bonner zinnfiguren 2004

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Bonner Zinnfiguren 2004

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Bonner ZinnfigurenFriedrich Giesler

PrivatoffizinPostanschrift: Friedrich Giesler, Kardinal-Galen-Weg 10, 53175 Bonn Tel.: 0228 - 31 65 98 Fax: 0228 35 06 596 Emailadresse: [email protected]

Katalog

(Stand: 23.08.2004)

BONNER ZINNFIGUREN Friedrich Giesler Kardinal-Galen-Weg 10 53175 Bonn

Seite 2

InhaltFahrzeuge .................................................................................................................................................................................................... 3 Denkmler und Architekturteile .................................................................................................................................................................. 5 Provinzialrmisches Opfer........................................................................................................................................................................... 6 Weinbau ....................................................................................................................................................................................................... 8 Rmische Kinderspiele.............................................................................................................................................................................. 11 Pflanzen und Tiere:................................................................................................................................................................................. 14 Vitrinenfigur The Miller ........................................................................................................................................................................... 15 Pachtzahlung in Gallien, 3. Jh. AD ............................................................................................................................................................ 16 Landwirtschaft im Land der Treverer und Mediomatriker ................................................................................................................... 16 Das Institut des Kolonats und Darstellungen der Pachtzahlung ........................................................................................................ 17 Schiffsverkehr und Hafenleben ................................................................................................................................................................ 21 Das Schiff des Blussus.......................................................................................................................................................................... 21 Der Tod des Archimedes, Syrakus 212 v.Chr........................................................................................................................................... 26 Franken, 3.-7. Jahrhundert n.Chr.............................................................................................................................................................. 29 Rmische Kataphraktenreiter, 4./5. Jahrhundert ................................................................................................................................... 32 Rmische Bestattung und Totenkult ........................................................................................................................................................ 35 Der Tod macht alle gleich aber nicht in Rom .................................................................................................................................... 35 Clades Variana (Die Niederlage des Varus, 9 n. Chr.) ............................................................................................................................. 41 Geographie Germaniens........................................................................................................................................................................ 41 Die rmische Germanienpolitik unter Augustus................................................................................................................................... 41 Die strategische Basis ........................................................................................................................................................................... 43 Die beteiligten Streitkrfte .................................................................................................................................................................... 43 Das germanische Aufgebot unter Arminius.......................................................................................................................................... 48 Der Verlauf der Ereignisse..................................................................................................................................................................... 56 Die Folgen .............................................................................................................................................................................................. 58 Die Zinnfiguren:...................................................................................................................................................................................... 59

Rekonstruktion eines Eques cataphractarius des 4./5. Jh. (s. Artikel auf S. 28) Zinnfiguren-Katalog (Die Figuren sind nicht mastblich abgebildet. Vervielfltigung nur mit Einverstndnis des Verfassers)

Friedrich Giesler, 1999

BONNER ZINNFIGUREN Friedrich Giesler Kardinal-Galen-Weg 10 53175 Bonn

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FahrzeugeOchsenfuhrwerk (PLAUSTRUM)(Bausatz fr plastisches Fahrzeug)Das PLAUSTRUM war der typische rmische Bauernkarren sehr primitiver Konstruktion: Zwei Lngshlzer und die Deichsel bildeten, durch Querhlzer verbunden, das Grundgestell. Unter den Lngshlzern waren zwei Achslager angebracht, in denen sich die mit den Scheibenrdern fest verbundene Achse drehte (was einen schrecklichen Lrm machte). An den Seiten befanden sich manchmal "Leitern", welche die Ladung von den Rdern fernhielten. Mittels eines Jochs, das ber der Deichsel lag, waren zwei Ochsen vorgespannt. Eine Illustration aus dem Werk Die Wagen und Fuhrwerke von der Antike bis zum 19. Jahrhundert nebst Bespannung, Zumung und Verzierung der Zug-, Reit- und Lasttiere von Johann Christian Ginzrot aus dem Jahre 1817 mag einen Eindruck dieses Bauernkarrens vermitteln:

Als ein solches primitives buerliches Transportfahrzeug ist auch die Zinnfigur konzipiert, nur da hier der Aufbau aus einem Holzgestell besteht.

Plaustrum von der Seite

Plaustrum im Schnitt

O 1: Zugochse

O 2: Treiber

Friedrich Giesler, 1999

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Maultierfuhrwerk (CLABULARE)(Bausatz fr plastisches Fahrzeug) Die Rekonstruktion beruht auf dem Studium antiker Quellen, vor allem der provinzialrmischen Reliefs und der Bodenfunde. Als Beispiel der Bildquellen mge hier die Abbildung des vierrdrigen Transportwagens von dem Denkmal der Secundinier in Igel bei Trier (Igeler Sule) stehen, die einen von drei Maultieren gezogenen Leiterwagen zeigt, der mit zwei Stoffballen beladen ist und soeben ein Stadttor verlt. Eine Rekonstruktion eines vierrdrigen rmischen Wagens findet sich bereits bei Johann Christian Ginzrot (1817).

Wagen von der Igeler Sule

In der Antike waren das Kummet und Sielengeschirr unbekannt; folglich gab es auch kein Anspannen mit Strngen. Die Tiere waren durch ein Joch mit der Deichsel verbunden und bten die Zugkraft darber aus. Diese Methode der Anspannung mit dem Halsjoch hatten die Rmer von den Kelten bernommen. Sie ist bestens belegt und wurde von J. Spruytte1 theoretisch und praktisch geklrt. Der hohe Sitz des Jochs erklrt sich durch das Fehlen des Hinterriemens. Die Wagen waren sehr klein mit geringem Radstand und einer Spurbreite von knapp einem Meter. Diese Wagen dienten dem Lasten- und Personenverkehr und waren auch bei der kaiserlichen Post eingesetzt. Je nach Beladung und Straenverhltnissen wurden zwei, drei, vier oder bis zu zehn Maultiere vorgespannt. Die Anspannung mittels Halsjoch war technisch ineffektiv und tierqulerisch, da den Tieren die Luft abgequetscht wurde. Daraus erklrt sich, da der Lastverkehr mittels Wagen in rmischer Zeit keine bedeutende Rolle spielte - trotz des hervorragenden Straensystems. Fr die Kaiserliche Post regelten Erlasse des 4. Jh., da eine Rhaeda (ein solcher Leiterwagen ) maximal mit 500 kg Gepck beladen werden durfte und da im Sommer maximal 8 und im Winter 10 Tiere (also 4 bzw. 5 Gespanne!) benutzt werden durften2. Der Kutscher sa auf dem Wagenboden, die Fahrgste auf Bnken oder Sthlen, und dahinter lag das Gepck.

CLABULARE

von der Seite und im Schnitt

1 2

J. Spruytte, Etudes exprimentales sur l'attelage. Contribution l'histoire du cheval, Paris 1977 vgl. Codices Theodosiani, libri XVI, VIII 5,8, 5,17, 5,28, 5,30 (Erlasse der Kaiser Valentinian, Valens, Gratian und Constantius)

Friedrich Giesler, 1999

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M 1: Muli 1

M 2: Muli 2

M 3: Kutscher 1

M 4: Kutscher 2

Denkmler und ArchitekturteileDie Serie besteht aus religisen Monumenten, Grabmlern und Architekturelementen fr den Dioramenbau. Dazu gehren eine Jupitersule mit Viergtterstein, ein Opferaltrchen, drei Soldatengrabsteine der zweiten Hlfte des 1. Jahrhunderts nach Christus und provinzialrmische Sulen.

I Jupitersule

II Altrchen

III Grabstele

IV Grabstele

V Grabstele

provinzialrmische Sule, gro (5 cm)

mittel (4 cm)

klein (3,5 cm)

Jupitersulen sind (in Teilen) in verschiedenen Gren in Stdten, Drfern, Tempelbezirken gefunden worden. Sie waren vom 1. bis ins 4. Jahrhundert verbreitet, solange Jupiter als der oberste rmische Staatsgott galt, also bis zur Einfhrung des Christentums als Staatsreligion. Typische Merkmale sind der "Viergtterstein" an der Basis, die geschuppte Sulentrommel und die bekrnende Figur, die den thronenden Gttervater darstellt. Der Viergtterstein zeigt Juno und Herkules (Rckseite) und Minerva und Merkur (Vorderseite). Das Monument war bunt bemalt. Als Farben kommen in Frage: Wei, Schwarz, Rot, Blaugrn, Gelb und Mischtne. Das Opferaltrchen ist mit zwei verschiedenen Seiten graviert, um so zwei verschiedene Versionen in einer Type zu vereinen. Es entspricht dem allgemein vorherrschenden Typus. Aufstellungsort ist vor einem Tempel gallo-romanischen oder rmischen Typs, vor der Jupitersule, in der Nhe heiliger Bume und dergleichen. Das Material ist roter Sandstein oder ockerfarbener bis weilicher Kalkstein. Im Mittelfeld ist eine Inschrift in roter (bzw. schwarzer) Farbe angebracht (Vorbilder finden sich in Museumskatalogen1). Die Oberseite mte rauchgeschwrzt sein, da auf dem Altar das Opferfeuer entfacht wurde.

1

z.B. in: Phillip Filtzinger, Hic saxa loquuntur - Hier reden die Steine, Limesmuseum Aalen

Friedrich Giesler, 1999

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Die beiden Figuren lassen sich mit der Opferserie ergnzen. Gut geeignete weitere Figuren gibt es beim Rheinland-Verlag2 und bei Dangelmaier3. Die Soldatengrabsteine stellen drei wichtige Grundtypen von Militrgrabsteinen dar: einen Legionarsgrabstein, der den Verstorbenen im Lageranzug mit Pilum zeigt (V) einen Alenreitergrabstein des sogenannten Klinen-Typs, bei dem der Verstorbene oben auf einer Kline liegend beim Mahl dargestellt ist, whrend in einem unteren Bildfeld sein Calo das gerstete Pferd bereithlt (III) einen Alenreitergrabstein des sogenannten Reiterkampf-Typs, bei dem der Tote im Galopp mit geschwungener Lanze einen gefallenen Barbaren berreitet (IV) Alle diese Grabsteine standen an Straen im Vorfeld von Legions- und Alenreiterlagern an der Rheingrenze (zwischen Nordsee und Mainz) im 1. Jahrhundert. Auch sie waren bunt bemalt (mit Wei, Schwarz, Rot, Blaugrn, Gelb und Mischtnen), und sie trugen eine rotbraun ausgemalte Inschrift (die man sich am besten in Museen oder aus Katalogen kopiert4). Die provinzialrmischen Sulen wurden nach Vorbildern aus Schwarzenacker gezeichnet. Sie sind fr Arkaden, Peristyle, Portici, gallo-rmische Umgangstempel und dergleichen gedacht Die Basen und Kapitelle waren vermutlich farbig gefasst. Die groen Sulen (noch nicht erschienen) bestehen aus zwei Teilen: dem Schaft und einem Kapitell, die mittels eines Klebers zusammengefgt werden. Es gibt zwei Formen von Schften, mit und ohne Kannelierung. So lassen sich die verschiedenen rmerzeitlichen Sulen und Pilaster darstellen. Die Kapitelle umfassen ein ionisches und ein korinthisches, die auch fr griechische bzw. hellenistische Bauten verwendbar sind, sowie eine rmische Form eines korinthischen Kapitells, nach einem Muster vom Kapitolstempel, und ein rmisches Kompositkapitell. Auch diese Kapitelle waren wohl farbig bemalt.

Provinzialrmisches Opfer

RO 2

RO 1a

RO 1

RO 3

RO 4

RO 5

RO 6

Zeichner: Ulrich Lehnart, Graveur: Hans-Georg Lecke

Das Opfer war ursprnglich die Kulthandlung rmischer Religionsausbung, wobei es von Beginn an unblutige und blutige Opfer gab. Bei den unblutigen Opfern wurden Nahrungsmittel, Wein und Mahlzeiten, Blumengebinde und Krnze, Kerzen, Weihrauch oder Geld dargebracht. Bei den blutigen Opfern wurden den Gttern Tiere geschlachtet, am hufigsten Schweine, bei wichtigen Staatsopfern daneben auch Schafe und Rinder (SUOVETAURILIA5). Diese Opfer sind hufig auf Denkmlern dargestellt. Der das Opfer Ausfhrende ist entweder der Kaiser selbst, wenn es sich um Staatsopfer handelt, Rechtsvertreter von Gemeinden und Krperschaften, wenn sie in deren Interesse handelten, oder aber der Hausherr (PATER FAMILIAS) als Rechtsvertreter der Hausgemeinschaft, wenn das Opfer fr diese dargebracht wurde. So tritt z.B. in einer Opferszene fr die Gttin VAGDAVERCUSTIS in Kln ein Prtorianerprfekt TITUS FLAVIUS CONSTANS als Opfernder auf, oder in einer anderen Darstellung aus Bonn ein CAIUS CANDIDINIUS VERUS beim Opfer an die MATRONES AUFANIAE (einheimische Muttergottheiten), der im Text des Weihesteins als "DECURIO COLONIAE CLAUDIAE ARAE AGRIPPINENSIUM", also als Stadtrat von Kln, benannt wird. Aus den Empfngern der Opfer, den Namen der Opfernden und den Darstellungen kann man sehen, da auch einheimischen keltisch-germanischen Gottheiten von Rmern im rmischen Ritus geopfert wurde. Dies zeigt die religise Toleranz der Rmer. Der benutzte Ritus sah beim blutigen Opfer, welches die Serie darstellt, folgendermaen aus: Es begann mit einer Vorspende von Weihrauch. (Dies ist die in der Serie dargestellte Handlung.) Dazu trat der Opfernde mit verhlltem Haupt (CAPITE VELATO) an das Opferaltrchen oder einen besonderen Weihrauchaltar (ARA TURICREMA), entnahm dem Weirauch2 3 4 5

Rheinland-Verlag Kln, - Zinnsortiment -, Abtei Brauweiler, 50259 Pulheim Wilfried Dangelmaier, Bietigheimer Str. 26, 71522 Backnang-Heimingen am besten aus Kln oder Mainz Das Wort ist zusammengesetzt aus Sus (Schwein), Ovis (Schaf) und Taurus (Stier).

Friedrich Giesler, 1999

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kasten (ARCA TURALIS, ACERRA), den ein Opferdiener (CAMILLUS) bereithielt, mehrere Krner Weihrauch (TUS) und streute sie in die Flammen (LIBAT ACERRAM), dabei trug er im Sprechgesang ein getragenes Opferlied (SPONDALIUM) vor, wobei ihn ein Musiker (SPONDAULES, TIBICEN) auf einer Doppelflte (TIBIAE) begleitete. Die Musik hatte auch den Zweck, strende Gerusche zu bertnen, die das Opfer ungltig machen konnten. Kam es doch darauf an, den Ritus peinlich genau, ohne Fehler durchzufhren, um sich so die Gottheit zu verpflichten. Denn die Rmer faten den Gottesdienst als einen Rechtshandel auf, nach dem Prinzip des "DO UT DES" (bersetzt: Gib, damit dir gegeben wird.). Die Leistung des Opfernden forderte gleichsam die Gegenleistung der Gottheit rechtsverbindlich heraus - es sei denn, die Opferhandlung wre fehlerhaft gewesen. Gottesdienst war fr die Rmer also ein rechtlich geregelter Verkehr mit Gott oder Gttin. An das Weihrauchopfer schlo sich ein Trankopfer (LIBATIO) von Wein oder Milch an. Ein anderer Opferdiener reichte dem Opfernden einen kleinen Teller (PATERA), den er bereitgehalten hatte, und go aus einem Tonknnchen mit engem Hals (GUTTUS) etwas von der Flssigkeit darauf. Unter Absingen weiterer erforderlicher Gesnge go der Opfernde nun etwas davon in die Flammen. Damit waren die Vorspenden abgeschlossen. Jetzt trat der Opferschlchter (CULTRARIUS) in Aktion, der in der Nhe mit dem Opferschweinchen bereitgestanden hatte. Je nach Art und Zweck des Opfers hie das Opfertier HOSTIA, wenn es zur Shne geschlachtet wurde, oder VICTIMA, wenn es zum Dank fr eine erwiesene Wohltat geopfert wurde. Der Opferschlchter, und nicht der Opfernde, nahm nun das eigentliche Opfer vor: Er zog sein Opfermesser (CULTER), der Opfernde hielt das Tier an den Hinterbeinen, und der CULTRARIUS schnitt dem Tier die Kehle auf und nahm es aus. Leber, Galle, Lunge und Herz wurden als Brandopfer auf dem Altar verbrannt, der Rest des Fleisches wurde gekocht und selber verzehrt (Die Rmer waren eben praktisch denkende Leute!) Mit der kleinen Zinnfigurenserie kann ein solches Opfer in der Provinz dargestellt werden. Das Opfer findet vor einem Tempel statt, in Frage kommt ein Tempel rmischer Bauart oder ein gallo-rmischer Umgangstempel. Der Opfernde (RO 1) ist je nach Bemalung ein rmischer Amtstrger oder auch ein rmischer oder romanisierter Privatmann, da er TUNICA und TOGA trgt. Der dargestellte Augenblick ist der Anfang des Opfers: Auf dem Altrchen (RO 1a) ist bereits das Feuer entzndet, der Opferdiener mit dem Weirauchkstchen (RO 2) steht daneben und der TIBICEN (RO 4) in einheimischem Kittel spielt aus voller Lunge. Etwas abseits stehen der Diener mit GUTTUS und PATERA (RO 3), ein Begleiter des Opfernden in gallischem Cape (RO 5) und der CULTRARIUS TENENS PORCULUM, der Opferschlchter, der das Schweinchen hlt (RO 6). Zur Ergnzung der Umgebung stehen noch ein Altrchen (II) und eine Jupitersule (I) aus der Serie "Baudenkmler" zur Verfgung. Weitere Figuren zu rmischen Opfern findet man im Programm des Rheinland-Verlages (O 1 ff.) Kulturhistorisch ist die Serie vielleicht nicht uninteressant, scheint doch rmisches religises Denken die antiken Gtter und Gttinen berlebt zu haben und in das Christentum eingedrungen zu sein.

BemalungsangabenRO 1TOGATUS LIBANS TUSCULUM (Weihrauch opfernder Togatrger) Kleidung weie Wolle, TUNICA mit breitem purpurnen CLAVUS (Das ist ein Streifen der vom Halsausschnitt zum Saum luft, man sieht ihn oberhalb des Togabausches; er war Abzeichen des senatorischen Rangs.), TOGA mit purpurrotem Rand; Schuhe rot (bei dieser Bemalung handelt es sich um einen Mann von senatorischem Rang. Wenn man den Purpur weglt und die Schuhe schwarzbraun malt, hat man einen einfachen rmischen Brger in offizieller Tracht.)

Friedrich Giesler, 1999

BONNER ZINNFIGUREN Friedrich Giesler Kardinal-Galen-Weg 10 53175 Bonn RO 1a

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ARA (Opferaltrchen) Stein weilich-beige, hlzerner Feuersto mit orangerot-gelben Flammen; im Mittelfeld eine rote Weiheinschrift; sie knnte so lauten:

I.O.M PRO.SALUTE.DOMI N.IMP.OCTAVIANI L.PETRONIVS.TER V.S.L.M RO 2 RO 3 RO 4 RO 5 RO 6

bersetzung:Dem Jupiter, dem Besten, Grten,(hat) L. Petronius Ter(tius) fr das Heil (seines) Herrn, des Kaisers Octavianus, (diesen Altar errichten lassen). Er erfllte sein Gelbde bereitwillig und nach Verdienst (des Gottes).

CAMILLUS PORTANS ACERRAM (Opferdiener mit Weihrauchkasten) TUNICA weiwollen; Schuhe schwarzbraun; Kasten hellbeige mit grauem Inhalt; Haare blond.

camillus portans guttum et pateram pro libatione (Opferdiener mit Trankopfer) Tunica weiwollen; Schuhe schwarzbraun; Patera bronzen, Guttus rotbraun; Haare rotblond. spondaules canens tibias (Doppelfltenspieler) Kittel rotbraun; Schuhe schwarzbraun; Flten hellbeige (Rohr); Haare dunkelblond. servus togati (Diener des Opfernden) Tunica weiwollen mit rostroten Streifen; Cape dunkelbraun; Schuhe schwarzbraun; Haare mittelbraun. cultrarius tenens porculum (Opferschlchter mit Ferkel) Tunica weiwollen; Schuhe schwarzbraun; Messerscheide (Rckseite) lederfarben; Ferkel grau-fleischfarben mit hellen Streifen wie ein Frischling; Haare mittelblond.

WeinbauIm Zentrum der Serie steht eine Baumpresse des 4./5. Jahrhunderts. Sie stellt ein Stck Technikgeschichte dar. Hervorgegangen ist die Maschine aus der einfachen Hebel- oder Wipppresse, wie sie schon griechische Vasenbilder des 5. Jahrhunderts v. Chr. zeigen. Ursprnglich wurde allein das Gewicht eines Baumstamms zum Auspressen des Pressguts (Weinbeeren oder Oliven) benutzt. Dieses wurde dann durch zustzliches Anhngen von Gewichten oder mit Seilwinden erhht. Die rmische Kelter ist eine technische Weiterentwicklung. Der Baumstamm wurde zwischen senkrechten Pfosten oder in einer Mauernische des Kelterhauses gelagert. Zwei weitere Pfosten dienten der Fhrung. Der Presskorb befand sich mglichst nah an der Lagerung (wegen der Hebelwirkung). An der Spitze des Baumstamms wurde, unter Ausnutzung einer Gabelung, eine Spindel angebracht, an deren unterem Ende ein frei in einer Grube stehender Kelterstein angebracht war. Durch Drehen der Spindel konnte man den Stamm anheben bzw. absenken und seine Hhe mit den eingeschobenen Hlzern regulieren. Fr den eigentlichen Pressvorgang konnte man den Kelterstein durch Drehen der Spindel anheben und so sein Gewicht, zustzlich verstrkt ber die Hebelwirkung, nutzbar machen. Die Keltersteine haben in der Regel ein Gewicht von 20 Zentnern; die gefundenen Steine sind mchtige quadratische oder rechteckige Blcke von 12 bis 50 Zentnern Gewicht. Ihr charakteristisches Merkmal sind schwalbenschwanzfrmige Nuten an zwei gegenberliegenden Seiten und eine kreisrunde Vertiefung auf der Oberseite. Mittels der Nuten wurde eine Holzkonstruktion befestigt, welche die in dem kreisrunden Loch laufende Spindel festhielt.

W 1 Rmische Baumkelter (Mit kleinen nderungen ist die Presse bis in die Neuzeit zu verwenden.)

Friedrich Giesler, 1999

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Die Zinnfigur beruht auf wissenschaftlichen Rekonstruktionen und einer erhaltenen lpresse gleicher Konstruktion aus der Provence (in Les Bouillons im Vaucluse-Hochland). Das 10 m lange Original ist aus einem einzigen Eichenstamm gearbeitet und wiegt sieben Tonnen. Untersuchungen der Jahresringe legen eine Datierung in Augusteische Zeit nahe. Die fr die Rekonstruktion interessantesten Details betreffen die Anbringung der Spindel am Kopf des Pressbaums. Man benutzte hier eine Gabelung des Baums als Auflage fr das Lager der Spindel. Das Lager besteht aus einem Holzklotz, der mittels versplinteter in sich beweglicher Eisenstbe mit dem Baum verbunden ist. So hngt die Spindel stets senkrecht und kann sowohl zum Senken wie auch zum Heben des Baums benutzt werden. Die Hhe der provenzalischen Presse ist sehr gering, was sich daraus erklrt, dass die Presskrbe zur Aufnahme der entkernten Oliven recht klein sind. Dadurch lastet das Gewicht auf einer kleineren Flche, was notwendig war, da Oliven einen hheren Pressdruck bentigen als Weinbeeren. Der Presskorb der Weinpresse ist grer, so dass die Konstruktion der Kelter entsprechend hher ausgelegt werden mute. Bei der Bemalung ist folgendes zu beachten: Fast die gesamte Kelter bestand aus Holz. Nur die Splinte am Kopf des Pressbaums waren aus Eisen. Der Presskorb steht in einem Becken aus verputztem Mauerwerk. Am Fu der Spindel sieht man den Kelterstein mit seiner Nut; er ragt nur zu etwa einem Drittel aus einer ummauerten Grube heraus, in der er sich auf und ab bewegen kann. Farben: Holz: Eichenholz wird mit zunehmendem Alter graubeige. Spritzer und Gebrauchsspuren sind angebracht. Die Spindel mu krftig geschmiert sein. Eisen: rostbraun. Einfassungen: ziegelrot und/oder weilich grau. Kelterstein: ein heller Ockerton oder roter Sandstein. Zum Einbau in eine historisch richtige Umgebung sind folgende Informationen hilfreich: Die ausgegrabenen Kelterhuser im Moselland scheinen zunchst recht unterschiedlich zu sein. Es gibt aber charakteristische Gemeinsamkeiten, die sich aus dem Produktionsprozess erklren. So findet man stets je ein Maische-, Pre- und Mostbecken. Der Vorgang wird von Gilles so beschrieben: [...] In den Maischebecken wurde das Lesegut gesammelt und mit den Fen zertreten. Nach dem Maischen wurde der Most in die Auffang- oder Mostbecken abgelassen und die zurckgebliebenen Traubenreste in die Krbe der Prebecken umgesetzt. Ein kurzzeitiges, wohl ein- bis zweitgiges Maischen der Trauben, war bei den damaligen Premethoden sicher ratsam, da durch das Maischen das Fruchtfleisch der Trauben erst erschlossen wurde und somit beim Prevorgang wesentlich ergiebiger war. ber den Prekrben bzw. becken war meist eine Baumkelter mit schwebendem Gegengewicht installiert. Am Kelterbaum hing an einer Spindel ein in der Regel bis zu 20 Zentner schwerer Gewichtsstein, der durch das Drehen der Spindel mittels einer Hebelstange angehoben oder auch abgesenkt werden konnte [...]. War der Stein angehoben, drckte dieser auf den Kelterbaum und prete die Maische im Korb so lange zusammen, bis der Stein wieder auf dem Boden auflag. Erneut wurde der Stein ber die Spindel angehoben [...]. Jener Vorgang wurde so oft wiederholt, wie der Inhalt des Prekorbes nachgab und der letzte auf diese Weise zu gewinnende Most in das Auffangbecken abgeflossen war. Der Vorteil einer Baumkelter mit schwebendem Gewicht bestand auch darin, da sie ohne den stndigen Einsatz von Arbeitskrften Tag und Nacht durcharbeiten konnte. Zudem war ein zweites Pressen nur mit Hilfe vergleichbarer mechanischer Keltern sinnvoll und mglich. Das Maische- und das Pressbecken lagen nebeneinander auf einer Ebene. Von dort flo der ausgepresste Saft in das etwas tiefer gelegene Mostbecken. Dieses war hufig mit Trittstufen versehen, damit man besser schpfen konnte. Gelegentlich gab es darin auch eine Schpfkuhle. Zuweilen fand sich auch die Mglichkeit, den Most durch verschiedene Abflsse zu getrennten Mostbecken nach Qualitt oder Sorten zu trennen. Nach Columella (De re rustica III, 21, 10) sollte der Charakter der Weine nicht vermischt werden, sondern jede Sorte solle in ein gesondertes Fa gebracht und getrennt gelagert werden. Die Kelterhuser waren zumeist eingeschossig. Nach antiken Abbildungen zu urteilen, waren sie hufig offen oder halboffen, was dem Dioramenbauer entgegenkommt. Die Nutzung beschrnkte sich im Jahr auf eine Zeitspanne von maximal acht Wochen. Man kann davon ausgehen, dass das Gebude in der brigen Zeit des Jahres anderweitig genutzt wurde, z. B. als Lagerraum fr Obst und Getreide oder um in den groen Becken Bindemittel, wie Weiden oder Stroh, oder auch Hanf zu weichen. In manchen Kelterhusern befand sich auch ein Fumarium. In diesen Rumen, die Columella beschreibt (De re rustica I, 6,20), wurde der Wein durch Zufhren von Rauch vorzeitig gereift. Der dabei entstehende Rauchgeschmack war jedoch ein meist unerwnschter Nebeneffekt. Martial und Plinius beklagten ihn insbesondere bei den gallischen Weinen (Martial, epigrammaton liber X, 36,1). In der Nhe der Mostbecken gab es oft Herde oder Feuerstellen, ber denen in groen Behltern der Most eingedickt oder vielleicht Federweier gefeuert wurde. Zur Bedienung der Baumkelter gibt es zwei Gehilfen, welche die Spindel mit Handspaken drehen.

Friedrich Giesler, 1999

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Seite 10

W2 Gehilfen, Spindel drehend

W3

W4 Kfer

W 5a rmerzeitliches Fass

W 5b Holzeimer

W 5c Amphore

W 5d W6 berlauf (Bastelteil) Bank mit abgelegten Tuniken

W7 W8 Maischender 1 Maischender 2 Zur weiteren Belebung der Szene gibt es einen Kfer, der einem Bottich trgt. Vorlage der Figur war ein Bronzefigrchen aus Schwarzenacker, das einen solchen Mann mit Lederschrze zeigt. Dazu kommen noch zwei Mnner beim Maischen (Traubentreten). Diese Typen sind als Kombinationsfiguren angelegt, um mehrere Varianten zu haben. Ein weiterer Kfer mit Weinheber und Becher und ein Gehilfe mit einer Schpfkelle ergnzen das arbeitende Personal. Ein Aufseher mit Amtsstab, sowie seine zwei Bucellarii vervollstndigen die Szene. Der Wagen mit dem Bottich wurde nach einem mosellndischen Relief rekonstruiert. Fsser waren eine keltische Erfindung. Vorlage der Zinnfigur waren Funde solcher rmischen Fsser, die sich als Brunneneinfassung erhalten hatten. In Caupona:

W 21 Musikant

W 22 Tnzerin

W 23 Tnzerin

Friedrich Giesler, 1999

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Seite 11

In caupona

Zum Thema Wein, Weib und Gesang habe ich im Rahmen meiner Weinbau-Serie drei Figuren von Unterhaltungsknstlern herausgebracht, zu denen ich mich von einem Wirtshaus-Mosaik aus Ostia habe inspirieren lassen. Ich habe den Synaulis-Spieler mit dem Quetschkommodenbass und die zwei tanzenden Knstlerinnen mit ihren Klanghlzern (cf. Kastagnetten) ziemlich genau von dem Mosaik bernommen, da ich mich, was die weiblichen Formen anbetrifft, die unter den durchsichtigen Gewndern sichtbar werden, nicht von der heutigen latent homophilen Mode des Ideals weiblicher Schnheit leiten lassen wollte. Die alten Rmer hatten da wie das Mosaik zeigt ganz andere Vorstellungen. Das Mosaik befindet sich heute im Vatikan-Museum allerdings ganz oben, fast unter der Decke angebracht, damit die Hohe Geistlichkeit nicht beim Brevierbeten gestrt wird (vermute ich mal). Auf der Suche nach antiker Sinnenfreude habe ich es dennoch entdeckt! Die Figuren haben die Nummern W 23, W 21 und W 22 und sind durch meine etwas eingeschrnkten Gravierknste durchaus eine Herausforderung fr den Bemaler. Zusammen mit anderen Wirtshausfiguren (von Andreas Trost und dem Rheinland-Verlag Kln z.B.) sind sie aber vielleicht doch geeignet, etwas Leben in die Bude zu bringen. (Die Serie ist noch nicht vollstndig erschienen.)

Rmische Kinderspiele

K1

K2

K3

K4

K5

K6

K7

K8

K9

K 10

K 11

K 12

K 13

K 14

K 15

K 16

Friedrich Giesler, 1999

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Seite 12

K 17

K 18

K 19

Die kleine Serie erlaubt es, einige typische Spiele rmischer (auch provinzialrmischer) Kinder darzustellen: - Steckenpferdreiten (K 4) - Ballspiel (K 2, K 3, K 12) - Nssespiele (K 1, K 5, K 6, K 7, K 8, K 9, K 10, K 11, K 13) - Knchel-Spiel (K 14, K 15, K 16) - Reifen-Spiel (K 17, K 18, K 19)

SteckenpferdreitenSchon immer haben Kinder im Spiel die Erwachsenen nachgeahmt. In einer Kultur, in der im tglichen Leben Reiter als imposante Erscheinungen eine Rolle spielten, wird es also nicht verwundern, da Knaben das Reiten mit einem einfachen Stecken, HARUNDO, imitierten. Vielleicht trabt unser Knabe also neben einer ausziehenden Abteilung Kavallerie einher. - (K 4)

BallspielMit Gegenstnden zu werfen, sie zu fangen, und dabei miteinander in Wettstreit zu treten, kommt dem kindlichen Bewegungsdrang entgegen und der Lust am Wettstreit. Ein weicher Gegenstand, wie ein Lumpenball, an dem man sich nicht verletzen kann und der nicht beschdigt wird,wenn er fllt, gehrt daher wohl zu den alten Kinderspielen. Die Rmer kannten verschiedene Spielblle: - den TRIGON, einen kleinen, festen und hart ausgestopften Ball hnlich unserem Schlagball, mit dem ein Spiel gleichen Namens ausgetragen wurde, bei dem drei Spieler im Dreieck standen und sich den Ball (oder auch mehrere Blle) zuwarfen, - die PAGANICA (SC. PILA), einen mit Daunen gestopften Ball mit Lederhlle, der ursprnglich von Landbewohnern (PAGANI) benutzt worden war und grer war als der TRIGON, - das HARPASTUM, das bei einem besonderen Spiel mit zwei Parteien benutzt wurde, bei dem es darum ging, den Ball aufzuheben, abzuspielen und aus den Grenzen des Feldes zu befrdern, und schlielich - der FOLLIS, der grte der Blle, eine luftgefllte Blase, die zum Spiel mit dem Unterarmen geprellt wurde. Der Sammelbegriff fr alle vier Typen war PILA, was auch Ballspiel hie. Eine rmische Wandmalerei zeigt drei Kinder, zwei Jungen und ein Mdchen, beim Spiel mit der PILA, vermutlich dem TRIGON oder einer PAGANICA. - (K 2, K 3, K 12)

NssespieleDiese mssen bei rmischen Kindern sehr verbreitet gewesen sein, da sie in der lateinischen Literatur toposartig vorkommen. Sie waren sozusagen das Kinderspiel berhaupt. So ist auch die Redensart NUCES RELINQUERE (die Nsse zurcklassen) ein idiomatischer Ausdruck fr Erwachsenwerden. Es gab viele verschiedene solcher Spiele mit Nssen. Sie hatten den Charakter von Glcks- oder Geschicklichkeitsspielen. Zu den letzteren gehrt das Nssetrmchen-Spiel (NUCES CASTELLATAE). Es geht so vor sich: Aus 4 Nssen werden kleine Pyramiden mit 3 Nssen als Basis aufgestellt; von einer Linie aus versucht der Spieler die Nssetrmchen zu treffen und zu zerstren. Die Nsse der zerstrten Trmchen drfen behalten werden. Vermutlich wurde in Mannschaften gespielt; darauf lassen zumindest die Reliefs mit heftig gestikulierenden Knaben schlieen. Es war also eine Art "Krieg der Nsse" (darauf verweist auch das Wort CASTELLATUS, in dem CASTELLUM steckt). - (K 11; K 1, K 5, K 6, K 8, K 9, K 10, K 13) Andere Nssespiele waren eher Glcksspiele (die sich nicht nur in der rmischen Antike groer Beliebtheit auch bei Erwachsenen erfreuten). Dazu gehrt das Nssespiel mit der schiefen Ebene. Dabei lassen die Kinder eine Nu ein schrggestelltes Brett (TABULA) hinunterrollen; trifft sie eine bereits unten liegende Nu, so gehren beide dem Spieler und vergrern dessen Vorrat. Hierbei wurde vermutlich reihum gespielt.- (K 7; K 1, K 5, K 6, K 8, K 9, K 10, K 13)

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Mit Nssen konnte man auch das DELTA-Spiel und das ORCA-Spiel austragen, bei denen es sowohl auf Geschicklichkeit wie auf Glck ankam. Fr das erstere wurde ein gleichseitiges Dreieck auf den Boden gemalt, das von der Basis aus in 10 gleichbreite Felder unterteilt war, die die Nummern I bis X trugen (X an der Spitze des Dreiecks und deshalb besonders schwer zu treffen). Geworfen wurde wohl wieder von einer Startlinie aus, die sich in einiger Entfernung von der Basis des Dreiecks befand. Das Kind, welches seine Nu in das hchste Feld bugsierte, bekam wahrscheinlich die Nsse aller anderen Mitspieler. Entsprechend aufgeregt ging es auch bei diesem Spiel her, und nicht immer ging es ohne Streit ab (vgl. Figur K 10). Fr das ORCA-Spiel bentigten die Kinder ein Gef mit engem Hals6 als Ziel des Werfens. Ansonsten war der Verlauf wahrscheinlich hnlich wie beim DELTA-Spiel. Wer in das Gef traf, sammelte ein. - (K 11; K 1, K 5, K 6, K 8, K 9, K 10, K 13)

Das Knchel-SpielZu den reinen Glcksspielen, bei denen auch Erwachsene ihren Besitz riskierten, gehrt das Spiel mit den SprunggelenkKnochen von Schafen (TALUS, Plural TALI). Es war so beliebt, da sogar knstliche "Knchelchen" aus Elfenbein oder Bronze hergestellt wurden. Den vier Seiten, die beim Fall der Knchelchen nach oben zu liegen kommen konnten, waren, je nach Wahrscheinlichkeit bzw Unwahrscheinlichkeit, bestimmte Werte zugeordnet. Vier TALI bildeten einen Satz und wurden gleichzeitig geworfen. Die Schmalseiten zhlten mit 1 und 6, die Breitseiten 3 und 4 Punkten. Die Punkte wurden aber nicht einfach addiert; hnlich wie beim heutigen Knobeln zhlten besondere Kombinationen gesondert. So sind die Namen des schlechtesten Wurfs, CANIS (der Hund), und des besten Wurfs, VENUS (die Liebesgttin), berliefert. Auerdem gab es noch den BASILICUS (Knigswurf), die SENIONES (lauter Sechsen) und den VULTURIUS (Geier), einen anderen minderwertigen Wurf. Die TALI wurden, wie antike Abbildungen und Quellen zeigen, jedoch fr verschiedene Spiele benutzt, darunter auch fr ein Geschicklichkeitsspiel (es wird hnlich noch heute mit den Knchelchen gespielt). Es hie PENTILITHA (Fnfstein). Dabei wurden fnf Knchelchen in festgelegter Folge mit Handflche und -rcken geworfen und gefangen. Auch fr Orakel waren die TALI geeignet, z.B. fr die entscheidende Frage von "Er liebt mich. - Er liebt mich nicht". Vielleicht gibt es deshalb hauptschlich Abbildungen TALI-spielender Mdchen. - (K 14, K 15, K 16)

ReifenspielDem kindlichen Bewegungstrieb und Wetteiferdrang kam auch das Spiel mit Rdern, Scheiben oder Reifen entgegen. In rmischer Zeit spielten die Knaben damit vielleicht die Wagen-Rennen im CIRCUS nach, die bei den Erwachsenen eine so groe Rolle in der Unterhaltung spielten (vergleichbar dem Fuball heute). Der Reif (TROCHUS) bestand oft aus Eisen oder Bronze und wurde, wie bis in unser Jahrhundert, mit einem Stock (CLAVIS) getrieben. Wie Reliefs nahelegen waren dabei Wendemarken (METAE) zu umrunden wie beim Wagenrennen der Groen, und mancher "Wagenlenker" erlitt dabei wohl einen Schiffbruch (NAUFRAGIA) wie so viele berhmte Rennwagenfahrer im CIRCUS, die es dabei allerdings Leib oder Leben kostete. Die Spannung und Begeisterung des kindlichen Publikums drfte aber wohl kaum geringer gewesen sein als die ihrer erwachsenen Vorbilder. - (K 17, K 18, K 19; als Publikum geeignet: K 1, K 8, K 9, K 10, K 12)

Literatur:Anita Rieche, So spielten die Alten Rmer, Rmische Spiele im Archologischen Park Xanten, Kln: Rheinland Verlag, 1981 Anita Rieche, Rmische Kinder- und Gesellschaftsspiele, Stuttgart: Wrttembergisches Landesmuseum, 1984 (Schriften des Limesmuseums Aalen Nr. 34) Bemalungsangaben

6

Ein solches Gef ist in der Serie nicht enthalten. Es findet sich aber in der Serie "Provinzialrmer" von Wilfried Dangelmaier (Bietigheimer Str. 26, 71522 Backnang) unter der Nummer RP 31.

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Man mu nur darauf achten, die Kinder nicht zu farbenprchtig einzukleiden; alle Tne natrlicher Wolle sind angebracht. Die Schuhe, soweit welche (von Kindern wohlhabenderer Leute) getragen werden, sind schwarzbraun. Soziale Unterschiede lassen sich durch andersfarbige Sume und Borten (vor allem bei den Mdchen) oder durch CLAVI7 an den Tuniken der Knaben darstellen. Die Haare der Kinder knnen alle Tne von Hellblond bis Blauschwarz umfassen (je nach Gegend in anderer prozentualer Zusammensetzung). Angaben zu den Gegenstnden: K2 K4 K5 K6 K7 K 14-16 K 17-19 Ball: mittelbraun Stecken: grnbraun, Peitschenstiel: graubraun, Peitschenschnur: weilich gelb Krbchen: gelbbraun Krbchen: grnbraun schiefe Ebene: weilich gelb bis graugelb (Holz) Knchel: knochenwei Reifen: bronzen, eisern oder holzfarben

Pflanzen und Tiere:(Giesler/Giesler)

A: Schilf

B: Binse 1

C: Binse 2

D: Weidenbusch(Zeichnung entspricht nicht der Figur)

1: Entenmutter mit Kken

2, 3, und 4: Enten

5: Ente

6: Singschwan

7: springender Lachs

8: Ente

9: Kormoran

10: Kormoran, Gefieder trocknend

11: toter Baum mit 2 Enten (Die Serie wird erweitert.)

7

Dies sind eingewebte Streifen auf der Tunika, die vom Hals bzw. den Schultern zum Saum laufen.

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Vitrinenfigur The Miller(Giesler/Giesler; Hhe etwa 8 cm)

Die Figur entstand nach einer Illustration im Ellismere-Manuskript von Chaucers Canterbury Tales. Der Illustrator hat dabei den Text nicht ganz genau beachtet, da der Mller nach Chaucers Beschreibung einen Bart trug. Der Text lautet im Original: The Miller was a stout carl, for the nones, Ful big he was of braun, and eak of bones; That proved wel, for over-al ther he cam, At wrastling he wolde have alwey the ram. He was short-sholdred, brood, a thikke knarre, Ther nas no dore that he nolde have of harre, Or breke it, at a renning, with his heed. His berd as any sowe or fox was reed, And ther-to brood, as though it were a spade. Up-on the cop right of his nose he hade A warte, and thar-on stood a tuft of heres, Reed as the bristles of a sowes eres His nose-thirles blake were and wyde. A swerd and bokeler bar he by his syde; His mouth as great was as a greet forneys. He was a janglere and a goliardeys, And that was most of sinne and harlotryes. Wel coude he stelen corn, and tollen thryas; And yet he hadde a thombe of gold, pardee. A whyt cote and a blew hood wered he. A baggepype wel coude be blowe and sowne, And thar-with-al he broghte us out of towne. (Vers 545-565)

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Pachtzahlung in Gallien, 3. Jh. AD(Giesler/Lecke)

P 1a: Latifundienbesitzer

P 1b: Geldtisch

P 2: Schreiber

P 3: Kolone. Geld zhlend

P4: Kolone mit Geldbeutel

P 5: Kolone

P 6: Kolone mit Hase

P 8: Kolone mit Sack

P 7b: Hund

P 7a: Kolone, gehend

P 7c: Hund, verbellend

Landwirtschaft im Land der Treverer und MediomatrikerDie gnstige Wirtschaftsentwicklung des ersten Jahrhunderts und die steigende Nachfrage fhrten dazu, da frhzeitig auch die technischen Einrichtungen gehobener Lebensansprche in die lndlichen Ansiedlungen Eingang finden. Zahlreiche Villen8 werden im Zuge baulicher Erweiterung mit einer Badeanlage und beheizten Porticus-Villa Wohnrumen ausgestattet, die ihrer hheren Beanspruchung wegen solide gebaut [...] sind. [...] Knnte man aus dem Siedlungsbild [...] den Eindruck gewinnen, da die Siedlungsdichte einer intensiven landwirtschaftlichen Nutzung der verfgbaren und ertragreichen Flchen entsprach und auch die Gre der lndlichen Hfe und Gter eine ausreichende berproduktion zur Versorgung der Drfer, Stationen und Stdte sicherstellte, so ist dies fr die Zeit vom 1. bis zum 3. Jahrhundert n. Chr. sicherlich zutreffend.9 Das typische Gutshaus der Zeit beschreibt Heinz Cppers so: Noch im Laufe des ersten Jahrhunderts n. Chr. wird, wohl in Anlehnung an sdlndische Vorbilder, die Grundriform [d.h. rechteckiger Grundri mit Vordach auf Sttzen] dadurch bereichert, da das sttzengetragene Vordach zu einer Portikushalle mit achsial angeordnetem Zugang in Form einer Treppe, einer Rampe oder eines ber dem Auenterrain gelegenen Durchganges weiter entwickelt wird und den Hauptwohn- und Aufenthaltsraum erschliet. An den Seiten werden symmetrisch turmartige Eckbauten angelegt, die wenigstens ber die Dachhhe der Portikus, zumeist aber auch noch ber das Kerngebude mit dem Hauptwohnraum hinausragen. Voraussetzung dieser Bauentwicklung war die bernahme der8 9 im Sinne der rmischen VILLA, eines Bauernhauses oder Gutshofs Heinz Cppers, Die Treverer und die Augusta Treverorum, in: Heinz Cppers (Hrsg.), Die Rmer an Mosel und Saar, Mainz 1983, S. 26

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festen Steinbauweise und des Mrtels als Bindemittel, war auch die bernahme architektonischer Zierelemente wie des Pfeilers und der Sule.10 Zu den Farben des Gebudes macht Hinz11 folgende Angaben: Die Wnde waren verputzt und wei oder rot getncht (Ich denke mir, da es wie italische Bauten, die ja das Vorbild der Portikus-Villen sind, wei mit roter Sockelzone gestrichen war). Das Gebude hatte ein hellrotes Ziegeldach und z.T. verglaste Fenster. Nebengebude der Anlage waren mglicherweise noch Bauten einheimischer Art: rechteckige Huser mit lehmverputzten Flechtwnden und stroh- oder riedgedeckten Walmdchern oder Gebude mit Wnden aus einfachem Fachwerk. Einen recht guten Eindruck von einer greren Villa mit Nebengebuden gibt die Rekonstruktion des Bauernhofes bei Newel (Kreis Trier-Saarburg). Sie kann auch als Anregung fr die Szenerie der Zinnfiguren-Serie dienen. Zur Gre solcher Gutshuser bemerkt E. Brdner: "[...] Der dem Gutsherrn vorbehaltene Wohnteil erreicht in manchen Fllen eine Gre und einen Luxus, der den hohen sozialen Rang dieser Grogrundbesitzerfamilien deutlich macht."12 Bei dem eher kleinen Gutshaus von Newel war dieser Raum beispielsweise 14,76 x 12,30 m gro. Auf manchen Denkmlern deuten geraffte Vorhnge links und rechts an, da die Pachtzahlung im Herrenhaus, im Zentralraum der Villa, stattfand. Die Vorhnge dienten vermutlich als Raumteiler des groen Raums. Die Mbilierung war sprlich; vielleicht ein paar Truhen, Wandschrnke, Korbsessel, Tischchen und ein LECTUS (Ruhebett, Sofa Sessel in einem). Ein verschollenes Relief aus Neumagen zeigte, da einer dieser reichen Herren sogar im Besitz einer Bibliothek war, d.h. eines Regals mit Schriftrollen.

Das Institut des Kolonats und Darstellungen der PachtzahlungWie die Reliefs von Grabdenkmlern mit Pacht kassierenden Grundherren zeigen, gab es aber auch in dieser Zeit prosperierender Landwirtschaft bereits das Institut des Kolonats. Man mu sich wohl vorstellen, da im 2. und 3. Jahrhundert die Besitzer groer Lndereien im Land der Treverer und Mediomatriker einen Teil ihres Bodens an Pchter abgaben und dafr jhrlich Zins in Form von Geld oder Naturalabgaben kassierten, weil in dieser Gegend des IMPERIUM ROMANUM die Sklaverei zu keiner Zeit die Rolle spielte wie in Italien. Bekannt von den Darstellungen der Pachtzahlung ist sicher der oft abgebildete Reliefquader aus Neumagen, der um einen Tisch versammelte Pchter zeigt. Der Stein ist ganz offensichtlich ein Fragment: Man sieht nur die Tischplatte, der untere Teil fehlt; und links erkennt man einen Stapel Wachstafeln (TABULAE CERATAE), die offenbar der fehlende Grundherr in den Hnden hielt, wie andere Darstellungen zeigen. Ein Sarkophagdeckel aus Trier berliefert, da die Pachtzahlung teilweise in Naturalien erfolgte, hnlich wie beim mittelalterlichen Zehnten. Auf dem sogenannten Groen Elternpaarpfeiler aus Neumagen ist auer der Pachtzahlung dargestellt, wie der Gutsherr von der Hasenjagd zu Pferde Gutshof bei Newel zurckkehrt. Das Denkmal soll wohl (Rekonstruktionszeichnung nach den Grabungsbefunden) mitteilen, da er sich aufgrund der Pachteinnahmen so ein Privatvergngen leisten konnte und nicht die ganze Zeit damit beschftigt sein mute, seinen Lebensunterhalt zu erwirtschaften. Das sogenannte Zirkusdenkmal verdankt seinen Namen der Tatsache, da darauf Szenen abgebildet sind, die mit Zirkusrennen in Verbindung stehen: Auch diese Familie mu steinreich gewesen sein, wenn sie sich das kostspielige Hobby leisten konnte, einen Rennstall zu halten. Die Zinnfiguren-Serie soll nicht nur erlauben, die Existenz des Kolonats im 2. oder 3. Jahrhundert im Trevererland zu demonstrieren oder die Pachablieferung als menschlich ansprechende Szene mit treverischem Grogrundbesitzer und seinen sich betrbt von ihren Barschaften trennenden Hintersassen (Kolonen) in Szene zu setzen, sondern gleichzeitig als weite-

10 Heinz Cppers, a.a.O., S. 25 11 Hermann Hinz: Zur Bauweise der Villa rustica, in: Gymnasium, Beiheft 7 "Germania Romana", Heidelberg 1970 12 Erika Brdner, Wohnen in der Antike, Darmstadt, 1989

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ren kulturhistorischen Aspekt verschiedene Kleidungsstcke der Landbevlkerung des 2./3. Jahrhunderts nach Christus abbilden und provinzialrmische Mbelstcke vorstellen.

Pachtzahlungsszene vom "Zirkusdenkmal" aus Neumagen Beginnen wir mit den beiden Mbelstcken: Da ist zum einen ein massiver Schreibtisch, und zum anderen das Sitzmbel des Grundherrn. Beide Einrichtungsgegenstnde sind in Reliefs bezeugt, z.T. so detailgenau, da man die Mbel leicht heute nachbauen knnte. Im Falle des Sessels ist von Vorteil, da es nicht nur die Darstellungen auf Reliefs gibt, sondern ein fast lebensgroes Exemplar aus Kalkstein in der Grabkammer von Kln-Weiden. Der Sessel hat vier kugelfrmige Fe, eine hohe Rckenlehne und niedrige Armlehnen. Die Sitzflche bestand offenbar aus einem in das Flechtwerk eingearbeiteten Holzbrett, auf dem ein Polster lag. Ein gleiches Holzbrett unten in der Konstruktion des Sessels sollte dem ganzen vermutlich Halt geben. Die Flechtweise hnelt heutigen Weidenmbeln. Wenn der Sessel etwas hher war, stellten die Sitzenden hufig ihre Fe auf ein niedriges Fubnkchen einfacher Konstruktion (vgl. Type P 1a). Zu den Farben lt sich folgendes annehmen: Der Korbsessel ist naturfarben, also von einem hellen, weilichen Gelb, mit dunkleren Benutzungsspuren. Das Fubnkchen ist aus unbehandeltem Holz. Das tischartige Mbelstck ist ebenfalls auf mehreren Reliefs abgebildet. Auf seiner Platte liegen Mnzen, ein Geldkrbchen (FISCUS) und Wachstafeln (TABULAE). Besonders deutlich erkennt man die Bauart des Zahltisches auf dem Relief vom sogenannten Zirkusdenkmal: Hier sind die Kasetten-Gefache und die Rahmenkonstruktion aus dem Stein herausgearbeitet. Die Hhe des Mbelstcks drfte nach diesem Relief (wenn es denn mastabgetreu ist) etwa 95 cm betragen haben (vgl. Type P 1b). Der Tisch ist vermutlich aus gewachstem Eichenholz (ein gelbliches Braun). Die darauf liegenden Mnzen sind bronzen, das Krbchen weilich gelb, die TABULAE holzfarben und das Pergament gelblich wei. Nun zu den Personen unserer Szene. Da ist zunchst der Grogrundbesitzer (Type P 1a). Wie auf vielen der Reliefs dargestellt, hlt er ein buchartiges Bndel Wachstafeln (lateinisch: TABULAE LOCATIONIS) in Hnden, auf denen vermutlich die Pachtvertrge (LOCATIONES) oder Pachtsummen (MERCES CONDUCTIONIS) vermerkt waren. Bekleidet ist er mit dem gallischen Kittel, unter dem man noch die rmel eines Untergewandes erkennt. Im Halsausschnitt wird ein Halstuch sichtbar, wie es viele gallische Reliefs berliefern. Seine Krperflle soll seine Wohlhabenheit unterstreichen, die man bei der Bemalung seines Kittels mit einem vielfarbigen Karomuster noch weiter betonen kann. An den Fen trgt er Schuhe. Zur Farbgebung lt sich vorschlagen: Die Wachstafeln haben einen hlzernen Rahmen (brunliches Grau), die Schreibfelder sind schwarz (gefrbtes Wachs). Die Gesichtsfarbe des Gutsherrn ist hell, die Haare Mosaik aus Pompeji eine Schattierung von Blond (er entstammt vermutlich dem einheimischen keltischen Adel), vielleicht mir ergrauten Schlfen. Die rmel des Untergewandes knnten graublau sein, der Kittel ockergelb mit weilichen bzw dunkelbraunen Streifen, die ein Karomuster (wie bei einem Tartan) ergeben. Das Halstuch im Ausschnitt ist rotbraun oder von einen grnlichen Grau. Die Schuhe sind schwarzbraun.

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Wer Geld einnimmt, braucht auch einen Buchhalter. Auf dem Relief vom Zirkusdenkmal schreibt der Gutsherr zwar selbst, aber unserem Grundherrn ist ein Sekretr (SCRIBA, wrtlich Schreiber) beigegeben, der mit einem bronzenen STILUS13 Notizen auf einer Wachstafel macht (Type P 2)). Trotz der Kleinheit des Instruments kann man das breitere Hinterende erkennen, mit dem Fehler im Wachs radiert werden konnten. Solche Instrumente wurden vieldfach bei Ausgrabungen gefunden. Die nebenstehende Abbildung zeigt ein rekonstruiertes Wachstafelpaar (Diptychon) und (neben Tintenfa und Federn) Griffel (STILI). Die schwarze Farbe der Schreibflche wird durch ein Bild vom Rhetoren-und-Musen-Mosaik aus Trier belegt (um 200 n.Chr.), das einen Jngling mit einem solchen Wachstafelbndel in der einem und einem Griffel in der anderen Hand zeigt. Unser Schreiberling ist weniger klassisch bekleidet, mit Kittel, Halstuch und Zehensandalen. Der Schreiber ist wahrscheinlich hellhutig,mit graumeliertem Haar und Bart. Die TABULAE haben einen Holzrahmen, sind also von einem hellen Beige. Die Schreibflche ist aus schwarzem Wachs. Der Griffel (STILUS) ist aus Bronze. Der Kittel des Mannes ist braunrot mit hellem oder dunklerem Karomuster. Das Halstuch ist dunkelgrau. Die Sandalen haben Holzsohlen (gelblich wei), die Riemen sind aus Leder (gelblich braun). Die brigen Personen der Szene sind die Kolonen. Es sind insgesamt sechs: Der erste (P 3) zhlt seine letzten Groschen. Seine Kleidung ist die typische Tracht der Bauern, Landarbeiter und anderer Personen, die im Freien arbeiten: Er trgt einen gegrteten, hochgerafften Kittel mit angearbeiteter Kapuze, und seine Unterschenkel sind von Gamaschen bedeckt, die aus einem um die Waden gewickelten Stck Stoff bestehen, das unterhalb des Knies und oberhalb der Knchel mit einem Riemen zusammengebunden ist. Die Fe stecken in Schnrschuhen. Die Bemalung ist folgendermaen vorstellbar: Der Mann ist hellhutig, mit Sommersprossen, und hat rote Haare. Der Kittel ist graubraun, die "Wadenwickel" sind weilich grau, mit dunkelbraunen Schnren. Dunkelbraun sind auch seine Schuhe. Der Sack zu seinen Fen ist graubraun.

Schreibutensilien

Der nchste Pchter (P 4) stellt einen Geldbeutel auf den Tisch. Auch er ist gegen das rauhe Klima unserer Breiten gut geschtzt durch sein gallisches Cape, das er ber dem Kittel trgt. Es hat eine Kapuze, die auf dem Rcken liegt. Im Halsausschnitt steckt ein voluminser Schal, wie er mit dieser Kombination hufig zusammen abgebildet wird. An den Fen hat er Halbschuhe (CARBATINAE). Das gallische Cape hnelt der rmischen PAENULA, es war jedoch auf der Vorderseite fast vollstndig zugenht und aus viel schwererem Stoff, teilweise wohl aus einer Art Loden wie ein alpenlndischer Wetterfleck, dem es im Schnitt auch hnelt. Sein Nachbar (P 5) steht interessiert daneben. Er trgt (ebenso wie P 6) eine Umhngetasche, deren Tragriemen, wie mehrere Reliefs zeigen, ber dem Arm liegt. Warum diese uns unpraktisch erscheinende Trageweise blich war, ist unklar. Es mu aber wohl irgendeinen praktischen Sinn gehabt haben. Seine Kleidung ist der ungegrtete gallische Kittel. Im Halsausschnitt steckt ein Schal. Von solchen Kitteln wurden bei schlechter Witterung mehrere bereinandergezogen. Seine Schuhwerk besteht aus geschnrten Stiefeletten (Perones). Ein weiterer dabei stehender Pchter (P 6) hlt einen Hasen in der Hand. Dieser Bauer ist hnlich gekleidet wie sein Vorgnger, nur da sein Kittel mit einer angenhten Kapuze versehen ist. Dieses Kleidungsstck kann man hufig auf den Reliefs sehen. auch er trgt hohe Schuhe. Der Pchter, der gerade ankommt (P 7a) trgt ber dem Kittel ein Schultercape mit Kapuze, den sogenannten Cucullus. Dieses Kleidungsstck hielt sich bis ins Mittelalter, wo es im Deutschen Gugel genannt wurde. Auf der Vorderseite ist das Cape in diesem Fall mit Knebeln verschlossen; es konnte aber auch zugenht sein. Der Gegenstand, den der Kolone in der rechten Hand hlt, ist ein Bndel Wachstafeln (tabulae), wie man sie auch auf den Reliefs identifizieren kann. Der letzte der Pchter (P 8) kann als Gehender, aber auch als Stehender verwendet werden. Er trgt den Cucullus (mit abgesetzter Kapuze) ber dem gegrteten Kittel und an den Beinen Gamaschen (vgl. P 3). Diese Kleidung wird auf Reliefs hufig bei Personen gezeigt, die im Freien arbeiten, oder bei Jgern. Die Kleidungsfarben sind die natrlicher Wolle. Die brigen zwei Figuren sind Hunde, die keiner heute vorkommenden Rasse entsprechen. P 7b: Ein gehender Hund, der zu dem Ankommenden (P 7a) gehrt. P 7c: Der Hofhund, der Ankommende verbellt.

13 davon stammt unser Wort Stil: einen guten STILUS schreiben

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Sie knnten Vorfahren der heutigen Spitze und Terrier (ohne kupierte Ohren und Schwanz) sein. Auf einem Sarkophagdeckel kann man einen solchen Hund zwischen den beiden Mnnern sehen, die einen groen Korb an einer Stange tragen. Ein hnliches struppiges Biest findet sich auf einem Mosaik in Pompeji (CAVE CANEM).

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Schiffsverkehr und HafenlebenGiesler/Giesler

N 1: Das Schiff des Blussus (NAVIS BLUSSI NAUTAE), 1. Jh. n.Chr. Wissenschaftliche Rekonstruktion eines rmischen Rheinschiffs vom Typ Oberlnder (einheimisch-keltische Schiffbautradition) [Keine Hintergrundfigur]

Das Schiff des BlussusWasserwege stellten in rmischer Zeit fr den Lastentransport die wichtigsten Verkehrsverbindungen dar. Das wird meist bersehen. Detlev Ellmers schreibt in seinem Aufsatz Schiffsarchologie am Rhein14 zu diesem Thema: Als Julius C. Caesar um 50 vor Chr. Gallien eroberte und den Rhein zur rmischen Reichsgrenze machte, blieb dieser Flu trotz seiner Grenzfunktion wichtige Schiffahrtsstrae. Er gewann sogar noch an Bedeutung dadurch, da entlang seines ganzen linken Ufers das Grenzheer stationiert wurde, dessen gesamter Nachschub - sofern er nicht aus den Grenzprovinzen selbst kam - durch die Rhne-Rhein-Schiffahrt transportiert wurde. Die vom Militr angelegten Rmerstraen dienten nur dem schnellen Nachrichtenverkehr, der raschen Truppenbewegung und dem Personenverkehr. Als Kaiser Domitian 83/85 nach Chr. die Provinz Obergermanien neu einrichtete, hat er bei ihrer Grenzziehung die besonderen Belange der transkontinentalen Schiffahrtsverbindungen in ganz erstaunlicher Weise bercksichtigt, was die Forschung bisher vollstndig bersehen hat: Die wichtigste Transportstrecke von der Rhne zum Rhein lag mit der gesamten Doubs, der kritischen Landstrecke durch die Burgundische Pforte und dem Oberrhein innerhalb der obergermanischen Grenzen. Aber auch die Ausweichstrecke ber die obere Rhne und den Genfer See lag mit dem kritischen, aber sehr bequemen Landweg vom Genfer zum Neuenburger See bei Yverdon und von dort zu Schiff durch die Juraseen und die Aare zum Hochrhein ganz in Obergermanien. Es gab also selbst in Krisensituationen noch eine unter dem direkten Befehl des obergermanischen Statthalters stehende Alternative fr den militrischen Nachschub, der zu Domitians Zeit auch zur Versorgung Britanniens zu einem guten Teil den Rhein benutzte. Schlielich aber hatte Domitian auch noch den gesamten Neckarlauf in die neue Provinz mit einbezogen, von dessen stlichem Knie beim Lager Kngen der Wasserscheideweg zur oberen Donau abzweigte. Damit verfgte der Kaiser ber eine kurze und leistungsfhige Nachschubverbindung fr all die Flle, in denen es ntig werden sollte; Truppen vom Rhein an die Donau oder umgekehrt zu verlegen. Sdlich des Mains war der Limesverlauf, d. h. die Grenze Obergermaniens, einzig und allein auf die Sicherung des transkontinentalen Schiffahrtsweges Rhein-NeckarDonau ausgerichtet. Als um 150 n. Chr. die Kastelle am Neckarufer diese Sicherheit nicht mehr gewhrleisten konnten, wurden sie eine Tagereise weiter nach Osten verlegt, so da der Neckar nicht mehr direkten Angriffen der Germanen ausgesetzt war. Als sich die Neckarstrae ab 260 von den Rmern gar nicht mehr halten lie, haben sie nicht etwa kleinere Gebiete zu halten versucht, sondern die Transporte vom Rhein zur Donau auf der viel lngeren Strecke ber Hochrhein und Bodensee mit einem Landweg von Bregenz nach Kempten a. d. Iller und von dort per Schiff zur Donau abgewickelt. Diese Verbindung hat Rom dann mir allen Mitteln verteidigt und bis zum Ende des Reiches auch tatschlich gehalten. Wir wissen inzwischen auch recht viel ber die Schiffe, mit denen der Warenverkehr und der Nachschub auf dem Rhein abgewickelt wurde. Es waren zum einen, besonders auf dem Niederrhein, prahmartige Schiffe, z.T. mit offener Bugpforte. Durch Funde von Schiffsresten in Mainz, im Neuenburger See (Schweiz) und in Zwammerdam (Niederlande) sind wir zumindest ber die Lnge und Bodenkonstruktion dieser rmischen Rheinschiffe gut unterrichtet und knnen sagen, da einige von ihnen zum Segeln ausgelegt waren.

14 in: 2000 Jahre Rheinschiffahrt, Koblenz 1991, S. 37 ff.

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1: Einbaum von Hasholme (300 v.Chr.)

2: Fischerboot aus Krefeld-Gellep (13./14. Jahrhundert) Ein anderer Schiffstyp begegnet uns in bildlichen Darstellungen. So ist auf der Rckseite der Grabstele des Schiffers Blussus und seiner Frau Menimane aus Mainz-Weisenau die Abbildung eines rmischen Rheinkahns mit erhhtem Heck und Senkruder zu entdecken. Der Grabstein stammt aus dem 1. Jahrhundert n.Chr. Er zeigt auf der Vorderseite ein sitzendes Paar und hinter diesem einen stehenden Jungen.

3: Der Oberlnder des Blussus (1. Jh. n.Chr.)

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Die Inschrift lautet: BLVSSVS ATVSIRI F(ilius) NAUTA AN(norum) LXXV H(ic) S(itus) E(st) MENIMANE BRIGIONIS F(ilia) AN(orum) [...] VXSOR VIVA SIBI FECIT PRIMVS F(ilius) PARENTIBVS PRO PIETATE POSIT

bersetzung:Blussus, des Atusirus Sohn Reeder, 75 Jahre alt, liegt hier. Menimane, des Brogio Tochter, [...] Jahre alt, (seine) Gattin, lie sich (diesen Stein) zu Lebzeiten machen. Primus, ihr Sohn, setzte (ihn) aus Liebe zu den Eltern.

Damit sind die Personen identifiziert: Der Junge im Hintergrund ist der Sohn Primus, die Frau in einheimisch keltischer Tracht mit Spindel und Schohndchen ist Menimane, und der Mann im gallischen Umhang mit dem Geldbeutel in der Hand ist der Schiffer Blussus. Die Personennamen - mit Ausnahme des Sohnes - sind keltisch (Blussus, Menimane, Atusirus, Brogio). Die Berufsbezeichnung NAUTA macht deutlich, da Blussus Schiffsherr und Kaufmann war, vielleicht sogar Reeder einer ganzen Flotte, und keineswegs nur Kapitn (MAGISTER) eines Frachtkahns oder Kapitn und Eigner eines Schiffes (NAVICULARIUS). Der von dem Reeder Blussus benutzte Schiffstyp findet sich auf der Rckseite des Steins (wo brigens die Inschrift nochmals wiederholt ist). Wenn die Darstellung auch relativ skizzenhaft ist, so zeigt sie doch wesentliche Konstruktionsmerkmale und Eigenheiten der Handhabung des Schiffes recht gut (vgl. Abbildung 3): Ergnzt wird diese Abbildung auerordentlich schn durch ein Relieffragment von einem Grabmal aus Kln, ebenfalls aus der Mitte des 1. Jahrhunderts n.Chr., welches in sehr viel detaillierterer Darstellung das Heck eines solchen Schiffes wiedergibt (vgl. Abbildung 4). Beide Darstellungen unterscheiden sich in mehreren Punkten sowohl von den zuvor erwhnten Prhmen als auch von den aus Rom (Trajanssule) und Ostia bekannten Darstellungen rmischer Fluschiffe, so da man vermuten kann, da auf dem Rhein ein besonderer kelto-romanischer Schiffstyp verwendet wurde: Auffllig ist zunchst, da die Schiffe ein groes Senkruder haben, das offenbar in der Mitte des hochgezogenen Hecks befestigt ist und nicht rechts und links an der Bordwand. Es wird von einem Mann mittels einer Pinne bedient. Solche Ruder wurden noch in der Neuzeit bei Schiffen auf dem Rhein und auf der Loire verwendet! Das Schiff gleicht mit seinem hochgezogenen Heck, den Ruderknechten im Heckteil des Kahns, hinter denen man eine Art Kajte entdecken kann, dem sogenannten Oberlnder, einem Schiffstyp, der auf Rheinansichten aus der frhen Neuzeit hufig abgebildet ist (vgl. Abbildung 5). Fachleute sprechen deshalb tatschlich vom Typ Oberlnder. Der Oberlnder wurde von den Klnern so genannt, um ihn von den niederlndischen Schiffen zu unterscheiden. Er war offenbar nicht nur in der frhen Neuzeit ein auf dem Rhein typisches Schiff. Schiffstechnische Untersuchungen haben gezeigt, da sich seine Konstruktion in vorgeschichtliche Zeit zurckverfolgen lt. Die Konstruktion wird von Detlev Ellmers, ausgehend von einem Schiffsfund des 13./14. Jahrhunderts (vgl. Abbildung 2), folgendermaen beschrieben: Das zweite Fahrzeug aus Krefeld war von der Funktion her ein Fischerboot, wie man an dem Lager fr eine Netzwinde erkennen kann (Abb. 2). Dieses Boot hat uns erstmals die Augen geffnet fr die besondere Konstruktion des grten mittelrheinischen Frachtschifftyps des spten Mittelalters und der frhen Neuzeit, des ,,Oberlnders" [Abb. 5], [...]. Der knapp 5 m lange Krefelder Oberlnder war nmlich aus einem dicken, stammrunden Einbaum entstanden, den man der Lnge nach gespalten hat. Zwischen beiden Hlften hat man zwei Bodenplanken mittels charakteristischer Querhlzer eingefgt und Bug und Heck durch quer vorgenagelte Bretter geschlossen. Da Baumstmme kegelfrmig wachsen, sehen Boote dieses Typs wie trapezfrmige Ksten aus, wobei das breite Wurzelende des Stammes das Heck bildet.

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Der lteste genau definierbare Vertreter dieser Baureihe ist ein stammrunder Einbaum der Jungsteinzeit (3. Jahrtausend) aus Schleswig-Holstein, bei dem beide Enden je mit einem besonderen senkrechten Brett geschlossen waren. Schon zu dieser Zeit war man demnach in der Lage, verschiedene Hlzer wasserdicht miteinander zu verbinden. Der lteste Einbaum, bei dem das quer eingebaute Bugbrett wie beim Krefelder Oberlnder schrg nach vorn geneigt ist, gehrt der Zeit um 300 vor Chr. an und wurde in Hasholme am Humber in Nordengland gefunden [Abb. 1]. Er wurde von britischen Kelten als Lastboot von 5 t Tragfhigkeit benutzt, reicht aber mit seinen Konstruktionsdetails in vorkeltische Zeit zuriick. Auf dem Mainzer Grabstein des rmischen Schiffers mit dem keltischen Namen Blussus steuert dieser ein Frachtschiff derselben Baureihe fluabwrts; die halbrunde Oberkante des querliegenden, schrgen Bugbretts ist in dem Relief klar zu erkennen [Abb. 3]. Dieses Schiff kann aber kein reiner Einbaum mehr gewesen sein, denn darin htten nicht zwei Paar Ruderer die Riemen nebeneinander so handhaben knnen, wie es das Relief zeigt. Das Schiff des Blussus war etwa so gebaut wie der sptmittelalterliche Oberlnder von Krefeld. Aus Wanzenau im Elsa kennen wir das Spantfragment 4: Rest eines Grabmals aus Kln eines rmischen Rheinschiffes, das den Innenhlzern des Krefelder Oberlnders so ge(Mitte 1. Jh. n.Chr.) nau entspricht, da es nur von einem rmischen Oberlnder, d. h. einem Schiff aus zwei stammrunden Halbeinbumen mit zwischengefgten Bodenplanken, stammen kann. Aus der Zeit um 1500 nach Chr. ist dieselbe Konstruktion durch zahlreiche bildliche Darstellungen sowie einen weiteren Schiffsfund aus den Niederlanden belegt. Als schlielich im 19. Jahrhundert fr die Herstellung der halben Einbume keine ausreichend groen Bume mehr zur Verfgung standen, hat man trotzdem nicht auf die altbewhrten Konstruktionsprinzipien verzichtet, sondern mute sich nur entschlieen, die Halbeinbume aus mehreren einzelnen Planken zusammenzusetzen, wie ein Schiffsfund von der Saar zeigt. Die beiden Krefelder Schiffsfunde von 1972/73 wurden hier deshalb so ausfhrlich behandelt, weil sie uns in aller Deutlichkeit zeigen, da die Baumuster der mittelalterlichen Rheinschiffe trotz aller politischen Umbrche, trotz Vlkerwanderung und rmischer Okkupation sich bis zu den Kelten und ihren Vorgngern tief in die Vorgeschichte zurckverfolgen lassen.15 Halten wir also fest: Der Oberlnder ist ein Schiffstyp, der aus dem Einbaum entstanden ist. Seine typischen Konstruktionsmerkmale sind, da ein solcher Schiffsrumpf keinen Kiel hat und abgerundete Kanten zwischen Boden und Bordwand besitzt. Er hat also, auch wenn man in den Boden des Einbaums weitere Bohlen einsetzt und die Bordwnde durch aufgesetzte Planken erhht, die gleichen Fahreigenschaften wie das Ursprungsfahrzeug. Aufschlureich ist, da man dieses Konstruktionsmerkmal knstlich mit Planken nachahmte, als es keine gengend groen Stmme mehr gab (vgl. Zitat).

5: Oberlnder (aus einem Holzschnitt von 1531) Kehren wir nun noch einmal zu dem Schiff von dem Grabmal des Blussus zurck, da es an dem Relief noch weiteres zu beobachten gibt. Am oberen Rand des Rumpfs ist eine Scheuerleiste dargestellt, ansonsten ist der Rumpf vllig glatt und unten abgerundet. Nahe dem typisch abgerundeten Bug, vor einem kurzen Treidelmast, steht ein weiterer Mann parallel zur Fahrtrichtung. Er hlt ein Ruder (keinen Riemen!) mit kleinerem Blatt, das er links und rechts des Schafts gefat hat, und blickt in Fahrtrichtung. Offenbar handelt es sich bei dem Bugsteuer nicht um die neuzeitliche Laffe (s.u.), da sich diese in der Mitte des Bugs befinden mte (vgl. Abbildung 5). Alle diese Details sind keineswegs zufllig. Rumpfform und

15 a.a.O., S. 30 ff.

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Bugsteuer haben vielmehr unmittelbar miteinander zu tun, und alles macht Sinn, wenn man sich etwas genauer damit beschftigt. Ein Kiel ist nur dann wichtig und von Vorteil, wenn man das Schiff segeln will, da er das seitliche Versetzen beim Winddruck auf das Segel einschrnkt. Bei einem Schiff auf einem Wildflu, welcher der Rhein bis ins 19. Jahrhundert ja war, kommt es mehr darauf an, da das Boot keinen groen Tiefgang hat, damit es Untiefen (Sand- und Kiesbnke) leichter berfahren kann. Der flache Boden und die runde Bootsform sind bei einem Flulastkahn aber auerdem noch funktional von groem Vorteil, was die Manvrierfhigkeit des Schiffes betrifft. Ein Kiel und scharfe Kanten zwischen Boden und Seitenwnden (wie bei einem Prahm) brchten fr die Navigation auf einem Wildflu wie dem Mittel- und Oberrhein eher Nachteile. Das ist leicht nachzuvollziehen, wenn man sich einmal den Spantenri moderner Wildwasserkajaks ansieht, die auf extreme Wendigkeit hin konstruiert sind: Der Rumpf ist flachbodig mit runden Seitenkanten! Auerdem gibt es noch einen zweiten Grund, und der ist dem Blussus-Relief selbst zu entnehmen. Man sieht in dem Schiff in Bugnhe, wie schon beschrieben, einen Mann mit einem Hilfsruder. Da es kein Riemen ist, ergibt sich aus der Gre und der Tatsache, da der Mann in Fahrtrichtung blickt. Dieses Bugruder wurde noch in der Neuzeit benutzt und hie Laffe bzw. Lappen (am Niederrhein). Detlev Ellmers ist der Ansicht, da dieses Ruder so hie, weil man damit den Bug herumlffelte. Das mag auf die Laffen der groen Fle oder der Oberlnder der frhen Neuzeit (vgl. Abbildung 5) zutreffen. Bei dem Blussus-Schiff befindet sich das Ruder aber nicht vorne auf dem Bug, sondern ist seitlich angebracht. Seine Funktion mu also anders gewesen sein. Was es mit diesem Hilfsruder auf sich hatte und wie es bei einem Schiff vom Typ Oberlnder wirkte, kann man sich klarmachen, wenn man die Techniken der Wildwasserfahrer studiert. In der modernen Sportart mit dem Kajak gibt es eine Technik, die nach ihrem Erfinder, einem Tschechen, Duffek-Schlag genannt wird. Dabei setzt der Kanute ein Paddelblatt steil mglichst weit am Bug parallel zur Bordwand ein und dreht im richtigen Augenblick das Blatt auf. Das Boot vollfhrt dann eine Wende um 90 bis 180! Dies funktioniert so effektiv, weil Wildwasserboote einen runden Boden haben (also keinen Kiel). Nun kann man einen rmischen Lastkahn natrlich nicht mit einem Wildwasserkajak vergleichen. Wer einmal den Duffekschlag versucht hat, wei, welch enorme Krfte er erfordert. Bei einem groen Schiff von etwa 12 Meter Lnge wren die auf das Ruder wirkenden Krfte ohne weitere Hilfsmittel nicht beherrschbar. Nun mu ein Rheinkahn natrlich auch keine Wende von 90 bis 180 vollfhren, schlielich ist es nicht erforderlich, in einer brenzligen Situation in ein Kehrwasser zu fahren, und der Rhein war auch damals zwar ein unregulierter Wildflu, aber kein Wildwasser. Das Bugruder am Schiff des Blussus mu also zur Untersttzung der Wirkung des Heckruders eingesetzt worden sein. Dies war auf einem Wildflu wie dem unkanalisierten Rhein auch durchaus erforderlich: Der Flu bildet, wo es die Landschaft erlaubt, mehrere Lufe, von denen gewhnlich einer das meiste Wasser fhrt und daher die grte Tiefe verspricht. Diesen Fluarm mu der Steuermann finden und erwischen, was gar nicht so einfach ist, wenn der Flu uneingedeicht durch die Gegend mandert! Ein Hilfsruder nahe des Bugs tut da sicher gute Dienste, vor allem bei einem flachbodigen Schiff mit geringem Tiefgang. Auch besitzt ein Wildflu scharfe Kurven mit Prallufern, so da ein Schiff in der Lage sein mu, enge Wenden zu fahren. Andere Details der Reliefs werden in Anbetracht dieser berlegungen auch sofort plausibel: Das groe, weit nach hinten ragende Heckruder ist wirkungsvoller als das bei rmischen Schiffen gebruchliche Seitenruder. Es hat sich brigens bei Fluschiffen auf Rhein, Main, Loire und Rhne bis in die Neuzeit erhalten! Die geringe Anzahl der Ruderer (zwei bzw. drei Paare) erklrt sich dadurch, da das Schiff bei der Talfahrt gegenber der Strmung nur etwas Fahrt machen soll, damit das Ruder wirkt, da es aber keineswegs so schnell sein darf, da keine Zeit mehr fr die schwierigen Steuermanver und ein Ansprechen des Ruders bleibt. Der Standort des Steuermanns auf dem Dach der Achterkajte erklrt sich daraus, da er einen mglichst guten berblick ber den weiteren Strmungsverlauf haben mu, damit das Schiff nicht vor einer Untiefe in einem blinden Arm landet. Auf dem Relief aus Kln (Abbildung 4) scheint der Schiffer dem Mann am Hilfsruder mit ausgestrecktem Arm das richtige Fahrwasser anzudeuten.

Das Schiff des Blussus ist also auf der Talfahrt dargestellt. Die Fahrt fluauf erfolgte wie in spteren Jahrhunderten durch Treideln. Deshalb besitzt das Schiff des Blussus auch den typischen kurzen und krftigen Treidelmast, an dem die Leinen angeschlagen wurden. Im Unterschied zur Neuzeit wurde das Schiff in der Antike allerdings nicht mit Pferden stromauf gezogen, sondern mit Menschenkraft! Die sechs Ruderknechte hatten dann deutlich schwerer zu arbeiten, wenn sie, teilweise durchs Wasser watend, das Schiff fluaufwrts schleppten; die Schiffe muten in rmischer Zeit also kleiner sein als spter. Dem trgt auch die zinnfigrliche Rekonstruktion Rechnung (vgl. Abbildung 6). Zur Absicherung meiner Ergebnisse habe ich sie einem Fachmann vom Museum fr antike Schiffahrt in Mainz vorgelegt. Er schrieb neben einigen Verbessungsvorschlgen dazu: Ihre Rekonstruktion eines frhrmischen Binnenfrachters gefllt mir gut, zumal sie die Quellen "Blussus-Stein" und "Klner Relief" in realistischer Weise umsetzt (ich meine besonders die entzerrte Wiedergabe von Fahrzeug und Besatzung ohne die blicherweise verschobenen Proportionen). Friedrich Giesler, 1999

BONNER ZINNFIGUREN Friedrich Giesler Kardinal-Galen-Weg 10 53175 Bonn Da war ich richtig stolz! Literatur:

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Ulrich Lber (Hrsg.), 2000 Jahre Rheinschiffahrt, Landesmuseum Koblenz, 1991 (Lber) Heinz Gnter Horn (Hrsg.), Die Rmer in Nordrhein-Westfalen, Stuttgart 1987 (Horn) Valnea Santa Maria Scrinari, Ostia and Porto, The Archaeological Sites , The Museums, Milano 1989 (Scrinari) Werner Bcking, Schiffe auf dem Rhein in drei Jahrtausenden, Moers 1979 (Bcking) Gerhard Zimmer,Rmische Berufsdarstellungen, Berlin 1982 (Zimmer) Gerd Rupprecht (Hrsg.), Die Mainzer Rmerschiffe, Mainz 1982 (Rupprecht) H. Grnewald u.a., Bilddokumente rmischer Technik, Kln 1958 (Grnewald)Abbildungsverzeichnis:

1. 2. 3. 4.

Ulrich Lber (Hrsg.), 2000 Jahre Rheinschiffahrt, Landesmuseum Koblenz, 1991, S. 37 Ulrich Lber a.a.O., S. 33 (Umzeichnung vom Verfasser) Ulrich Lber a.a.O., S. 39 Heinz Gnter Horn (Hrsg.), Die Rmer in Nordrhein-Westfalen, Stuttgart 1987, Abb. 84 (Umzeichnung vom Verfasser) 5. Ulrich Lber a.a.O., S. 35

Das Schiff des Blussus Bemalung: F. Giesler

Der Tod des Archimedes, Syrakus 212 v.Chr.Archimedes von Syrakus war einer der bedeutendsten Naturwissenschaftler und Mathematiker des Altertums. Er lehrte die Darstellung beliebig groer Zahlen, die Bestimmung der Quadratwurzel, die Lsung kubischer Gleichungen, die Berechnung der Kreisflche und des Kreisumfangs, des Flcheninhalts, des Parabelsegments, der Ellipse usw. und entdeckte den Schwerpunkt, das Hebelgesetz, die schiefe Ebene, den statischen Auftrieb, das spezifische Gewicht. Er baute hydraulische Maschinen, wie die archimedische Schnecke zum Lenzen von Schiffen, und Kriegsmaschinen, durch die seine Vaterstadt zwei Jahre lang der rmischen Belagerung erfolgreich widerstehen konnte. Vielleicht hat er auch an der Planung der Befestigungen des Forts Euryalos mitgewirkt, das die Zugnge zur Stadt schtzte. Als sie schlielich im Jahre 212 v. Chr. durch List fiel, kam er bei der Einnahme und Plnderung der Stadt

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durch die Rmer ums Leben. Nach der Anekdote soll Archimedes bei der Erstrmung der Stadt Syrakus durch die Rmer, vertieft in eine Konstruktion, dem eindringenden rmischen Soldaten zugerufen haben: NOLI PERTURBARE CIRCULOS MEOS! (Stre ja nicht meine Kreise!) woraufhin dieser ihn erschlug.

Arch 1

Arch 2

Arch 3a

Arch 3b

Ich habe mich beim Zeichnen der kleinen Serie nicht von dem bekannten Mosaik aus Pompeji leiten lassen. Dieses stellt den rmischen Soldaten in hellenistischer Ausrstung dar. Ich wollte vielmehr den Gegensatz zwischen dem griechischen Wissenschaftler und dem rmischen Bauernsoldaten herausarbeiten. Schlielich faszinierte mich bei dem Thema der auf den Punkt gebrachte Gegensatz von Geist und Gewalt, von griechischer Kultur und rmischer militrischer berlegenheit. Deshalb sitzt der Mathematiker, den Zirkel in der Hand haltend, geistesabwesend ber ein geometrisches Problem gebeugt, whrend der rmische Miles hereinstrmt, schon einen Hocker umgeworfen hat und gleich zum tdlichen Sto ansetzen wird, voller Wut, in dem vornehmen Haus keine saftige Beute gefunden zu haben. Seine Ausrstung ist auf das Wesentlichste beschrnkt: Schild, Helm und Schwert. Offenbar konnte er sich nicht einmal ein PECTORALE und eine Beinschiene am linken Unterschenkel leisten. Diesen Gegensatz wrde ich auch in der Bemalung herausarbeiten: CHITON und CHLAMYS des Griechen in dezenten Farben, mit farbigen Borten im Meandermuster verziert, und der Rmer gekleidet in eine braunwollene TUNICA und schwarzbraune CALIGAE. Die Farben von Helmbusch und Federn sind vorgeschrieben, Schwarz bzw. Rot. Der Schild hat eine rote Grundfarbe, bemalt mit der rmischen Wlfin oder einem Eber in Schwarz und Wei. Der Helm, der Schildbuckel und der Randbeschlag oben und unten sind aus Bronze. Bronzen sind auch der Schwertgriff und die Scheide des GLADIUS. Einzig die Klinge der Waffe ist aus Eisen. Die Mbelstcke sind einfach: geltes Holz und eine Bespannung der Sitzflchen mit Binsengeflecht. Aus Holz sind auch die herumliegenden Hilfsinstrumente des Konstrukteurs, die REGULA (Lineal) und die NORMA (Winkel); der CIRCINUS (Stechzirkel), den er in der rechten Hand hlt, ist aus Bronze, Zinnfiguren: Idee, Zeichnung und Gravur von Friedrich Giesler; Beratung durch Gerald NadeborArch 1 Arch 2 Arch 3a Arch 3b Arch 3c Arch 3d Archimedes, in Konstruktion vertieft rmischer Soldat mit Schwert umgestrzter Hocker Hocker Regula (Lineal) Norma (Winkelma)

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BONNER ZINNFIGUREN Friedrich Giesler Kardinal-Galen-Weg 10 53175 Bonn Franken, 3.-7. Jahrhundert n.Chr. Teil 1: Franken im Sturmlauf (Giesler/Windisch-Sachs)

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F 1 (Huptling)

F 2 (Drachenfeldzeichen) (Odinsrabe als Ltteil fr das Feldzeichen)

F 3 (Fallender)

F 4 (Krieger 1)

F 5 (Krieger 2)

F 6 (Krieger 3)

F 8 (Krieger 4) F 9 (Krieger 5) (Wird erweitert) Die Herkunft des Stammesnamens Franken ist - wie viele Bezeichnungen sptgermanischer Stmme - unklar. Mir hat immer eingeleuchtet, da es sich bei all diesen Namen um Miverstndnisse und die Leistung schlechter Dolmetscher handeln mu. Da stt irgendein Rmer in Begleitung eines Dolmetschers auf eine Gruppe von Kriegern von jenseits des Rheins und lt fragen, wer sie seien., Franki (die Khnen) antwortet stolz der Barbar. Ah, Franken sind es! sagt der Rmer - und schon war dieser germanische Stamm erfunden. Noch im 6. Jahrhundert belegen Stellen bei Agathias von Myrna und Prokopius die Unbestimmtheit des Stammesnamens: Das Frankenvolk ist nmlich der unmittelbare Grenznachbar von Italien. Von altersher heien sie bekanntlich Germanen. Sie wohnen in dem Lande am Rheinstrom; auch gehrt ihnen der grte Teil von Gallien, das frher nicht in ihrem Besitz war, sondern erst hinzuerobert ist, ferner die alte ionische Pflanzstadt Massilia. [...] Das einzige, wodurch sie sich von uns unterscheiden, ist ihre barbarische Kleidung und ihre eigentmliche Sprache. (Agathias von Myrna, Historien I,2). In Gallien flieen auer anderen Flssen Rhne und Rhein. Sie machen einen ganz verschiedenen Weg: Der eine mndet ins Tyrrhenische Meer, der andere in den Ozean. Dort befinden sich Smpfe, in denen zu alten Zeiten die Germanen wohnten, ein barbarisches Volk, zu Anfang wenig beachtet, das jetzt Franken heit. (Prokopius, Gotenkrieg, I,12) Seit dem Jahre 257 gibt es Einflle von als Franken bezeichneten germanischen Scharen in das zum Rmischen Reich gehrende gallische Gebiet. Trger der berflle sind Gefolgschaften, an deren Spitze fhrende Stammesvertreter stehen. Diese politisch-militrischen Verbnde waren nicht mehr auf den Stamm orientiert, auch Stammesfremde konnten zu einer Gefolgschaft gehren. Bereits 258/59 stoen frnkische Krieger bis in den Mittelmeerraum vor; ein Teil greift Tamuda an der marokkanischen Kste mit eroberten Schiffen an. 275 berrennen Franken die Gebiete westlich von Nijmegen und der Maas, die von Rom aufgegeben werden. Drei Jahre spter gelingt es Kaiser Probus, die Rheingrenze wieder zu sichern. Germanen werden ins rmische Heer eingegliedert. Durch Einfhrung des Dominats gelingt es im 4. Jahrhundert, die Lage zu stabilisieren: Die meisten Einflle werden an der Grenze abgefangen und ihre Zahl nimmt infolgedessen stark ab. Ge Friedrich Giesler, 1999

F 7 (Gefolgsmann)

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fangene und besiegte Germanen werden in den entvlkerten Landstrichen angesiedelt. In der Mitte 4. Jahrhunderts ndert sich der Charakter der frnkischen Invasionen: Es sind jetzt nicht mehr Kriegerscharen auf der Suche nach Raub und Beute, sondern Sippen und Siedler mit dem Ziel der Landnahme. 480 wird Das gesamte Land an Mosel und Saar frnkisch. 320 Jahre spter tritt der Franke Karl das Erbe der rmischen Caesaren an, indem er sich in Aachen zum Kaiser krnen lt - Carolus Magnus. Eine Reihe von antiken Schriftstellern haben uns Nachrichten ber die Franken hinterlassen (Ammianus Marcellinus, Sidonius Apollinaris, Prokopius, Agathias von Myrna und Gregor von Tours). So knnen wir uns eine ungefhre Vorstellung von Tracht uns Aussehen machen. Typisch fr die Haar- und Barttracht der frhen Franken ist, da sie lange dnne Schnurrbrte trugen und das Haar auf dem Hinterkopf rasierten und den Rest zu einen Mhne oder einem Knoten auftrmten, die Schlfenhaare zu Zpfen flochten. Die Kleidung bestand aus engen langen Hosen oder Kniehosen, Unterschenkelbinden, Hemd und Umhang. Die Kleiderfarben waren zumeist die von natrlicher Wolle, aber auch kostbar gefrbte Stoffe kamen vor. Sidonius Apollinaris beschreibt z.B. den Einzug eines germanischen Frsten. Dieser war in glnzendes Scharlachrot, rtliches Gold und reine weie Seide gekleidet und sein Gefolge trug vielfarbige gestreifte Hemden und grne Mntel mit blutroten Kanten. Die Frbung mit Krapp (rot), Waid (blau) und Wau (gelb) war gelufig. Pelzwesten wurden noch hufig getragen. Schutzwaffen wie vergoldete Helme oder eiserne Ringpanzer besaen nur Edelinge. Der Schild war rund und hatte einen spitzen Buckel, der ihn zum Einsatz als Offensivwaffe geeignet machte. Die Schildbuckel eines Anfhrers und seines Gefolges konnten vergoldet sein. Bei den Saliern waren spiralfrmige bunte Streifen auf dem ansonsten weien Schild beliebt. Vergoldet war auch der Kopf des Drachenfeldzeichens, das einen purpurroten oder scharlachroten Windsack hatte.

FUROR TEUTONICUS Angriffskeil einer frnkischen Gefolgschaft, um 350 n.Chr. Bei den Angriffswaffen gab es einige typisch frnkische Stcke, ber die wir durch Grabfunde und Beschreibungen recht gut unterrichtet sind. Neben Langschwert (Spatha) und Hiebmesser (Sax) benutzten sie verschiedene Formen von Beilen, die auch geworfen wurden. Die eigentmliche Form der Francisca hatte sich aber noch nicht herausgebildet. Unter den Stangenwaffen ist vor allem das Angon typisch: ein mit Widerhaken versehener Wurfspie mit langer Eisenspitze wie ein Pilum. Andere Spiee hatten einen seitlichen Vorsprung wie eine Saufeder, der das tiefe Endringen der Waffe verhinderte. Zu den Besonderheiten der frnkischen und allgemein der germanischen Kriegfhrung gehrte der berchtigte FUROR TEUTONICUS, der im Sturmlauf vorgetragene Angriffsschock. Das heit, Anfhrer und Gefolge strzten sich mit gewaltigem Geschrei im vollen Lauf auf den Gegner. Hielt dieser dem Anprall stand, so hatte er eine gute Chance, die Oberhand zu gewinnen. Meist zerbrachen aber die Schlachtreihen der rmischen Grenzsoldaten. Friedrich Giesler, 1999

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Der Sturmlauf hatte eine taktische Formation zur Folge, die als Angriffskeil (CUNEUS) beschrieben wird. Da der Anfhrer im Zentrum der Schlachtreihe vorstrmte, umgeben von den ausgesuchten Kriegern seines engsten Gefolges, die ihrem Herrn bedingungslos in den Tod zu folgen durch ihre Kriegerehre gezwungen waren, entstand eine Beule in der Schlachtreihe, die sich im Laufe des Angriffs zu einer Art Keil entwickelte, da die weniger bevorzugten Krieger links und rechts auen, nicht ganz so todesmutig vorrannten. Ammianus Marcellinus beschreibt gegen Ende des 4. Jahrhunderts den Angriff bei Argentorate (Straburg) so: Die Germanen eilten mehr in jagendem als in besonnenem Lauf heran und strzten sich, den Speer in der Rechten schwingend, [...] auf unsere Reiterschwadron. (16,12,18ff) Die neun Typen der Serie Franken im Sturmlauf gestatten es, einen solchen Angriffskeil mit Zinnfiguren zu gestalten. Neben dem Drachen gibt es dabei auch ein Rabenfeldzeichen. Es ist zwar hypothetisch, aber da der Wodansrabe zu den Begleitern des mchtigen Gottes gehrte, knnte es durchaus existiert haben. Zwei Figuren sind sogenannte Kombinationsfiguren, die durch beschneiden in verschiedene Typen zu verwandeln sind. F 3 (der fallende Krieger) verliert im Sturz entweder Lanze oder Beil, und F 7 (der Gefolgsmann mit Helm) schwingt entweder seinen Speer oder seine Axt in der Rechten.

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Rmische Kataphraktenreiter, 4./5. JahrhundertDie Krassiere der sptrmischen Armee (Eschbach & Giesler / R. Sonntag)

C1 (Anfhrer)

C 2 (Blser)

C 3 (Draconarius)

C 4 (Vexillifer)

C 5 (Reiter im Angriff) (wird fortgsetzt)

C 6 (Reiter anreitend)

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Das Wort Kataphrakt geht auf das Griechische zurck.. Das lateinische cataphractus bedeutet gepanzert (von Soldaten und deren Pferden benutzt). Das Adjektiv ist von dem Nomen cataphractes abgeleitet, das einen aus eisernen Schuppen bestehenden Panzer fr Menschen und Pferde bezeichnet. In spteren Quellen erscheint das Wort zumeist in der Form cataphractarius. Studiert man die Bedeutung bei den lateinischen Schriftstellern, so gelangt man zu dem Ergebnis, da die Kataphraktenrstung aus Eisen bestand, da es sich bei den EQUITES CATAFRACTARII um mit Brustpanzern ausgerstete Reiter handelte.

Im Kleinen Pauly kann man lesen: Im Gegensatz zu den clibanarii waren bei den rm.[ischen] K.[ataphraktoi] oder catafracti(arii) blo die Reiter, nicht auch das Pferd vom Kopf bis zu den Fen gepanzert. Dies wird durch die antiken Bildquellen besttigt, die uns zudem, zusammen mit Fundstcken, ein recht genaues Bild von Aussehen und Ausrstung dieser Schweren Reiter geben. Dabei sind die provinzialrmischen Grabsteine von besonderer Bedeutung, da auf ihnen Begriff und Abbildung gemeinsam erscheinen.Rekonstruktion eines Kataphrakten nach den Quellen

Der frheste Stein lt keine Details mehr erkennen, zeigt aber den Reiter auf einem ungepanzerten Pferd. Die Grabsteine aus dem 4. Jahrhundert sind etwas aufschlureicher, obwohl die Darstellungen allesamt grber und sthetisch und handwerklich weniger ansprechend sind. Auf Grabsteinen aus Worms erkennt man deutlich den groen Ovalschild, die lange Lanze (kein Kontos) und das ungepanzerte Pferd bzw. (wenn auch grob gearbeitet) Schuppenpanzer, Helm und ungepanzertes Pferd. Aus der Haltung des zweiten Reiters aus Worms ist zu entnehmen, da er ebenfalls nicht mit dem Kontus bewaffnet war, sondern seine Reiterlanze zum berarmsto erhoben hat. Ein Reiter aus Amiens schwingt in der Rechten ein Krummschwert. Der andere trgt ein Panzerhemd mit Schwertgurt, jedoch keinen Helm. Der Grabstein aus Lyon zeigt einen vollbewaffneten Offizier einer solchen Einheit. Deutlich erkennbar sind das ungepanzerte Pferd mit Satteldecke, die lange Lanze (kein Kontos) und der Helm mit auffallend hoher, spitz zulaufender Kalotte. Ebenso ausgestattete Reiter kann man auch auf dem Konstantinsbogen in Rom (312-315) und auf dem Galeriusbogen von Thessalonike (Saloniki, 297-311) entdecken. Auf dem erstgenasnnten Denkmal sind in der Szene des Kampfes auf der Milvischen Brcke mit Schuppenpanzern, Helmen und kleinen Ovalschilden ausgerstete Soldaten zu sehen, die in den Flu strzen. An einigen Stellen erkennt man auch die Kpfe ihrer Pferde. Es drfte sich folglich um EQUITI CATAFRACTARII des Heeres von Konstantins Gegner Maxentius handeln. Die Panzer haben halbe rmel und sind hftlang. Darber sieht man den Riemen des links getragenen Schwertes und/oder einen Grtel. Die attis