nach diesem Gespräch mit Maria

verschwinden würde, sondern Jesus wollte seine Jünger auf dieses kommende Ereignis

vorbereiten; Guthrie ist es wichtig, diesen Sachverhalt gegenüber einigen Kritikern

heraus zu stellen. Auch das Geben des Heiligen Geistes in 20,22 ist kein Hinweiß dafür,

dass die Himmelfahrt in Jesus Augen schon stattgefunden hatte. Johannes wusste, dass

die eigentliche Ausgießung des Geistes erst zu Pfingsten stattgefunden hatte. Genauso

steht es mit dem Erlebnis des Thomas. Einige Gelehrte sehen in dem Wiederspruch,

dass Jesus der Maria verbiete, ihn anzufassen (20,17) und in der Einladung des Thomas

ihn zu berühren (20,27) einen Hinweiß dafür, dass Jesus nach dem Gespräch mit Maria

schon in den Himmel aufgefahren ist. Doch Guthrie wiederlegt dieses Ansicht indem er

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Christologie im

Johannesevangelium

Marlon Heins

27

darauf aufmerksam macht, dass verschiedene Wörter für berühren gebraucht werden

und die Problematik nicht im Anfassen, sondern im Festhalten der Maria lag.

4.14 Auswertung des Entwurfs von Donald Guthrie

Donald Guthrie geht sehr detailliert vor, um die Christologie des Johannesevangeliums

zu beschreiben. Das interessant dabei ist, dass er zwar sämtliche Hoheitstitel Jesus

erwähnt, seine Christologie aber nicht ausschließlich daran ausrichtet. Guthrie hat die

Freiheit, immer wieder auch thematische Gliederungspunkte hinzu zu nehmen, um die

Fülle der johanneischen Hinweise auf Jesus zu erfassen. So kann er über die

Menschlichkeit, die Sündlosigkeit, die Jungfrauengeburt und die Himmelfahrt Jesus

genau so schreiben, wie über die typischen christologischen Titel Messias, Sohn

Davids, Gottesknecht, Menschensohn, Herr, Gottessohn, Logos, Gott und die Ich-Bin-

Worte.

Guthrie beginnt bei der Menschlichkeit Jesus und sieht gerade hier das johanneische

Anliegen, neben der Betonung auf die Präexistenz und die Göttlichkeit Jesus für die

Leser der Evangeliums ebenfalls heraus zu stellen, dass Jesus ganzer und echter Mensch

war. Auf der anderen Seite hatte Johannes seiner Meinung nach auch mit doketischen

Tendenzen zu kämpfen, so dass sich Menschlichkeit und Göttlichkeit im Evangelium

immer die Waage halten mussten. In die gleich Richtung geht auch die Darstellung der

Sündlosigkeit Jesus. Das Evangelium stellt Jesus als Menschen ohne Sünde dar. Die

Juden verschworen sich gegen ihn, weil sie Eifersüchtig waren, nicht weil Jesus etwas

Falsches getan hatte. Im Bezug auf das relativ seltene Vorkommen des Messiastitel

kommt Guthrie zum Schluss, dass dieser Titel für Johannes zu politisch gefärbt war und

er es deshalb vorzog, andere Titel für Jesus häufiger zu verwenden. Interessant ist, was

Guthrie über die Messiasvorstellungen der Juden aus dem Text des Evangeliums

herausarbeitet. So weißt er plausibel nach, dass die Juden glauben, der Messias käme

von einem unbekannten Ort (7,27), er würde Zeichen und Wunder tun (7,31) und das er

für alle Ewigkeit existieren würde (12,34). Da Jesus sich durch sein Leben, Reden und

Auftreten in mindestens zwei Punkten disqualifiziert hat, war es laut Guthrie eine

Bemühung des Johannes, Jesus als Messias immer wieder zu rechtfertigen.

Im Johannesevangelium steht Jesus als der Sohn Davids nicht im Mittelpunkt, auch

wenn Guthrie einen indirekten Hinweiß auf diese Parallele im Bezug auf den Geburtsort

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Christologie im

Johannesevangelium

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Jesus aufzeigen kann. Bei seinen nachfolgenden Bemühungen, Jesus dann auch noch als

den Gottesknecht nachzuweisen, begibt er sich unserer Meinung nach aber auf

unsicheren Grund. Er sagt selber, dass es nur ein Zitat aus Jesaja 53 im Evangelium gibt

und diese Worte von Johannes nicht auf Jesus sondern auf die Juden angewendet

werden. Bei seinen Versuchen, den Gottesknecht dann im Titel „Lamm Gottes“ oder in

einer individuellen Übersetzung von 1,34 zu sehen klingt er wenig überzeugend, wenn

auch interessant vom Gedankengang her. Beim „Menschensohn“ hat er dann weniger

Probleme mit dem Textbefund und kann sogar auf die Nähe zu den Synoptikern

hinweisen, eine Möglichkeit, die beim Johannesevangelium eher selten besteht.

Aufgrund dieser Nähe zu den, seiner Meinung nach älteren synoptischen Evangelien,

sieht Guthrie im „Menschensohn“ eine sehr alte Redeweise über Jesu. Es ist interessant

zu lesen, was er anschließend detailliert über den unterschiedlichen Gebrauch und die

Eigenschaft des „Menschensohn“ zu schreiben weiß. So weist er zum Beispiel darauf

hin, dass die Verherrlichung des Menschensohns für Johannes schon auf der Erde und

nicht erst nach der Himmelfahrt beginnt. Auch die Passion und das Kreuz Jesu sind

Stadien seiner Verherrlichung und Johannes zeigt die unabdingbare Konsequenz des

Leidens als Teil der Verherrlichung.

Im theologischen und nicht theologischen Gebrauch von „Herr“ sieht Guthrie eine

gewisse Nähe zum Lukasevangelium, auch wenn er sich über das geringe Vorkommen

dieser Anrede wundert, da „Herr“ nach der Auferstehung Jesu zu einer gängigen Anrede

für Jesus unter den Christen wurde. Als dominantester Titel im Evangelium steht für

Guthrie dann der „Sohn Gottes“, wobei er eine Besonderheit in der johanneischen

Darstellung der Beziehung zwischen Vater und Sohn erkennt. Seiner Meinung nach

sollte „monogenes“ darum auch nicht mit „Erstgeborener“ sonder mit „Einziger seiner

Art“ übersetzt werden. Wir sind jedoch der Meinung, dass die von Guthrie

vorgeschlagene Übersetzung dem Wiederspricht, was Johannes in 1,12 und Paulus in

Röm 8,14-16 und 8,29 schreibt, nämlich dass jeder, der an Jesus glaubt zu einem Kind

Gottes und somit zu einem Bruder oder einer Schwester Jesu wird. Wäre Jesus

„Einziger seiner Art“ wäre diese Möglichkeit nicht gegeben. Guthrie schreibt dann

weiter über Jesus als den Logos, wobei er Schwerpunktmäßig die Fragen stellt, warum

Johannes diesen Titel zuerst einführt und dann aber nicht mehr weiter verwendet? Er

stellt zuerst einmal fest, dass Johannes den Begriff Logos gebraucht, ohne diesen genau

zu definieren. Er schlussfolgert, dass sowohl jüdische als auch griechische Leser mit

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Christologie im

Johannesevangelium

Marlon Heins

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dem Begriff etwas anfangen konnten. Der Begriff stellt für Guthrie zum einem die

Beziehung zwischen Jesus und seinem Vater heraus, stellt Jesus als Logos aber auch in

Verbindung mit der Schöpfung und der Welt und setzt ihn in Relation zu den Menschen

dieser Welt, das der Logos Fleisch wurde. Logos verbindet also Göttlichkeit, Auftrag

und Menschlichkeit Jesu in einem Wort und so fasst Johannes mit diesem Begriff die

Grundlagen seiner Christologie zusammen. Als Grund dafür, dass Johannes den Logos

dann später nicht mehr gebraucht, nennt Guthrie die Gefahr einer möglichen

doketischen Interpretation.

Die Logoseinleitung im Evangelium spielt für Guthrie aber auch noch in anderer

Hinsicht eine wichtige Rolle. Das durch den Begriff die ganze johanneische

Christologie zusammengefasst wird, ist für den Leser der göttliche Ursprung Jesu bei

gleichzeitiger Menschlichkeit keine Frage mehr. Wenn sich Jesus also später mit den

„Ich bin – Worten“ bezeichnet und damit für jüdische Hörer einen klaren Bezug zum

alttestamentlichen Offenbarungswort Jahwes herstellt, dann ist für ihn diese Verbindung

nicht mehr so Problematisch, wie sie noch für die jüdischen Zuhörer sein musste. Denn

wenn jemand sich durch die „Ich bin – Worte“ auf eine Ebene mit Jahwe stellen durfte,

dann war es doch wohl der Logos, der fleischgewordene Gott. Für Guthrie ist

interessant, dass die Göttlichkeit Jesus von Johannes am Anfange und am Ende seines

Buches deutlich betont wird. Am Anfang ist es der Logos-Prolog und am Ende das

Thomasbekenntnis, wo über Jesus deutlich gesagt wird, das er Gott ist.

Guthrie überrascht dann mit einem eigenen Abschnitt über die Jungfrauengeburt Jesus.

Obwohl er selber sagt, dass Johannes an keiner Stelle darüber schreibt, rechtfertig er

diesen Punkt mit dem Hinweiß darauf, dass der Logos Fleisch wurde und dieser Prozess

eine Geburt voraus setzt. Er kann im Text zwar nicht aufzeigen, dass Jesus von einer

Jungfrau geboren worden ist, schließt diesen Unterpunkt aber mit der Frage, ob

Johannes tatsächlich im Wiederspruch zu den Synoptikern stehen kann. Im Bezug auf

die Himmelfahrt Jesus geht er einen ganz ähnlichen Weg. Er betont auch hier, dass das

Evangelium nicht mit einer Himmelfahrt endet, findet aber im Text einige Hinweise

darauf. So spricht Jesus in 3,13 davon, dass niemand in den Himmel hinaufgestiegen ist,

der nicht auch herabgestiegen ist oder er fragt seine Jünger in 6,62, wie sie reagiere

würden, wenn sie ihm bei solch einem Aufstieg beobachten würden. Doch auch wenn

Guthrie an der einen oder anderen Stelle über den Text hinaus geht, muss doch

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Christologie im

Johannesevangelium

Marlon Heins

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zusammenfassend gesagt werden, dass sein Entwurf durchweg gelungen ist. Er betont

das Wesentliche und bezieht das weniger Offensichtliche mit ein. Nach dem Studium

seiner Ausführungen hat man einen sehr guten Überblick und an vielen Stellen etliche

Details über die johanneische Christologie bekommen.

5. Johanneische Christologie – Ergänzung von Marlon Heins

Wie schon in der Einleitung angekündigt, möchte der Autor an dieser Stelle seinen

eigenen Beitrag zum Thema liefern. Neben den Entwürfen von Lohse und Guthrie

wurden während der Vorbereitung auch die Theologie von Joachim Gnilka (1994) und

die Theologie von George Eldon Ladd (1994) mit einbezogen und durchgearbeitet.

Doch in keinem dieser vier großen Werke wurde auf eine Facette der johanneischen

Christologie hingewiesen, die dem Autor beim Studium des Johannesevangeliums

wichtig geworden ist; Jesus als die Quelle des Lebens!

Bei der „Einführung in die johanneische Christologie“ ist deutlich geworden, wie

uneinig sich die Forschung im Bezug auf die Christologie des Johannesevangeliums ist.

Doch gerade aufgrund dieser Uneinigkeit in der Forschung und „obwohl die Diskussion

nicht abgeschlossen ist, empfiehlt sich christologisch eine Betrachtung des Ev. als

Einheit“ (Karrer :283), so zu mindestens schreibt es Karrer in der RGG. Der Autor

möchte in seinem Beitrag genau das tun und das Evangelium als Einheit betrachten.

Doch wenn man sich entschließt, das Johannesevangelium als Einheit zu lesen, dann

fällt es schwer, die Christologie des Evangeliums nicht ebenfalls Einheitlich zu

verstehen. Zu diesem Thema schrieb Schweizer die TRE: „Zweifellos stehen

verschiedene Christologien im Hintergrund: a) Die Logos-Christologie ... b) die

Wundertäterchristologie in der Semeiaquelle ... c) die Menschensohnchristologie,

entweder stark apokalyptisch ... oder nach Dan 7,13 ein neues Israel einschließend ... d)

die (Passa-) Lammchristologie ... e) die Weisheitschristologie“ (Schweizer :707). Doch

wie können verschiedene Christologien im Hintergrund stehen, wenn das Evangelium

eine Einheit darstellt? Wir denken darum nicht, dass verschiedene Christologien im

Evangelium zu finden sind, sondern stattdessen nur zwei Facetten einer einzigen

Christologie – Jesus als Quelle des Lebens oder die „Lebensquellenchristologie“. Direkt

in den ersten Versen des Evangelium schreibt Johannes genau das: „In ihm war das

Leben und das Leben war das Licht der Menschen (1,4). Jesus kam, um „ewiges Leben“

(3,36) als auch „Leben im Überfluss“ (10,10) zu geben. Die scheinbar vielfältigen

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Christologie im

Johannesevangelium

Marlon Heins

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Christologien im Evangelium sind unserer Meinung nach lediglich Ausdrucksformen

und Bilder für diese zweit Facetten der Lebensquellenchristologie – (1) Jesus als Quelle

des ewigen Leben und (2) Jesus als Quelle für ein Leben im Überfluss.

Die erste Facette der Lebensquellenchristologie betrifft Jesus als den Retter der

Menschen, der gekommen ist ewiges Leben zu schenken. Johannes benutzt hierfür Titel

des Retters, des Messias und des Lamm Gottes. Auch viele der „Ich bin – Worte“ fallen

in diese Kategorie. In den Entwürfen von Lohse und Guthrie ist bei der Betrachtung der

jeweiligen Bilder, Titel oder Namen Jesu ausreichend auf diese erste Facette

eingegangen worden. Die zweite Facette betrifft die Rolle Jesus als „Vorbild“ im

Wandel dieses neuen Lebens (13,15), mit dem Ziel, dass seine Jünger und Nachfolger

Leben im Überfluss finden sollen. Jesu Vorbild dient allen, die bereits ewiges Leben

geschenkt bekommen haben. Innerhalb dieser Funktion tritt er auf als Sohn Gottes, der

zeigt, wie es ist, als Kind Gottes in dieser Welt zu leben. Er tritt auf als Lehrer und

Rabbi, der seinen Jüngern Ratschläge für dieses neue Leben gibt. Er tritt auf als

Menschensohn, der zeigt, dass man auch als Mensch aus Fleisch und Blut schon auf

dieser Erde im Reich Gottes leben kann. Er verdeutlicht, dass Jüngerschaft und

Gehorsam etwas mit Leiden zu tun hat und das dieses Leiden ein Teil der

Verherrlichung ist. Darüber hinaus tritt Jesus in dieser Rolle auch als der gute Hirte auf.

Die Passagen in Kapitel 10 machen ganz deutlich, dass die „Schafe des Hirten“ allesamt

schon ewiges Leben haben und errettet sind. Die Aufgabe des Hirten ist es nicht, die

Schafe ins ewige Leben, sondern auf grüne Weiden und in eine Leben im Überfluss zu

führen. Im Bezug auf diese zweite Facette der Lebensquellenchristologie wollen wir

noch ein wenige ausführlicher argumentieren. Wir gehen davon aus, dass die erste

Facette mit Jesus als Quelle des ewigen Lebens kein Gegenstand von Diskussionen sein

wird oder sollte.

Die meisten Autoren sind sich darüber einig, dass die Schlüsselverse des

Johannesevangelium in 20,30-31 zu finden sind: „Noch viele andere Zeichen tat Jesus

nun vor seinen Jüngern, die in diesem Buch nicht geschrieben sind. Diese aber sind

geschrieben, damit ihr glaubt, dass Jesus der Christus, der Sohn Gottes ist, und damit ihr

durch den Glauben Leben habt in seinem Namen“. In der Regel wird der Schwerpunkt

dieser Verse auf das „gläubig werden“ der Leser gelegt. Aber könnte es nicht sein, dass

mit „Leben haben“ viel mehr als „gläubig werden“ gemeint ist? Wir sollten dabei nicht

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Johannesevangelium

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vergessen, dass der johanneische Schlüsselvers von „Zeichen“ spricht, die Jesus vor

seinen Jüngern getan hat. Wenn es Jesus nur ums „gläubig werden“ dieser Männer

gegangen wäre, dann hätte er sich nach seinem ersten Wunder in Kana neue Nachfolger

gesucht. Johannes schreibt in 2,11 ganz deutlich, dass die Jünger, die das Wunder der

Wasserverwandlung miterlebt hatten an Jesus glaubten. Er schreibt: „Diesen Anfang der

Zeichen machte Jesus in Kana in Galiläa und ließ seine Herrlichkeit offenbar werden,

und seine Jünger glaubten an ihn“. Doch das „gläubig werden“ war nur die erste Facette

im Dienst Jesus. Die zweite Facette bestand darin, den „gläubig gewordenen“ Jüngern

zu zeigen, wie man als Kinder Gottes lebt. Darum heißt es im Schlüsselvers auch,

„...damit ihr glaubt, dass Jesus der Christus, der Sohn Gottes ist UND ... damit ihr

Leben habt in seinem Namen“.

Man geht oft selbstverständlich davon aus, dass im Evangelium, wenn vom „Leben“ die

Rede ist, das „ewige Leben“ gemeint ist. Tatsächlich gibt es für diese Bedeutung auch

zahlreiche Belege (3,15.36; 4,14.36; 5,24.39; 6,27.47.51.58; 10,28 uvm.). Doch darüber

hinaus gibt es auch Belege im Evangelium, wo nicht mehr ganz klar ist, von welchem

Leben gerade die Rede ist (1,4; 5,26; 6,33.63; 10,10.17; 12,25; 13,37 uvm.). Wie schon

weiter oben angeklungen, sind wir in diesem Zusammenhang auch der Überzeugung,

dass Jesus im Bild des guten Hirten nichts mit dem ewigen Leben zu tun hat. Als Lamm

Gottes stirbt er für die Welt und schafft die Möglichkeit des ewigen Lebens. Aber als

guter Hirte spielt er eine ganz anderer Rolle, in dem er als „Vorbild“ voran geht und die

„Schafe“ zu grüner Weide führt. So sagt Jesus in 10,10: „Der Dieb kommt nur, um zu

stehlen und zu schlachten und zu verderben: Ich bin gekommen, auf dass sie Leben

haben und es in Überfluss haben“ Meint Jesus an dieser Stelle das ewige Leben? Er

spricht doch von seinen Schafen, die ihm nachfolgen (10,4). Damit sind Gläubige

gemeint (10,26) welche die Stimme Jesu hören, Jesus kennen und ihm nachfolgen

(10,27). Von solchen „Schafen“ sagt Jesus, dass sie in Ewigkeit nicht verloren gehen

werden, niemand sie aus seiner Hand reißen kann (10,28) und er sie zu saftigen Weiden

führen möchte (10,9). Was damit gemeint ist, erklärt Jesus in 10,10, wenn er sagt, dass

er das Leben geben möchte und zwar Leben im Überfluss.

Die Christologie im Johannesevangelium ist eine Einheit, bestehend aus zwei Facetten.

Johannes stellt Jesus als „Quelle des Lebens“ dar, die zum einen „ewiges Leben“ und

zum anderen „Leben im Überfluss“ schenkt. Wir denken, dass besonders die zweite

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Facette im Dialog zwischen Jesus und seinen Jüngern deutlich wird. Das was Jesus

seinen Jüngern erklärt und beibringt ist gleichzeitig Leitfaden und Vorbild für alle

zukünftigen Jünger Jesu (17,20). Das Johannesevangelium umfasst 21 Kapitel. Die

Jünger Jesu werden im ersten Kapitel des Evangeliums berufen und kommen spätestens

im zweiten Kapitel zum Glauben. In den darauf folgenden 19 Kapiteln schafft es

Johannes dann mit unglaublicher Leichtigkeit, die Geschichte Jesu auf zwei Ebenen

weiter zu erzählen. Auf einer Ebene erzählt er von der Ausbildung der Jünger. Ganze

Kapitel (z.B. 13-16) widmet er dieser zweiten Facetten der Lebensquellenchristologie,

ohne auch nur das ewige Leben dabei zu erwähnen. Auf einer zweiten Ebene jedoch

schildert Johannes immer wieder Begegnungen Jesu mit noch Ungläubigen, denen er

das ewige Leben anbietet. So zum Beispiel Kapitel 3 mit Nikodemus, Kapitel 4 mit der

Samariterin und Kapitel 9 mit dem Blindgeborenen. An dieser kurzen Aufteilung sollte

deutlich werden, wie Johannes im ganzen Evangelium auf diesen zwei Ebenen die zwei

Facetten seiner Lebensquellenchristologie ausbreitet.

Der Prolog des Johannesevangeliums (1,1-14) gibt eine Einleitung und eine

Vorausschau für das ganze folgende Buch. Wie schon weiter oben erwähnt wird Jesus

dort zu Beginn als Leben und Quelle des Lebens für alle Menschen vorgestellt (1,4.9).

Für unseren Vorschlag zur Christologie des Evangeliums ist innerhalb dieses Prologs

auch Vers 12 von besonderem Interesse: „Allen aber, die ihn aufnahmen, denen gab er

das Anrecht, Kinder Gottes zu werden, denen, die an seinen Namen glauben“. Das

Wort, welches in unserer Übersetzung mit „Anrecht“ übersetzt wurde, ist e)cousi/a.

Doch e)cousi/a meint nicht nur „Freiheit oder Recht“, sondern auch „Fähigkeit zu

handeln“, „Vermögen und Vollmacht“, „Autorität“ und Amtsgewalt“. (Bauer

1988:562-564) Mit eingeschlossen in diese e)cousi/a, die Jesus einem Menschen

schenkt ist nicht nur Recht sondern auch Vollmacht und Autorität.

Genau darum ist die zweite Facette der Lebensquellenchristologie – Jesus als Vorbild

und Lehrer - so wichtig. Jesus schenkt nicht nur ewiges Leben (Facette 1), sondern gibt

auch Anleitung, wie ein Kind Gottes in seinem neuen Status Vollmächtig leben kann.

(Facette 2). Aus diesem Grund hatten wir auch weiter oben Donald Guthrie bei seiner

Übersetzung von „monogenes“ (1,14.18; 3,16.18) widersprochen. Guthrie schlug vor,

an diesen Stellen nicht „Erstgeborener“ sondern „Einziger seiner Art“ zu übersetzen

(Guthrie :313). Doch aufgrund von 1,12 ist diese Übersetzung unserer Meinung nach

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Christologie im

Johannesevangelium

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nicht günstig, denn Jesus sollte nicht „Einziger seiner Art“ sein, sondern der

„Erstgeborene“ von vielen Brüdern (1,12; siehe auch Röm8,29). Jesus kam nicht nur,

um Menschen zu retten, sondern er kam, um weitere Kinder Gottes in die Familie zu

holen. Eine Aufgabe seines Dienstes bestand also darin, diesen Kindern den Zugang zur

Familie zu ermöglichen und eine zweite Aufgabe bestand darin, als erstgeborener Sohn

seinen Geschwistern zu zeigen, wie man als Kind Gottes lebt! Wir wollen uns nun die

wichtigsten Passagen des Evangeliums im Bezug auf diese zweite Aufgabe kurz

ansehen.

Die erste Stelle, wo Jesus seinen „gläubig gewordenen“ Jünger (2.11) zeigt, wie es ist,

als Söhne Gottes zu leben, findet man in 4,31-38. Die Jünger kommen zu ihm und

wollen ihm etwas zu essen geben. Doch Jesus antwortet: „Ich habe eine Speise zu essen,

die ihr nicht kennt ... Meine Speise ist die, dass ich den Willen dessen tue, der mich

gesandt hat und seine Werke vollbringe ... Hebt eure Augen auf und seht die Felder an;

sie sind schon weiß zur Ernte ... Ich habe euch ausgesandt zu ernten ... und ihr seid in

die Arbeit eingetreten“. Im ganzen Johannesevangelium gibt es nur eine Bedingung, die

ein Mensch erfüllen muss, um eine Kind Gottes zu werden; er muss glauben (siehe z.B.

3,14-18). Und gerade im Bezug auf dieses Glauben ist es höchst fraglich, ob eine

Mensch tatsächlich von sich aus in der Lage dazu ist. Johannes verwendet viel Zeit

darauf, seinen Leser klar zu machen, dass Gott einem Menschen die Augen öffnen und

diesen zu sich ziehen muss (siehe dazu 6,37-40.44.65 und 10,29). In Anbetracht dessen

sollte klipp und klar sein, dass es auf gar keinen Fall eine Bedingung zum „gläubig

werden“ ist, den Willen Gottes und seine Werke zu tun; genau so wenige wie es

Bedingung ist es, als „Arbeiter Gottes“ im „Erntefeld“ zu sein. Wir wären beim Thema

der „Werksgerechtigkeit“, wenn so etwas gedacht oder gelehrt werden würde. Es geht in

diesem Abschnitt in Kapitel 4 also nicht darum, dass Jesus seine Jünger lehrt, das ewige

Leben zu bekommen, sondern wie man als Kind Gottes nun in diesen neuen Leben

wandeln soll (sieh auch Röm6,4). Das Ergebnis eines solchen Wandels haben wir

anhand von 10,10 schon mehrmals als „Leben im Überfluss“ bezeichnet. Hier in 4,36

kommt nun eine weitere Definition dieser etwas Verheißung hinzu, den Jesus sagt:

„Und wer erntet, der empfängt Lohn und sammelt Frucht zum ewigen Leben ...“.

Wieder kann nicht behauptet werden, dass Jesus hier das ewige Leben als solches

verspricht, sondern er verspricht mehr als das. Ein Arbeiter im Auftrag Gottes, also ein

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Kind Gottes, dass im Willen des Vaters lebt wird Lohn und Frucht bekommen,

zusätzlich zum ewigen Leben!

Weitere Lehreinheiten Jesu für seine Jünger finden wir im sechsten Kapitel des

Johannesevangeliums. Zuerst einmal lesen wir in 6,5-6, dass Jesus den Philippus

auffordert, die vielen tausend Menschen mit Essen zu versorgen, die Jesus den Tag über

zugehört hatte. Johannes fügt in 6,6 erklärend hinzu: „Das sagte er aber, um ihn auf die

Probe zu stellen, denn er selbst wusste wohl, was er tun wollte.“ Wie sehen in dieser

Stelle einen klaren Hinweiß auf die Ausbildungstätigkeit Jesu. Warum sonst sollte er

Philippus und die anderen Jünger herausfordern, als aus dem Grund, dass sie es langsam

lernten, mit der Kraft und Gegenwart Gottes auch in unmöglichen Situation zu rechnen?

Die nächst Lehrstunde in dieser Hinsicht folgt wenige Stunden später, nachzulesen in

6,16-21. Die Jünger wollen aufbrechen doch Jesus erscheint nicht am Boot. Sie fahren

darum ohne ihn los und kommen in einen schweren Sturm. Mitten im Sturm kommt

Jesus übers Wasser, spricht ihnen Mut zu und bringt sie binnen Sekunden ans nächste

Ufer. Kann man einem Schüler besser beibringen, dass er niemals und zu keinem

Zeitpunkt seines Lebens alleine ist? Konnte Jesus seinen Jüngern bessern begreiflich

machen, dass er immer bei ihnen sein wird, was auch immer geschehen würde? Nichts

davon ist wichtig für das ewige Leben, aber alles davon ist wichtig für ein erfülltes

Leben als Christ!

Zwischendurch spricht Jesus immer wieder kurze Lehreinheiten zu seinen Jünger.

(z.B.6,61f; 9,2f; 10,7f). Die nächste größere Stelle finden wir dann in 11,1-46 während

der Auferweckung von Lazarus. In 11,4 sagt Jesus ausdrücklich, dass Lazarus gestorben

war, damit Gott Verherrlicht werden würde. Er wartete scheinbar mit Absicht dessen

Tod ab (11,6), nur um seinen Jüngern und Jüngerinnen seine Macht und seine

Möglichkeiten zu demonstrieren (11,15). Für Gott gibt es keine Aussichtslosen

Situation, denn er ist stärker als der Tod – Jeder Mensch, auch jeder Christ, muss

sterben; er wird aber nach seinem Tod zum ewigen Leben auferstehen – Gott gebraucht

Dinge, die Menschen nicht verstehen oder erklären können, um sich damit

schlussendlich zu verherrlichen!

In den Kapiteln 13-16 widmet sich Jesus dann in ganz intensiver Art und Weise seinen

Jüngern. In diesen Kapiteln ist er mit ihnen alleine und dementsprechend ist die

Auswahl der Themenbereiche. Das ewige Leben spielt überhaupt keine Rolle in diesen

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Kapiteln. Dafür liegt der Schwerpunkt eindeutig auf die Beziehung, Leben und

Gemeinschaft zwischen Gott und den Jüngern Jesus (13,8; 14,15-19; 15,1-11; 16,13-15

u.a.). So zeigt er ihnen, dass sie zwar frei sind von der Schuld der Sünde (und somit

ewiges Leben haben), aber das sündiges Handeln in ihrem Leben den Verlust der

Gemeinschaft mit Gott zur Folge hat (13,8). In 13,15 bezeichnet sich Jesus selber als ein

Vorbild. Er fordert sie auf, ihm nachzueifern und verspricht ihnen so „Glückseligkeit“.

Der Autor ist in einer anderen Arbeit dem Begriff der „Glückseligkeit“ genauer

nachgegangen und hat festgestellt, dass diese Wortgruppe auf Zufriedenheit, Erfüllung

und Lebensqualität anspielt (Heins 2003:89). In 14,1-4 ermutigt er sie, indem er ihnen

verspricht, ihnen Wohnungen im Himmel vorzubereiten. In 14,12 lehrt er sie, dass sie

durch ihren Glauben noch größere Dinge tun werden, als er selber getan hat. In 14,13-

14 erklärt er ihnen, wie sie vollmächtig als Menschen zu ihrem unsichtbaren Vater beten

können. In 14,15-18 verheißt er ihnen die Kraft des Heiligen Geistes und in 14,19-21

zeigt er ihnen den Weg, wie er sich seinen Jüngern auch nach der Himmelfahrt noch

offenbaren wird. In 14,22-24 zeigt er ihnen auf, wie das halten seines Wortes und die

Liebe zu ihm zusammenhängen und in 14,25-26 verspricht er ihnen, dass der Heilige

Geist Gottes sie an all das, was er ihnen für ihr Leben als seine Jünger mitgibt später

erinnern wird. Zum Ende des Kapitels spricht er dann seinen Frieden über ihr Leben

aus. Diese kurze Zusammenfassung soll zeigen, dass die Themen, die Jesus mit seinen

Jünger zu bereden hat, nichts mit dem „gläubig werden“ zu tun haben. Stattdessen

bereitet Jesus sie darauf vor, ihr Leben als Christ zu leben, auch wenn er nicht mehr

sichtbar untern ihnen sein wird. Von besonderer Wichtigkeit ist aus unserer Sicht das

oft falsch verstandene Kapitel 15: Jesus benutzt hier das Bild vom Weinstock und den

Reben: „Ich bin der wahre Weinstock, und mein Vater ist der Weingärtner. Jede Rebe

an mir, die keine Frucht bringt, reinigt er, damit sie mehr Frucht bringt. Ihr seid schon

rein... Bleibt in mir... Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht; denn

getrennt von mir könnt ihr nichts tun. Wenn jemand nicht in mir bleibt, so wird er

weggeworfen wie die Rebe und verdorrt; und solche sammelt man und wirft sie ins

Feuer, und sie brennen“.

In den aller meisten, uns bekannten Fällen wird diese Rede Jesu an seine Jünger in dem

Sinne ausgelegt, dass ein Christ, der nicht am Weinstock, also bei Jesus bleibt, nicht ins

ewige Leben kommen kann. Stattdessen wird er von Gott hinweggenommen und ins

Feuer geworfen. Dabei wird unserer Erfahrung nach allerdings zweierlei vergessen: (1)

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Jesus redet an dieser Stelle und im ganzen Zusammenhang seit Kapitel 13 nicht vom

ewigen Leben. (2) Wenn es hier ums ewige Leben ginge, dann wäre das dauerhafte

bringen von Frucht eine Bedingung für den Himmel. Wäre es nicht sinnvoller

anzunehmen, dass Jesus nicht vom ewigen Leben spricht, sondern seinen Jüngern

erklärt, wie sie in ihrem Leben als Christen „Frucht“ bringen können. Hinzu kommt,

dass Jesus direkt im Anschluss an diese Verse 15,1-6 erklärt, welches die Früchte eines

solchen Lebens sein würden: Die Gebete der Jünger werden erhört (13,7), Gott wird

verherrlicht (13,8), die Jünger würden die Liebe Jesus spüren (13,9-10) und die Jünger

würden vollkommene Freude im Leben erleben (13,11). Hier geht es nicht ums ewige

Leben, sondern um Leben im Überfluss und Zufriedenheit. Jesus wird im

Johannesevangelium als Quelle des Lebens dargestellt. Aus ihm quillt das „ewige

Leben“ für alle Menschen und „Leben im Überfluss“ für die Menschen, die ihm

konsequent nachfolgen wollen!

Wir könnten noch etliche solcher Beispiele aus dem Johannesevangelium bringen. So

sagt Jesus seinen Jüngern an anderer Stelle, dass sie seine Freunde wären, sofern sie tun

würden, was er ihnen sagt (15,14). Er erklärt ihnen, dass sie aus der Welt heraus erwählt

sind und die Welt sie von nun an hassen würde, so wie sie auch ihn selbst gehasst hätte

(15,18f). Er bereitet sie darauf vor, dass sie aus den Synagogen ihrer Volksgenossen

geworfen werden (16,1), dass sie Todesdrohungen erhalten (16,2) und dass sie oft

Traurig sein werden (16,20-22). Doch der Heilige Geist würde zu ihnen reden und ihnen

die Worte Gottes übermitteln (16,13f). In Kapitel 17 betet Jesus dann für seine jetzigen

(17,9) und seine zukünftigen Jünger (17,20). Er bitte um Einheit (17,11), um Freude

(17,13), um Bewahrung (17,15) und um ihre Heiligung (17,17). Nach seiner

Auferstehung begegnet er ihnen erneut. Er wünscht ihnen Frieden und sendet sie an

seiner Stelle aus. Er schenkt ihnen einen Vorgeschmack vom Heiligen Geist und gibt

ihnen Vollmacht (20,21-23). Bevor Jesus dann in Kapitel 21 noch den Petrus nach

seinem Verrat wieder in den Dienst zurück holt, schließt Johannes das 20. Kapitel ab

mit den Wort: „Noch viele andere Zeichen tat Jesus nun vor seinen Jüngern ... Diese

aber sind geschrieben, damit ihr glaubt ... und durch den Glauben Leben habt...“.

Aus unserer Sicht ist es offensichtlich, dass Jesus gekommen ist um allen Menschen das

Leben zu schenken. Er bietet den Ungläubigen das „ewige Leben“ und den bereits

Gläubigen das „Leben im Überfluss“ an. Das ewige Leben ist bedingungslos zugänglich

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für jeden, der an Jesus glaubt. Das Leben im Überfluss hingegen ist geknüpft an

Bedingungen, die mit Gehorsam, Demut und Leidensbereitschaft zu haben. Jesus legt

nirgendwo im Johannesevangelium oder sonst wo in der Schrift einem ungläubigen

Menschen irgendeine Bedingung auf. Einem Menschen allerdings, der ein Jünger Jesu

werden möchte muss eine Leben in Heiligung und Gehorsam führen. Das ewige Leben

hat mit dem Heil zu tun, dass Leben im Überfluss mit Heiligung. Jesus ist gekommen

um beides anzubieten. Er ist die Quelle des Lebens!

6. Zusammenfassung

Diese Arbeit bildet den Versuch, die Christologie im Johannesevangelium zu

beschreiben. Wir haben bemerkt, dass Johannes viele Bilder, Titel und Namen für

seinen Herrn zusammen getragen hat. Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten, sich

dieser Vielfalt zu nähern und es war unser Ziel, einige Möglichkeiten davon

aufzuzeigen. Durch die Entwürfe von Eduard Lohse und Donald Guthrie konnten wir

zwei fundierte Herangehensweisen etwas detaillierter betrachten, wohingegen einige

andere Meinungen nur kurz in einleitenden Zitaten erwähnt werden konnten. Für uns

persönlich gilt, dass wir die Christologie des Evangeliums als Einheit sehen wollen. Aus

unserer Sicht ist der Versuch, die unterschiedlichen Quellen und Ursprünge einzelner

Bilder, Titel und Namen heraus zu filtern und für sich zu analysieren ein Schritt in die

falsche Richtung. Johannes hat sein Evangelium als Einheit mit einer ganz bestimmten

Absicht geschrieben und diese Absicht bestimmt auch die Frage nach der Christologie.

Weder bei Lohse noch bei Guthrie wurde dieser einheitliche Charakter sichtbar.

Außerdem fällt auf, dass wichtige Bilder für Jesus wie der Hirte, der Weinstock oder

auch das Leben von beiden nicht aufgegriffen werden.

Wie unter Punkt fünf dieser Arbeit kurz skizziert, sind wir der Meinung, dass die

Einheit der Christologie im Johannesevangelium gut mit dem Begriff der

„Lebensquelle“ wiedergegeben werden kann. Jesus als der Erstgeborene von vielen

Brüdern bietet das Leben auf zwei Ebenen an und jeder Mensch hat die Möglichkeit,

diese unterschiedlichen Facetten der Lebensqualität von Jesus zu bekommen. Jesus ist

für Johannes auf der einen Seite der Retter vor Sünde und Tod und auf der anderen Seite

Vorbild und Lehrer für den Wandel im neuen Leben. Unsere Meinung nach besteht die

einheitliche Absicht des Johannesevangeliums darin, Jesus als die Quelle des Lebens

darzustellen. Er tat Zeichen, damit Menschen glaubten, dass er (1) der Sohn Gottes war

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und ewiges Leben in seinem Namen haben konnten. Und er tat Zeichen,, damit seine

Jünger (2) lernen konnten, wie es ist als Söhne und Töchter Gottes zu leben und somit

„Leben im Überfluss“ haben konnten.

7. Bibliographie

Eckstein, Hans-Joachim 2003. Der aus Glauben Gerechte wird leben. Beiträge zur

Theologie des Neuen Testaments. Münster: Lit Verlag (Beiträge zum Verstehen der

Bibel. Band 5).

Gnilka, Joachim 1994. Theologie des Neuen Testament. Freiburg-Basel-Wien: Herder

(Herders Theologischer Kommentar zum Neuen Testament).

Guthrie, Donald 1981. New Testament Theology. Downers Grove: Inter-Varsity Press.

Hahn, Ferdinand 2002. Theologie des Neuen Testaments II: Die Einheit des Neuen

Testaments (Thematische Darstellung). Tübingen: Mohr Siebeck.

Heins, Marlon 2003. Das Geheimnis der Zufriedenheit. Prinzipien und Richtlinien für

ein glückliches Christenleben. Thematische Abschlussarbeit an der Bibelschule Brake.

Karrer, M 1999. Christologie. I. Urchristentum. RGG II. 273-288.

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Rapids: William B. Eerdmanns Publishing Company.

Lohse, Eduard 1979. Grundriß der neutestamentlichen Theologie. Zweite,

durchgesehene und ergänzte Auflage. Stuttgart-Berlin-Köln-Mainz: Verlag W.

Kohlhammer (Theologische Wissenschaft. Sammelwerk für Studium und Beruf. Band

5).

Schweizer, E 1987. Jesus Christus. I. Neues Testament. TRE 16. 670-726.