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Seminar Management & Marketing Ethics Case Study Benetton1994 2011

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Seminar Management & Marketing Ethics

Case Study

“Benetton”

1994

2011

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Warum ist die Werbung B

Claudia Lange

Gliederung Unser Schwerpunkt bezieht sich auf die Skandalwerbeanzeigen, auf die wir im Laufe unseres Projektes eingehen.

Einleitend befassen wir uns mit der Beschreibung der ausgewählten Skandalwerbeanzeigen.

Zudem gehen wir auf die Motive ein, warum grade solch eine provokante Werbung gewählt wird. Ebenfalls beschäftigen wir uns mit dem für und wieder der Anzeigen und deren erfolgreicher Wirkungsweise auf den Werbeempfänger. Nachfolgend befassen wir uns mit der Frage, inwieweit die Werbung als Moralapostel dient.

Ebenfalls umfasst unsere Projektarbeit eine Auswahl von Gerichtsurteilen (z.B. HIV-Positiv) sowie deren Gründe und Folgen.

Abschließend ziehen wir ein Fazit aus dem von uns bearbeitetem Thema.

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12. Dezember 2000, 15:53 Uhr

Benetton

Werbung durch Schock

Die Modefirma darf mit ölverpesteten Enten oder Aidskranken werben. Das wurde von höchstrichterlicher Stelle bestätigt.

Nach dem Entscheid des Bundesverfassungsgerichts vom Dienstag sind die Zeitungsanzeigen, mit denen Benetton Anfang der 90-er Jahre die Öffentlichkeit schockierte, mit dem Grundgesetz vereinbar.

Die Urteile des Bundesgerichtshofs (BGH), der 1995 den Abdruck dreier Anzeigen in der Zeitschrift "Stern" wegen Wettbewerbswidrigkeit untersagt hatte, verletzen nach den Worten der Verfassungsrichter die Pressefreiheit. Tenor der Richter: Wer Missstände anprangert, ist vom Grundgesetz geschützt - auch dann, wenn er damit Werbung macht.

Ob Kinderarbeit, Aids oder Umweltverschmutzung - das Leid der Welt darf auch auf Werbefotos abgebildet werden. Die umstrittenen Bilder des früheren Benetton-Fotografen Oliviero Toscani zeigten eine ölverschmutzte Ente, ein menschliches Gesäß mit dem Stempelaufdruck "H.I.V.-Positive" sowie schwer arbeitende Kinder in der Dritten Welt - verbunden mit dem

Hinweis "United Colors of Benetton".

Werbeaktion war erfolglos

Der Verlag Gruner+Jahr hatte Verfassungsbeschwerde gegen die Urteile des Bundesgerichtshofs eingelegt. Benetton selbst war nicht vor das Verfassungsgericht gezogen, das Unternehmen hat die Kampagne längst eingestellt. Ohnehin waren in der mündlichen Verhandlung im November Zweifel daran laut geworden, ob die Werbeaktion überhaupt kommerziell erfolgreich war.

Der Erste Senat - als Berichterstatter zuständig war der scheidende Verfassungsrichter Jürgen Kühling - erklärte: Die Lesart des BGH, wonach Aids-Kranke durch die HIV-Anzeige abgestempelt und ausgegrenzt würden, sei keineswegs zwingend. Ebenso nahe liegend sei, dass Benetton anklagend auf die Ausgrenzung Aids-Kranker hinweise. Mit dem Foto, so die Richter, könnte "auch für einen Aids-Kongress geworben werden".

Damit ließ das Verfassungsgericht dem BGH, der nun noch einmal abschließend über den Fall entscheiden muss, kaum Spielraum. Der BGH hatte argumentiert, beim Verbraucher würden Gefühle von Mitleid und Ohnmacht zu kommerziellen Zwecken ausgenutzt. Zudem werde die Menschenwürde Aids-Kranker verletzt.

Gefühle in der Werbung sind üblich

Die Verfassungsrichter hielten dem entgegen, dass gefühlsbetonte Motive gang und gäbe seien. "Kommerzielle Werbung mit Bildern, die mit suggestiver Kraft libidinöse Wünsche wecken, den Drang nach Freiheit und Ungebundenheit beschwören oder den Glanz gesellschaftlicher Prominenz verheißen, ist allgegenwärtig."

Dabei äußerte der Erste Senat Verständnis für den Wunsch der BGH-Richter, "Anstandsregeln" aufzustellen. Das Grundgesetz jedoch sei nicht dazu da, den guten Geschmack zu verteidigen: "Ein vom Elend der Welt unbeschwertes Gemüt des Bürgers ist kein Belang, zu dessen Schutz der Staat Grundrechtspositionen einschränken darf."

Werbung mit Schockgarantie

Umstritten, aber nicht verboten

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Der deutsche Werberat begrüßte das Urteil als "Richtung weisend". Das Urteil bestätige, dass Werbung durch das Grundrecht der Meinungsfreiheit geschützt sei. Es entspreche auch der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes.

"Stern" zufrieden

Demnach müsse der "lebenskompetente, umworbene Bürger bei der rechtlichen Beurteilung einer Werbemaßnahme zu Grunde gelegt werden und nicht die Minderheit von unbedarften Konsumenten, hieß es beim Deutschen Werberat in Bonn".

Auch der "Stern" zeigte sich mit dem Urteil zufrieden. Das Magazin habe sich dafür eingesetzt, dass Werbungtreibende mit ihren Motiven auch gesellschaftspolitisch aufwühlende Themen aufgreifen dürfen und nicht nur eine heile Welt vorgaukeln müssen, sagte "Stern"-Verlagsleiter Bernd Buchholz in einer Stellungnahme am Dienstag.

Doch die Verfassungsrichter setzten der Werbung auch Grenzen: Wenn die Menschenwürde Einzelner oder von Personengruppen verletzt werde, müsse der Staat eingreifen - etwa, wenn sie ausgegrenzt, verächtlich gemacht oder verspottet würden.

Auch der Abdruck Ekel erregender, Furcht einflößender oder jugendgefährdender Bilder könnte verboten werden. Eine wirksame Grenze könnte auch der kommerzielle Misserfolg sein.

Der Deutsche Werberat: "Überrumpelungsversuche seitens der Werbung mit dem Psychotrick der Provokation zahlen sich nicht aus."

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DIE BENETTON-KONTROVERSE Bigotte Zensoren bestehen darauf, dass Werbung nur Heile-Welt-Bilder zeigen darf - Doch das Bundesverfassungsgericht sieht die Sache anders. Die "Vereinigten Farben von Benetton" (United Colors of Benetton) standen in Deutschland erneut vor Gericht. Nachdem der Bundesgerichtshof 1995 drei Benetton-Bilder, darunter das einer todgeweihten Ente im Ölteppich, auf Antrag der "Zentrale zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs" für sitten- und wettbewerbswidrig erklärt hatte, lag die Sache Ende 2000 vor dem Bundesverfassungsgericht. Auf Antrag des "Stern" hat es entschieden, dass das Bilderverbot gegen die Meinungs- und Pressefreiheit verstieß, dass die Farben von Benetton also von Grundrechts wegen leuchten durften. Die Ente in Öl, fotografiert von Steve McCurry, erschien 1992, im gleichen Jahr wie das Bild eines sterbenden Aids-Patienten im Kreis seiner Familie, fotografiert von Therese Frair. 1993/94 kamen Oliviero Toscanis umstrittene Motive: der nackte Hintern mit "HIV-positiv"-Stempel, die blut- und dreckgetränkte Kleidung eines in Bosnien getöteten Soldaten. Die Aufregung um diese bewegenden Motive ist merkwürdig. Worum geht es eigentlich?

ZUM TODE VERURTEILT In den USA liegt die Sache ziemlich klar. Dort zeigte Benetton im Jahr 2000 die Porträts von Todeskandidaten, zum Tode verurteilten Verbrechern. Indem die Bilder eindrücklich in Erinnerung rufen, dass es sich auch bei diesen Menschen um Menschen handelt (genau genommen um Männer), nehmen sie klar Stellung gegen die Todesstrafe. Eine solche Stellungnahme fordert die Befürworter heraus, und da die Todesstrafe moralisch kontrovers ist, muss jeder Teilnehmer der Kontroverse damit rechnen, dass ihm Unmoral vorgeworfen wird. In diesem Fall operieren die Kopf-ab-Apostel mit den Angehörigen der Opfer jener Verbrecher, die angeblich durch das Abbilden der Täter gedemütigt würden. In Deutschland stellt sich die Kontroverse anders dar. Keiner der Benetton-Gegner tritt offen dafür ein, Ölteppiche in Kauf zu nehmen, Aids-Kranke und HIV-Positive wegzuschließen, Soldaten bedenkenlos zu verheizen oder Kinder in Entwicklungsländern auszubeuten. Auch unterscheiden sich die hier zu Lande angegriffenen oder verbotenen Motive in einem wesentlichen Punkt von denen der Todeskandidaten-Reihe: Sie enthalten keinen Text außer dem Motto "United Colors of Benetton". Die Bilder der Todeskandidaten tragen dazu die Schlagzeile "Sentenced to death" ("Zum Tode verurteilt") und weiteren erklärenden Text.

SITTENWIDRIGE WERBUNG

Benetton-Plakat mit sterbendem Aids-Patienten und Familie (Foto: Therese Frair, 1992)

Cornelia von Gierke als berufene Schützerin des lauteren Wettbewerbs begründete vor dem Bundesverfassungsgericht, was da der Sitte widerspricht: Erst auf den zweiten Blick erkenne

Page 1 of 3Die Benetton-Kontroverse (Bundesverfassungsgericht schützt Benetton-Plakate)

25.10.2010http://www.korfftext.de/der_streit/benetton.html

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man, dass es sich um Werbung handle. Bevor der Betrachter das durchschaut habe, habe ihn das Motiv bereits emotional aufgerüttelt und gezwungen, sich mit der Benetton-Werbung auseinander zu setzen. Der Bundesgerichtshof hatte 1995 geurteilt: "Durch die Abbildung realen Leids will die Beklagte lediglich erreichen, dass ihr Name im Gespräch der Verbraucher bleibt." Werben mit realem Leid - das ist sittenwidrig. In der Tat, Sitte ist es nicht. Sitte ist es, dass die Werbung eine künstlich heile Welt abbildet, von der jeder weiß, dass sie erlogen ist. Trotzdem fallen die zitierten Begründungen sofort in sich zusammen, wenn man die Fotos von McCurry, Frair und Toscani als Fotokunst betrachtet, die dank des großzügigen Sponsors Benetton groß- und vielflächig in den öffentlichen Raum gebracht wurde. Dann ist klar: Die Bilder zwingen den Betrachter nicht, sich mit Benetton-Werbung auseinander zu setzen, sie zwingen ihn, sich mit ihren Themen auseinander zu setzen: Ölpest, Aids, Krieg, Ausbeutung, Todesstrafe. Dann ist auch klar: Benetton wollte eben nicht nur erreichen, dass sein Name im Gespräch bleibt; Benetton wollte erreichen, dass die Menschen anders als bisher mit diesen Themen umgehen. Luciano Benetton wollte und will offenbar die Welt verändern.

DIE LAUTERKEIT DES WETTBEWERBS Das aber glauben ihm die Lauterkeitsschützer nicht. Sie können sich, wahrscheinlich von sich auf andere schließend, nicht vorstellen, dass ein werbetreibender Unternehmer auch noch anderes im Sinn haben könnte als seinen Umsatz. Mit Lauterkeit des Wettbewerbs ist offenbar gemeint, dass in das Umsatzmotiv der Wettbewerber nichts Artfremdes hineingemischt werde. Ökonomie und Politik, Ökonomie und humanitäres Engagement - das darf sich niemals vermischen. Benetton hat eine Tür aufgestoßen. Er hat gezeigt, dass ein Unternehmer, der Geld hat, die riesige Gesamtfläche kommerzieller Plakatwände und Anzeigenseiten auch für sinnvollere, wirksamere Aussagen nützen könnte als "Mein eon ist schöner als deins". Dort wittern Konservative eine große Gefahr. Um die Tür wieder zu schließen, unterstellen sie Benetton moralische Unlauterkeit, Missbrauch menschlichen und tierischen Leids für schnöde Profitgier. Merkwürdig bigott ist das, weil die gleichen Menschen, die von lauterem Wettbewerb reden und von der heilsamen Kraft des Marktes, mit ihren Angriffen auf Benetton indirekt zu erkennen geben, dass sie das treibende Motiv des Wettbewerbs, die Profitgier, selbst für verwerflich halten. Wenn der Bundesgerichtshof sagt, Benetton habe "lediglich" erreichen wollen, dass sein Name im Gespräch bleibt, definiert er damit dieses Ziel als ein niederes Ziel. Wenn Wettbewerb aber etwas Niederes, Erbärmliches ist, wie kann er dann jemals lauter sein? Und wenn es keinen lauteren Wettbewerb gibt, wie kann es dann unlauteren geben?

DIE FARBEN VON BENETTON

Benetton-Plakat mit Ente im Ölteppich (Foto: Steve McCurry, 1992)

Im Eifer des Gefechts hat fast niemand beachtet, auf welche Weise die Benetton-Bilder mit

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dem Text darauf, dem Slogan »United Colors of Benetton«, korrespondieren. Eins der ersten Plakate dieser Reihe zeigte Anfang der 90er Jahre drei junge Frauengesichter: ein europäisches, ein afrikanisches und ein asiatisches. Die "Vereinigten Farben von Benetton" waren also die Farben aller Völker dieser Welt. Das kann man als Botschaft der Menschenrechte lesen, aber auch als Botschaft der Globalisierung. Eins der nächsten auffälligen Motive war das Bild eines Neugeborenen auf den Händen der Hebamme oder des Arztes, noch ganz von rotem Blut verschmiert. Dann die Uniform des toten Soldaten; auch sie ist von Blut durchtränkt. Der Text »United Colors...« verweist auf das Rot des Blutes, die Farbe des Lebens, die in Erscheinung tritt, wo das Leben geschenkt und wo es geraubt wurde. Auf jeden Fall sind die Farben das Positive, mit dem sich Benetton und seine farbigen Produkte identifizieren will. Das Bild der Ente im Ölteppich ist aber völlig schwarz, mit einigen hellen Lichtreflexen. Wo sind die Farben? Sie sind da: das Auge der Ente leuchtet noch in einem hellen Rot. Dieser kleine rote Punkt ist der letzte Rest des Lebens in einem schwarzen Meer; gleich wird er erlöschen. Doch ehe er erlischt, haben Benetton und Steve McCurry mit ihrem Plakat und dem Slogan den Kontakt hergestellt zwischen dem bedrohten Leben und den Herzen der Betrachter. Dass solche Effekte nicht in Museen eingesperrt bleiben, sondern auf offener Straße stattfinden, dafür steht Benetton. Weiter so!

Jens Jürgen Korff (2000)

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B E N E T T O N - W E R B U N G

Wen schockt das schon?Mit einer Plakatkampagne, die sich küssende Machthaber zeigt,will das Modelabel Benetton an die Sozialkritik der Neunzigeranknüpfen. Doch dafür sind die Motive zu gefällig.VON Michael Götting | 18. November 2011 - 18:55 Uhr

© Fabrica

Eines der Motive der Benetton-Kampagne: Barack Obama und der chinesische Staatspräsident HuJintao

Der italienische Modehersteller Benetton hat eine neue Werbekampagne. Die Motive, die

in dieser Woche in allen europäischen Metropolen zu sehen sind, zeigen Barack Obama ,

der den chinesischen Staatspräsidenten Hu Jintao küsst, Benjamin Netanjahu in derselben

Pose mit Machmud Abbas , und Angela Merkel küsst Nicolas Sarkozy . Das Plakat, das den

Papst in inniger Intimität mit dem ägyptischen Imam Ahmed el Tajjeb zeigt, musste nach

Protesten aus dem Vatikan schon wieder zurückgezogen werden. Der Kirchenstaat kündigte

an, weltweit rechtlich gegen die Veröffentlichung des Motivs vorzugehen.

Es ist nicht das erste Mal, dass eine Werbeaktion des Modelabels für Entrüstung sorgt ,

die Empörung ist vielmehr von Benetton gewollt. In den neunziger Jahren fotografierte

Oliviero Toscani für Benetton eine schwarze Frau, die einem weißen Baby die Brust gibt.

Black and White hieß die Serie. Es gab Widerstand. Man warf Toscani und Benetton vor,

mit dem Werbemotiv das Klischee der schwarzen Nanny zu bestätigen. Das Bild hat in

Benettons Kampagnenkollektion bis heute die meisten Auszeichnungen erhalten.

Und jetzt küssen einander religiöse Führer und Staatsoberhäupter, die sich mehr oder

weniger verfeindet gegenüberstehen. Unhate betitelt Benetton die Serie. Hört auf, zu

hassen. Eine Userin hat auf dem Benetton-Blog ihre Einschätzung als Kommentar

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hinterlassen. Unter das Bild von Obama und Hu Jintao schreibt sie: "Sagt es doch gleich.

Hier geht es nicht um Unhate , sondern es geht um Homosexualität."

© Patrick Kovarik/AFP/Getty Images

Papst küsst Imam: Die Plakatemit diesem Motiv – hier in Paris– musste Benetton auf Druckder katholischen Kirche bereitswieder abhängen.

Auch wenn es vielleicht nicht unbedingt Benettons Anliegen ist, Homosexualität auf

Staatsebene salonfähig zu machen: Die Frage, worum es eigentlich in dieser Kampagne

geht, ist berechtigt.

Das Motiv erinnert stark an ein Foto, das 1989 um die Welt ging und Michail Gorbatschow

und Erich Honecker beim Bruderkuss zeigt. Eine der letzten großen Gesten des

Kommunismus. Will Benetton mit Unhate also den Niedergang des Ostblocks noch

einmal mit einer der größten Gesten des Kapitalismus – der globalen Werbekampagne –

zelebrieren? Oder soll dieses Zitat in Zeiten einer nicht enden wollenden Finanzkrise das

Ende des Kapitalismus verkünden?

© Fabrica

Mahmud Abbas küsst Benjamin Netanjahu.

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Das Modelabel selbst ist in seinen Aussagen zur Kampagne ambivalent: Einerseits wird

erklärt, der Kuss sei ein allgemein anerkanntes Symbol der Liebe. Alessandro Benetton, der

Vorsitzende der Benetton-Gruppe, sagt andererseits, die Bilder seien eine Einladung, nicht

zu hassen: "Das ist etwas anderes als zu Lieben. Liebe ist ein Märchen, eine Utopie."

Nachdem Benetton 1984 begonnen hat, Models aus unterschiedlichen Kulturen in seinen

Kollektionen zu fotografieren und die Filialen weltweit mit den Aufnahmen zu dekorieren

– wogegen damals unter anderem das Apartheidregime in Südafrika protestierte –

transportiert diese Kampagne eine gewisse Ernüchterung in der Weltsicht des italienischen

Modeherstellers. Von All Colours of the World zu Unhate . Die Zielsetzung wird korrigiert.

Nicht mehr für Verständnis und Liebe zwischen den Kulturen wird geworben, sondern nur

noch dafür, aufzuhören, sich gegenseitig zu hassen.

© Fabrica

Alessandro Benetton

Zu Benettons Werbeaktion gehört auch die Gründung einer Unhate-Stiftung . Eine

Benetton-Stiftung, die sich für den Erhalt lokaler Bräuche und den Naturschutz einsetzt,

gibt es bereits seit 1987. Jetzt sollen zusätzlich Künstler und Aktivisten an Orten unterstützt

werden, die besonders von gewaltsamen Konflikten, Armut und sozialer Ungleichheit

betroffen sind, vor allem in Israel , Palästina und brasilianischen Favelas. Es sind

Regionen und Konflikte, in denen Hilfe zweifelsohne gebraucht wird, bei denen man

als sozial engagierter Großkonzern aber auch auf der sicheren Seite ist. Während sich

die meisten Benetton-Kunden wohl darin einig sein dürften, dass den Menschen in der

Westbank geholfen werden muss, könnte ein Unhate-Engagement in Konflikten wie zum

Beispiel jenem zwischen nordafrikanischen Flüchtlingen und den Einheimischen der

süditalienischen Insel Lampedusa für eine geschäftsschädigende Kontroverse sorgen.

Hatte sich der Konzern in den neunziger Jahren noch an Themen wie der Todesstrafe in den

USA , Homosexualität und den Kosovokrieg gewagt, bleibt Benetton mit Unhate in jeder

Hinsicht auf der sicheren Seite der Weltversöhnung. Die Orte des sozialen Engagements

sind genau wie das Bruderkuss-Motiv altbekannt, und die passend zur Kampagne gestaltete

Unhate-Taube des kubanischen Künstlers Erik Ravelo ist auch nur eine 2011er Version

der Friedenstaube. Alessandro Benetton nennt es "die Fortführung der Geschichte des

Konzerns in einer neuen, pragmatischeren Variante". Man könnte es auch als vertane

Chance bezeichnen.

COPYRIGHT: ZEIT ONLINEADRESSE: http://www.zeit.de/lebensart/mode/2011-11/benetton-unhate-kampagne

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