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Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit
Psychomentale Belastungen am Arbeitsplatz
Dr. Dipl. Psych. Peter Stadler
4. unterfränkische Fachtagung ArbeitsschutzWürzburg / 12.10.2010
Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit 2
Gliederung
Negative Folgen psychischer Belastungen
Ursachen psychischer Belastungen
Bedeutung und Ausmaß von psychischen Belastungen
Was sind arbeitsbedingte psychische Belastungen?
Verbesserung der psychischen Belastungssituation
Ausmaß von psychischen Belastungen
Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit 3
(Gesunde Arbeit NRW 2009)
Belastungen in der ArbeitsweltAusmaß von psychischen Belastungen
Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit 4
Beanspruchungsfolgen
(Gesunde Arbeit NRW 2009)
Ausmaß von psychischen Belastungen
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Ausmaß von psychischen Belastungen
Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit 6
Angaben zu Stress Rückenschmerzen Muskelschmerzen
Kein Stress
Stress
Total
11,2 %
23,8 %25,6 %
9,1 %
71,1 % 68,4 %
Rücken- und Muskelschmerzen in Abhängigkeit von berichtetem Stress
Vierte European Work Conditions Survey (2005)!
Ausmaß von psychischen Belastungen
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Ursachen für steigende psychische Belastungen
! Verlagerung der Arbeitsanforderungen vom körperlichen in den psychischen Bereich
! Siegeszug der Informations- und Kommunikationstechnik
! zunehmende Automatisierung; dabei auch einseitige undverarmte Resttätigkeiten
! Arbeitsverdichtung
! Zuwachs der Dienstleistungsberufe
! Flexibilisierung der Arbeit (Zeit, Ort, Aufgaben, …)
! Druck des Arbeitsmarktes
Ausmaß von psychischen Belastungen
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Psychische Beanspruchung (DIN EN ISO 10075 Teil 1):
„die zeitlich unmittelbare Auswirkung der psychischen Belastung im Individuum in Abhängigkeit von seinen jeweiligen überdauernden und augenblicklichen Voraussetzungen, einschließlich der individuellen Bewältigungsstrategien“
Psychische Belastung (DIN EN ISO 10075 Teil 1):
„die Gesamtheit aller erfassbaren Einflüsse, die von außen auf den Menschen zukommen und psychisch auf ihn einwirken”
Normenausschuss Ergonomie im DIN Deutsches Institut für Normung /Europäisches Komitee für Normung (CEN)
Was sind arbeitsbedingtepsychische Belastungen?
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Psychische Ermüdung,Stress ...
Aufwärmeffekt, Aktivierung Übungseffekt
Beeinträchtigende Effekte
Anregungseffekte Andere Auswirkungen
Mittelfristige und langfristige (positive und/oder negative) Folgen
Belastung
Beanspruchung
Individuelle Merkmale
(Erfahrung, Gesundheit, Alter)
Ressourcen
(soziale, organisatorische und personale Ressourcen)
Was sind arbeitsbedingtepsychische Belastungen?
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Definitionen
Psychische Fehlbelastung:
„Psychische Belastungen, die in ihrer Ausprägung mit hoher Wahrscheinlichkeit bei anforderungsgerecht Ausgebildeten zu Beeinträchtigungen des Wohlbefindens und der Gesundheit führen“ (LASI-LV 28).
Stress:
„Arbeitsbedingter Stress lässt sich definieren als Gesamtheit emotionaler, kognitiver, verhaltensmäßiger und physiologischer Reaktionen auf widrige und schädliche Aspekte des Arbeitsinhalts, der Arbeitsorganisation und der Arbeitsumgebung. Dieser Zustand ist durch starke Erregung und starkes Unbehagen, oft durch ein Gefühl des Überfordertseins charakterisiert“ (EU-Kommission).
Was sind arbeitsbedingtepsychische Belastungen?
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Psychische Belastungen am Arbeitsplatz
Psychosozial:
Belastungen durch zwischenmenschliche Beziehungen in der Arbeit
(Schnittstelle Mensch - Mensch in der Arbeit)
Beispiele: Konflikte mit Kollegen und Vorgesetzen, Mobbing
Psychomental:
Belastungen, die aus der Auseinandersetzung mitder Arbeitsaufgabe entstehen
(Schnittstelle Mensch - Arbeit)
Beispiele: Zeitdruck, Über- und Unterforderung, ständige Unterbrechungen
Was sind arbeitsbedingtepsychische Belastungen?
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Emotionale Belastungen
Beispiele:
Umgang mit Leid und Tod Anderer, psychische Traumatisierung, ständig persönliche Zuwendung zeigen müssen, Reklamationen von aufgebrachten Kunden entgegennehmen müssen…
Emotionsarbeit:
Arbeit, bei der ein Management der eigenen Gefühle erforderlich ist, um nach außen in Mimik, Stimme und Gestik ein bestimmtes Gefühl zum Ausdruck zu bringen
Emotionale Dissonanz:
Empfundene und demonstrierte Gefühle divergieren
Was sind arbeitsbedingtepsychische Belastungen?
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(modifiziert nach Oppolzer, 2009)
Psychische Belastungen:
Risikofaktoren
Arbeitsaufgabe /Arbeitsinhalt
Arbeits-organisation /
Arbeitszeit
Arbeits-umgebung / Arbeitsplatz
Soziale Beziehungen
Betriebliche Rahmen-
bedingungen
Moderierende Einflussfaktoren
der Person
Qual. / quant.Unterforderung /Überforderung / Zeit-und Leistungsdruck
Arbeitszeit (Dauer, Lage,Verteilung, Unterbrechung) / Schichtarbeit
Fehlende Pausen
Arbeitsorganisation (zu wenig Personal, Unterbrechungen, BehinderungenstarkeSchwankungen)
Physikalische, chemische, biologische Einflussfaktoren(Lärm …)
VertikaleBeziehungen(Führungsverhalten): wenig Unterstützung, Einbindung, Wertschätzung …
HorizontaleBeziehungen(Konflikte, Mobbing)
Beengte räumlicheVerhältnisse
Nicht ergonomischeArbeitplätze / Arbeitsmittel
Geringer Hand-lungsspielraum,keine Sinnhaftigkeit, Vollständigkeit, Durchschaubarkeit
Emotionale Inanspruchnahme(Dissonanz)
Arbeitsplatz-unsicherheit
Prekäre Beschäf-tigungsverhältnisse(Zeit-, Leiharbeit,befristeteBeschäftigung …)
Persönliche Ressourcen(Qualifikation, Gesundheit)
Individuelle Stressoren(Perfektionismus …)
Ungünstiges Bewältigungs-verhalten
Gratifikationskrisen
Ursachen psychischerBelastungen
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Kurzzeitig wirkende Fehlbeanspruchungen
Psychische Ermüdung
Zustand der Erschöpfung und Müdigkeit, der nach längererTätigkeitsdauer bzw. erhöhter
Schwierigkeit entsteht
Monotonie
Zustand der Langeweile und Interessenlosigkeit, der nach längerer Tätigkeitsdauer mit
wellenförmigen Verlaufeintreten kann
Psychische Sättigung
Zustand unlustbetonter Gereiztheit bei erlebter fehlender
Sinnhaftigkeit der Aufgabe
Stress
Zustand erregt-geängstigterGespanntheit, innere Unruhe sowie Sorge um Erfüllbarkeit der Aufgabe.
Das Aktivierungsniveau ist allgemein erhöht
Negative Folgen psychischer Belastungen
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Folgen von psychischen Fehlbelastungen und Stress
Ungünstige Belastungen können bewirken:
Unterforderung Qualifikationsverlust, Erleben von Monotonie,Desinteresse
Überforderung psychische Ermüdung bis hin zur Erschöpfung, Stress
Erleben von Restriktion, Einengung, Sinnverlust
psychische Sättigung,innere Kündigung, Aggressivität
Hohe emotionale Beanspruchung
Burn-out, psychische Störungen, Alkohol- und Medikamentenmissbrauch
Negative Folgen psychischer Belastungen
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- Konflikte ! Streit !
- Mobbing ! Aggressionen gegen andere !- Rückzug (Isolierung) innerhalb und
außerhalb der Arbeit !
Verhaltens-mäßig
- Leistungsschwankungen !- Konzentration "- Fehlhandlungen !- Koordinationsfehler !- Hastigkeit und Ungeduld !
Leistungs-mäßig
- Anspannung !- Nervosität !- innere Unruhe !- Frustration !- Ärger !- Erleben von Stress !- Ermüdung !- Monotonie !- Sättigung !
Psychisch
- psychosomatische Beschwerden und Erkrankungen !
- Unzufriedenheit !- Resignation !- Depressivität !- Burnout !- Nikotin-, Alkohol-,
Tablettenkonsum !- Fehlzeiten !
(Krankheitstage)- innere Kündigung !
- Ausschüttung von Cortisol und Adrenalin (Stresshormone) !
- Herzfrequenz !- Blutdruck !
Körperlich
mittel- bis langfristige, chronische Reaktionen
Kurzfristige, aktuelle Reaktionen
- Frühverrentungen !- Berufsunfähigkeit !- Fluktuation !
- Störfälle !- Qualitätsverluste !- Unfälle !
Wirtschaftlich(im Unternehmen)
(aus: LASI-Veröffentlichung LV 28)
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Schwerpunktaktionen der bayerischen Gewerbeaufsicht zur Optimierung der psychischen Belastungssituation der Beschäftigten
• Psychomentale Fehlbelastungen bei Busfahrern im Öffentlichen Personennahverkehr (2004)
• Psychomentale Fehlbelastungen in der stationären Altenpflege (2005)
• Psychische Fehlbelastungen im Rettungsdienst (2006/2007)
• Psychische Fehlbelastungen in vorschulischen Einrichtungen (2008)
Verbesserung der psychi-schen Belastungssituation
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Zu wenig Zeit für den einzelnen Bewohner
Belastung durch Dokumentationsarbeiten
Widersprüchliche Aufgabenziele
Zeitdruck, hohe quantitative Arbeitsbelastung
Körperliche Belastungen
Steigende Anforderungen an die pfleger. Qualität d. Arbeit
Geringe Bezahlung
Hohe Verantwortung
Mangelnde Anerkennung des Berufstandes
niedrig mittel hoch sehr hoch
Häufige ArbeitsunterbrechungenBelastung durch nörgelnde, aggressive oder verwirrte Bewohner Schicht-/ Wochenendarbeit, ungünstige Arbeitszeiten
Ständige Emotionsarbeit Konfrontation mit Leiden / Tod
Auseinandersetzung mit den Angehörigen
Konflikte mit Vorgesetzten / der Heimleitung
Konflikte mit Kollegen
Belastung durch Ansteckungsgefahr
Gewalt, körperliche Attacken
Was belastet Altenpflegekräfte am meisten?(Untersuchung der bayerischen Gewerbeaufsicht/ n=4447 Befragte)
Verbesserung der psychi-schen Belastungssituation
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Rechtzeitige und ausreichende Information
Zeitpuffer schaffen
Seminare zum Umgang mit aggressiven, verwirrten und dementen Bewohnern
Eindeutige Klärung von Zuständigkeiten
(Mehr) Unterstützung durch den / die Vorgesetzten
Kommunikations- und Konfliktvermeidungstrainings
Entlastung von fachfremden Aufgaben
Bessere Absprachen im Team
Seminare zu Entspannungstechniken und Stressbewältigung Supervisionsangebote für Pflegekräfte
Maßnahmen zur Verbesserung des Betriebsklimas
(Mehr) Mitsprache bei der Einteilung und Erledigung der Arbeitsaufgaben
Einrichtung von Gesundheits- / Qualitätszirkeln
(Mehr) Mitsprache bei der Erstellung des Dienstplans
niedrig mittel hoch sehr hoch
(Durchschnittswerte; n = 4328)
Von welchen Maßnahmenversprechen sich Altenpflegekräfte den größten Nutzen?(Untersuchung der bayerischen Gewerbeaufsicht/ n=4328 Befragte)
Verbesserung der psychi-schen Belastungssituation
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8,416Verbesserung des Informationsflusses
8,416Rückenschule
12,023Entlastung des Pflegepersonals von fachfremden Aufgaben (z.B. hauswirtschaftliche Tätigkeiten, Essensausgabe)
17,834Seminare zu Stressmanagement und Entspannungstechniken
18,335Optimierung der Arbeitsabläufe und des Arbeitszeitregimes zur Reduzierung des Zeitdrucks
19,938Besprechung u. Umsetzung der Ergebnisse der von Gewerbeärzten ausgewerteten Mitarbeiterfragebögen
27,252Seminare zum Umgang mit aggressiven, verwirrten und dementen Bewohnern
55,0105Festlegung konkreter Zuständigkeiten zum Thema „psychische Belastungen“ und Auswahl geeigneter Mitarbeiter
Relative Häufigkeit
in %
AbsoluteHäufigkeit
Zielvereinbarungselemente
Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit 21
9,1%12,1%78,8%34Seminare zu Stressmanagement und Entspannungstechniken
15,4%3,8%80,8%35Optimierung der Arbeitsabläufe/ des Arbeitszeitregimes zur Reduzierung des Zeitdrucks
13,3%3,3%83,3%38Besprechung und Umsetzung der Ergebnisse der von den Gewerbeärzten ausgewerteten Mitarbeiterfragebögen
10,0%14,0%76,0%52Seminare zum Umgang mit aggressiven, verwirrten, dementen Bewohnern
11,0%8,8%80,2%105Festlegung konkreter Zuständigkeiten zum Thema „psychische Belastungen“und Auswahl geeigneter Mitarbeiter
9,0%23,6%67,4%147Einbeziehung psychischer Belastungen in die Gefährdungsbeurteilung
nicht umgesetzt bzw. keine Rückmeld.
in Bearbeitung
/ Planung
umgesetzt
Stand der Umsetzung nach 6 Monaten:Häufig-keit
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http://www.hamburg.de/contentblob/117012/data/m41.pdf
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Informationen zu arbeitsbedingten psychischen Belastungen:www.lgl.bayern.de/Arbeitsschutz/Arbeitspsychologie
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Zusammenfassung / Fazit
• Psychische Belastungen in der Arbeitswelt und damit einhergehende Befindlichkeitsbeeinträchtigungen und Erkrankungen nehmen deutlich zu.
• Ob Belastungen krank machen, hängt von der Intensität, der Dauer und der Menge der Stressoren, zum anderen von den (organisatorischen, sozialen und personalen) Ressourcen sowie Coping-Strategien der Beschäftigten ab.
• Arbeits- und Organisationsgestaltung sind ein wichtiger Hebel zur Belastungsoptimierung. Stressprävention ist eine Organisationsaufgabe.
• Voraussetzung einer gezielten Belastungsoptimierung ist die Ermittlung der jeweiligen Belastungen an einem Arbeitplatz. Das bedeutet, psychische Fehlbelastungen im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung zu erheben.
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