usability professionals 2011 - tagungsband

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 Usability Professionals 2011 Henning Brau, Andreas Lehmann, Kostanija Petro vic, Matthias C. Schroeder Wir arbeiten daran. Arbeiten Sie mit.

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Tagungsband zur Konferenz Usability Professionals 2011 im Rahmen der Mensch und Computer

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Henning Brau, Andreas Lehmann, Kostanija Petrovic, Matthias C. Schroeder

Usability Professionals 2011

Wir arbeiten daran. Arbeiten Sie mit.

Sponsoren

Konferenzsponsoren

German UPA Frderkreis

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Inhaltsverzeichnis

Tutorials10 16 24 30

Aus die Maus Design fr natrliche Interaktion User Experience mit Biss

Claudia Nass; Steffen Hess

Dr. Jan Seifert; Lisa Reimer; Patrick Schick

UX meets REAnne Gross; Steffen Hess

Gefhlvoll gestalten Praxismethoden fr emotionales Design interaktiver ProdukteChristina Sturm; Daniela Vey

36

Fehlertexte und Beschreibungen aus der Sicht des Nutzers erstellen.Claus Wagner

40

Personas als Werkzeug in modernen SoftwareprojektenEva-Maria Holt; Dominique Winter; Jrg Thomaschewski

Workshops46 52 58 60 62 Content Strategy & User Experience DesignNikki Tiedtke

Branchenreport Usability 2011Daniel Ullrich; Sarah Diefenbach

Mehrwert fr alleChristian Becker; Fabian Lang

Design the FutureMariya Pavlenko; Martine Clmot

Rapid Cognitive Modeling, Prototyping und Evaluation mit CogToolTobias Ehni

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Arbeitskreise German UPA66 72 76 Eingeschrnkt Sehen. Eingeschrnkt Hren. Interagieren.Petra Kowallik; Martin Schrepp; Markus Erle

Der Qualittsstandard fr Usability Engineering der German UPAHolger Fischer; Christian Bogner; Thomas Geis; Knut Polkehn; Dirk Zimmermann

Arbeitskreis NachwuchsfrderungAnja Wipfler; Astrid Beck; Kostanija Petrovic

Nachhaltigkeit78 82 88 Starke Bedienkonzepte bringen frischen Wind in WindenergieanlagenStefanie C. Zrn; Rebecca Rothfu

Benutzerzentriertes User Interface Design fr einen Solarthermie-ReglerTim Schneidermeier; Patricia Bhm; Christian Wolff

Outdoor-Nutzertest eines Leitsystems im ffentlichen RaumPaul Mller; Oliver Siegmund

Natural User Interfaces (NUI)94 100 106 Rumliche Gestenerkennung und Natural User Interfaces mit Microsoft KinectBjrn Oltmanns; Denis Kruschinski; Dieter Wallach

Positive User Experience durch natrliche InteraktionKerstin Klckner ; Claudia Nass; Rudolf Klein; Hartmut Schmitt

(Multi-)Touch me!Christina Knig; Marko Seidel; Andreas Rbig; Ralph Bruder

4

Usability Professionals 2011 Inhalt

Einflussfaktoren112 Erwartungshaltung versus Usability: Der Effekt von negativer Erwartungshaltung auf die Akzeptanz von Software-Systemen.Roman Szymanski; Daniel Ullrich

120 128

Warum gutes Aussehen nicht immer von Vorteil istAndrea Struckmeier

Da ham se mich aber reingelegt, dat muss man sich ja zuerst ganz durchlesen (...)Claudia M. Nick; Alexander Mertens; Stefan Krger

Webseiten Best Practices134 142 148 Themenbhnen im Internet aus Usability-Sicht Ergebnisse einer Usability-StudieTorsten Bartel; Gesine Quint; Steffen Weichert

Iterative berarbeitung der Homepage und des Headers von ImmobilienScout24Jekaterina Cechini

WELT ONLINE Joy of Use fr Nachrichten in digitalen MedienKlaus Cloppenburg; Roland Schweighfer

Geschftssoftware154 158 164 Barrierefreiheit von Web Anwendungen mit dem ARIA Standard sicherstellenAnnett Hardt; Martin Schrepp

Benutzererlebnis bei UnternehmenssoftwareMaria Rauschenberger; Andreas Hinderks; Jrg Thomaschewski

Tipp die Opportunity sollte Geschftssoftware Spa machen?Svenja Schiffler; Theo Held; Martin Schrepp

5

Methoden172 178 186 192 Dont make me think aloud! Lautes Denken mit Eye Tracking auf dem PrfstandYong-Min Markus Jo; Anke Stautmeister

Ich sehe, was Du fhlstKathrin Kim; Simon Eisele; Kristin Kolbe

Weiter Weiter FertigRoman Reindler

Evangelisieren, Testen, Optimieren Erfolgsmodell Usability ClinicKilian Hughes; Karsten Skuppin

196 202 208 212 216

Wie klicken frustrierte Nutzer?Maria Hndler

360 User ExperienceJuergen Kiefer; Carina Lehne; Michael Schiessl

Remote Usability Testing fr einen multinational agierenden GrokonzernMarian Mhren

Adaptierbares Onsite-Befragungstool fr WebsitesFranziska Leithold; zlem Can, Ben Heuwing, Ieva Karalyte,; Thomas Mandl, Christa Womser-Hacker

Usability Testing fr und mit SeniorenMarc Turnwald, Alexandra Frerichs, Michael Prilla

Werkzeuge222 228 230 Das Usability Engineering File in der Medizintechnik Ein Stapel Papier als Business CaseTobias Walke; Henning Brau

HTML5 ein NochnichtStandard erorbert die mobile WeltSascha Meier

Effizientes Prototyping mit der Software ANTETYPETim Klauck

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Usability Professionals 2011 Inhalt

Wirtschaft und Wissenschaft236 242 250 Von der Wissenschaft in die Wirtschaft Wissenstransfer in Sachen UsabilityDaniela Kessner; Frank Dittrich; Nina Br

Hedonische Qualitt in der digitalen FabrikplanungKarl-Josef Wack; Franz Peschel

Was Firmen wollen: eine Umfrage zu UsabilityDienstleistungen fr klein- und mittelstndische UnternehmenDiana Reich; Nina Br

User Experience254 260 266 Die Wechselbeziehung zwischen Marke und User ExperienceOlde Lorenzen-Schmidt

Erfassung visueller sthetik mit dem VisAWIMeinald T. Thielsch; Morten Moshagen

Resilienz Joy on Error Usability als Chance und RessourceKerstin Palatini ; Volkmar Richter

Referenten272 Referenten

Impressum296 Impressum

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Tutorials

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Aus die Maus Design fr natrliche InteraktionClaudia Nass Fraunhofer-Institut fr Experimentelles Software Engineering IESE Fraunhofer-Platz 1, 67663 Kaiserslautern [email protected] Steffen Hess Fraunhofer-Institut fr Experimentelles Software Engineering IESE Fraunhofer-Platz 1, 67663 Kaiserslautern [email protected]

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Abstract Viele der Interaktionsgerte, die in jngster Zeit auf den Markt gekommen sind, sind gesten- und touchbasiert. Diese auf neuen Technologien basierenden Interaktionsformen werden hufig auch als natrliche Interaktion bezeichnet. Maus und Tastatur haben als Eingabegerte Konkurrenz bekommen. Als prominente Vorreiter sind hier die aktuellen Smartphones sowie Microsoft Surface zu nennen. Damit hat sich auch der Gestaltungsraum fr Interaktionsdesigner erweitert. Die Konzeption von Steuerungsgesten kommt als neue Dimension hinzu. Den damit verbundenen Herausforderungen widmet sich unser Tutorial. Wir zeigen die Bandbreite neuer Interaktionsmglichkeiten auf und probieren gemeinsam mit den Teilnehmern eine Methode zur Gestaltung von gesten- und touchbasierter Interaktion aus.

Keywords: /// Natrliche Interaktion /// Designmethode /// Interaktionsdesign

1. Einfhrung Wie ein Bildhauer, der mit seinen Werkzeugen und Techniken an einem Stck Ton arbeitet, brauchen Interaktionsdesigner Mittel, um die Interaktion adquat zu beschreiben und sie durch die Nutzung von geeigneten Techniken und Richtlinien in Form zu bringen. In unserem Tutorial zeigen wir die Bandbreite neuer Interaktionsmglichkeiten auf und experimentieren gemeinsam mit den Teilnehmern mit einer Methode zur Gestaltung von gesten- und touchbasierter Interaktion. Unser Ziel ist es, den Teilnehmern ein besseres Verstndnis fr das Konzept der natrlichen Interaktion und fr die Herausforderungen zu vermitteln, die sich mit diesem neuen Bereich fr die Designer stellen. Auerdem mchten wir den Teilnehmern einen berblick ber mgliche Methoden

geben und sie dabei untersttzen, eine dieser Methoden (DESIGNi, siehe Kapitel 3.3) selbst auszuprobieren. Dadurch knnen Interaktionsdesigner, Mediendesigner, Grafikdesigner, Informatiker, UX- bzw. Usability-Experten und Studenten von dem Tutorial profitieren. Um dieses Ziel zu erreichen, gibt es zunchst eine Einfhrung in das Thema, damit sich die Teilnehmer ihr eigenes Bild von natrlicher Interaktion bilden knnen. Danach werden die Herausforderungen dieses Bereichs erlutert und anschlieend wird die Methode DESIGNi vorgestellt. Auf diese Inhaltsbereiche wird im vorliegenden Paper detailliert eingegangen. 2. Was ist natrliche Interaktion? Im Zusammenhang mit den neuartigen Interaktionsgerten, die uns tglich neue

Formen von Interaktion erleben lassen, wird oft ber natrliche Interaktion gesprochen. Valli (2008) definiert natrliche Interaktion als Interaktion mit der Technologie analog zur Interaktion mit der realen Welt, wobei die Menschen durch Gesten, Bewegungen oder Gesichtsausdrcke kommunizieren knnen [9]. Fr Valli spielt es bei der natrlichen Interaktion eine wichtige Rolle, dass man seine Umgebung bzw. die Welt durch die Manipulation physikalischer Objekte entdecken und erleben kann. In diesem Sinne geht es nicht nur um die Verwendung existierender Interaktionskonzepte aus der physikalischen Welt, sondern auch um die Erschaffung neuer Konzepte, die mit speziellen elektronischen interaktiven Gerten funktionieren. Ein durchgngiges Beispiel dafr sind die neuen Smartphones und Tablet-PCs. Sie gehren zu den Produkten, die in erster Linie fr die rasche Verbreitung des

Abb. 1. iPad Tablet-PC von Apple1

Abb. 2. Kinect Xbox 3602

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Usability Professionals 2011 Tutorials

Abb. 3. Links: SixthSense, Rechts: Skinput3

Abb. 4. Microsoft Office Labs Vision 20194

Phnomens der natrlichen Interaktion verantwortlich sind. Zurzeit besitzen 50 % aller Personen, die ein mobiles Telefon haben, ein Smartphone [4], hufig ausgestattet mit einem Touch-Display. Mit einfachen Gesten kann man Bilder vergrern, seine Kontaktliste durchsuchen oder Aktionen rckgngig machen. [Abb. 1] Andere innovative Technologien, wie die neue Kinect Steuerung der Xbox 360, erlauben den Benutzern, ohne zustzlichen Joystick oder andere Steuergerte zu spielen [3]. Nur durch die Verwendung von Gesten in der Luft knnen die Benutzer z. B. bei einem Autorennspiel ein Auto fahren oder sogar beim Boxenstopp Rder wechseln. Durch die Bereitstellung solcher Technologie auf dem Massenmarkt wird deren zuknftige Anwendung in anderen Bereichen ebenfalls gefrdert. Wie durch Magie kann man Objekte aus der Ferne berhrungslos steuern und damit interagieren. [Abb. 2] In der Forschung werden Prototypen, wie die von Mistry und Maes (2009) und Harrison et al. (2010) [7, 5], entwickelt, die den menschlichen Krper als Eingabegert fr die Steuerung von verschiedenen Systemen verwenden (Harrison et al. (2010) benutzen die physische Eigenschaft der Reflexion, um die Interaktionsgerte zu steuern [5]. Beim Tippen auf verschiedenen Bereichen des eigenen Arms oder der

eigenen Hand werden unterschiedliche Frequenzen gesendet, die unterschiedliche Funktionen steuern. Diese Technologie heit Skinput und wird vor allem empfohlen, wenn der Sehsinn mit anderen Aktivitten beschftigt ist; so kann z. B. ein Benutzer beim Joggen zum nchsten Musiktitel springen, indem er Zeigefinger und Daumen gegeneinander tippt.3). In ihrer gestenbasierten Schnittstelle SixthSense untersttzen Mistry und Maes (2009) die Benutzer bei der Durchfhrung von Aufgaben wie fotografieren, Zeitung lesen, malen oder die Zeit auf einer virtuellen Uhr sehen. Das System bedient sich der Augmented Reality, bei der sich reale Objekte und projizierte Bilder whrend einer Interaktion vermischen [7]. [Abb. 3] Harrison et al. (2010) benutzen die physische Eigenschaft der Reflexion, um die Interaktionsgerte zu steuern [5]. Beim Tippen auf verschiedenen Bereichen des eigenen Arms oder der eigenen Hand werden unterschiedliche Frequenzen gesendet, die unterschiedliche Funktionen steuern. Diese Technologie heit Skinput und wird vor allem empfohlen, wenn der Sehsinn mit anderen Aktivitten beschftigt ist; so kann z. B. ein Benutzer beim Joggen zum nchsten Musiktitel springen, indem er Zeigefinger und Daumen gegeneinander tippt. Als Zukunftsvisionen prsentiert Microsoft Office Labs eine Reihe von

Interaktionsgerten, die sich in verschiedene Bereichen des Alltagslebens einbinden lassen [1]. In dieser Videoreihe prsentiert Microsoft alltgliche Objekte, die die analoge und digitale Welt verschmelzen. So werden z. B. Schlsselanhnger, Tassen und Papierzeitung zu interaktiven Gerten, die durch einfache Gestenmanipulation gesteuert werden. [Abb. 4] Die genannten Beispiele stehen im Einklang mit der Definition von Valli: Die Nutzung von Gesten und die direkte Manipulation von elektronischen Objekten werden in die Manipulation der physikalischen Welt integriert, sodass der Benutzer keinen Bruch zwischen der einen und der anderen Art von Objekten mehr sprt. Auf der anderen Seite werden neue Konzepte erarbeitet, die bei der Nutzung von elektronischen Gerten angewandt werden knnen, wie z. B. das Strecken eines Bildes mit zwei Fingern. 2.1. Herausforderung beim Design von natrlicher Interaktion Die Gestaltung solcher Arten von Interaktionsformen bringt verschiedene Herausforderungen mit sich. Diese Herausforderungen verteilen sich auf verschiedene Abstraktionsebenen, von sehr abstrakten Fragestellungen bis hin zu detaillierten Fragestellungen, die sich mit der Spezifikation des Designs einer Interaktion

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dieser Technologie? So lauten die Fragen, die die zweite Herausforderung umfassen. Als letzte im Tutorial behandelte Herausforderung steht die Erweiterung des Gestaltungsraums, die mehr Kompetenz von den Designern verlangt. Die Freirume fr das Design werden grer und sind nicht mehr so bersichtlich. Die Aktion des Benutzers ist Teil des Designziels und muss mitbetrachtet werden. Die Entscheidung, welche Gesten bzw. Interaktionsformen eine Aktion reprsentieren knnen und wie darauf basierend das System reagieren soll, sind jetzt relevante Aspekte fr das Design von natrlicher Interaktion. Welche Elemente werden auf der graphischen Benutzeroberflche gezeigt; was genau kann der Benutzer manipulieren; und wie findet diese Manipulation statt? Dies sind Fragestellungen, die die letzte Herausforderung in sich birgt. 3. Designanstze fr natrliche Interaktion beschftigen. Im Folgenden sind einige dieser Herausforderungen aufgelistet: 1. Wie hngen natrliche Interaktion und User Experience zusammen? 2. Welche Dimensionen sollen beim Design der natrlichen Interaktion beachtet werden? 3. Was ist der Designraum fr natrliche Interaktion? Hassenzahl (2010) prsentiert ein Modell fr User Experience, in dem er die Interaktion mit einem Produkt als eine zielgerichtete Aktion beschreibt, die durch ein interaktives Produkt vermittelt wird [7, S. 11]. Relevant fr die Interaktion mit einem technologischen Produkt sind die zwei unteren Ebenen seines Modells, die Do-Goals Ebene und die Motor-Goals Ebene (unterste Ebene). Do-goals sind eher von einem Produkt unabhngige Ziele, wie z. B. jemanden anrufen oder ein Video anschauen. Man braucht ein Interaktionsgert, um diese Ziele zu erreichen, mehrere in Frage kommende Gerte knnen aber sehr unterschiedlich sein. Motor-Goals sind dagegen stark an ein Gert gebunden, da sie eine Dekomposition des Aufgabenablaufs beschreiben, z. B. beinhaltet ein Anruf mit einem alten Whlscheibentelefon Aktionen wie Hrer abheben, Finger in die Whlscheibe stecken, Nummer bis zur maximalen Position drehen, usw. Es ist diese unterste Ebene der User Experience, auf der die Gestaltung der natrlichen Interaktion beeinflusst werden kann. Aber wie kann man das Design auf dieser Ebene der Experience beeinflussen, welche Faktoren sind dafr relevant, wie knnen diese Faktoren in den Designprozess integriert werden? Dies alles sind Fragen, die beantwortet werden mssen. Die zweite Fragestellung bezieht sich auf den Bruch zwischen digitaler und analoger Welt. Bei einer natrlichen Interaktion sollte der Benutzer nicht mehr so stark wahrnehmen, was Teil seiner digitalen Welt ist und was Teil seiner analogen Welt. Welche technischen Entwicklungen knnen solche Verbindungen zwischen den beiden Welten ermglichen; wie sollen diese Technologien integriert werden; was sind die Gestaltungsmglichkeiten fr Designer bezglich Dieses Kapitel beschreibt drei Anstze, die im Rahmen des Tutorials prsentiert werden. Einer davon, DESIGNi (vgl. Kapitel 3.2), wird auch mit den Teilnehmern ausprobiert und untersttzt die Gruppenarbeit. 3.1. Patterns und Richtlinien Zurzeit existieren ber 100 Patterns und Richtlinien, die die Gestaltung solcher Systeme mit natrlicher Interaktion untersttzen. Die meisten davon stammen aus Erfahrungen bei der Entwicklung von Systemen fr die neuen Smartphones und Tablet-PCs, vor allem bezglich der Nutzung von Touch-Gesten. Touch-Gesten knnen als Single-Touch oder Multi-Touch (mehrere-Finger einer Hand), Multi-Finger/-Hnde (mehrere Hnde, mehrere Finger) klassifiziert werden. Weiterhin gehren dazu TangibleGesten und Free-Form-Gesten, die nicht notwendigerweise eine grafische Benutzeroberflche verlangen. Im Bereich der multimodalen Steuerung von Systemen

Abb. 5. Gestenbibliothek von Gesturecons5

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Usability Professionals 2011 Tutorials

findet man auch Pattern und Richtlinien fr multimodale Systeme und speziell fr sprachbasierte Systeme. Diese Design Patterns untersttzen Designer bei der Entscheidung, geeignete Interaktionsformen fr ein wiederkehrendes Designproblem zu identifizieren. Viele davon werden sogar anhand bestimmter Aktionen beschrieben und geben Designern mehr Sicherheit whrend der Entwicklung. Die existierenden Patterns, die allesamt bereits hufig eingesetzt wurden, werden vom Benutzer gut akzeptiert, sind einfach zu erlernen und durchzufhren [4].5 zeigt das Bild einer online verfgbaren Gestenbibliothek, die Designer bei der Entwicklung eines Systems untersttzt. [Abb. 5] Diese Design Patterns untersttzen Designer bei der Entscheidung, geeignete Interaktionsformen fr ein wiederkehrendes Designproblem zu identifizieren. Viele davon werden sogar anhand bestimmter Aktionen beschrieben und geben Designern mehr Sicherheit whrend der Entwicklung. Die existierenden Patterns, die allesamt bereits hufig eingesetzt wurden, werden vom Benutzer gut akzeptiert, sind einfach zu erlernen und durchzufhren [4]. 3.2. Storyboard Das Storyboard ist eine Technik, die aus dem Kino- und Comic-Bereich bernommen wurde [4]. Es handelt sich um eine Folge von Bildern, die oft von textueller Beschreibung begleitet werden und eine Nutzungssituation eines Produkts darstellen. Das Storyboard erlaubt es, Gesten Schritt fr Schritt zu konzipieren und zu zeigen, vor allem wenn Teile des erlebten Kontexts relevant sind. Die Anfertigung eines Storyboards wird oft fr zeitaufwndig gehalten. Daher gibt es eine alternative Variante mit Fotos statt Zeichnungen. Diese Technik untersttzt die Gruppenarbeit von Designern bei der Konzeption neuer Interaktionsformen sowie des Ablaufs dieser Interaktionen. Das Storyboard wird vor allem empfohlen, um detaillierte Gesten und Gestensequenzen sowie den Kontext zu zeigen. Es regt zu mehr Ideen an und frdert den

Abb. 6. Storyboard [3]

Gruppenkonsens.6 zeigt ein Beispiel eines Storyboards von Safer (2008) [4]. [Abb. 6] Die Anfertigung eines Storyboards wird oft fr zeitaufwndig gehalten. Daher gibt es eine alternative Variante mit Fotos statt Zeichnungen. Diese Technik untersttzt die Gruppenarbeit von Designern bei der Konzeption neuer Interaktionsformen sowie des Ablaufs dieser Interaktionen. Das Storyboard wird vor allem empfohlen, um detaillierte Gesten und Gestensequenzen sowie den Kontext zu zeigen. Es regt zu mehr Ideen an und frdert den Gruppenkonsens. 3.3. DESIGNi DESIGNi (Designing Interaction) ist eine Workbench, die die systematische Konzeption und Spezifikation von Interaktionen und ihrem Verhalten untersttzt [8]. Es erlaubt Designern, die Formen und die Eigenschaften einer Interaktion (d.h. das Zusammenspiel zwischen Mensch und System) intensiv und bewusst zu explorieren. Das Design der Interaktionen einer natrlichen Interaktion frdert auch die genaue

Beschreibung der Aktionen seitens des Menschen und die dementsprechende (Re) aktion seitens des Systems. Diese (Re)aktionen knnen durch die eigentliche Aktion, die Art und Weise und die spezifischen Attribute beschrieben werden (siehe Dieses Tutorial wurde in einer hnlichen, aber verkrzten Form am WUD (World Usability Day) 2010 in Mannheim durchgefhrt. Beim Tutorial erhalten die Teilnehmer eine Einfhrung in die Methode DESIGNi sowie Hilfsmaterial (in Form von annotierten Formblttern), um die Methode praktisch anzuwenden. Mit der im Tutorial angewendeten Methode erleben die Teilnehmer, wie sie die Interaktionsformen des Gestaltungsraumes gezielt explorieren knnen. Dies frdert die Kreativitt und steigert gleichzeitig die Qualitt der entwickelten Interaktion.7). DESIGNi wird fr die detaillierte Gestaltung und Spezifikation von Interaktionen empfohlen. [Abb. 7] 4. Ausblick Dieses Tutorial wurde in einer hnlichen, aber verkrzten Form am WUD (World Usability Day) 2010 in Mannheim durchgefhrt. Beim Tutorial erhalten die Teilnehmer eine

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Quelle: Screenshot von http://www.youtube. com/watch?v=twzRX982DNQ Quelle: Screenshot von http://www.youtube. com/watch?v=p2qlHoxPioM Quelle: Screenshot von http://www.youtube. com/watch?v=mUdDhWfpqxg und von http:// www.youtube.com/watch?v=g3XPUdW9Ryg

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Abb. 7. Komponenten fr die Beschreibung einer Interaktion mit DESIGNi [8]

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Quelle: Screenshot von http://www.officelabs. com/Pages/Envisioning.aspx Quelle: http://gesturecons.com/

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Einfhrung in die Methode DESIGNi sowie Hilfsmaterial (in Form von annotierten Formblttern), um die Methode praktisch anzuwenden. Mit der im Tutorial angewendeten Methode erleben die Teilnehmer, wie sie die Interaktionsformen des Gestaltungsraumes gezielt explorieren knnen. Dies frdert die Kreativitt und steigert gleichzeitig die Qualitt der entwickelten Interaktion. Das Tutorial wird mit zahlreichen Beispielen angereichert und frdert an unterschiedlichen Stellen im Verlauf die aktive Beteiligung der Teilnehmer. Fr die praktische Anwendung der Methode erhalten die Teilnehmer ein konkretes Szenario, das eine Gestaltungsaufgabe und ihren Kontext definiert. Diese Gestaltungsaufgabe wird dann in Gruppenarbeit gelst. Die Gruppen stellen die verschiedenen Lsungen vor. Die Anwendung und die Erfahrungen der Teilnehmer mit der Methode werden anschlieend diskutiert. Literatur1. Anonymus. (2009). Future Vision Montage (URL). Gelesen am 19.05.2011 von http://www.officelabs.com/projects/ futurevisionmontage/Pages/default.aspx 2. Anonymus. (2009). Kinect (URL). Gelesen am 19.05.2011 von http://www.xbox.com/de-DE/ kinect 3. Saffer, D. (2008). Designing Gestural Interfaces: Touchscreens and Interactive Devices. OReilly Media, Inc.

4. Entner, R. (2010). Smartphones to Overtake Feature Phones in U.S. by 2011 (URL). Gelesen am 18.05.2011von http://blog. nielsen.com/nielsenwire/consumer/ smartphones-to-overtake-feature-phones-inu-s-by-2011/ 5. Harrison, C., Tan, D., Morris, D. (2010). Skinput: appropriating the body as an input surface. In Proceedings of the 28th international conference on Human factors in computing systems (CHI 10). ACM, New York, NY, USA, 453-462. DOI=10.1145/1753326.1753394 http://doi. acm.org/10.1145/1753326.1753394 6. Hassenzahl, M. (2010). Experience Design: Technology for all the Right Reasons. Morgan and Claypool Publishers. 7. Mistry, P., Maes, P. (2009). SixthSense: a wearable gestural interface. In ACM SIGGRAPH ASIA 2009 Sketches (SIGGRAPH ASIA 09). ACM, New York, NY, USA, Article 11, 1 pages. DOI=10.1145/1667146.1667160 http://doi.acm.org/10.1145/1667146.1667160 Microsoft Office Labs Vision 2019 8. Nass, C., Kloeckner, K., Diefenbach, S., Hassenzahl, M. (2010). DESIGNi: a workbench for supporting interaction design. In Proceedings of the 6th Nordic Conference on Human-Computer Interaction: Extending Boundaries (NordiCHI 10). ACM, New York, NY, USA, 747-750. DOI=10.1145/1868914.1869020 http://doi. acm.org/10.1145/1868914.1869020 9. Valli, A. (2008). The design of natural interaction. Multimedia Tools Appl. 38, 3 (July 2008), 295-305. DOI=10.1007/s11042007-0190-z http://dx.doi.org/10.1007/ s11042-007-0190-z

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Usability Professionals 2011 Tutorials

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User Experience mit BissAnstze zur Bewusstseinsbildung und zum Wissenstransfer in Unternehmen bei der Einfhrung von User Centred DesignDr. Jan Seifert User Interface Design GmbH Martin-Luther-Strae 57-59 71636 Ludwigsburg [email protected] Lisa Reimer User Interface Design GmbH Martin-Luther-Strae 57-59 71636 Ludwigsburg [email protected] Patrick Schick ETAS GmbH Borsigstrae 14 70469 Stuttgart [email protected]

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Abstract Hersteller interaktiver Produkte schenken dem Thema User Experience (UX) zunehmend Aufmerksamkeit bei der Entwicklung interaktiver Produkte. Viele Unternehmen wollen sich weiter entwickeln, mehr verwirklichen als die reine Erfllung von technischen Anforderungen und mit geschrftem Bewusstsein auf die Nutzer und deren Bedrfnisse zugehen. Nach den ersten Experimenten mit diesem Ansatz im Unternehmen wird jedoch mitunter schnell klar: User-Centered Design einzufhren erfordert nicht nur die Vermittlung von Fachkompetenzen und das Etablieren von Prozessen und Strukturen, auch die weichen Aspekte wie Einstellungen und Motivation von Mitarbeitern mssen fr dieses Ziel geschrft werden. Nicht nur das Produktmanagement und das Entwicklungsteam mssen nutzerzentriertes Denken verinnerlichen das gesamte Unternehmen sollte dahinter stehen. Auerdem mssen erworbene Kompetenzen in den Alltag bernommen werden, gehen dort aber im Alltagstrott meist schnell wieder verloren. Hier kommt der Ansatz UX mit Biss ins Spiel, der von den Autoren gemeinsam entwickelt wurde. In einem zwanglosen Rahmen bekommen Mitarbeiter die Gelegenheit, sich ber UX zu informieren und mit Experten zu diskutieren. Das Konzept kann beispielsweise als Frhstck mit Kaffee und Brezeln realisiert werden. Losgelst von Projektarbeit, Zeitplnen oder Budget bietet es eine Mglichkeit, die Hemmschwelle zu senken und sich dem Thema anzunhern. Dadurch ergibt sich Raum, der die Offenheit bei den Teilnehmern erhht. Sie knnen dort das Thema UX Engineering unvoreingenommener entdecken.

Keywords: /// User Experience /// Vernderungsmanagement /// Change Management /// Partizipation /// Kommunikation im Unternehmen

1. Ausgangssituation Wer dem Nutzer seiner Produkte eine bessere User Experience (UX) ermglichen mchte, steht vor allem vor einer Herausforderung: neue Vorgehensweisen in die Produktentwicklung zu integrieren. Ein Weg, um diese Herausforderung anzugehen, ist das Vernderungsmanagement (auch Change Management). Vernderungsmanagement ist ein geplanter Prozess, der das Unternehmen darin untersttzt, zu lernen und sich zu entwickeln. Am Ende des Vernderungsmanagements steht ein Zielzustand, der sich meist grundlegend von der Ausganssituation des Unternehmens unterscheidet. Es ist schon fast banal darauf hinzuweisen, dass

Unternehmen letztlich aus den Mitarbeitern bestehen, die sich dort engagieren. Der Erfolg von Vernderungen hngt mageblich von der Fhigkeit eines Unternehmens ab, seine Mitarbeiter in den paradigmatischen Vernderungsprozess zu integrieren (Kostka & Mnch, 2009, S. 9). Der Ansatz UX mit Biss will diesem Umstand Rechnung tragen. Er will Neugierde beim Mitarbeiter wecken und konkretes Wissen vermitteln. Dieser Artikel identifiziert zuerst die Ziele fr UX mit Biss, arbeitet anschlieend die Wege zu den Zielen heraus und schlgt konkrete Lsungsschritte vor. Er errtert die Voraussetzungen, die fr UX mit Biss gegeben sein mssen und zeigt eine konkrete Umsetzung anhand eines Beispiels.

2. Ziele UX mit Biss hat Nutzer- und Prozessorientierte Ziele. Die Nutzer-orientierten Ziele dienen dazu, Vernderungen bei den betroffenen Mitarbeitern anzustoen. Das Hauptziel ist, Widerstnde durch Mitarbeiter abzubauen. Dazu bedarf es dem Aufbau von Wissen und Kompetenzen (z. B. Brehm, 1972; Doppler & Lauterburg, 1994). Fr komplexere Fragestellungen, die nur mit viel Hintergrundwissen und Erfahrung gelst werden knnen, sollten qualifizierte Ansprechpartner etabliert werden. Diese sollen sowohl bekannt als auch ansprechbar sein. Der betroffene Mitarbeiter beginnt als natrliche Reaktion (z. B. Brehm, 1972) die geplante

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Usability Professionals 2011 Tutorials

Vernderung zu prfen und stellt sie dabei ins Verhltnis mit seinen Kompetenzen und seinen Bedrfnissen: Welche Herausforderungen kommen auf mich zu? Kann ich sie bewltigen und wenn ja wie? Will ich das in Zukunft berhaupt machen? Knnte mir das Spa machen? Solche Fragen mgen auf den ersten Blick betriebswirtschaftlich wenig relevant erscheinen, sind aber fr eine erfolgreiche Vernderung der Unternehmensprozesse von Bedeutung (z. B. Eilam & Shamir, 2005; Rdel, 2007). Vernderungen in der Ausrichtung von Unternehmensprozessen betreffen darber hinaus grundstzlich nicht nur die fachliche Arbeit der Mitarbeiter, sondern auch ihre persnliche Lebenssituation und ihre Emotionen (z. B. Kostka & Mnch, 2009; Rdel, 2007). Die Gestaltung von Vernderung im Unternehmen ist somit keine rein sachliche und fachliche Angelegenheit (Kostka & Mnch, 2009; Streich, 1997). Mitarbeiter werden vor neue, unbekannte Herausforderungen gestellt. Diese sind teilweise nicht vom Mitarbeiter gewollt und er wei nicht, ob er diesen gewachsen ist. Jede Vernderung ruft Emotionen hervor (Frijda, 1988). Damit diese nicht negativ ausfallen, mssen Betroffene in Ihrem Selbstvertrauen gestrkt werden, diese nderung bewltigen zu knnen (Kostka & Mnch, 2009). Die zweite Gruppe von Zielen betrifft den Vernderungsprozess selbst. Er sollte regelmig so optimiert werden, dass er zur jeweils aktuellen Unternehmensausrichtung passt. Dazu mssen geplante Manahmen der Vernderung hinterfragt und ntigenfalls auch an die realen Verhltnisse und Bedrfnisse angepasst werden. Zentral ist dabei, Rckmeldungen von Betroffenen zu solchen Vernderungen einzuholen und mgliche Missverstndnisse seitens der Betroffenen zu diskutieren und auszurumen. Dadurch zeigen Entscheider oder Vernderungsmanager, die Entscheidungen in die Tat umsetzen, dass Sie Vernderung nicht gegen den Willen ihre Kollegen durchsetzen, sondern diese mitnehmen

und und die Arbeit konstruktiv verndern. Sie nehmen ihre Kollegen ernst und greifen deren Rckmeldungen auf. 3. Einordnung in den Vernderungsprozess 3.1. Was haben Vernderungsmanagement und UX gemeinsam? UX mit Biss ist durch zwei Strmungen beeinflusst. Zum Einen ist es eine Methode, die im Rahmen eines Vernderungsprozesses eingesetzt wird. Es lsst sich daher dem Change Management zuordnen. Zum Anderen orientiert sich der Ansatz an dem Thema, fr das er sich selbst stark macht: User Experience. UX mit Biss setzt ein Zeichen, indem die Unternehmensfhrung nicht nur von UX redet, sondern selbst von diesem Vorgehen berzeugt ist und partizipative Methoden einsetzt. Diese gehen mit Beispielen voran und demonstrieren, dass sie es ernst meinen und zeigen, dass und wie die Methoden funktionieren. Die zentralen Aspekte von UX sind vor allem die Nutzerperspektiven. Diese drcken sich aus in der Nutzerbeteiligung und durch ein iteratives Vorgehen und interdisziplinres Arbeiten. Der iterative Ansatz lsst sich direkt auf UX mit Biss bertragen. Bei der Realisierung einer gro angelegten Vernderung muss der Vorgang dauernd beobachtet werden. Er muss kontinuierlich evaluiert und angepasst werden. Die Vernderung eines Unternehmensprozesses kann ohne Rckmeldungen der Mitarbeiter genauso wenig gelingen, wie eine Produktentwicklung ohne Nutzerfeedback. Aus Sicht der Vernderungsmanager fehlt es an Wissen, was eine Vernderung im Detail fr die Nutzer und ihre Arbeitsablufe bedeutet. Hier bestehen Parallelen zur Gestaltung eines User Interfaces: Man kann sich ein tolles Konzept ausdenken, aber ob Nutzer es tatschlich beherrschen, muss erst durch Nutzerstudien herausgefunden werden. Je frher man sich solche Rckmeldungen einholt, desto besser kann man die Vernderung steuern und Frust bei Mitarbeitern vermeiden. UX mit Biss

ist fr den Vernderungsprozess das, was der Usability Test fr das Produkt ist. Deswegen ist UX mit Biss ein Ansatz mit Nutzerbeteiligung. Vernderungen werden nicht von oben herab angeordnet. Die Mitarbeiter werden in den Prozess mit einbezogen, um Widerstnde frhzeitig abzufangen und die Qualitt des Endergebnisses zu steigern. Auerdem erhalten UX-Experten Rckmeldung, wie ihre Ideen von den Mitarbeitern verstanden werden. An geplanten Manahmen knnen Korrekturen vorgenommen werden, damit das gewnschte Potential der Vernderung voll zum Tragen kommt. Fr die UX-Experten entfaltet sich so ein doppelter Nutzen: Sie lernen aus der Praxis, knnen besser und sicherer planen und ihre Vorstellungen direkter und besser vermitteln. 3.2. Change Management mit Biss UX mit Biss entspricht dem Ansatz des benutzerzentrierten Gestaltungsprozesses (UCD) und erhlt dadurch eine klare Ausrichtung. Dennoch geht der Ansatz weiter. Die Entwicklung von Unternehmen lsst sich teilweise mit der Entwicklung von Produkten vergleichen. Unternehmen bringen darber hinaus Anforderungen mit sich, die sich aus der Produktentwicklung nicht ableiten lassen. Deshalb stellt dieser Abschnitt eine kurze Einordnung in den Vernderungsprozess dar. [Abb. 1] stellt typische Phasen eines Vernderungsprozesses dar. Der Verlauf zeigt die Haltung der Mitarbeiter zu den anstehenden Vernderungen. Auf einen ersten Schock folgt im Regelfall hufig eine Phase der deutlichen Ablehnung. Die Mitarbeiter betonen die vorhandenen Strken, als ob diese ausreichen wrden, um in Zukunft zu bestehen (Brehm, 1972). Mit einer fortschreitenden rationalen Einsicht setzt sich nach und nach die Erkenntnis durch, dass die Vernderung unweigerlich kommen wird. Doch rationale Einsicht ohne emotionale Akzeptanz kann den Aufschwung noch nicht einleiten. Erst wenn Mitarbeiter die Vernderung auch emotional akzeptieren kann dies geschehen.

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Krise Selbstwirksamkeit der Mitarbeiter Erste Euphorie

Teufel im Detail

Zeit3 Einsicht 4 Emotionale Akzeptanz 5 Experimentieren 6 Erkenntnis 7 Integration

Phase nach Streich (1997)

1 Schock, Verwirrung

2 Verneinung

Abb. 1. Phasen eines Vernderungsprozesses

In diesen letzten Phasen arbeiten Mitarbeiter nach dem neuen Vorgehen. Sie erwerben neue Kompetenzen und bernehmen die Vernderung mehr und mehr in ihr eigenes Verhalten und in ihr Selbstverstndnis (Schilling, Werr, Gand & Sardas, 2011; Eilam & Shamir, 2005). In dieses Verlaufsmodell kann UX mit Biss in die mittleren Phasen (3-5) eingeordnet werden. Ist der erste Change-Schock abgeklungen, dann ist dies der frheste Zeitpunkt, an dem eine solche Veranstaltung sinnvoll durchgefhrt werden kann. Da die Teilnahme freiwillig ist, mssen die Mitarbeiter ihr eigenes Motiv haben, mitzumachen. Das kann durchaus darin bestehen, Widerstand gegen die Vernderung zu demonstrieren. Auch fr eine solche Situation sollten Vorbereitungen getroffen werden. Andere Mitarbeiter wollen sich lediglich informieren, um ein genaueres Bild zu bekommen. Nur wenige kommen in dieser Phase bereits aus Sympathie und zur Untersttzung der Vernderung. Ab Phase drei setzt sich allmhlich eine rationale berzeugung durch. UX mit Biss kann hier aktiv frdern, indem die UX-Experten gezielt auf Fragen und Kritik eingehen. Die Mitarbeiter knnen die Anforderungen des praktischen Alltags

direkt mit den geplanten Vernderungen in Beziehung setzen. Indem Missverstndnisse ausgerumt werden, lassen sich viele Widerstnde direkt beseitigen. Darber hinaus knnen Mitarbeiter auch mitteilen, worauf bei der Einfhrung der Vernderung ihrer Meinung nach geachtet werden muss. Mitarbeiter einzubinden und von ihnen Rckmeldung anzunehmen, ist in mehrerer Hinsicht bedeutsam. Die Zuversicht der Mitarbeiter und das Vertrauen ins Management werden dahingehend gestrkt, dass die Vernderung positiv fr das ganze Unternehmen und jeden Einzelnen ist. Dies wird in den Studien des Beratungsunternehmens Capgemini (2010) als einer der Schlsselfaktoren bei Vernderungen angesehen. Insgesamt wird das Commitment der Mitarbeiter gestrkt, was ebenso als zentral angesehen wird (Doppler & Lauterburg, 1994; Capgemini, 2010). Die Beteiligung der Mitarbeiter erhht die Motivation und steigert die Identifikation mit dem Unternehmen (Doppler & Lauterburg, 1994). Zuletzt sollte UX mit Biss auch so gestaltet werden, dass nicht nur die rationale Einsicht der Mitarbeiter angesprochen, sondern auch der Spa an User Experience vermittelt wird. Auch ber die letzte Phase hinaus lsst sich die Veranstaltung UX mit Biss nutzen:

Sie schafft einen Raum, in dem Mitarbeiter User-Experience-Methoden ohne Zeit- und Ergebnisdruck spielerisch testen knnen. Das ist von groer Bedeutung, weil es in den meisten Schulungen oft schwer ist, neue Vorgehensweisen auf den Alltag zu adaptieren. 4. Lsungsansatz 4.1. Wege UX mit Biss frdert den direkten Dialog zwischen den Betroffenen und den Vernderungsmanagern. Die aufgezeigten Wege knnen prinzipiell auf verschiedene Art erreicht werden: Bestehendes wrdigen Missverstndnisse ausrumen Regelmig Hilfe zu UX-Themen anbieten Zum Mitmachen motivieren Kommunikationsbarrieren abbauen 4.1.1. Bestehendes wrdigen Ein kommunikatives Grundprinzip jeder Einfhrung von Vernderungen in ein Unternehmen sollte sein: Das Alte ist nicht schlecht, nur weil jetzt etwas Neues

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kommt. In der gesamten Kommunikation sollte darauf geachtet werden, dass der Status quo entsprechend gewrdigt wird, denn Unternehmen haben mit den bewhrten Methoden ber lange Zeit erfolgreich Produkte auf dem Markt etabliert. Eine Abwertung von Bestehendem wrde also im Gegensatz zu bereits Erreichtem stehen und tendenziell Widerstand hervorrufen. Doch der wirtschaftliche und/oder technische Rahmen verschiebt sich: Kunden verndern ihre Ansprche, neue Technologien (MultiTouch, Gestensteuerung von Wii und Kinect) bieten ganz andere Experiences als bisher. Darauf mssen Unternehmen und Mitarbeiter reagieren. 4.1.2. Missverstndnisse ausrumen Nach der Analysephase und der Entscheidung ber Vernderungen im Unternehmen gehrt es zu den wichtigsten Manahmen, diese den Mitarbeitern mitzuteilen. Es bleibt jedoch eine gewisse Informationsunschrfe, da nicht alle Details der Entscheidungsfindung kommuniziert werden. Viele Aspekte bleiben unausgesprochen: zum Beispiel welche Motive die Geschftsleitung mit der Vernderung verfolgt oder welche neuen Anforderungen dies an den Mitarbeiter stellt. Auch die Arbeit von Kotter (2006) zeigt: Das Thema Kommunikation wird hufig unterschtzt. Die Aussagen in den meisten Informationsmaterialien lassen oft Punkte unberhrt, die fr den Betroffenen von Bedeutung sind. Ohne direkte Kontakte kann es passieren, dass Umfang und Ziele der Vernderung zu einer Art Black Box werden. Mitarbeiter tendieren dazu, die nicht vorhandenen Informationen durch konstruierte Zusammenhnge zu fllen. Solche Spekulationen sind nicht frderlich, denn die Unsicherheit verleitet die Mitarbeiter zu eher negativen Annahmen. Neben der Informationsunschrfe birgt jede Kommunikation die Gefahr von Missverstndnissen im Bezug auf die explizit kommunizierten Informationen. Inwiefern Kommunikation tatschlich den gewnschten Effekt hat, findet man nur

durch persnliche Kontakte heraus. Dazu muss das Feedback der Rezipienten systematisch erhoben werden. Erst dadurch identifiziert man Missverstndnisse. Darber hinaus hat keine Informationsbroschre so viel berzeugungskraft wie ein persnliches Gesprch. 4.1.3. Regelmig Hilfe zu UX-Themen anbieten Die Institutionalisierung eines UX-Experten oder UX-Teams sorgt zwar formal fr stndig verfgbare Ansprechpartner; die Hrde, diese zu kontaktieren kann jedoch hoch sein. Ein informelles Treffen, das in fest vorgegebenen Intervallen durchgefhrt wird, soll diese Hrden abbauen. Jeder Teilnehmer hat bei Veranstaltungen wie UX mit Biss die Mglichkeit, seine Probleme, Fragen und/oder Wnsche mitzuteilen und sich Hilfe zum aktuellen Projekt zu holen. Es entwickelt sich eine persnliche Beziehung zu den UX-Experten und Barrieren werden abgebaut. Der zweite Aspekt in Sachen Hilfe ist das Informieren. Die UX-Experten greifen einzelne Themen auf und prsentieren Hintergrundinformationen dazu. Dabei erluterten sie, warum man eine neue Methode anwendet und wie. UX mit Biss gibt Raum fr eigenes Ausprobieren von UX-Methoden. Ohne den regulren Zeit- und Budgetdruck der Arbeit knnen dabei Erfahrungen und bestehendes Wissen ausgetauscht werden. Die Teilnehmer erhalten neue Informationen ber Materialien und Hilfestellungen und knnen diese erkunden. Sie stehen nicht unter Leistungsdruck und knnen so positive Erfahrungen mit neuen Vorgehensweisen sammeln. Wenn es nicht klappt, entstehen daraus keine negativen Konsequenzen fr ein Projekt. Wenn es klappt, knnen sie den Erfolg positiv verbuchen. Das Ausprobieren setzt voraus, dass gewisse UX-Grundkenntnisse bei den Teilnehmern von UX mit Biss vorhanden sind. Dazu sollte in den Veranstaltungen, bei der die Teilnehmer unter Beobachtung

probieren knnen, eine freundliche Atmosphre herrschen. Die drei Aspekte Ansprechen, Informieren und Ausprobieren stehen in einer gewissen zeitlichen Reihenfolge. 4.1.4. Zum Mitmachen motivieren Mitarbeiter sollten gezielt zur Teilnahme motiviert werden. Jeder soll aber fr sich beurteilen knnen, wie viel er in der aktuellen Phase zur Verbesserung der Produkte und Dienstleistungen beitragen kann. Die Veranstaltung sollte nicht zum gewhnlichen Meeting werden, sondern in Kombination mit ungezwungenen Aktivitten, wie z. B. dem Guten-MorgenKaffee oder einem Snack zwischendurch, angeboten werden. So kann statt einem Gefhl von verlorener Zeit eine kollegiale, entspannte und ungezwungene Atmosphre entstehen, die sich positiv auf die User Experience des Events auswirkt und somit die Akzeptanz des neuen Vorgehens untersttzt. Ein Mehrwert entsteht fr Mitarbeiter dann, wenn sie in der Diskussion ihre aktuellen Entwurfsprobleme lsen knnen. Zur Lsung solcher Probleme kann jeder Teilnehmer der Gruppe sein Wissen und seine Erfahrung beitragen. Damit die Teilnehmer nach der Veranstaltung das Gelernte verinnerlichen und damit arbeiten knnen, sollte Ihnen die Mglichkeit geboten werden, das kennengelernte oder erarbeitete Material wiederholt abrufen zu knnen, z. B. ber ein firmeninternes Wissensportal. 4.1.5. Kommunikationsbarrieren abbauen Genauso wichtig ist es, bestehende Kommunikationsbarrieren abzubauen und keine neuen entstehen zu lassen. Die Teilnehmer sollten keinen Zwang verspren und nicht das Gefhl bekommen abgefragt zu werden. In der Veranstaltung kann jeder Vorschlge und Themen einbringen direkt oder anonym ber den Moderator. Keine Idee wird als nichtig

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abgetan und es wird gezeigt, dass ber alles aus diesem Themengebiet gesprochen werden kann. Untersttzt wird dies durch die beschriebene informelle Atmosphre, in der mglichst keine Hierarchien sprbar sein sollten. Der Team-Gedanke sollte stets im Fokus stehen und jedem Teilnehmer sollte bewusst werden, wie er selbst zu einem besseren Produkt beitragen kann. Dabei ist es ebenso wichtig, die Sprache des Teams zu sprechen und so wenige unbekannte Fachausdrcke wie ntig zu verwenden. Dies knnte Mitarbeiter abzuschrecken. Unumgngliche Fachausdrcke sollten so aufbereitet sein, das sich jeder nach Bedarf informieren kann. 4.2. Konkrete Schritte Ziel ist eine offene Kommunikationssituation: Die Teilnehmer knnen sich einbringen, mssen aber nicht. Man kann diskutieren, man kann sich aber auch nur informieren: Jeder ist willkommen. Eine gefhrte Veranstaltung ist hier also eher nicht das Mittel der Wahl. Um den persnlichen Austausch zu frdern, gestalten wir einen offenen Raum. Im Raum soll Bewegung mglich sein, damit die Teilnehmer sich zu immer neuen Gruppen zusammen finden und diskutieren knnen. Der folgende Teil konkretisiert diese Schritte. Dazu mssen bestimmte Rahmenbedingungen als gesetzt gelten. Er stellt auerdem verschiedene didaktische Mittel vor, die in der Veranstaltung Einsatz finden knnen. 4.2.1. RahmenbedingungenThema. Jede Veranstaltung behandelt ein definiertes Thema, welches auf die Bedrfnisse des Teilnehmerkreises abgestimmt ist. Alle Inhalte sollten zunchst auf dieses Thema ausgerichtet sein, wobei auch generelle oder wiederkehrende Inhalte prsentiert werden knnen. Raumgestaltung. Es sollte ein ausreichend groer Raum ohne Konferenz- oder

Hrsaal-Bestuhlung gewhlt werden. Der Raum sollte in unterschiedliche Bereiche eingeteilt werden: Stehtische Sitzgruppen Arbeitspltze, um etwas zu erstellen oder am Computer auszuprobieren Stellwnde fr Feedback, Poster, etc. Projektionsflchen zur Prsentation Snacks und Getrnke Die genaue Gestaltung des Raums ist stark abhngig vom aktuellen Thema und der erwarteten Teilnehmerzahl. Wichtige Grundstze, die immer beachtet werden sollen sind: Eine offene Raumgestaltung, damit Neuankmmlinge sich eingeladen fhlen Gengend Platz fr alle Rckzugmglichkeiten, um einzelnen Gruppen den Raum zum Gesprch zu geben.Stationen. Innerhalb des Raumes sind verschiedene Stationen aufgebaut, durch die das Thema dem Teilnehmerkreis nher gebracht wird. Diese Stationen verwenden jeweils ein didaktisches Mittel (siehe unten). Folgende Stationen sollten nach Mglichkeit immer angeboten werden: Feedback-Ecke: Teilnehmer knnen Rckmeldung zur Veranstaltung oder allgemein zu UX geben. Ideen/Fragen-Pool: Teilnehmer knnen ihre Anregungen und Fragen fr weitere Veranstaltung hinterlassen (auch anonym). Glossar: Wichtige UX-Begriffe sollten immer wieder erklrt werden.

persnlicher E-Mail und untersttzend durch direkte Ansprache. Darin wird kurz ber Rahmen und Thema informiert. Wichtig ist, dass hier die freiwillige Basis deutlich wird. Zustzlich sollten Poster in Gemeinschaftsrumen/Fluren/Schwarzen Brettern das Event ankndigen. Dabei sollte auf ein neugierig machendes, sich vom Standard abhebendes Design geachtet werden. Dadurch kann eine Streuung ber die Kernzielgruppe hinaus erfolgen und der Wunsch der Geschftsfhrungsebene zur Teilnahme ausgedrckt werden. Durchfhrung der Veranstaltung. Nach einer kurzen Einfindungsphase (ca. 10-15 Minuten) erffnet der Organisator den Kreis offiziell und gibt eine kurze Einweisung: Veranstaltungsregeln Freiwillig, keine Verpflichtungen Man kann jederzeit kommen und gehen, wie es die aktuelle Arbeitssituation erlaubt. Einzelne Stationen kurz erlutern Ansprechpartner benennen und gegebenenfalls vorstellen Die Veranstaltung selbst verluft sehr offen. Whrenddessen stehen mehrere Betreuer zur Verfgung, die sich in Diskussionen einbringen und die Perspektive der Vernderungsmanager vertreten. 4.2.3. Didaktische Mittel Zur Vorstellung des jeweiligen Themas knnen unterschiedliche Mittel eingesetzt werden. Dabei unterscheidet man drei Ebenen, die unterschiedliche Zwecke verfolgen: Darstellende Prsentationsformen Aktive Handlungsstationen Diskussionsplattformen / GesprcheDarstellende Prsentationsformen knnen z. B. Poster, Filme oder Prsentationen sein. Themen sollten nicht nur ber einen Sinneskanal (z. B. Sehen) zugnglich gemacht werden. Informationen knnen auch teilweise redundant wiedergegeben werden. So

4.2.2. Ablauf Die Vorbereitung von UX mit Biss umfasst die Organisation der Veranstaltung selbst und die Einladung der Teilnehmer. Die Veranstaltung ist insgesamt offen angelegt, zu Beginn empfiehlt sich dennoch eine allgemeine Begrungsund Einfhrungsrunde als Warm-Up. Einladung zur Veranstaltung. Es erfolgt eine Einladung der Zielgruppe via

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Film Grundlagen der Orientierung

UX Literatur

Tisch

Abb. 2. UCD-Wrfel

Brezeln

kann ein Thema zunchst in einem kleinen Film dargestellt werden, um den Teilnehmer neugierig zu machen. Ein Poster, an einer anderen Station, vertieft das Thema. Auf dieser Ebene erlernen und vertiefen die Teilnehmer neue Inhalte. In weiteren Stationen knnen diese Informationen dann aktiv angewandt oder diskutiert werden. Zu den aktiven Handlungsstationen gehren beispielsweise bungen, Basteleien oder Material zum Ausprobieren (z. B. Rechner mit einer Software zum Testen). Durch diese eigenen Erfahrungen verinnerlichen die Teilnehmer die Inhalte ungezwungen und ohne Projektdruck. Vor allem der Projektdruck stellt im Arbeitsalltag oft ein Hindernis dar, neue Vorgehensweisen auszuprobieren. Die Veranstaltung gibt den Raum, Fehler machen zu knnen oder umstndliche Wege zu testen. Nur dadurch bekommen Teilnehmer ein Gefhl dafr, wie eine neue Methode im Projektalltag eingesetzt aussehen kann. An manchen dieser Stationen kann der Nutzer auerdem etwas erschaffen, das er als Gedankensttze mitnehmen kann und das ihn permanent an das Erlernte erinnert. Ein Beispiel hierfr ist ein Wrfel, dessen Seiten die Teilnehmer mit Notizen zu den vier Phasen des benutzerzentrierten Gestaltungsprozesses fllen knnen. Die [Abb. 2] zeigt einen unausgefllten, gebastelten Wrfel. Zustzlich zur Vertiefung entstehen im aktiven Handeln neue Fragen und es

Poster 1.Metaphern 2. Vertiefung Orientierung

Poster Wireframes (Wiederholung des letzten Termins) Sule im Raum

Feedback-Ecke

Pinnwand

Karten & Stifte

Tr

Abb. 3. Beispiel zum Thema Orientierung Raumaufteilung

uern sich Bedrfnisse, die dann in einer Diskussion geklrt bzw. weitergegeben werden knnen. Die Diskussionsplattform als solche wird durch Ansprechpartner und durch den notwendigen Raum ermglicht. Ziel ist es zum einen, dass die Teilnehmer das Gesehene und Erlebte reflektieren und mit einem fachkundigen Kollegen diskutieren knnen. Die Diskussion bietet den

Veranstaltern zum anderen die Mglichkeit, mehr ber die konkreten Anforderungen im Arbeitsalltag zu erfahren. 4.3. Konkretes Beispiel Ein konkretes Beispiel erlutert die Wege und didaktischen Mittel. Das UX Breakfast wird bei der ETAS GmbH in einem 6 8-wchigen Turnus seit Anfang 2011

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durchgefhrt. ETAS befasst sich seit mehreren Jahren mit der Neuausrichtung zu UX-orientierter Entwicklung. Die Ausgangssituation und Ziel der Veranstaltung entspricht im Groen und Ganzen der oben beschriebenen.

Wireframes (Wiederholung des letzten UX Breakfasts) UX Literatur Feedback-Ecke 5. Fazit UX mit Biss ist ein flexibler und partizipativer Ansatz, der eine bessere Verankerung der UX-Ausrichtung in Unternehmen sttzt und frdert. Er passt sich flexibel an den jeweiligen Bedarf der Phasen im Vernderungsprozess an und eignet sich als langfristige Begleitmanahme. Die besonderen Strken, verglichen mit anderen Anstzen sind: Die grundstzliche Freiwilligkeit, die Mglichkeit, zwanglose Rckmeldungen Betroffener einzuholen, und der offene Raum fr Diskussion, in dem Teilnehmer ihre eigenen Fragen stellen drfen.

Im Gegensatz zu vielen anderen Anstzen gibt es keine feste Agenda, sondern einen Rahmen, der von den Teilnehmern mitgestaltet werden kann. Jeder kann sich einbringen, fhlt sich ernst genommen und respektiert. Die ersten Veranstaltungen bei ETAS zeigen durch die positiven Rckmeldungen der Teilnehmer, wie sie fr die Vernderung des Unternehmens gewonnen werden konnten. [Abb. 4] Literatur1. Brehm, J. W. (1972). Responses to Loss of Freedom. A Theory of Psychological Reactance. Morristwon: General Learning Press. 2. Capgemini (2010). Change ManagementStudie 2010. Mnchen: Capgemini Consulting. 3. Doppler, K. & Lauterburg, C. (1994). Change Management - Den Unternehmenswandel gestalten. Frankfurt/Main; New York: Campus Verlag, 4. Auflage.

Als Hersteller von Automotive Engineering Software sind es oft Weiterentwicklungen oder Verbesserungen von bestehenden Produkten, mit dem die Entwicklung beschftigt ist. Kommt jedoch in einem Release eine grere Vernderung, z. B. im visuellen Design oder neue Funktionalitten, ist es wichtig, alle Nutzer mitzunehmen. So mssen sich nicht nur Nutzer zurecht finden, fr die neben der Software auch die Logik dahinter neu ist. Ebenso erfahrene Nutzer mssen effizient in die neuen Wege eingefhrt werden. Dazu sollte die Veranstaltung Orientierung den am Entwicklungsprozess beteiligten Mitarbeitern verschiedene Aspekte nher bringen: Wie orientiert sich ein Nutzer in seiner Umwelt? Wie ist dieses Verhalten auf ein UI bertragbar? Wie kann auf unterschiedlichen Wegen Hilfestellungen gegeben werden? Besonderer Anspruch war es, von der Devise Ach, die technische Dokumentation schreibt da schon was dazu wegzukommen. Vielmehr sollte gezeigt werden, wie in Zusammenarbeit zwischen Entwicklern und Technischer Redaktion bereits frhzeitig Ideen fr die Integration von offensichtlichen oder indirekten Hilfen in die Oberflchen entstehen knnen. Folgende Stationen entstanden dazu Aufteilung [Abb. 3]: Film: Grundlagen der Orientierung Poster: Metaphern Vertiefung Orientierung

Abb. 4. Feedback eines Teilnehmer. Den Teilnehmern standen fr ihr Feedback leere Zettel oder Bildkarten zum Assoziieren zur Verfgung.

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4. Eilam, G. & Shamir, B. (2005). Organizational Change and Self-Concept Threats - a Theoretical Perspective and a Case Study. Journal of Applied Behavioral Science, 41, 399-421. 5. Frijda, N. H. (1988) The laws of emotion. American Psychologist, 43, 349-358. 6. Kostka, C. & Mnch, A. (2009). Change Management. Mnchen: Hanser. 4. Auflage. 7. Kotter, J. (2007). Leading Change - Why Transformation Efforts Fail. Harvard Business Review, 73, 59-67. 8. Ruedel, I. (2007). Der direkte Weg ins Herz Ihrer Mitarbeiter - Emotionales Change Management. Bonn: Verlag interna. 9. Schilling, A., Werr, A., Gand, S. und Sardas, J.-C. (2011). Understanding professionals reactions to strategic change: the role of threatened professional identities. The Service Industries Journal, 117. 10. Stolzenberg, K. & Heberle, K. (2009). Change Management. Heidelberg: Springer. 2. Auflage. 11. Streich, R.K. (1997): Vernderungsmanagement. In: Reiss, M., Rosenstiel, L., Lanz, A. (Hrsg.): Change Management: Programme, Projekte und Prozesse. Stuttgart: Schffer Pschl, S. 237-254. 12. Vahs, D. & Weiand, A. (2010) Workbook Change Management. Stuttgart: SchfferPoeschel Verlag.

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UX meets REHohe User Experience durch bedarfsgerechte AnforderungsspezifikationAnne Gross Fraunhofer Institut fr Experimentelles Software Engineering (IESE) Fraunhofer Platz 1 67663 Kaiserslautern [email protected] Steffen Hess Fraunhofer Institut fr Experimentelles Software Engineering (IESE) Fraunhofer Platz 1 67663 Kaiserslautern [email protected]

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Abstract Die Erreichbarkeit einer hohen User Experience in Softwareprodukten setzt ein detailliertes Verstndnis ber Benutzer und deren Aufgaben voraus. Daher bilden Anforderungsdokumente fr die Aktivitten von Usability Professionals eine wichtige Arbeitsgrundlage. Aber auch fr andere Rollen wie beispielsweise Architekten oder Tester bilden Anforderungsdokumente eine wichtige Informationsquelle. Dies bringt jedoch die Herausforderung mit sich, dass unterschiedliche Informationsbedarfe in diesen Dokumenten in Abhngigkeit der jeweiligen Rollen und Aufgaben abgedeckt sein mssen. Dabei ist zu beobachten, dass diese unterschiedlichen Informationsbedarfe hufig nicht adquat adressiert werden, wodurch die Nutzbarkeit und auch Akzeptanz von Anforderungsdokumenten negativ beeinflusst wird. In diesem Tutorial erarbeiten und diskutieren die Teilnehmer konkrete Informationsbedarfe und Erwartungen, die in Anforderungsdokumenten aus der Sicht von Usability Professionals adressiert sein sollten, um eine effektive und effiziente Nutzbarkeit der Dokumente zu erreichen. Basierend auf einem Framework zur systematischen Erhebung und Verfeinerung von Anforderungen werden resultierende Artefakte hinsichtlich ihrer Relevanz bewertet und geeignete Reprsentationen diskutiert.

Keywords: /// User Experience /// Usability Engineering /// Requirements Engineering /// Anforderungsdokumente /// Perspektiven-orientierte Anforderungsspezifikation

1. Motivation Die Entwicklung von Software mit einer hohen User Experience (UX) geht nicht ohne eine detaillierte Erfassung und Analyse von Benutzeranforderungen einher. Daher bilden Dokumente, die diese Anforderungen dokumentieren, eine wichtige Grundlage fr die Aktivitten eines Usability Professionals: etwa zur benutzerund aufgabenorientierten Gestaltung von Bedienoberflchen oder von Interaktionen. Aber nicht nur fr Usability Professionals gelten Anforderungsdokumente als eine wichtige Informationsquelle. Auch andere Rollen, welche in Softwareentwicklungsprojekte involviert sind, wie Architekten, Tester und Programmierer, basieren ihre Arbeiten und Aktivitten auf Informationen und Artefakten, die in Anforderungsdokumenten spezifiziert sind.

Dies fhrt zu der Herausforderung, dass Anforderungsdokumente unterschiedliche Informationsbedrfnisse und Erwartungen adressieren mssen, die abhngig sind von der jeweiligen Rolle und Aufgabe, die die Leser der Anforderungsspezifikationen (sog. Dokument-Stakeholder) haben. Abbildung 1 illustriert verschiedene Dokument-Stakeholder und veranschaulicht exemplarische Informationsbedarfe fr Tester, UI Designer und Architekt. Ein Architekt bentigt z. B. detailliertes Wissen ber Qualittsanforderungen, Daten und technische Rahmenbedingungen, wohingegen die Arbeiten eines Usability Professionals auf detaillierten Beschreibungen der Benutzer, Use Cases, sowie zu untersttzenden Aufgaben und Workflows basieren. Fr den Tester stellen ebenfalls detaillierte Use Case Beschreibungen eine wichtige Informationsgrundlage dar, etwa zur Ableitung von Testfllen.

Aber nicht nur bezglich der Relevanz verschiedener Anforderungstypen (Artefakten) wie z. B. Benutzerbeschreibungen oder Workflow-Beschreibungen gibt es unterschiedliche Bedarfe zwischen den Dokument-Stakeholdern. Ebenso gibt es Unterschiede hinsichtlich der geeigneten Reprsentation der verschiedenen Artefakte (z. B. Notation, Detailtiefe) was eine initiale Studie gezeigt hat (siehe Abschnitt 2.2). [Abb. 1] Heutzutage gibt es bereits eine Vielzahl etablierter Methoden, Standards, und Guidelines, die Anforderungsingenieure dabei untersttzen, Anforderungen systematisch zu erheben und zu spezifizieren [1, 2, 3, 4]. Allerdings adressiert keine dieser Methoden gezielt und explizit die individuellen, d.h. rollen-spezifischen Informationsbedarfe der unterschiedlichen Dokument-Stakeholder. Vielmehr resultieren daraus Anforderungsdokumente, die weit mehr Informationen enthalten, als der

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Abb. 1. Dokument-Stakeholder und ihre Informationsbedarfe

Dokument-Stakeholder fr die Durchfhrung seiner Aktivitten eigentlich bentigt, was das Auffinden relevanter Informationen im Dokument erschwert. Oder aber es fehlen wichtige Informationen, oder die Informationen sind unzureichend reprsentiert etc. [5]. Alle diese Faktoren beeinflussen auf negative Weise eine effiziente und effektive Nutzung der Anforderungsdokumente, was zur Folge hat, dass die Akzeptanz fr solche Anforderungsdokumente negativ beeinflusst wird. Im schlimmsten Fall fhrt diese geringe Akzeptanz dazu, dass Anforderungsdokumente von den Dokument-Stakeholdern vernachlssigt

werden und es letztendlich zur Umsetzung von Softwareprodukten kommt, die die Benutzeranforderungen nicht adressieren. Mit zunehmender Komplexitt von Softwaresystemen und Trends hinsichtlich agiler Entwicklung wird dieses Problem der unzureichenden Nutzbarkeit und Akzeptanz von Anforderungsdokumenten in Zukunft ein immer grer werdendes Problem darstellen. Im Folgenden werden zunchst die Lsungsidee von perspektiven-orientierten Anforderungsspezifikationen sowie bisherige Aktivitten vorgestellt. Anschlieend wird noch ein kurzer Ausblick auf aktuelle und knftige Aktivitten gegeben.

2. Perspektiven-orientierte Anforderungsspezifikationen Um dem oben beschriebenen Problem der unzureichenden Nutzbarkeit von Anforderungsdokumenten entgegenzuwirken, erforschen die Autoren derzeit Perspektiven-orientierte Anforderungsspezifikationen mit dem Ziel, den Dokument-Stakeholdern bedarfsgerechte Anforderungsdokumente zur Verfgung zu stellen, die effektiv und effizient genutzt werden knnen (vgl. [Abb. 2]).

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Abb. 2. Forschungsvorhaben zur perspektiven-orientierten Anforderungsspezifikation

In einem ersten Schritt arbeiten die Autoren derzeit daran, empirisch validiertes Wissen darber zu erhalten, welche Informationsbedarfe aus der Perspektive der verschiedenen Dokument-Stakeholder in Abhngigkeit ihrer jeweiligen Rolle und Aufgaben im Rahmen eines Softwareentwicklungsprojektes existieren. Im Folgenden wird dabei besonders auf die Rolle des Usability Professionals eingegangen und somit folgende Forschungsfragen adressiert: Welche Aufgaben eines Usability Professionals werden mit Hilfe von Anforderungsdokumenten untersttzt? Welche Artefakte sind fr die Durchfhrung dieser Aufgaben relevant? Wie sollen diese Artefakte reprsentiert sein? Welche Notation wre optimal fr die Darstellung? Welche Details / Informationen sollen dokumentiert werden? In einem zweiten Schritt soll das Wissen ber die jeweiligen Informationsbedarfe

in ein Wissensmodell einflieen, welches es schlielich durch geeigneten Toolsupport ermglicht, perspektiven-orientierte Anforderungsspezifikationen zu generieren, beispielsweise durch Bildung von perspektiven-orientierten Sichten auf ein Anforderungsdokument. Dies ermglicht es, dass den Dokument-Stakeholdern alle (und nur) relevante Artefakte und Informationen im Anforderungsdokument zur Verfgung gestellt werden, die diese bentigen, um ihre Aufgaben optimal zu erfllen. Eine solche Lsung bildet somit auch aus Sicht von Usability Professionals einen wesentlichen Vorteil, da fr die Entwicklung und Gestaltung von Software mit einer hohen UX eine detaillierte Analyse der Anforderungen seitens des Usability Professionals eine unabdingbare Voraussetzung ist. Eine bedarfsgerechte und perspektiven-orientierte Anforderungsspezifikation kann hier eine wesentliche Untersttzung bieten, Softwareprodukte mit einer hheren UX effektiver und effizienter entwickeln knnen.

3. Bisherige Arbeiten 3.1. TORE Framework Die derzeitigen Forschungsarbeiten zur Erarbeitung der verschiedenen Informationsbedarfe basieren auf dem am Fraunhofer IESE entwickelten TORE Framework [6]. Dieses Framework (dargestellt in Abbildung 3) umfasst verschiedene Entscheidungspunkte, die einen Anforderungsingenieur darin untersttzen, Anforderungen systematisch zu erheben und ber verschiedene Abstraktionsebenen hinweg zu verfeinern. Ausgehend von der Entscheidung, welche Benutzer vom Softwareprodukt untersttzt werden sollen, spezifiziert man deren Ziele und Aufgaben und verfeinert diese Aufgaben systematisch weiter ber eine Analyse von Workflows bis hin zu konkreten Systemfunktionalitten und Interaktionsbeschreibungen, die von verschiedenen Stakeholdern weiterverarbeitet werden. [Abb. 3]

Abb. 3. Entscheidungspunkte des TORE Frameworks

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Abb. 4. Persona (Beispiel)

Abb. 5 Beispiel fr eine tabellarische Use Case Beschreibung auf Basis eines Templates

Wendet man dieses Framework nun in einem konkreten Softwareprojekt an, so entstehen verschiedene Artefakte (wie z. B. Benutzerbeschreibungen, Zielbeschreibungen, Workflow-Beschreibungen, Interaktionsbeschreibungen), die die getroffenen Entscheidungen in Form von konkreten Anforderungen dokumentieren. Zur Dokumentation dieser Artefakte stehen verschiedene Notationen zur Verfgung. Abbildung 4 illustriert beispielsweise eine Benutzerbeschreibung in Form einer Persona [7], Abbildung 5 eine Interaktionsbeschreibung in Form einer tabellarischen Use Case Beschreibung [8]. [Abb. 4] [Abb. 5]

3.2. Eye-Tracker Studie 3.2.1. Ablauf In einer initialen Eye-Tracker Studie mit einem mobilen Eye-Tracker (vgl. Abbildung 6 und Abbildung 7) wurden 2 Software Architekten und 2 Usability Professionals mit einer Anforderungsspezifikation bestehend aus einer Spezifikation der Systemanforderungen und einer Spezifikation von Domnenanforderungen konfrontiert. Die Dokumente wurden basierend auf dem TORE Framework erstellt und enthielten insgesamt 35 Artefakte, die aus Sicht des Anforderungsingenieurs fr die Erstellung des Systems relevant sind. Das Verhalten der Probanden wurde durch Eye-Tracking, eine externe Kamera und 1-3 Beobachter, die jeweils Protokoll fhrten analysiert.

Auerdem war ein Versuchsleiter anwesend und die Probanden waren angewiesen laut zu denken. Ziel der Studie war es, grundstzliche Informationsbedarfe der beiden Rollen zu erheben und darber hinaus auch Unterschiede in der Arbeitsweise mit dem Dokument festzustellen. Die Abbildungen der Prozesse waren auf Grund der Gre teilweise im Raum aufgehngt, weswegen ein mobiler Eye-Tracker die optimale technische Untersttzung zur Analyse war. Basierend auf der Auswertung der Studie wurden Schlussfolgerungen ber Schwachstellen im Dokument und Relevanz der Artefakte gezogen.

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keine Relevanz hat und dadurch die Arbeit mit dem Dokument unntig erschwert. [Tab. 1] Darber hinaus wird schnell deutlich, dass ein Anforderungsdokument einen Kompromiss darstellt, mit dem Architekten und Usability Professionals zwar arbeiten knnen, aber fr keine der beiden Rollen ist das Dokument wirklich optimal. Im Folgenden werden diese unterschiedlichen Informationsbedarfe anhand von konkreten Beobachtungen whrend der Studie fr ausgewhlte Artefakte erlutert.Allgemeines

Architekten hingegen interessieren sich berhaupt nicht fr Personas, da Details der Stakeholder keine Relevanz besitzen. Wichtige Attribute der Stakeholder bezglich der Systemanforderungen (z. B. Erwartungen ans System, Involvierung ins System) sollten vielmehr in Form von Tabellen oder Listen dargestellt werden, um einen schnellen berblick zu gewinnen.Use Cases

Abb. 6. Eye-Tracker Studie - Bearbeitung des Anforderungsdokumentes

Abb. 7. Eye-Tracker Studie Workflowabbildungen

3.2.2. Ergebnisse Im Rahmen der Eye-Tracker Studie wurden die Teilnehmer zustzlich in Form eines Fragebogens zu Problemen, Relevanz und Verwendungszweck aller Artefakte befragt. Dabei wurde vor allem festgestellt, dass nicht alle bentigten Artefakte in den Anforderungsdokumenten enthalten waren (z. B. technische Rahmenbedingungen fehlten). Es wurde ebenso deutlich, dass nicht alle Artefakte fr die Rollen Architekt und Usability Professional gleichermaen relevant sind und dass es starke Unterschiede in der Prferenz zwischen den einzelnen Rollen gibt. Tabelle 1 zeigt die Auswertung der Artefakt-Relevanz in Bezug zur jeweiligen Rolle und zeigt auf den ersten Blick, dass fr den Usability Professional eine erhebliche Menge an Artefakten

Aus Sicht der Usability Professionals beinhaltet ein Anforderungsdokument zu viele Informationen. Es werden nur diese Informationen gelesen, die als tatschlich relevant erachtet werden. Problem dabei ist es, diese Informationen im Dokument zu finden, wenn es nicht angemessen strukturiert ist. Klassische Vorgehensweise ist, dass zunchst auf Personas, Use Cases und Informationen zum Nutzungskontext zugegriffen wird. Fr Architekten beinhaltet das Anforderungsdokument zu viel textuelle Beschreibung, eine Darstellung primr in Form von Diagrammen wre sinnvoll. Wichtig ist eine gute Strukturierung und Formatierung des Dokumentes, da der Architekt zunchst versucht, sich einen berblick ber das zu erstellende System zu verschaffen, in dem er vor allem auf berschriften, Grafiken und Diagramme zugreift wichtige Dinge markiert und diese spter im Detail anschaut.Stakeholder Beschreibungen

Eine gute Verfolgbarkeit zwischen Use Case Diagrammen und Use Case Beschreibungen ist fr Usability Professionals eine wichtige Eigenschaft, um mit dem Anforderungsdokument produktiv arbeiten zu knnen. Im Use Case ist vor allem die Beschreibung des Interaktionsflusses relevant. Nichtfunktionale Anforderungen (insbesondere solche, welche sich auf Usability beziehen) beschreiben in der Regel Sachverhalte, die man als guter Usability Professional sowieso bercksichtigen sollte und sind insofern nicht hilfreich, da sie nicht detailliert spezifiziert sind. In der durchgefhrten Studie waren Architekten der Auffassung, dass Use Case Diagramme nicht so hilfreich wie Workflows sind. In einem Use Case sind auerdem zu viele detaillierte Informationen enthalten, die es schwierig machen einen berblick zu gewinnen. Um als Architekt optimal damit arbeiten zu knnen, sollten Use Case Beschreibungen auf die wesentlichen Elemente (Interaktionsfluss, Nichtfunktionale Anforderungen und Daten) reduziert werden.Workflows

Usability Professionals sind sehr stark an die strukturierte Persona gebunden. Diese hilft ihnen deutlich mehr als eine rein textuelle Beschreibung der Benutzer.

Bei der Darstellung der Workflows waren sich Usability Professionals und Architekten einig, dass eine grafische Darstellung der Workflows sehr hilfreich ist, dass diese aber unbedingt auch durch eine textuelle Beschreibung ergnzt werden sollte, um

Relevanz der Artefakte Sehr wichtig Eher wichtig Eher unwichtig UnwichtigTab. 1. Relevanz der Artefakte

Architekt 19/35 12/35 4/35 0/35

Usability Professional 18/35 4/35 4/35 9/35

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ggf. Missverstndnissen vorzubeugen und unklare Sachverhalte nachlesen zu knnen. Hierbei sollte dann auf unntige Details, wie z. B. Probleme und Wnsche direkt im Workflowdiagramm verzichtet werden und dort eine mglichst bersichtliche Darstellung geboten werden.Nichtfunktionale Anforderungen (Qualittsanforderungen)

4. Future Work Knftige Arbeiten haben in erster Linie das Ziel, die Ergebnisse der initialen Studie zu validieren und somit eine grere Datengrundlage fr die Entwicklung der perspektiven-orientierten Anforderungsspezifikation zu erhalten. Hierzu wird als nchste Aktivitt ein Tutorial auf der UPA 2011 durchgefhrt. Weiterhin soll die Erstellung von perspektivenorientierten Anforderungsspezifikationen durch ein Tool untersttzt werden, um somit gleichermaen dem Anforderungsingenieur als auch den weiteren beteiligten Rollen (wie Architekt und Usability Professional) eine wertvolle Untersttzung bei der Entwicklung von Softwaresystemen zu bieten. Anforderungsingenieure wrden so bei der Erhebung der Informationen und der Erstellung der Anforderungsdokumente untersttzt werden. Architekten und Usability Professionals wrden eine Arbeitsgrundlage erhalten, die jeweils auf ihre Bedarfe zugeschnitten ist und in produktivem Einsatz optimal verwendet werden knnte. Literatur1. IEEE (1998). Recommended practice for Software Requirements Specifications. Standard IEEE Std. 830-1998, Institute of Electrical and Electronic Engineers, 1998 2. Volere Requirements Specification Template: Robertson S., Robertson, J (2006). Mastering the Requirements ProcessSecond Edition, Addison-Wesley, 2006. ISBN 0-321-41949-9 3. Simon, T., Streit, J., and Pizka, M. (2008). Practically Relevant Quality Criteria for Requirements Document, itestra GmbH, Germany, published at International Conference on Software Engineering Research and Practice 2008 4. Firesmith, D. (2003) Modern Requirements Specification, in Journal of Object Technology, Vol. 2, No. 1, March-April 2003, pp. 53-64 5. Gross, A. (2010). Perspective-based Specification of Efficiently and Effectively Usable Requirements Documents, Doctoral Symposium, Requirements Engineering Conference (RE10), Sydney, Australia

6. Adam S., Doerr J., Eisenbarth M., and Gross A. (2009). Using Task-oriented Requirements Engineering in Different Domains Experiences with Application in Research and Industry. In Proceedings of the 2009 17th IEEE International Requirements Engineering Conference, RE (RE 09). IEEE Computer Society, Washington, DC, USA, 267-272, 2009 7. Cooper, Alan. The Inmates Are Running the Asylum : Why High-Tech Products Drive Us Crazy and How to Restore the Sanity. Indianapolis, USA, 1999. 8. Jacobson I. (2004).Use cases -- Yesterday, today, and tomorrow in Software and systems modeling, pp 210-220, August 2004

Zur Erstellung des User Interface Designs sind nicht alle im Anforderungsdokument spezifizieren Qualitten relevant. Positiv hervorgehoben wurde, dass die Anforderungen sehr strukturiert dargestellt sind und man so schnell die fr UI Design relevanten Qualitten findet. Fr die Architekten hingegen sind alle dargestellten Qualitten relevant. Vor allem die graphische Reprsentation und die Verfeinerung der Attribute bieten hier dem Leser einen Mehrwert. Die zustzliche textuelle Beschreibung erweckt den Eindruck, dass hier redundante Informationen gezeigt werden. Wichtige Informationen sollten auf jeden Fall im Text hervorgehoben sein. Darber hinaus wurden in der Studie weitere allgemeine Erkenntnisse gewonnen: Die Relevanz der Artefakte ist von der Projektsituation abhngig, d.h. eine flexible Lsung wird bentigt Die Vorgehensweise bei der Analyse der Dokumente hngt sehr stark von der individuellen Person ab Systemanforderungen sind generell relevanter als Domnenanforderungen Verbesserung bezglich der Notationen sollte in Betracht gezogen werden

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Gefhlvoll gestalten Praxismethoden fr emotionales Design interaktiver ProdukteChristina Sturm Daimler AG Leibnizstrae 2 71032 Bblingen [email protected] Daniela Vey Infodesignerin.de Forststrae 172 70193 Stuttgart [email protected]

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Abstract Warum fhlen sich Menschen zu bestimmten interaktiven Produkten hingezogen? Was macht Produkte attraktiv und wie knnen sie Emotionen beim Nutzer auslsen? Wie knnen Produkte emotional konzipiert und gestaltet werden? Welche Rolle spielt dabei die User Experience? Welche Methoden gibt es dazu, die in der Praxis sinnvoll einsetzbar sind? Haben Sie sich diese oder hnliche Fragen schon einmal gestellt? In diesem Tutorial werden Antwortmglichkeiten fr solche Fragestellungen basierend auf ausgewhlten theoretischen Modellen und Methoden aus der User Experience-Forschung errtert. Die Teilnehmer erhalten Einblicke in Vorgehensweisen, die sich in der Praxis eignen, um interaktive Produkte bedrfnis- und erlebniszentriert zu gestalten. Schwerpunkt des Tutorials ist eine Praxisbung, in der die Teilnehmer einen Papierprototypen fr ein neuartiges interaktives HiFi-Produkt unter Bercksichtigung der vorgestellten Methoden entwerfen und anschlieend im Hinblick auf die potenzielle User Experience diskutieren.

Keywords: /// Emotional Design /// User Experience /// Experience Design /// Produktbindung /// Praxismethoden

1. Einleitung Emotional Design, User Experience, Joy of Use, Flow, Product Pleasure, Emotional Experience, Funology, Affective Computing, Hedonic Quality, Product Enchantment, Joyperience Derartige Begriffe gewinnen im Feld der Human-Computer Interaction zunehmend an Bedeutung. Klassische UsabilityAspekte wie Effektivitt, Effizienz und Zufriedenstellung drfen zwar nicht vernachlssigt werden, stellen jedoch keine wesentlichen Faktoren im Hinblick auf emotionale und freudvolle Erlebnisse in der Interaktion mit Produkten oder Services dar (Hassenzahl, 2010; Norman, 2004; Jordan, 1998, 2000, 2002). Bei der Konzeption und Gestaltung interaktiver Produkten drngen sich demzufolge Fragen danach auf, was diese wirklich attraktiv macht und ihnen eine Bedeutung verleiht. Wie knnen durch die Interaktion mit einem Produkt Emotionen vermittelt werden, um dem Nutzer einen persnlichen Mehrwert zu bieten?

Erfolgreiche Produkte wie Apples iPhone oder iPad zeigen, dass interaktive Gerte einen hohen Stellenwert im tglichen Leben ihrer Nutzer einnehmen knnen und gleichzeitig eine starke emotionale Bindung zwischen Mensch und technischen Gerten entstehen kann. Um zu verstehen, welche Faktoren dabei relevant sind und wie es mglich ist, diese Aspekte in den Konzeptions- und Entwicklungsprozess zu integrieren, werden in diesem Beitrag relevante Modelle und Methoden aus der Emotions- und User Experience-Forschung herangezogen: Das Emotional DesignModell von Norman (2004), der Product Attachment-Ansatz von Mugge (2008) sowie das User Experience-Modell von Hassenzahl (2008, 2010) liefern interessante Erkenntnisse darber, welche Rolle Emotionen bei der Wahrnehmung und Nutzung von Produkten spielen, ber ihren Einfluss auf die Bindung zwischen Nutzer und Produkt und wie Emotionen durch die Adressierung von psychologischen Bedrfnissen ausgelst werden knnen. Fr den praktischen Einsatz genauer gesagt fr den Konzeptionsprozess

eignet sich besonders die Vorgehensweise nach dem Experience Design-Ansatz von Hassenzahl (2010), die auf dem zuvor erwhnten UX-Modell aufbaut und das Erlebnis mit dem Produkt, im Gegensatz zur Nutzung, in den Fokus stellt. Ergnzend dazu bietet sich die Interviewtechnik des Laddering (Reynolds & Gutman, 1988; Burmester et al., 2010) in Kombination mit der Methode des Scenario-Based Design (SBD) nach Rosson & Carroll (2002) an. Im Rahmen des Tutorials wird dargestellt, wie diese Anstze und Methoden in der Praxis sinnvoll miteinander zu verknpfen sind und eine Empfehlung fr eine entsprechende Vorgehensweise wird nher erlutert. Diese kann anschlieend von den Teilnehmern direkt selbst angewandt werden, so dass sie einen intensiven Einblick erhalten und in der Lage sind, die Vorgehensweise auf ihre eigene praktische Situation bzw. ihre Projekte anzupassen. Eine Diskussion ber die Konzeptergebnisse und ber die Methodik soll den Austausch in der Thematik frdern und Perspektiven fr die Zukunft aufzeigen.

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Usability Professionals 2011 Tutorials

2. Theoretische Modelle fr emotionales Design und User Experience Das Emotional Design-Modell nach Norman (2004) basiert auf der Annahme, dass Emotionen einen entscheidenden Einfluss auf die menschliche Fhigkeit haben, die Welt wahrzunehmen, zu verstehen und neue Dinge zu lernen. Norman unterscheidet zwischen drei kognitiven Ebenen, die fr die Entwicklung und Verarbeitung von Gefhlen und emotionalen Reaktionen im Hinblick auf Produkte grundlegend sind: Das Visceral Level (viszerale Ebene) ist zustndig fr schnelle Beurteilungen ber gut und schlecht, sendet Signale an das motorische System und ruft Emotionen wie z. B. Freude oder Angst hervor. Das Behavioural Level (Verhaltensebene) verarbeitet automatisierte Alltagsprozesse, die eher unbewusst oder beilufig stattfinden wie z. B. Autofahren oder das Zehn-Finger-Tippen. Das Reflective Level (Reflektionsebene) ist die hchste kognitive Dimension, da hier Meinungen und persnliche Einstellungen gebildet werden. Die drei Ebenen interagieren ber BottomUp- und Top-Down-Prozesse miteinander und beeinflussen sich gegenseitig. Laut Norman werden Objekte und Produkte stets in allen drei Dimensionen wahrgenommen, weshalb gutes Design alle Ebenen adressieren soll. Bei der Interaktion mit Produkten spielen Emotionen also immer eine Rolle, eine rein rationale analytische Betrachtung ist demzufolge nicht mglich. Mugge fokussiert in ihrem Product Attachment-Ansatz (2008) den Einfluss von positiven Emotionen auf eine (langfristige) Produktbindung. Sie definiert Produktbindung als the strength of emotional bond a consumer experiences with a specific product (S.10). Produktbindung ist laut dieser Definition mit emotionaler Bindung gleichzusetzen. Nach Mugges Forschungsergebnissen untersttzen die folgenden vier Designstrategien die Entwicklung

einer tieferen Beziehung zwischen Nutzer und Produkt: Das Produkt verspricht Pleasure (Freude), z. B. durch auergewhnliche Funktionalitt oder modernes Design. Das Produkt untersttzt die Selfexpression (Selbstdarstellung) des Nutzers z. B. durch Personalisierung. Das Produkt frdert Group affiliation (Gruppenzugehrigkeit) z. B. durch Untersttzung sozialer Kommunikation. Das Produkt weckt Memories (Erinnerungen) und erinnert an die persnliche Vergangenheit z. B. mit Hilfe von Personen, Events oder Orten. Diese Strategien sprechen im Prinzip die menschlichen Grundbedrfnisse nach Freude, Selbstdarstellung, Gruppenzugehrigkeit und Erinnerungen bewahren an. Sie weisen eine hnlichkeit zu Hassenzahls Modell fr User Experience (2008, 2010) auf, das eine differenzierte Betrachtung der Ebene der universellen menschlichen Bedrfnisse aufzeigt. Hassenzahl liefert eine Definition fr User Experience (UX), die den Menschen mit seinen Bedrfnissen und Emotionen in den Mittelpunkt stellt: UX is a momentary primarily evaluative feeling (good-bad) while interacting with a product or service Good UX is the consequence of fulfilling the human needs (2008, S.2). UX ist demzufolge ein subjektiver Gefhlszustand, welcher durch die Erfllung von persnlichen psychologischen Bedrfnissen wie z. B. Autonomie, Kompetenz, Verbundenheit oder Popularitt ausgelst wird. Diese menschlichen Grundbedrfnisse bezeichnet Hassenzahl als Be-Goals, welche bei Befriedigung durch die Interaktion mit einem Produkt positive Emotionen wie Freude hervorrufen. Im Gegensatz dazu stehen die sog. Do-Goals, die sich auf pragmatische Produkteigenschaften wie Usability beziehen. Produkte mit einem positiven emotionalen Wert fokussieren also das Selbst des Menschen, indem sie seine zentralen psychologischen Bedrfnisse erfllen. In seinem Modell der Three Level Hierarchy of Goals (s. Abb. 1) beschreibt Hassenzahl drei Ebenen von Zielen: Die

unterste Ebene ist die How-Ebene, welche die motorischen Ziele adressiert (z. B. eine Telefonverbindung aufbauen durch das Eingeben von Ziffern ins Telefon). Auf der mittleren What-Ebene befinden sich die Do-Goals (z. B. die Kalenderfunktion des Telefons nutzen und einen Eintrag vornehmen). Die Howund What-Ebene fokussieren primr Usability-Merkmale. Die hchste der drei Ebenen stellt die Why-Ebene dar. Hier werden die Be-Goals angesprochen (z. B. being close to others (anderen nah sein) oder being competent (kompetent sein)). Somit wird den Aktionen auf der How- und What-Ebene eine Bedeutung zugesprochen, indem z. B. ein Telefonanruf gettigt wird oder eine Verabredung mit einer Person in den Kalender eingetragen wird, mit der man sich verbunden fhlen mchte. Dieses Modell ist deshalb besonders interessant, da es differenziert aufzeigt, wie und auf welcher Ebene Emotionen im Zusammenhang mit ProduktInteraktionen angesprochen und wie diese ausgelst werden. [Abb. 1] Die Vorstellung dieser drei ausgewhlten Modelle bietet den Teilnehmern die Mglichkeit, ein tieferes Verstndnis fr kognitive Prozesse in Bezug auf Produktwahrnehmung und Emotionen zu entwickeln und zu erkennen, welche Ebenen dabei angesprochen werden, die fr die Konzeption und Gestaltung von Produkten relevant sind. 3. Praxismethoden fr emotionales Produktdesign Der erlebniszentrierte Ansatz des Experience Design nach Hassenzahl (2010) basiert auf dem zuvor beschriebenen UX-Modell. Ziel ist es, Erlebnisse mit Produkten und nicht nur die Produkte oder Technologien selbst zu gestalten. Dazu bildet die Konzentration auf die Erfllung von menschlichen Grundbedrfnissen das Fundament fr den Designprozess: I suggest universal psychological needs, such as competence, stimulation, relatedness, autonomy, popularity, meaning, security

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Konzeptionsprozesses zu alternativen und innovativen Lsungen fhrt, welche ein hohes Potenzial besitzen, whrend der Interaktion Emotionen beim Nutzer auszulsen. Zur nheren Erforschung von Tiefenbedrfnissen eignet sich die Interviewtechnik des Laddering (Reynolds & Gutman, 1988; Burmester et al., 2010). Durch Laddering werden Erlebnisse von Interviewteilnehmern stufenweise bis hin zur Bedrfnisebene reflektiert. Dabei wird immer wieder nach dem Warum gefragt, bis die Ebene der Grundbedrfnisse erreicht worden ist. Beispiel: Ich hre nach der Arbeit immer Musik. Warum? Weil ich mich dabei entspannen kann. Warum? Um von der Arbeit abzuschalten. Warum? Na ja, ich denke dann an meinen Freund. Warum? Wenn wir uns nicht sehen knnen, dann hre ich immer unsere gemeinsamen Lieder. Warum? Weil ich mich ihm dann nah fhle Das Bedrfnis ist in diesem Fall also Verbundenheit; d.h. das Konzept kann nun gezielt auf dieses Bedrfnis ausgerichtet werden. eine dazu passende Aktivitt identifiziert (das Hinterlassen von Nachrichten unter Liebenden). Folglich wurde ein Kommunikationsgert gewhlt (der beschlagene Spiegel) und eine Geschichte entworfen, die eine tiefgrndige Bedeutung trgt (das Hinterlassen und Erhalten von Nachrichten auf dem Badezimmerspiegel und zugleich das Nachschreiben der Nachricht, das den Empfnger in das Erstellen der Nachricht einbindet und somit zustzliche Nhe zu ihrem Verfasser vermittelt, z. B. durch das Nachfahren der Handschrift des Partners). Zuletzt wurde an der sthetik der Interaktion gearbeitet, um ein konkretes Produktdesign zu erhalten (dem Folgen des Lichtpunktes mit dem Finger, um die Nachricht zu zeichnen). Weitere Merkmale wie zum Beispiel die Eigenschaft der Vergnglichkeit der Spiegel-Nachricht tragen dazu bei, dass durch das Erlebnis eine besondere Spannung erzeugt wird. Solche Merkmale ergeben sich ebenfalls aus einer intensiven Reflektion des zu Grunde liegenden Bedrfnisses. Diese Vorgehensweise verdeutlicht, dass der Fokus auf Bedrfnisse whrend des Auerdem kann durch sog. Reverse Laddering auch nach Ideen fr Features gefragt werden. Beispiel: Wie knnte das System sie optimal darin untersttzen, sich ihrem Freund nahe zu fhle? Es wre zum Beispiel toll, wenn ich ihm, whrend ich unsere Lieder hre, meine Gedanken in diesem Moment mitteilen knnte. Wie knnte so etwas funktionieren? Zum Beispiel wrde ich gerne Kommentare direkt in die Songs einbauen. Er knnte das auch machen und dann htten wir unsere ganz persnlichen Lieder, die wir anhren knnen, wenn wir uns nicht sehen. Auf diese Weise knnen innovative Ideen fr neue Funktionen oder sogar fr neue Produkte entstehen. Die Laddering-Methode ist in der Praxis vor allem in frhen Phasen der Produktentwicklung gut einsetzbar und erfordert neben einem gebten Interviewer keine weiteren aufwndigen Ressourcen (Sproll, Peissner & Sturm, 2010). Die im User-Centered Design etablierte Methode des Scenario-Based Design (SBD) (Carroll, 2000; Rosson & Carroll, 2002) basiert auf Beschreibungen von

Abb. 1. Three level hierarchy of goals nach Hassenzahl (2010, S. 12)

and physical striving as important constituents of experience. It is the fulfillment of those needs which creates emotion and meaning in interacting with a product. (Hassenzahl, 2010, S.57). Daraus ergibt sich die Herausforderung, das Gap zwischen dem abstrakten Bedrfnis und dem Entwurf fr ein konkretes Produkt zu berwinden. Wie kann also auf Grundlage eines universellen Bedrfnisses ein interaktives Produkt gestaltet werden? In seinem Buch Experience Design Technology for All the Right Reasons (2010) beschreibt Hassenzahl anhand des Touch Trace-Mirror Konzepts der Designer Baffi & Schmeer eine mgliche Vorgehensweise. Der Touch Trace-Mirror ermglicht das Vermitteln von (Liebes-) Botschaften auf einem beschlagenen Badezimmer-Spiegel, in dem ein Lichtpunkt auf dem Spiegel zum Nachzeichnen einer zuvor vom Partner gesendeten Botschaft mit dem Finger auf dem Spiegel auffordert. Ziel war es, ein Erlebnis zu gestalten, das das Bedrfnis nach Verbundenheit erfllt. Hierzu wurde zunchst das Bedrfnis an sich nher betrachtet und

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Usability Professionals 2011 Tutorials

Abb. 1. Inhalte und Ablauf des Tutorials

Nutzern, die eine bestimmte Technologie nutzen. SBD lsst sich sehr gut mit den beiden zuvor beschriebenen Methoden kombinieren und erleichtert das Entwerfen von Interaktionskonzepten auf Basis von Personas und Szenarien. Es gibt vier Typen bzw. Stufen von Szenarien nmlich Problemszenarien, Aktivittsszenarien, Informationsszenarien und Interaktionsszenarien. Problemszenarien sind eher allgemein und ohne Beschreibung von genauen Interaktionsablufen formuliert, whrend Interaktionsszenarien ganz konkrete Bedienablufe beinhalten. Auf Basis von Szenarien knnen Gestaltungsentwrfe sehr anschaulich vorgenommen werden. Vor allem fr Personen, die bisher mit der

Konzeption von Interfaces eher unerfahren sind, bietet die SBD-Methode einen guten praktischen Einstieg. 4. Inhalte und Ablauf des Tutorials In diesem Tutorial erhalten die Teilnehmer durch eine Kombination aus theoretischem Input und einer darauf abgestimmten Praxisbung die Mglichkeit, ein grundlegendes Verstndnis fr emotionale Produktgestaltung zu entwickeln, das sie in zuknftigen Projekten einsetzen knnen. Die Session ist in die folgenden 8 Module eingeteilt: Einfhrung, Praxisbeispiele,

Theoretische Modelle, Methoden, Aufgabenstellung / Erklrung der Datenbasis, Brainstorming, Konzeptionsphase sowie Diskussion und Schluss. [Abb. 2] Nach einer kurzen Vorstellungsrunde werden die Teilnehmer zum Einstieg in die Thematik dazu aufgefordert, spontan ein interaktives Produkt aus ihrem Alltag zu nennen, das fr sie persnlich Emotionen hervorruft. Anschlieend werden Begrifflichkeiten geklrt, um ein gemeinsames Verstndnis zu schaffen. Es folgt eine Prsentation von vielseitigen Beispielen aus den Bereichen interaktive Technologien, Produktdesign und Webdesign. Etwa das Konzept der ComSlipper (Chen et

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al., 2006), zwei miteinander verbundene Hausschuhe, die mit Sensoren ausgestattet sind und warm werden, wenn der Partner die Schuhe ebenfalls trgt. Mittels Gesten des Fues knnen Emotionen kommuniziert werden, welche dem Partner durch Licht und Vibration bertragen werden. Dabei wird das Bedrfnis nach Verbundenheit beispielsweise zwischen Paaren, die sich hufig nicht sehen knnen erfllt und emotionale Produkterlebnisse werden ermglicht. In den folgenden beiden Modulen werden ausgewhlte theoretische Modelle aus der Emotions- und User Experience Forschung sowie geeignete Methoden fr den praktischen Einsatz nher vorgestellt (vgl. 2. und 3.). Diese werden anschlieend von den Teilnehmern selbst auszugsweise angewandt, denn den Schwerpunkt der Veranstaltung bildet eine praktische bung. Hier er