25. Ärzte- fortbildungskurs in klinischer onkologie 19. … · schwindel gleichgewichtsstörungen...

38
Burnout beim Onkologen: wie vermeiden? 25. Ärzte- Fortbildungskurs in Klinischer Onkologie 19.-21.02.2015 Kantonsspital St. Gallen/Schweiz Dr.med. Petra Moser

Upload: danganh

Post on 18-Sep-2018

213 views

Category:

Documents


0 download

TRANSCRIPT

Burnout beim Onkologen: wie vermeiden?

25. Ärzte- Fortbildungskurs in Klinischer Onkologie

19.-21.02.2015

Kantonsspital St. Gallen/Schweiz

Dr.med. Petra Moser

Workshop Inhalte

• Selbst-Einschätzungs-Test zu Burnout„Burnout als Selbsterkenntnis, nicht als Forschungsresultat“ (F.Jaggi, 2008)

• Burnout – Symptomatik • Salutogenese und Resilienz- Faktoren

Was kann man tun, bevor es zu spät ist?• Wie „Phoenix aus der Asche“ oder:

Wie geht es nach der Krise weiter, ohne inin die nächste „Falle“ zu geraten…

• Diskussion spezifischer Belastungen in der Onkologie und wie man ihnen begegnen kann

• Eine Fallgeschichte, die kein Einzelfall ist

ESMO 2014: >70% of Young Oncologists in Europe Suffer Symptoms of Burnout

– Oncology is an exceptionally rewarding career, but it can be demanding and stressful at times

– The survey has shown that burnout is a common, universal problem for young oncologists today

– Burnout could lead to serious personal consequences for the doctor such as anxiety, depression, alcohol or substance abuse and suicide.

– Doctors suffering burnout might also face professional consequences including challenges when it comes to delivering compassionate, high-quality patient care.

http://www.esmo.org/Conferences/ESMO-2014-Congress/Press-Media/More-Than-70-of-Young-Oncologists-in-Europe-Suffer-Symptoms-of-Burnout

Selbsteinschätzungs- Tests

Maslach- Burnout- Inventory 25 Fragen (mehrdimensionale Darstellung des Burnouts)

• Emotionale Erschöpfung (9 Aussagen)• Depersonalisierung (5 Aussagen)• Persönliche Leistungsfähigkeit (8 Aussagen)• Involviertheit (3 Aussagen, nur in deutscher Version

enthalten)

Zürcher Empowerment Programm:5-teiliger Fragebogen mit 137 Fragen

Burnout- Screening- Inventory (BSI) (Zürich)• Depersonalisation (3 Fragen)• Emotionale Erschöpfung (3 Fragen)• Persönliche Leistungsfähigkeit (3 Fragen)• Eine Aussage als spezifischer Hinweis auf Burnout

Problemfeld Burnout• Sozial- psychologische Perspektive

mit Analyse der Arbeitsbedingungen, persönlichem Umfeld und des Betroffenen

• Kollektive Veränderungen in unserer Gesellschaft speziell zum Thema Zeit, Revolution auf der Kommunikations-und Informationsverarbeitungsebene (Mehrarbeit trotz Zeitersparnis in einzelnen Arbeitsabläufen)

• Analyse intrapsychischer De-/Kompensationsvorgänge mit individuellen Stress- Bewältigungsmuster und Ressourcen

Burnout ist keine (psychische) Erkrankung, sondern einSymptomkomplex mit individuell gefärbter Ausprägung

Mögliche Burnout - Symptome

1. Psychische ErschöpfungszeichenSinkende ArbeitslustInnere Distanzierung („innere Kündigung“)Gefühl, wie in einer Falle eingeschlossen zu seinAusweglosigkeit Kreisende GedankenLeichte Reizbarkeit, destruktives KritikverhaltenGefühl zu versagenVerzweiflungGefühl von Sinnlosigkeit bis hin zu suizidalenImpulsen

Mögliche Burnout - Symptome

2. Sozialverhalten und geistiges Leben Progressive Verflachung mit RückzugsdenkenMangelnde Kreativität und Flexibilität

3. Psychosomatische/somatische BeschwerdenKopfschmerzenmuskuläre VerspannungenVerdauungsbeschwerden wie Übelkeit und KrämpfeSchwindel GleichgewichtsstörungenSchlafproblemeHöhere InfektanfälligkeitKraft- und EnergielosigkeitMangelnde Regenerierungsfähigkeit trotz freier Zeit

Mögliche langfristige Folgen von Burnout

• Depression mit oder ohne Suizidalität

• Suchtverhalten zur Stress- Kompensation(regelmäßiger Alkoholkonsum, steigend

• Verlust des sozialen Umfeldes durch zunehmenden Rückzug

• Arbeitslosigkeit (weder Mut noch Kraft, sich um neue Stellen zu bewerben)

Auslöser für Burnout…

• …Stress, der nicht mehr bewältigbarerscheint (äußere Stressoren wie Lärm,hoher Zeitdruck, innere Stressoren wie Gefühl von Überforderung)

• Persönlichkeitsmerkmale wiemangelndes Selbstvertrauen, Dysthymie, erhöhte Verletzlichkeit auf Enttäuschungensenken die Belastbarkeit, dadurcherhöht sich wiederum die Anfälligkeit fürStress…

Phasen der Burnout- Entwicklung

1. Zunehmende psychische Erschöpfungszeichen, dennoch Überengagement

2. Arbeitslust sinkt (innere Distanzierung)3. Versagensgefühle4. Aggressive Verhaltensweisen mit

destruktiver Kritik5. Psychosomatische Reaktionen

Burnoutauslöser (Arbeitsplatz)Drei Phasen der Stress- Bewältigung

1. Phase der Aktivierung des sympathischen Nervensystems (Adrenalin-, Noradrenalin- und Cortisolausschüttung) mit Schwitzen (Nachtschweiß), Zittern, Herzklopfen, Überkeit, Pollakisurie, Diarrhö, usw.Unproduktive motorische Überaktivität (Nägelknabbern,Kratzen am Körper, Zähneknirschen (nachts).Nervöser Redefluss und übersteigerter Konformismus

Überforderung, Angst und Burnout

Angst – stärkstes Gefühl, das über Aktivierung neuronaler Netzwerke des limbischen Systems, speziell der Amygdala, die im Hirnstamm angelegten Regelsysteme für die integrative Steuerung körperlicher Reaktionen und damit die Selbstheilungskräfte des Organismus zu stören vermag.Im Nebennierenmark wird Adrenalin und Noradrenalin vermehrt ausgeschüttet.Über die Hypothalamus- Hypophysen-Nebennierenrinden- Achse wird Kortisol stimuliert.Bei Dauerbelastung versagt die Rückkopplung, sodass ständig zu hohe Kortisol- Spiegel zu finden sind.

Neurobiologische Beschreibung bei traumatisierendem Erlebnis

Überaktivität

Amygdala

Stresshormone

rechte Hemisphäre

Hemmung

HippocampusBroca-Arealpräfrontaler Cortex

linke Hemisphäre

Burnoutauslöser (Arbeitsplatz)Drei Phasen der Stress- Bewältigung

2. Widerstandsphase(Blutzucker- Erhöhung, Schilddrüsenunterfunktion, Abnahme der SexualfunktionSchlafstörungen, Erschöpfbarkeit, Atembeschwerden (unspezifisches Gefühl von Luftnot), Kälteintoleranz,Schwindel, sekundäre Amenorrhoe, Potenzstörungen

3. ErschöpfungsphaseZusammenbruch der Infektabwehr, ausgeprägte funktionelle kardiale oder gastrointestinale Beschwerden

Aus der Psycho-Trauma- Forschung ist bekannt:Ausmaß der Traumatisierung hängt von demnoch vorhandenen Grad an Selbstwirksamkeit während des belastenden Ereignisses ab:Je geringer der Grad an Selbstwirksamkeit ist,umso höher das Ausmaß an Traumatisierung.

Auch allgemein gilt:Je höher der Grad an Selbstwirksamkeit,umso höher der Grad an Lebenszufriedenheit.

Gefahren für Burnout in der Onkologie

Grad der Selbstwirksamkeit sinkt durch

• immer größeren bürokratischen Dokumentationsaufwand

• Einfluss von Controlling und Verwaltungsleitung auf Personalschlüssel und damit Arbeitsverteilung wächst

• höheren Satz an Behandlungsfällen pro definierte Zeiteinheit, führt zu immer weniger zeitlicher Flexibilität und mehr Stress

• Viele komplikationsreiche Verlaufsformen mit drohendem letalem Ausgang, denn sie machen zeitliche wie inhaltliche Distanzierung (Abgrenzung) schwieriger

• gestresstes Gesamt- Team, das immer weniger offen kommuniziertund Pflege wie Ärzte sich gegenseitig eingespannt und fremd gesteuert fühlen

Salutogenese (Aaron Antonovsky)

Entscheidend für das Entstehen von Gesundheit des Leibes und der Seele ist das Kohärenzgefühl, das heißt Grundvertrauen und Verankertsein in einer Welt, die in sich sinnvoll ist. Kohärenzgefühl besagt, dass alles zusammengehört und zusammenhängt

Salutogenese (Antonovsky)

Was dient unserer seelischen und körperlichen Gesundheit?

• Überschaubarkeit und Erklärbarkeit der Lebenserfahrungen

• Balance zwischen Über- und Unterbelastung

• Teilhabe am Entscheidungsprozess

Onkologie und Salutogenese(Was den Menschen gesund hält) nach Aaron Antonovsky

Konsistenz (Überschaubarkeit und Erklärbarkeitder Lebenserfahrungen)

Um das individuelle Arbeitsfeld „überschaubar“ zu halten, muss

1 das Klinik- und Abteilungskonzept möglichsttransparent dargestellt sein,

2 die Arbeit im Team gut strukturiert und kommuniziertwerden und

3 die „Erklärbarkeit“, warum welcher Pat.wie diagnostiziert und behandelt wird, ableitbar sein,ebenso, wie auch formale Änderungen/Richtlinien etc.

Onkologie und Salutogenese

Teilhabe am Entscheidungsprozess

Wenn Assistenz- und junge Oberärzte zwarviel Versorgung von Patienten übernehmen, aber dann mit geringer Einflussmöglichkeit auf denBehandlungsstil und/oder –Plan angehalten sind,über Jahre die Routineversorgung zu gewährleisten,kann es schnell passieren, in ein Burnout zu geraten.

Teilhabe am Entscheidungsprozess geht Hand in Handmit der Zufriedenheit und Gesundheit am Arbeitsplatz.

Onkologie und SalutogeneseBalance zwischen Über- und Unterbelastung

Gefährdet sind meist junge ambitionierte Oberärzte,die ihre eigenen Belastungsgrenzen noch nicht gut genug kennen oder aber glauben, keine Grenzen haben zu dürfen:Wenn andere Oberärzte und der Chef der Abteilungsehr viel arbeiten, kommt leicht schlechtes Gewissen auf,wenn man eigenen Energiemangel spürt und nicht mithalten kann.

Wenn zu viele Ärzte auf einer Abteilung arbeiten, kann es sein, dass durch zu viel Routinetätigkeit und wenig berufliche Herausforderung es zur Unterforderung kommt, die sich negativ auf die körperliche und psychische Gesundheit auswirken kann.

Was dient der Genesung bei einem Burnout?Quellen körperlicher und seelischer Stärkung aufsuchen

Ressourcen- Anamnese bei Burnout-Gefährdung

• Was hat Ihnen in Ihrem Leben Freude gemacht, was hat Sie inspiriert?

• Welche Menschen haben Sie als unterstützend erlebt und durch was?

• Mit welchen Eigenschaften und Fähigkeiten haben Sie es geschafft, bisher erfolgreich gewesen zu sein bis zu dieser Krise jetzt?

Ressourcen - Anamnese

• eigene positive Lebenserfahrungen

• Beziehungen mit positiver und verlässlicher Bindungserfahrung

• Orte der Sicherheit und Geborgenheit

Ressourcen im Alltag

• Zeit für sich selbst• Entspannung • Familie und Freunde sehen• Hobbys• Natur• Spiritualität

Wie vermeidet man es, kraftlos zu werden?

Im Stationsalltag

Je stressiger die äußere Umgebung, umso aufmerksamer für sich selbst werden,auf Atmung, Spannungen im Körper achten

Nach jedem Patientenkontaktauf dem Gang tief durchatmen, sich strecken,dehnen, Schultern hochziehen und wieder fallen lassen

Zwischendurch langsam ein Glas Wasser trinken,Schluck für Schluck, ganz bewusst

Selbstwahrnehmung erhöhen!

Was dient der Genesung bei einem Burnout?

• Krankmachende (Arbeits-) Situation vermeiden durch Krankmeldung

• Psychische und physische Entlastung von Stressoren, die vom N.sympathicus gesteuerte Prozesse aktiviert halten und keine„Down- Regulierung“ durch Parasympathicus zulassen

Was dient der Genesung bei einem Burnout?

• Schutz- und Schonräume schaffen • Innere Ungeduld und sozialen Druck bewältigen lernen• Existentielle Ängste und Gefühle von Versagen, massive

Selbstentwertung mit „Coach“ oder in Psychotherapie aufarbeiten

• Was tat mir schon immer gut? (Ressourcenanamnese)• Welche Ereignisse gab es, die mich heute noch mit Stolz

und Freude erfüllen, wenn ich daran denke?

• Wer oder was war und ist hilfreich und unterstützend für mich?

Burnout und assoziierte Ressourcen

Emotionales Selbst- Management verbessern, indem persönlicher Ausgleich zur Arbeit regelmäßig stattfindet Sport, Musik machen, Freunde treffenImaginationstechniken

- Nachträgliche Selbst- Beelterung- „Innerer sicherer Ort“ aufsuchen

Reaktivieren der Selbstheilungskräfte

Die Stabilisierung all dessen, was die betreffende Person als ihr zugehörigbetrachtet, was in ihren Augen und aufgrund der bisher gemachten Erfahrungen für die Aufrechterhaltung ihrer Identität als wichtig, brauchbar und nützlich betrachtet wird. Es gibt einen Ich- Anteil der Inneren Stärke, der „mitgeboren“ wurde und aktiviert werden kann, wenn er gebraucht wird.

Ich – Anteil: Die innere Stärke

• Sie sagt, sie sei mit dem Klienten geboren• Die Innere Stärke spricht mit klarer,

sorgender und starker Stimme• Sie kann nicht entfernt oder verändert

werden, ihre Rolle kann erweitert werden• Die Innere Stärke hat eine Art Weisheit,

was das Ziel der Person betrifft• Es kann schwache und starke Energie

haben• Jeder hat eine Innere Stärke, auch wenn

diese nicht gleich hervortritt

Was dient dem Leben nach dem Burnout?

• Abgrenzungsfähigkeit erlernen• Die eigene Anerkennung der Lebensleistung• Nähe zu sich selbst, strafende Ich – Anteile

nicht mehr zulassen, sich selbst schützen und lieben lernen

• Die Liebe zum Leben und zu sich selbst neu entfachen und dem Werde- Prozess vertrauen zu lernen

Spiritualität

Die zunehmende Erkenntnis, selbst mehr zu sein als das Produkt des Körpers, befähigt uns, allmählich über die Jahre alles Leid, das der Leib- Seele- Geist-Einheit angetan wurde, aus einer höheren Ebene aus zu würdigen

Teil eines höheren Werde- Prozesses zu sein, schenkt Hoffnung

Meditation als Ressource

• Mit dem Nicht- Werten bildet Meditation einen Widerspruch zu den grundlegenden Funktionen des Gehirns als Bewertungs-und Sinn-Suchmaschine

• Durch Ent- Identifikation geschieht bewusste Zeugenschaft von allem was auftaucht in reizarmer, sicheren Situation(autonom ablaufende psychische Prozesse, „Reinigung“)

Aus Datenschutzgründen wurde das automatische Herunterladen dieses Bilds von PowerPoint gesperrt.

Psychotherapie auf dem Weg zur Heilung

Erfahrung einesBeziehungs- Raumes, in demdie Einheit von Körper, Geist und Seeleals ungespaltenes Ganzes ernst genommen und versucht wird,sie wiederherzustellen.

Die therapeutische Grundhaltung impliziert

stets den ressourcenorientierten Blick

auf das Gegenüber,

bei gleichzeitig vollkommener

Akzeptanz des Ausmaßes an „Verletzung“,

das im Verlauf der Therapie dem/der

Klient/in und Therapeut/in noch bewussterwerden kann.

ESMO report: Action needed

• First, recognise the extent and implications of the problem for the current and future generations of oncologists.

• “I believe as a profession, doctors have a duty to try and address this growing issue at all levels”

• “Burnout should not be stigmatised as a weakness. We need to support colleagues by focusing on recovery and prevention.”

• Strategies including promoting a philosophy of good work/life balance, having the opportunity to discuss stressful aspects of work as well as access to support services should be encouraged, she added.

• Achieving job satisfaction and enjoying being an oncologist is likely to have a positive impact in improving patient care, communication and relationships with colleagues.

Literaturverzeichnis

• Antonovsky, Aaron Unraveling the mystery of health. How people manage stress and stay wellSan Francisco 1987

• Ceh, Johann Entspannen jederzeit! mvg 1995 • Grün, Anselm Quellen innerer Kraft Herder 2009• Huber M. Der innere Garten

Junfermann 2005• Hüther G. Die Macht der inneren Bilder

Vandenhoeck & Ruprecht Göttingen 2004• Jaggi F. Burnout- praxisnah Thieme 2008• Jon Kabat- Zinn Im Alltag Ruhe finden

Fischer TB 4.Aufl. 2009• Reddemann L Imagination als heilsame Kraft

Pfeiffer bei Klett-Cotta Stuttgart 2004• Tolle, Eckart Jetzt! J. Kamphausen 2008