„vater, erschieß mich!“ - der spiegel

9
der spiegel 13/2002 I n Nemmersdorf lebt niemand mehr, der sich noch erinnern kann. Der Ort heißt heute Majakowskoje, und jetzt wohnen Russen in den kleinen Häusern mit den grauen Dächern. Von der Brücke über den Fluss Angerapp sind nur Steinreste und ein Pfeiler übrig, der mitten aus dem Wasser ragt. Wer konnte, ist damals rechtzeitig ge- flohen, oder wenigstens danach. Danach? Gibt es das überhaupt? Am 21. Oktober 1944, als eine Vorhut der Roten Armee über das ostpreußische Nemmersdorf herfiel, war für Millionen Deutsche die Geschichte zu Ende. Das Massaker von Nemmersdorf war der Vor- bote von Flucht und Vertreibung, mit der alles zerfiel in Hass, Hunger, Entwürdi- gung, Angst. Hunderttausende, vielleicht sogar zwei Millionen überlebten die Kata- strophe nicht. Als am 21. Oktober noch der Frühnebel über der ostpreußischen Moränenland- schaft lag, rollten die sowjetischen Tanks des 2. Bataillons der 25. Panzerbrigade die sie eingenommen, und hinter den Panzern verquoll auf dem Damm ein Brei aus Pfer- dekörpern und dem Holz der Fuhrwerke, dazwischen wohl auch Menschenleiber. Gerda Meczulat lebte auf der westlichen Seite des Flusses. Ihr Vater Eduard, 71, hat- te sich gegen die Flucht entschieden. Die Meczulats besaßen keinen Wagen. Mit ei- nigen anderen Dorfbewohnern suchten sie in einem Unterstand Schutz. Was dort passierte, ist bis heute nicht voll- kommen geklärt. Gerda Meczulat berichte- te später, dass die ersten Russen am frühen Nachmittag in den Unterstand eindrangen. Sie durchwühlten das Handgepäck, waren aber dabei unerwartet freundlich. Einer spielte sogar mit den Kindern. Doch am Abend erschien ein Offizier und befahl die Deutschen barsch nach draußen. „Als wir rauskamen, standen zu beiden Seiten des Ausgangs Soldaten mit schuss- bereiten Gewehren. Ich fiel hin, da ich eine Kinderlähmung habe, wurde hochgeris- sen und spürte in der Aufregung nichts mehr. Als ich zu mir kam, hörte ich die Chaussee von Gumbinnen herab. Die er- schöpften Rotarmisten waren seit Tagen im Einsatz. Verbissen verteidigte die Wehr- macht die Ostgrenzen des Reiches. Über drei Jahre hatten die Landser auf polnischem und russischem, ukrainischem und lettischem Boden Hitlers Vernichtungs- krieg geführt – und waren zurückgeworfen worden. Nun standen Stalins Truppen erst- mals auf deutschem Siedlungsgebiet. Bei Nemmersdorf, vor den sowjetischen Panzern auf dem schmalen Damm zur Brücke über die Angerapp, drängten sich die Fuhrwerke der Bauernfamilien, die aus den umliegenden Weilern und Ge- meinden geflohen waren. Der Weg nach Westen führte über den Fluss. Als er die Brücke sah, ließ der Kom- mandeur Vollgas geben. Um 7.30 Uhr war „Vater, erschieß mich!“ SPIEGEL-Serie über Flucht und Vertreibung der Deutschen aus dem Osten 40 Der Himmel am Horizont schim- mert blutrot und violett – das sind die von den Russen bereits erreichten brennenden Städte. FLÜCHTLINGE AUF DER VEREISTEN OSTSEE BEI HEILIGENBEIL: „Häufig rutschte man aus und glaubte sich schon verloren, aber die Todesangst Titel VERTREIBUNG (I): Millionen Menschen – Frauen, Kinder, Greise – waren in den letzten Kriegsmonaten auf der Flucht vor der Roten Armee. Für Hunderttausende endete der Treck gen Westen im Inferno. Sie erfroren, ertranken, wurden erschossen oder vergewaltigt.

Upload: others

Post on 16-Oct-2021

5 views

Category:

Documents


0 download

TRANSCRIPT

Page 1: „Vater, erschieß mich!“ - DER SPIEGEL

40

FLÜCHTLINGE AUF DER VEREISTEN OSTSEE BEI HEILIGENBEIL: „Häufig rutschte man aus und glaubte sich schon verloren, aber die Todesangst

Titel

„Vater, erschieß mich!“SPIEGEL-Serie über Flucht und Vertreibung der Deutschen aus dem Osten

VERTREIBUNG (I): Millionen Menschen – Frauen, Kinder, Greise – waren in den letzten Kriegsmonaten auf der Flucht vor der Roten Armee. Für Hunderttausende endete der Treck

gen Westen im Inferno. Sie erfroren, ertranken, wurden erschossen oder vergewaltigt.

Der Himmel am Horizont schim-mert blutrot und violett – dassind die von den Russen bereitserreichten brennenden Städte.

In Nemmersdorf lebt niemand mehr, dersich noch erinnern kann. Der Ort heißtheute Majakowskoje, und jetzt wohnen

Russen in den kleinen Häusern mit dengrauen Dächern. Von der Brücke über denFluss Angerapp sind nur Steinreste und einPfeiler übrig, der mitten aus dem Wasserragt.

Wer konnte, ist damals rechtzeitig ge-flohen, oder wenigstens danach.

Danach? Gibt es das überhaupt?Am 21. Oktober 1944, als eine Vorhut

der Roten Armee über das ostpreußischeNemmersdorf herfiel, war für MillionenDeutsche die Geschichte zu Ende. DasMassaker von Nemmersdorf war der Vor-bote von Flucht und Vertreibung, mit deralles zerfiel in Hass, Hunger, Entwürdi-gung, Angst. Hunderttausende, vielleichtsogar zwei Millionen überlebten die Kata-strophe nicht.

Als am 21. Oktober noch der Frühnebelüber der ostpreußischen Moränenland-schaft lag, rollten die sowjetischen Tanksdes 2. Bataillons der 25. Panzerbrigade die

Chaussee von Gumbinnen herab. Die er-schöpften Rotarmisten waren seit Tagenim Einsatz. Verbissen verteidigte die Wehr-macht die Ostgrenzen des Reiches.

Über drei Jahre hatten die Landser aufpolnischem und russischem, ukrainischemund lettischem Boden Hitlers Vernichtungs-krieg geführt – und waren zurückgeworfenworden. Nun standen Stalins Truppen erst-mals auf deutschem Siedlungsgebiet.

Bei Nemmersdorf, vor den sowjetischenPanzern auf dem schmalen Damm zurBrücke über die Angerapp, drängten sichdie Fuhrwerke der Bauernfamilien, dieaus den umliegenden Weilern und Ge-meinden geflohen waren. Der Weg nachWesten führte über den Fluss.

Als er die Brücke sah, ließ der Kom-mandeur Vollgas geben. Um 7.30 Uhr war

d e r s p i e g e l 1 3 / 2 0 0 2

sie eingenommen, und hinter den Panzernverquoll auf dem Damm ein Brei aus Pfer-dekörpern und dem Holz der Fuhrwerke,dazwischen wohl auch Menschenleiber.

Gerda Meczulat lebte auf der westlichenSeite des Flusses. Ihr Vater Eduard, 71, hat-te sich gegen die Flucht entschieden. DieMeczulats besaßen keinen Wagen. Mit ei-nigen anderen Dorfbewohnern suchten siein einem Unterstand Schutz.

Was dort passierte, ist bis heute nicht voll-kommen geklärt. Gerda Meczulat berichte-te später, dass die ersten Russen am frühenNachmittag in den Unterstand eindrangen.Sie durchwühlten das Handgepäck, warenaber dabei unerwartet freundlich. Einerspielte sogar mit den Kindern. Doch amAbend erschien ein Offizier und befahl dieDeutschen barsch nach draußen.

„Als wir rauskamen, standen zu beidenSeiten des Ausgangs Soldaten mit schuss-bereiten Gewehren. Ich fiel hin, da ich eineKinderlähmung habe, wurde hochgeris-sen und spürte in der Aufregung nichtsmehr. Als ich zu mir kam, hörte ich die

Page 2: „Vater, erschieß mich!“ - DER SPIEGEL

vertrieb die Frostschauer, die über den Körper jagten“

Kinder schreien und Gewehrschüsse. Dannwar alles still.“

Gerda Meczulat überlebte – schwer ver-letzt – als Einzige, weil der Soldat, der sietöten wollte, ungenau gezielt hatte.

Als die Wehrmacht die 637-Seelen-Ge-meinde am Morgen des übernächsten Tageszurückeroberte, fand sie wenigstens zweiDutzend Leichen von Frauen, Kindern undAlten vor. Rotarmisten hatten sie erschos-sen oder ihnen den Schädel eingeschlagen.

Wie viele Frauen wurden vergewaltigt?Stimmt es wirklich, dass Menschen nackt anein Scheunentor genagelt worden waren?Oder handelte es sich nur um die Propa-ganda von Joseph Goebbels, der das Mas-saker umgehend zum Beleg für das „Wütender sowjetischen Bestien“ hochputschte?

MAR

ION

NH

OFF S

TIF

TU

NG

(L.)

; BPK

(2

)

Über die Details der grauenvollen Sze-ne von Nemmersdorf streiten Historikerund Vertriebenenpolitiker oft mit Zorn.Verharmloser? Revanchisten? Nemmers-dorf ist zu einem Inbegriff deutschen Leidsgeworden.

Es lässt sich nicht bestreiten: Am 21. Ok-tober 1944, im vierten Jahr des Vernich-tungskrieges gegen die Sowjetunion, zeig-te sich in Nemmersdorf, dass aus einemVolk der Täter ein Volk der Opfer wurde.

Dabei wäre in diesem Augenblick derdeutschen Geschichte die Katastrophenoch aufzuhalten gewesen. Massenpanik,Todesmärsche, erfrorene Babys eine Beu-te hungriger Ratten, Hunderttausende ver-gewaltigter Frauen, über 33000 Ertrunke-ne in der Ostsee – das ganze Grauen kam

KEYS

TO

NE

OSTPREUSSIN GRÄFIN DÖNHOFF*Ritt durch die eisige Nacht

ja nur deshalb über die Betroffenen, weilAdolf Hitler und seine skrupellosen Kriegs-herren und Gauleiter noch immer vomEndsieg schwadronierten.

Verteidigung jeden Quadratmeters Bo-den im Osten bis zum letzten Atemzug:Diese Floskel erfüllte sich hunderttau-sendfach in furchtbarer Weise.

Was wäre gewesen, wenn? 2,5 MillionenDeutsche lebten 1944 in Ostpreußen, 1,9Millionen in Ostpommern, 4,7 Millionenin Schlesien: Wochen und Wochen wäreZeit gewesen, sie alle rechtzeitig in Si-cherheit zu bringen, rechtzeitig vor diesemmörderischen Winter, der so kalt wurde,dass erschöpfte Flüchtlinge am Wegesrandeinfach zu Eisblöcken erfroren.

Aber in Hitlers Reich war Weglaufenverboten in jenem goldenen Oktober 1944. Heinrich Himmler hatte auf einerGauleitertagung in Posen verkündet, dass die Ausweitung des germanischenReiches nach Osten „selbstverständlich“bevorstehe: „Es ist unverrückbar, dass wir hier die Pflanzgärten germanischenBlutes im Osten errichten.“ Was für einBild.

Unverrückbar war es da für den ost-preußischen Gauleiter, Erich Koch, in Königsberg, dass Fluchtvorbereitungen nur eine besonders infame Art der Sabo-tage sein konnten. Landräte, Kreisleiterund Bürgermeister des Gaus bekamen An-

* Auf dem elterlichen Gut in Quittainen, 1998 in Hamburg.

41

Page 3: „Vater, erschieß mich!“ - DER SPIEGEL

Titel

ANG VON MAJAKOWSKOJE (NEMMERSDORF)eutschen Leids

weisung, jeden, der so etwas plane, sofortzu melden.

Und da war die Hoffnung, gegen jedeVernunft, dass es so schlimm nicht werdenkönne. Nemmersdorf war ja zurückerobertworden. Luftangriffe hatte es hier im Ostenauch kaum gegeben – und war es nicht einwunderschöner Herbst?

„Das Licht so stark, der Himmel sohoch, die Ferne so mächtig“, beschreibtder Arzt Hans Graf von Lehndorff in sei-nen Aufzeichnungen aus jenem Oktoberdie Stimmung in seiner Heimat, dem Landdes Bernsteins.

Und doch wussten alle, dass alles vorbeiwar. Nie würde man die Störche wieder se-hen, die sich in diesen Tagen aus Ost-preußen davonmachten, nach Süden.

Vorboten einer Katastrophe: Tiere trot-ten herrenlos über die Wiesen, von Gehöf-ten weiter östlich, die von ihren Besitzernschon aufgegeben waren. Auf den Feldernbei Preußisch Holland merkwürdige, lau-benartige Konstrukte, nur mühsam mit Pla-nen getarnt. Das sind die Güter der jungenMarion Gräfin Dönhoff, die heimlich Pfer-dewagen für die Flucht nach Westen aus-statten lässt.

Im Büro von Doktor Wander, dem Bür-germeister von Insterburg, geht ein StapelBriefe von der vorgesetzten Stelle in Kö-nigsberg ein: streng geheim und im Tresorzu deponieren. Erst wenn das Kennwort„Zitronenfalter“ fällt, dürfen diese Briefean Wirtschafts- und Handwerksleute inInsterburg verteilt werden: Sie enthaltendie Aufforderung, Maschinen und Vorräte– nicht aber Menschen – per Bahn nachWesten zu schicken.

Als der Bürgermeister am Tag nach denGeschehnissen von Nemmersdorf bei derGauleitung in Königsberg darum bittet,Transportzüge für die Flüchtlinge herzu-schicken, die sich, aus dem Osten kom-mend, schon jetzt am Bahnhof drängeln,wird er spöttisch gefragt, ob er Fieber habe.

Der lange Weg nach WestenFlucht und Vertreibung der Deutschen

Russlandfeldzug 1941/42

22. Juni 1941Nach dem deutschen Angriff auf die Sowjetunionevakuiert Stalin bis zu 10 MillionenMenschen, um sie vor der Wehr-macht zu schützen, mindestensweitere 6,5 Millionen fliehenRichtung Osten. Etwa 11 Millionensowjetische Zivilisten fallendem Krieg zum Opfer.

1. September 1939Der Zweite Weltkrieg beginnt. Hitler holt bis 1944über eine Million Volksdeutsche aus Osteuropa„heim ins Reich“; 1,2 Millionen Polen werdenvertrieben oder ermordet, um ihnen Platz zuschaffen.

42

Das bohrende Gefühl,noch beim Schmücken desWeihnachtsbaumes, dass dasLeben eigentlich zu Ende istund alles versinken wird,schon in den folgenden Ta-gen: Am 12. Januar 1945 rol-len russische Panzer in Ost-preußen ein, und niemandhält sie mehr auf. Keine Zeitmehr für „Zitronenfalter“ –nun fliehen die Menschen pa-nikartig in Richtung Westen.Die Züge, die den Bahnhofder Metropole Königsbergverlassen, sind schon amersten Tag überfüllt.

Es sind meistens Frauen und Kinder, dieüberstürzt Haus und Hof im Stich lassen.Die Männer dienen entweder an der Front,oder sie gelten, unter Aufsicht der NSDAP,als unabkömmlich beim Volkssturm, demletzten Aufgebot zur Verteidigung.

Drei Tage später geht schon fast garnichts mehr. Die verschneiten Straßen sindvon Flüchtlingstrecks verstopft, ein trägerWurm aus Planwagen, von Pferden odervon Menschen gezogen, und dick ver-mummten Gestalten, die sich mit demwichtigsten Hab und Gut, ein paar Koffernund Eimern mit Lebensmitteln, aus ihrerHeimat aufgemacht haben.

Alles, was sie besitzen, lassen sie zurück,die Häuser unverschlossen, das Vieh los-gebunden. Und das bisschen, was sie mit-nehmen können, werden sie unterwegsmeist auch noch verlieren.

Überholen unmöglich. Zäh schleichendie Trecks voran, die Pferde rutschen aufden spiegelglatten, gefrorenen Straßen aus.Stundenlange Staus an Bahnübergängen,wo Militärtransporte – von der Front, andie Front? – ihnen den Weg abschneiden.Stundenlanges Stehen in der eisigen Nacht:Hinten, in den Panjewagen, sind die inDecken gewickelten Alten schon in den

MIC

HAEL T

RIP

PEL /

OS

TK

REU

Z

ORTSEINGInbegriff d

AK

G

28. November bis 1. Dezember 1943In Teheran einigen sich die Alliierten über die„Westverschiebung“ Polens: Dessen Ostgebietegehen an die Sowjetunion, dafür bekommt dasLand im Westen deutsches Territorium hinzu.Polen und Deutsche sollen aus den abzutre-tenden Regionen ausgesiedelt werden.

Juli 1944Die Rote Armee zerschlägt die HeeresgruppeMitte und rückt nach Westen vor. Hitler erlässtfür alle Ostgaue eine Sperre für Bahnreisenvon über 100 Kilometern, Fluchtvorbereitungensind verboten.

d e r s p i e g e l 1 3 / 2 0 0 2

ersten Nächten erfroren. Das Ziel: DieWeichselübergänge bei Marienburg undbei Dirschau. Denn über die Weichsel, daswar so eine wilde Hoffnung, würden es dieRussen denn doch nicht schaffen.

Die Angst vor den Eroberern wehte mitdem beißenden Nordoststurm über die Hü-gel – von Ostpreußen nach Schlesien. Öst-lich der Oder brachten nun SonderzügeMenschenmassen ins scheinbar schützendeBreslau. Der letzte Transport kam am 18.Januar durch, von da an ging es auch dortnur noch zu Fuß.

„FRAU, KOMM!“18. Januar: An diesem Tag rollen russi-sche Panzer bereits durch den Warthe-gau, früher Polen, aber seit kurzemDeutschland. Am Vorabend ist in Posennoch ein Zug mit Frauen und Kindernnach Westen losgefahren, aber da die Räu-mung viel zu spät begann, treten sich nunalle auf die erfrorenen Füße: Die Trecksstehen auf den Straßen, ängstlich horchendie Flüchtlinge, ob sie von hinten das ty-pische Geräusch der Panzerketten hören– der russischen.

Mit den Pferden bis zum Bauch imSchnee versuchen manche Familien, aus

Oktober 1944In Ostpreußen überschreiten sowjetischeTruppen die Grenze des Deutschen Reichesund begehen in Nemmersdorf und andernortsMassaker an Zivilisten.

12. Januar 1945Die Rote Armee eröffnet ihre Weichseloffensiveund erreicht nach drei Wochen die Oder. EndeJanuar befinden sich fünf Millionen Deutscheauf der Flucht.

26. Januar 1945Große Teile Ostpreußens werden eingeschlossen,den Flüchtlingen bleibt nur der Weg über dieOstsee. Im März ist auch Pommern erobert.

30. Januar 1945Die „Wilhelm Gustloff“ wird vor der pommer-schen Küste von einem sowjetischen U-Boottorpediert und sinkt; etwa 9000 Flüchtlingeund Soldaten sterben.

Page 4: „Vater, erschieß mich!“ - DER SPIEGEL

4. In wowieso

8. MiübvoeroPo

MaMiSu

30Dieweals„B

GETÖTETE DEUTSCHE IN NEMMERSDORF: Wie viele Frauen wurden vergewaltigt?

ZD

F

ÜBERLEBENDE MECZULAT„Dann war alles still“

BU

ND

ES

AR

CH

IV K

OBLEN

Z

dem Stau über die Felder zu entkommen.Sie bleiben liegen, versuchen oft, die Nachtim Schutz einer Scheune zu überstehen,aber bald sind die nassen Windeln derSäuglinge gefroren. Dann sterben die Kin-der. Sie können nicht mal begraben wer-den, weil die steinharte Erde das nichtzulässt. Wilde Tiere holen sie vom Weges-rand. Und es schneit und schneit.

Am 19. Januar, 8 Uhr morgens, kommt im ostpreußischen Groß-Nappen, Kreis

bis 11. Februar 1945Jalta können sich die Alliierten nicht einigen, die neue Westgrenze Polens verlaufen und viele Millionen Deutsche vertrieben werden

llen.

Mai 1945t dem Ende der Kampfhandlungen kehrener eine Million deutsche Flüchtlinge in dien sowjetischen und polnischen Truppenberten Gebiete zurück. Im Juni sperrt

len die Übergänge von Oder und Neiße.

i bis Oktober 1945t den Bene∆-Dekreten werden diedetendeutschen enteignet und entrechtet.

. Mai 1945 deutschsprachigen Einwohner Brünnsrden nach Österreich vertrieben; mehr 2000 Menschen sterben auf demrünner Todesmarsch“.

MIsOD1g

1IAU

Osterode, der Dorflehrer zu Lilly Sternbergund schlägt Alarm.

„Es ist so weit, richten Sie Ihren Treck.“Die Ostpreußin hat wie Hunderte das Pro-tokoll ihres Leidensweges in den fünfzigerJahren aufgeschrieben für eine Dokumen-tation über Flucht und Vertreibung. DasTausende Seiten umfassende Werk wurdevon Historikern im Auftrag des Vertriebe-nenministeriums zusammengestellt. Diemeisten Aussagen sind beeidet und bilden

EdvardBene∆

ai bis Juli 1945n „wilden“ Vertreibungen werden Hunderttau-ende Deutsche gezwungen, die ehemaligenstgebiete und das Sudetenland zu verlassen.ie Deutschen in Jugoslawien, seit November944 zu „Volksfeinden“ erklärt, werden in La-ern konzentriert. Etwa 51000 sterben dort.

7. Juli bis 2. August 1945n Potsdam stimmen die Westmächte derussiedlung der Deutschen aus Polen,ngarn und der Tschechoslowakei zu; sie

HAvAinu

JaDw

1SsBM

EDInna

mWtr

d e r s p i e g e l 1 3 / 2 0 0 2

bis heute eine der eindrucksvollsten Samm-lungen über das Elend am Ende des Krieges.

„Sofort los! Nur mit Handgepäck!“, pro-tokolliert Frau Sternberg. „Im Nu sind wirauf der Dorfstraße, die voll von jammern-den Frauen ist.“ Der Aufbruch: „Die Kin-der finden es herrlich.“

„Mutti, die Russen, was werden sie mituns machen“, hat eines von Lilly Stern-bergs Kindern gefragt, als sie unterwegsdie Panzer hören. „Nichts, sage ich,während es mich schüttelt, nichts, und legemeine Hand auf die Lippen.“

Die Russen, was werden sie machen?Die schlimmsten Gerüchte stimmten nicht– was wirklich war, war schlimmer. DieMedizinstudentin Josefine Schleiter, in der-selben Gegend auf der Flucht, hat erlebt,wie Panzer in ihren Treck rasten.

„Die Wagen wurden in den Grabengeschleudert, die Pferdeleiber lagen ver-endet, Männer, Frauen, Kinder kämpftenmit dem Tode.“ Die Studentin hörte einverletztes Mädchen sagen: „Vater, erschießmich!“ Und auch der Bruder bat: „Ja, Va-ter, ich habe nichts mehr zu erwarten.“Der Vater, weinend: „Wartet noch etwas,Kinder.“

Dann ist sie dran. „Drei baumlange Kerlshalten mich fest und werfen mich auf ihrAuto. Mein Rufen verhallte im Schnee-sturm. Der Wagen setzte sich in Bewegung,und ich stand auf dem Auto, von den lau-ernden Blicken eines Russen beobachtet.Eisige Kälte. Ich war seit Mittag ohne Es-

erbst 1945us Polen werden weiterhin Hunderttausendeertrieben. Am 20. November vereinbart derlliierte Kontrollrat, 6,7 Millionen Deutschenerhalb von sieben Monaten aus Mittel-nd Osteuropa auszusiedeln.

nuar 1946ie organisierte Vertreibung beginnt. Fachkräfteerden teilweise bis 1951 zurückgehalten.

1. Oktober 1947talin ordnet an, alle Deutschen aus demowjetischen Teil Ostpreußens in die Sowjetischeesatzungszone zu deportieren. Über 70000enschen werden abtransportiert.

nde 1947ie organisierten Vertreibungen laufen aus. den nächsten Jahren werden per annour noch einige zehntausend Deutscheus Polen zwangsweise ausgesiedelt.

uss in „ordnungsgemäßer und humanereise“ erfolgen. Zunächst sollen die Ver-eibungen jedoch eingestellt werden.

43

Page 5: „Vater, erschieß mich!“ - DER SPIEGEL

Titel

FRAUENBURG (OSTPREUSSEN): Ein bisschen Plündern, ein paar Exzesse, das war vorgesehen

„Wir werden uns rächen für die in den Teufelsöfen Verbrannten, für die in den Gaskammern Erstickten.“

sen. Grinsend beobachtete mich einer derKerle: ‚Kalt?‘ Es folgten die entehrendstenAugenblicke meines Lebens, die nicht wie-derzugeben sind.“

Als der Wagen hält, springt die Studen-tin hinunter, flieht in den Wald und läuft,läuft, läuft.

Das hatte Methode. Vergewaltigungenwaren eine furchtbare Waffe der roten Sol-daten, ein Mittel des Terrors wie Quäle-reien, Morde und Brandstiftungen.

In Ostpommern wird ein Zug mit Flücht-lingen von russischen Soldaten gestoppt,die Lok zerschossen. „Alles raus!“ Frauenund Kinder fliehen durch den Schnee in die Felder. Im Dorf Gowitz holen die Ver-folger sie ein. „Frau, komm!“, das ist dergefürchtete Befehl. Das Mädchen GabiKöpp, von der ZDF-Historiker GuidoKnopp in seinen Berichten über „Diegroße Flucht“ erzählt, weiß noch nicht,was der Befehl für siebedeutet, sie ist nichtaufgeklärt.

Wer nicht kam, muss-te damit rechnen, er-schossen zu werden. Derrussische Soldat, der impolnischen Groß Dase-kow auf verschüchterteZurückgebliebene traf,zeigte mit dem Fingerauf die Jüngste im Haus.Die Schwester berichtet:„Als diese nicht gleichaufstand, trat er dichtvor sie hin und hieltseine Maschinenpistolevor ihr Kinn. Alle schrienlaut auf, nur meineSchwester saß stumm da und vermochte sichnicht zu rühren. Dakrachte auch schon derSchuss …“

Die in den Dörfernzurückblieben, weil sienicht fliehen konntenoder wollten, wurdenvon den Eroberern oftnicht besser behandeltals die Opfer von Nem-mersdorf. Als das Bundesarchiv Mitte dersiebziger Jahre Zeitzeugenbefragungen aus-wertete, zählten die Wissenschaftler rund3300 so genannte Tatorte östlich von Oderund Neiße, an denen deutsche Zivilistenerschlagen oder erschossen, zu Tode ver-gewaltigt oder bei lebendigem Leibe ver-brannt wurden. Das Bundesarchiv gingdavon aus, dass mindestens 120000 Deut-sche auf der Flucht starben.

Wie viele Menschen insgesamt Fluchtund spätere Vertreibung das Leben koste-te ist ungeklärt. In den fünfziger Jahrenschätzte das Statistische Bundesamt ein-fach die Zahl der Deutschen, die vor 1945östlich von Oder und Neiße gelebt hatten,und zog davon jene ab, die nach dem Krieg

ROTE ARMEE IN

NO

WO

STI

50

in der Bundesrepublik, Österreich und derDDR oder in der alten Heimat lebten; dieDifferenz betrug über zwei Millionen.

Dass diese Größenordnung zu hoch ge-griffen sein musste, zeigten schon damalsListen verschollener Zivilisten; nur knappein Zehntel – etwa 200 000 Menschen –wurden von Angehörigen und Freundengesucht. Freilich machten sich bisher nurdie Donauschwaben die Mühe, alle Opfereinzeln zu dokumentieren – und halbiertendie Schätzungen des Statistischen Bundes-amtes für ihre Region.

Auf 1,4 Millionen schätzen Historike-rinnen die Zahl der Frauen, die damalsvergewaltigt wurden. Viele von ihnennahmen sich danach aus Ekel und Entset-zen das Leben. Noch Monate später, be-richten Zeugen, hätten Kinder, heil imWesten, in den Flüchtlingslagern „Frau,komm!“ gespielt.

FURCHTBARE SIEGERDie Rote Armee war nie sonderlich diszi-pliniert gewesen, und außerdem war siedurch den Krieg verroht. Heimaturlaub gabes nicht, junge Männer mussten mit Flam-menwerfern in Unterstände des Feindeseindringen, Kameraden beispringen, de-nen nach einem Bauchschuss die Einge-weide aus der Wunde quollen, ohne solcheEreignisse jemals verarbeiten zu können.„Gleich nach dem Angriff guckt man bes-ser nicht in die Gesichter“, notierte einerussische Sanitäterin, „da ist nichtsMenschliches drin.“

Die Vernichtung von Millionen Men-schen, wie sie Hitler für die Russen plante, hatte Stalin für die Deutschen

d e r s p i e g e l 1 3 / 2 0 0 2

nicht vorgesehen. Aber als die Rote Ar-mee die Westgrenze der Sowjetunion er-reicht hatte, waren viele müde, und StalinsGeneräle lockerten – zur Aufmunterung –jene Sicherungen, die auch im Krieg denUnterschied zwischen Soldaten und Mör-dern ausmachen.

Über tausend Truppenzeitungen hattenden Hass gesät, der jetzt nötig war, zu sie-gen. Etwa die Aufrufe Ilja Ehrenburgs:„Wenn du im Laufe eines Tages einenDeutschen nicht getötest hast, ist dein Tagverloren. Zähle nicht die Tage, zähle nichtdie Wersten, zähle nur eins: die von dirgetöteten Deutschen. Töte den Deutschen.“

Der Tagesbefehl an die 1. WeißrussischeFront vor dem Angriff auf das Reich lau-tete: „Die Zeit ist gekommen, mit dendeutsch-faschistischen Halunken abzu-rechnen. Groß und brennend ist unserHass. Wir werden uns rächen für die inden Teufelsöfen Verbrannten, für die inden Gaskammern Erstickten, wir werdenuns grausam rächen für alles.“

Es scheint, dass Stalins Generäle dieWirkung ihrer Propaganda unterschätzten.Ein bisschen Plündern, ein paar Exzesse,das war vorgesehen.

Doch die Mord- und Zerstörungswel-len in Ostpreußen und Schlesien wurdenoffenbar auch der russischen Führung un-heimlich.

Page 6: „Vater, erschieß mich!“ - DER SPIEGEL

50 km

Ostpreußenin den Grenzen von 1937

Königsberg

Danzig

Zoppot

Gdingen(Gotenhafen)

HelaPillau

Palmnicken

Fischhausen

Heiligenbeil

InsterburgGumbinnen

Nemmersdorf

Lyck

OsterodeDt. EylauMarienwerder

Marienburg

Pr. Holland

Elbing

Dirschau

Kurisc

heN

ehru

ng

Frische Nehrung

Putziger Nehrung

O S T P R E U S S E N

Bromberg

Tilsit

Allenstein

Graudenz

Wei

chse

l

Pregel

Memel

Memel

Cranz

Frisches

Haf

f

Mohrungen

Evakuierungüber die Ostsee

O S T S E E

P O M -M E R N

FRE ISTAATDANZIG

P O L E N

L I T A U E N

Metgethen

Am zehnten Tag der Winteroffensive amWeichselbogen befahl das Oberkommandoder 2. Weißrussischen Front, „Rauben,Plündern, Brandstiftung und Massensauf-gelage“ zu unterbinden. Die Hetzpropa-ganda allerdings ließ Stalin erst einstellen,als seine Truppen Oder und Neiße über-schritten hatten und damit jenen Bodenbetraten, den der Kreml-Führer in Zukunftden Deutschen lassen wollte – die spätereDDR.

Was über die Deutschen im Osten her-eingebrochen war, hatte es tatsächlich seitdem Frieden von Münster und Osnabrück1648 in Mitteleuropa nicht mehr gegeben.Damals, nach Ende des DreißigjährigenKrieges, war es den Befehlshabern gelun-gen, ihr blutiges Handwerk zu einer leidlichgeordneten Angelegenheit zu machen.Seitdem war es üblich, Kriege zwischenStaaten und ihren gelernten Soldaten zuführen, am besten irgendwo abseits, wodie Zivilisten nicht stören und nicht be-lästigt werden.

In den folgenden Jahrhunderten wurdeder Krieg zum Kabinettskrieg zivilisiertund schließlich sogar der Gebrauch vonWaffen und Zwangsmitteln vertraglich ge-regelt – Vergewaltigung gehörte nicht dazu.Der Krieg, das war das Wichtigste, hatte einZiel, das war Frieden, wenn auch ein Frie-den zu den Bedingungen des Siegers.

Doch nun waren alle Schranken nieder-gerissen, in denen der Krieg, nach denWorten des Berliner Politologen HerfriedMünkler, „gehegt“ worden war. Der wildeKrieg, der totale Krieg: Das war der KriegAdolf Hitlers, der Krieg der entgrenztenGewalt. Totale Vernichtung, nicht Friedenwar das Ziel.

Schon im Mai 1941 hatte Hitlers Büro-kratie den gefürchteten „Kriegsgerichts-barkeitserlass“ verbreitet, der es deutschenSoldaten erlaubte, sowjetische Zivilistenstraffrei zu töten. Etwa elf Millionen Zivi-listen starben in Stalins Imperium an denFolgen des Krieges.

Hitlers Feldherren waren es, die das er-funden hatten: Menschen zu Kriegsmate-rial zu machen, zu seelenlosen Einheiten

PROPAGANDIST EHRENBURG (M.)*„Töte den Deutschen“

wie Panzersperren oder Haubitzen, nureben billiger und überall verfügbar.

TODESMARSCH AUS BRESLAUVöllig unbefestigte Städte wie das schlesi-sche Breslau wurden, als Menschenhaufensozusagen, zu Festungen erklärt. EinOstwall aus Menschenleibern sollte sichden bolschewistischen Panzern entge-genstemmen. „Jeder Häuserblock, jedesDorf, jedes Gehöft, jeder Graben, jederBusch“, so Heinrich Himmler, „wird vonMännern, Knaben, Greisen und – wenn essein muss – von Frauen und Mädchen ver-teidigt.“ Breslau sollte mit seinen 630000

Zivilisten der Roten Armee trot-zen; man würde überall Kanonenaufstellen.

Zunächst einmal begeben sichdie zur Verteidigung unbrauchba-ren Frauen und Kinder auf einenvon Gauleiter Karl Hanke befoh-lenen Fußmarsch nach Oppau.Denn Fahrgelegenheiten gab eskeine mehr, und auf dem Freibur-ger Bahnhof, von dem die Zügenach Westen fuhren, war es beidem Gedränge bereits zur Mas-senpanik gekommen. Hundertekleine zertretene Körper sammel-te die Bahnhofspolizei ein, als derZug endlich abgefahren war.

* In Berlin 1945.

d e r s p i e g e l 1 3 / 2 0 0 2

„Die Menschen liefen in den Straßenkopflos herum. Viele Frauen bekamenWeinkrämpfe. Die Straßenbahnen warenüberfüllt, und jeder fuhr in diesen letztenTagen kostenlos.“ So erinnert sich Elisa-beth Erbrich, die sich am nächsten Tag, eswar ihr 20. Dienstjubiläum bei der Lan-desbauernschaft, auch auf den Weg macht:„Es wurde dieser Tag der schwerste meinesLebens.“

Auf dem Leib trug sie Unterwäsche undKleider, so viel sie anziehen konnte, einenRucksack nahm sie mit, in der Handtaschegekochtes Huhn. Vom Himmel regnetenFlugblätter: „Deutsche, ergebt euch, es pas-siert euch nichts.“

Elisabeth Erbrich aber musste, bei 16Grad minus und mit Hunderttausenden an-derer Frauen und Kinder, hinaus in denendlosen Zug durch den Schnee RichtungWesten. Dieser Marsch aus Breslau koste-te Tausende Menschen das Leben. Am fol-genden Tag wurden BDM-Mädchen ausder Stadt zum Sanitätsdienst an die Streckedes Trauermarsches abkommandiert, um„die Puppen am Wegrand wegzuräumen“.

Welche Puppen? Es waren alles steif ge-frorene Säuglinge, von ihren Müttern lie-gen gelassen.

In Quittainen, elf Kilometer vorPreußisch Holland, lebt seit einigen JahrenGräfin Dönhoff. „Keiner“, ahnt sie amAbend ihrer Flucht, „wird diese Namenmehr nennen.“ Den meisten Menschen,

51

Page 7: „Vater, erschieß mich!“ - DER SPIEGEL

BAYER

ISC

HE S

TAATS

BIB

LIO

TH

EK

KRIEGSHERR HITLER (1941)*Vom Endsieg schwadroniert

FLÜCHTLINGSSCHIFF „WILHELM GUSTLOFF“, FLÜCHTLINGE IM HAFEN VON PILLAU: Regelmäßig Chaos am Kai

Titel

Hinten, in den Panjewagen, sind die in Decken gewickelten Alten schon in denersten Nächten erfroren.

LAN

DS

MAN

NS

CH

AFT O

STPR

EU

SS

EN

E.V

. (R

.)

wenn sie irgendwo wegmüssen, bleibt jadie Gewissheit, dass es die verloreneHeimat auch ohne sie geben wird – inWirklichkeit, nicht nur als Bild. DerAbschied der Menschen von jenseits derOder kommt dagegen einem Weltunter-gang gleich.

Und das war es auch. Jahrhundert-lang bildeten Deutsche und Juden die wohl bedeutendsten Minderheiten inOsteuropa. Doch Hitler ließ erst die Ju-den ermorden; der von ihm angezettelte Krieg führte dann auch die deutsche Weltins Chaos.

Im Mittelalter waren die Ahnen derKrockows und Dönhoffs, der Matzkereitsund Dubinskis Richtung Osten gezogen;sie hatten Städte gegründet und Land ko-lonisiert – scheinbar beständige Konstanteneuropäischer Geschichte.

Ferien im ostpreußischen Badeort Cranzoder im schlesischen Kurort Bad Warm-brunn waren für viele Deutsche so selbst-verständlich wie heute Urlaub in Tra-vemünde oder am Königssee.

Jeder kannte sie: den erzreaktionärenpommerschen Junker, der schon als Intel-lektueller galt, wenn er sich aus Berlin denJagdkalender schicken ließ, oder diebitterarmen schlesischen Weber, derenSchicksal Gerhart Hauptmann ein literari-sches Denkmal setzte. Hitlers Krieg ließvon dieser deutschen Welt im Osten so gutwie nichts zurück; nur die leeren Städteund Dörfer.

„Trudchen, meine Köchin, hatte schnellnoch Abendbrot gemacht“, schreibt dieGräfin Dönhoff über ihre Flucht. „Wir aßenalso noch rasch zusammen. Wer weiß,wann man wieder etwas bekommen wür-de. Dann standen wir auf, ließen Speisenund Silber auf dem Tisch zurück und gin-gen zum letzten Mal durch die Haustür,ohne sie zu verschließen. Es war Mit-ternacht.“

* An Bord eines Kriegsschiffs vor Danzig.

54

26. Januar. Der größte Teil Ostpreußensist vom Reich abgeschnitten oder erobert.Auch der Dönhoff-Treck, obwohl er demKessel entronnen ist, verliert den Mut. Re-signiert kehrt das Völkchen um – lieberzurück zu den Russen als im Schneesturmerfrieren. Nur die Gräfin wendet ihr Pferdnach Westen und reitet weiter, durch die eisige Nacht Richtung Weichsel.

DIE FLUCHT ÜBERS EISDen Ostpreußen bleibt nur noch der Wegübers Wasser. Von Königsberg ist einschmaler Streifen zum rettenden Hafenvon Pillau frei geblieben, wo nun die erstengroßen Flüchtlingsschiffe beladen werden.Für die meisten führt der Weg zur Küste zuFuß übers zugefrorene Frische Haff, daszwischen Königsberg und Danzig wie einRiegel vor Ostpreußen liegt – von der Ost-see nur mehr durch einen schmalen Land-streifen, die Frische Nehrung, getrennt.

Für Zigtausende ist das der einzige Wegin die Freiheit.

Heiligenbeil am Haff: das letzte Mal fes-ter Boden unter den Füßen. Von hier geht’saufs Eis. Auf dem neuen Friedhof wer-den täglich um halb drei die eingesam-

d e r s p i e g e l 1 3 / 2 0 0 2

melten Erfrorenen begraben, durch-schnittlich sind es 50, die in Papiertütenden letzten Segen bekommen. Särge sindkeine mehr da.

Wieder so ein strahlender Wintertag.Das Weiß der riesigen Eisfläche schneidetins Auge. 20 Kilometer lang ist der Wegübers Haff. Er ist von Soldaten mitBäumchen markiert worden, doch diebraucht es bald nicht mehr. Stattdessensäumen Erfrorene, die einfach liegen blei-ben, tote Tiere oder zerschmetterte Wa-gen den Pfad – und Eislöcher.

Mehrere Wagen sind eingebrochen,Menschen und Pferde im schwarzen Was-ser einfach verschwunden. Die endlose Ka-rawane macht kleine Kurven um solcheStellen.

Eine schaurige Flucht. Der Himmel amHorizont schimmert blutrot und violett –das sind die von den Russen bereits er-reichten brennenden Städte. Nachts wird

es zwar noch kälter, aber dafür können diefeindlichen Flieger die Marschkolonnenicht ausmachen. Die Wasserfontäne, dietagsüber hochspritzt, wenn eine Bombedas Eis durchschlägt, ist weithin zu sehen.

Eine Abiturientin aus Lyck in Ost-preußen war mit Mutter und Schwester un-terwegs: „Das Eis war brüchig. Stellenwei-se mussten wir uns durch 25 Zentimeterhohes Wasser hindurchschleppen. MitStöcken tasteten wir ständig die Fläche voruns ab. Bombentrichter zwangen uns zuUmwegen. Häufig rutschte man aus undglaubte sich bereits verloren. Aber die To-desangst vertrieb die Frostschauer, die überden Körper jagten.“

Die Tieffliegerangriffe der Roten Armeeauf die wehrlosen Flüchtlinge, deren dunk-

Page 8: „Vater, erschieß mich!“ - DER SPIEGEL

Danzig

POMMERN

SCHLESIEN

aus dem Ostentische Offensive Anfang 1945

OST-PREUSSEN

SCHLESIEN

Küstrin

KolbergPOMMERN

Stettin

Bornholm

Breslau

Oppeln

Krakau

Bromberg

Warschau

Memel

nland

Evakuierung deutscherFlüchtlinge über die Ostsee

RK

CHWEDEN

tverlauf Anfang Januar 1945

richtung der sowjetischen Streitkräfte

tverlauf Anfang Februar 1945

zverlauf von 1937

Prag

Posen

H-

Danzig

Oder

Oder

Nei

sse

Königs-berg

DD

EU

TS

CH

ER

VER

LAG

ZUSAMMENGESCHOSSENER FLÜCHTLINGSWAGEN: Symbol sowjetischer Kriegsverbrechen

Titel

VorstoßDie sowje

Rügen

Berlin

Sudete

DÄNEMA

S

Fron

Stoß

Fron

Gren

DEUTSCLAND

le Leiber sich von dem verschneiten Eiswie Schießbudenfiguren abheben, habendas Haff zum Symbol sowjetischer Kriegs-verbrechen werden lassen. Als der Frühlingkam und das Eis brach, schwemmte dasWasser Tausende von Körpern an denStrand.

Fluchtpunkt Pillau: Das Hafenstädtchenan der Nehrung zeigt sich diesem An-sturm durchgefrorener Eiswanderer nichtgewachsen. Am 26. Januar ist dort auchnoch die Munitionsfabrik in die Luft ge-flogen und hat weite Teile der Stadt ver-wüstet. Am Hafenkai steht unverrück-bar eine Menschenmauer und wartet auf eine Schiffspassage. Wer in demGedränge ins eisige Wasser fällt, hat kei-ne Chance mehr.

Für Sonntag, den 28. Januar, werden8000 Flüchtlinge erwartet, es kommenaber 28000, viele per Schiff ausdem nahen Königsberg. DieKriegsmarine bringt die Men-schen provisorisch in Kasernenunter.

Wenn Boote anlegen, umPassagiere für die großen Schif-fe aufzunehmen, die auf derOstsee liegen, gibt es regel-mäßig ein Chaos am Kai. Frau-en werfen ihre Kinder den Ret-tern ins Wasser entgegen, nurum wenigstens ihnen einenPlatz zu sichern – und damitsie an Land nicht totgedrücktwerden.

Am Abend dieses Tages lässt Gauleiter Koch bei denBehördenchefs in Königsbergeine Losung durchrufen: Amnächsten Vormittag sei Dienst-besprechung in Fischhausen.Die Ortschaft liegt auf derStraße nach Pillau. Es handeltsich um einen verdecktenFluchtbefehl.

Danach gibt es kein Haltenmehr. Bald drängen Tausendedurch den Schneesturm überdie Straße nach Fischhausen.Nahe der Ortschaft Metgethen– ein Name, der später kaumminder bekannt wird als Nem-

56

mersdorf – fallen sowjetische Soldaten über die Flüchtlinge her und richten einBlutbad an.

Der Arzt Graf Lehndorff ist in Königs-berg zurückgeblieben und schreibt in seinTagebuch: „Wo man hinhört, überall wirdheute von Cyankali gesprochen, das dieApotheken freigiebig in jeder Menge aus-teilen. Dabei steht die Frage, ob man über-haupt dazu greifen soll, gar nicht zur De-batte. Nur über die notwendige Mengewird verhandelt, und das in einer leichten,nachlässigen Art, wie man sonst etwa überdas Essen spricht.“

Am Tag darauf umringen russische Trup-pen die Stadt. Königsberg, das etwa noch100000 Menschen in seinen Mauern be-herbergt, ist abgeriegelt.

Dieser furchtbare Januar. „Mein Gott,wie wenige in unserem Lande hatten sich

d e r s p i e g e l 1 3 / 2 0 0 2

das Ende so vorgestellt“, notierte nach ih-rer Ankunft im Westen Gräfin Dönhoff,die um diese Zeit irgendwo durch die Käl-te reitet: „Das Ende eines Volkes, das aus-gezogen war, die Fleischtöpfe Europas zuerobern und die Nachbarn im Osten zu un-terwerfen.“

Das Ende? Es wird noch dauern.Am 30. Januar versinkt die „Wilhelm

Gustloff“ mit annähernd 10000 Flüchtlin-gen und Soldaten auf dem Weg nach Wes-ten in der Ostsee. Und am Strand nahe Pil-lau, wo trotz dieser Nachricht immer mehrMenschen auf immer neue Schiffe klettern,ist wenige Stunden später ein makabresFeuerwerk zu besichtigen.

Das ist die Leuchtmunition von SS-Leu-ten. Sie brauchen Licht, um 3000 Häftlin-ge in der Dunkelheit am Strand zu er-schießen. Die Opfer, meist Frauen, kom-men aus dem KZ Stutthof. In Pillau, hatteman ihnen vorgegaukelt, würden sie aufSchiffe verladen. Nun umspült das gleicheOstseewasser ihre Leichen und die der„Gustloff“-Passagiere.

Der Westen – das ist nicht nur die ver-heißungsvolle Richtung deutscher Opfer,sondern auch deutscher Täter. Unter dieFlüchtenden reihen sich immer wieder be-sondere Trecks – abgezehrte Gestalten inschmutzig grauen Häftlingslumpen: Die SSräumt ein KZ nach dem anderen.

Todesmärsche werden die Elendszügegenannt, weil die SS-Männer Tausende er-schossen und erschlagen am Straßenrandzurücklassen.

Anfang Februar gab es dannkein deutsches Ostpreußenmehr. Von winzigen Zipfeln ab-gesehen, war der Vorposten desReiches im Osten fest in sowje-tischer Hand. In Oberschlesienbegann nun erst die Flucht ausden Dörfern. Viele Menschenversuchten Sachsen zu errei-chen, andere zogen in Panikübers Riesengebirge in die Su-deten und wurden dort Opferder ersten von den Tschechen inGang gesetzten Vertreibungen.

Wohin noch fliehen? Wasauch immer die Deutschen aufden Straßen unternahmen, wo-hin sie sich auch wandten – sieerlebten sich als Gejagte. AlsOpfer der Kälte, der Rotarmis-ten, der SS oder zuletzt derTschechen.

Gab es denn keine Macht,keinen Mächtigen, der diesemElend ein Ende hätte machenkönnen?

Keinen. Es war ja Krieg.Noch drei Monate lang, biszum 8. Mai, würde noch weitergestorben, geschossen, ge-bombt.

Am 7. Februar findet dievierte Vollsitzung der Konfe-

Page 9: „Vater, erschieß mich!“ - DER SPIEGEL

EIER SOWJETISCHER SOLDATEN IN OSTPREUSSEung der Propaganda unterschätzt

AUF DER KONFERENZ VON JALTA*ung Europas unter Palmen

renz von Jalta statt. Die ent-scheidenden Männer der USA,Englands und der Sowjetunion,Franklin D. Roosevelt, WinstonChurchill und Josef Stalin, sit-zen da unter Palmen beisam-men, um über die NeuordnungDeutschlands und Polens nachdem Sieg der Alliierten zu spre-chen.

Churchill greift dabei einenKernpunkt eher beiläufig auf.Die Engländer, sagt er, würdenüber eine Massenaussiedlungaus dem Osten vielleicht scho-ckiert sein, er selbst aber nicht.Stalin bemerkt, die meistenDeutschen seien ja sowieso be-reits vor der Roten Armee ge-flohen. Darauf der Brite: Dasvereinfache die Sache natürlich.

An der Ostseeküste bahntsich das nächste Drama an. InPommern herrscht noch im-mer Fluchtverbot, und die Räu-mungspläne – Codenamen „Re-gen“ und „Hagel“ –, die etwaim Kreis Deutsch Krone endlichrealisiert werden sollen, bleibenauf Geheiß Himmlers bis fastzuletzt in den Schubladen. EinReferent meldet dem zuständi-gen Landrat, dass der Reichs-führer SS den Befehl über dieHeeresgruppe Weichsel persön-lich übernommen hat – zur Be-sorgnis kein Grund.

Wenige Tage später wird derKreis in letzter Minute dochnoch geräumt. Russische Panzer schneidendann alle Wege nach Westen ab.

Die Schlinge um die Flüchtlinge ist ge-legt, und langsam zieht Stalin zu. RichtungNorden, an die Ostseeküste, in den Hafenvon Kolberg, der Hansestadt, fliehen dieMenschen. Kolberg – hier hatten preußi-sche Truppen einst gegen Napoleon aus-geharrt; Goebbels hatte darüber rasch nocheinen berüchtigten Propagandastreifen dre-hen lassen. Doch die Geschichte wiederholtsich nur selten, dieses Mal fällt die Stadt.

Die Angst vor den Rotarmisten lässt dieMenschen in den großen Kesseln an derKüste sogar Richtung Osten, also wiederzurück nach Westpreußen irren – solangenoch die Hoffnung besteht, von dort ir-gendwie wegzukommen.

Seit dem 7. März wird nun auch in Pom-mern den Apothekern nahe gelegt, Gift anFrauen rezeptfrei abzugeben – und zwargroßzügig. Wozu noch Vorräte horten,wenn morgen die Welt untergeht?

Ausgerechnet Pommern und West-preußen, diese kargen Gebiete, die demspröden Menschenschlag dort nie viel zubieten hatten, werden zur Hoffnung. Dennvon hier, von Danzig, von Gotenhafen, vonKolberg gehen die rettenden Transporteab, die Zehntausende nach Westen bringen

SIEGESFDie Wirk

SIEGER Neuordn

60

– bis die Städte nacheinander der RotenArmee anheim fallen wie Steine in einemDominospiel.

DAS VERSAGEN VON DÖNITZBis zuletzt unbesetzt bleibt in der DanzigerBucht lediglich eine schmale, vorgelagerteLandzunge, die von Westen her wie einBlinddarm ins Ostseewasser reicht. Da, woder Darm spitz endet, liegt Hela, ein Ha-fenstädtchen, das für Tausende und Aber-tausende bis in den Mai hinein ein Ort derHoffnung ist.

Und es kommen tatsächlich Schiffe. Siesammeln sich außerhalb der DanzigerBucht, werden zu Geleitzügen zusammen-gestellt und fahren bei Einbruch derDunkelheit, gesichert von Einheiten derKriegsmarine, ohne Licht und Funkver-kehr in den Hafen.

Gut eine Million Menschen versuchtenin den letzten Kriegsmonaten, über die Ostsee den Westen zu erreichen. Einegroßartige Leistung in all dem Jam-mer, so scheint es – und so verbreiten es auch später Großadmiral Karl Dönitz,Hitlers Nachfolger in den letzten Tagen des Dritten Reiches, und seine Helfer.

* Winston Churchill, Franklin D. Roosevelt, Josef Stalin.

d e r s p i e g e l 1 3 / 2 0 0 2

Die Rettung der Flüchtlinge seisein „vordringliches Anliegen“gewesen.

Doch gerade Dönitz zögerteviel zu lange, die knappenBrennstoffvorräte für die Flottezur Evakuierung der Menschenfreizugeben. Hätte er schonfrüher die ja durchaus vorhan-denen Kapazitäten eingesetzt,so der Historiker HeinrichSchwendemann, „hätten sowohldie Bevölkerung als auch dieSoldaten aus den Kesseln an derOstsee vollständig abtranspor-tiert werden können“.

Statt der vielen Kleinen set-zen sich die Großen ab; jene, diefür den Schlamassel die Verant-wortung tragen.

Am 27. April geht in Hela Erich Koch, ein fanatischerMenschenschinder, an Bord desEisbrechers „Ostpreußen“. AlsGauleiter in Ostpreußen ließ erbis zum Schluss alle Fluchtvor-bereitungen als Defätismus ver-folgen – die Russen, krakeelteKoch, würden niemals deut-schen Boden betreten.

Also war ihm seine eigeneFlucht so unangenehm, dass erdem Kapitän des Eisbrechersbefahl, die an Bord befindlichenZivilisten zurückzulassen. DochOstpreußen gab es nicht mehrund daher auch keinen Gaulei-ter. Der Kapitän weigerte sich,den großkotzigen Anweisungen

zu folgen. Der Statthalter des Führers, derdennoch heil über die Ostsee kam, nanntesich künftig Rolf Berger und wurde erst1949 von den Briten verhaftet.

Am letzten Tag des Krieges hisst Elisa-beth Erbrich, die einige Wochen zuvor miteinem gekochten Huhn in der Handtascheaus Breslau floh, in einem Dorf im Erzge-birge die weiße Fahne. Bis nach Sachsenhat es die Schlesierin geschafft – und nunziehen die Russen dort ein, die massenhaftvergewaltigen.

Die Häuser wurden geplündert. „Circa40 Mal“, wird sie später zu Protokoll ge-ben, „mussten wir in der Nacht am 7. Maidie Tür öffnen.“

Wenige Wochen danach befiehlt derkommissarische Bürgermeister allen Flücht-lingen, binnen kurzem in ihre Heimatzurückzukehren.

Folglich packt sie wieder den Handwa-gen und schlurft tagelang zu Fuß RichtungOsten durch die öde, verbrannte Früh-lingslandschaft.

Wie es „zu Hause“ aussieht, hat Elisa-beth Erbrich nie mehr erfahren. Auf derBrücke über die Neiße steht ein polnischerOffizier und erklärt ihr tonlos, dass dieGrenzen geschlossen sind.

Thomas Darnstädt, Klaus Wiegrefe

N

BPK

AKG