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Deutsche Islam Konferenz

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  • 1 Vorwort

    Vorwort

    Die Integration der Muslime in unsere Ge-sellschaft ist eine der Schlsselaufgaben unserer Zeit. Sie bedeutet Vernderung fr die Menschen muslimischen Glaubens, von denen die meisten nach Deutschland zugewandert sind, und fr die Gesellschaft als Ganzes. Was vor wenigen Jahrzehnten noch undenkbar war, ist heute Alltag: In den meisten deutschen Stdten ndet sich eine Moschee. Muslimisches Leben wird so Teil unserer Lebenswirklichkeit. Wir ms-sen lernen, nicht nur nebeneinander, son-dern gut miteinander zu leben.

    Deshalb habe ich am 27. September 2006 die Deutsche Islam Konferenz ins Leben gerufen. Sie bietet einen institutionellen Rahmen fr den Dialog zwischen Men-schen muslimischen Glaubens und Vertretern aller Ebenen un-seres Gemeinwesens, von Bund, Lndern und Kommunen. Damit verbindet sich die Hoffnung, dass es uns gelingt, manche Schwie-rigkeit auszurumen und Vertrauen in unsere gemeinsame Zu-kunft aufzubauen. Die Muslime sind Teil unserer Gesellschaft und unseres Landes. Sie sollen in Deutschland heimisch werden und sich angenommen fhlen knnen.

    Darum haben wir der Islamkonferenz das Leitmotiv Muslime in Deutschland deutsche Muslime gegeben. Der Integrationspro-zess, der damit umschrieben wird, verlangt uns allen einiges ab. Die Auseinandersetzung mit dem Anderen, die konstruktive und kritische Diskussion ber Unterschiede und Gemeinsamkeiten, erfordert die Bereitschaft zuzuhren, aber auch Gegenstze aus-zuhalten. Das ist Voraussetzung dafr, dass wir in strittigen Fra-gen zueinander kommen.

    Seit dem Beginn der Deutschen Islam Konferenz vor drei Jahren sind wir bei allen Schwierigkeiten ein gutes Stck vorangekom-men. Dass es mittlerweile eine Kontinuitt im Dialog zwischen Vertretern unseres Staates Bund, Lnder und Gemeinden und

  • 2der Vielfalt muslimischen Lebens in Deutschland sowie auch der Muslime untereinander gibt, ist ein grundlegender Erfolg. Dass alle muslimischen Vertreter in der Deutschen Islam Konferenz ob organisiert oder nicht das Grundgesetz als eine vorbildliche Ordnung fr das Leben in Freiheit und Vielfalt bezeichnen und sich ausdrcklich zur deutschen Rechtsordnung und zur Werte-ordnung des Grundgesetzes bekennen, schafft Klarheit und Ver-trauen in Gemeinsamkeit.

    Darber hinaus hat die Konferenz viele konkrete und praxisbe-zogene Ergebnisse erzielt. Auf der 3. Plenarsitzung im Mrz 2008 haben wir uns auf Empfehlungen zu zentralen Fragen verstn-digt, vom Bau und Betrieb von Moscheen ber das islamische Bestattungswesen bis hin zur Einfhrung islamischen Religions-unterrichts an staatlichen Schulen. Die muslimischen Vertreter bekennen sich zu ihrer Verantwortung, gemeinsam mit Staat und Gesellschaft Extremismus entgegenzutreten.

    Die Deutsche Islam Konferenz zeigt, wie wichtig der regelmi-ge Dialog zwischen Staat, Muslimen und Gesellschaft ist fr die Integration der Muslime und fr den gesellschaftlichen Zusam-menhalt. Wir haben die Sprachlosigkeit der vergangenen Jahr-zehnte berwunden und neue Perspektiven fr Gemeinsamkeit geschaffen. Dafr zu arbeiten, ist eine lohnende und verantwor-tungsvolle Aufgabe. Ich danke allen, die daran mitwirken, fr ihr Engagement und fr ihren Beitrag zu einem guten Miteinander in unserem Land.

    Dr. Wolfgang Schuble, MdBBundesminister des Innern

  • 3 Inhaltsverzeichnis

    Vorwort 1

    1 Beginn und erste Ergebnisse der Deutschen Islam Konferenz 6 1.1 Deutsche Islam Konferenz Perspektiven fr eine

    gemeinsame Zukunft 12 1.2 Vorlu ge Erkenntnisse, nchste Schritte 22 1.3 Zwischenresmee der 3. Plenarsitzung der DIK 32

    2 Die Arbeit der Arbeitsgruppen ausgewhlte Vortrge von Mitgliedern der DIK 68

    2.1 Arbeitsgruppe 1 70 2.1.1 Dr. Levent Tezcan: Einige Anmerkungen zur Religiositt

    in muslimischen Milieus 70 2.1.2 Prof. Dr. Hartmut Esser: Wertekonsens und

    die Integration offener Gesellschaften 82 2.1.3 Prof. Dr. Klaus J. Bade: Leben in der

    Einwanderungsgesellschaft Erfahrungen und Herausforderungen in Deutschland 106

    2.1.4 Prof. Dr. mer zsoy: Skularitt im islamischen Diskurs der Trkei 128

    2.1.5 Dr. Haci-Halil Uslucan: Religise Werteerziehung in islamischen Familien eine Zusammenfassung 136

    2.1.6 Prof. Dr. Tilman Nagel: Die Legitimitt der Neuzeit 158 2.2 Arbeitsgruppe 2 176 2.2.1 Prof. Dr. Christine Langenfeld: Einfhrung in das

    Staats- und Freiheitsverstndnis des Grundgesetzes 176 2.2.2 Prof. Dr. Christine Langenfeld: Formale Treue zur

    Verfassung reicht nicht 194 2.2.3 Prof. Dr. Mathias Rohe: Scharia inDeutschland? 204 2.2.4 Prof. Dr. Peter Graf: Master-Studiengang

    Islamische Religionspdagogik, Ausbildung islamischer Religionslehrerinnen und -lehrer im Ergnzungsfach Etablierung eines neuen Fachs an der Universitt Osnabrck 210

    2.2.5 Prof. Dr. Janbernd Oebbecke: Moscheebaukon ikte und der Beitrag des Rechts 228

  • 4 2.2.6 Klaus Spenlen: Bildungspolitische Schwer punkte bei der Frderung von Kindern und Jugendlichen mit Zuwanderungsgeschichte in den Lndern der Bundes-republik Deutschland 246

    2.2.7 Prof. Dr. Christian Walter: Verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen fr die Einrichtung theologischer Fakultten 264

    2.2.8 Prof. Dr. mer zsoy: Stiftungsprofessur fr islamische Religion am Fachbereich evangelische Theologie der Goethe-Universitt Frankfurt am Main 270

    2.3 Arbeitsgruppe 3 282 2.3.1 Prof. Dr. Kai Hafez: Das Medienbild

    des Islams in Deutschland 282 2.3.2 Abdul-Ahmad Rashid: ffentlichkeitsarbeit der

    muslimischen Verbnde in Deutschland Bestands-aufnahme, Kritik und Lsungs vorschlge 290

    2.3.3 Prof. Dr. Hans-Jrgen Wei: Mediennutzung und Integration der trkischen Bevlkerung in Deutschland 298

    2.4 Gesprchskreis 304 2.4.1 Dr. Johannes Kandel: Ein Vorschlag zur De nition von Islamismus in Abgrenzung zu anderen im politischen Diskurs verwendeten Begriffen 304 2.4.2 Aiman Mazyek: Islam und Gewalt 308

    3 Gemeinsamkeiten frdern Unterschiede bewltigen 312 3.1 Staat und Islam Warum wir den Dialog brauchen

    Einheit in der Vielfalt Integration in Deutschland 314 3.2 Religion und Gesellschaft 330 3.2.1 Religise Vielfalt und gesellschaftlicher

    Zusammenhalt in Deutschland 330 3.2.2 Das Islambild in Deutschland Neue Stereotype,

    alte Feindbilder? 338 3.3 Dialog zwischen Christen und Muslimen die interreligise

    Dimension Zusammen in Deutschland Zum Dialog zwischen Christen und Muslimen 346

  • 5 Inhaltsverzeichnis

    4 Ergnzende Initiativen 356 4.1 Deutsch-Trkische Fachgesprche: Zum Verhltnis

    von Staat und Religion in Deutschland und der Trkei 358

    4.2 Intensivierung europischer Zusammenarbeit im Bereich des interkulturellen Dialogs 362

    4.3 Website der Deutschen Islam Konferenz 380 4.4 Fachkonferenzen und Runder Tisch deutscher

    und trkischer Journalisten in Berlin 382 4.5 Muslimisches Leben in Deutschland

    Wissenslcken schlieen und Integrationsdebatte versachlichen 384

    5 Projekte des interreligisen Dialogs und der Integrationsfrderung Modellprojekte 386

    5.1 Das Theologische Forum Christentum Islam

    und die Studienwoche Christlich-Islamische Beziehungen im europischen Kontext 388

    5.2 Ausbildung in Notfall- und Krankenhausseelsorge fr Muslime 392

    5.3 Fragen stellen erwnscht Im Dialog sich kennen lernen, Weit du, woran dein Nachbar glaubt? Musliminnen im Dialog 394

    5.4 Weit du, wer ich bin? Das Projekt der drei groen Religionen fr ein friedliches Zusammen- leben in Deutschland 398 5.5 Prodia Aktives Dialogmanagement in Deutschland 402 5.6 Dialogseminare mit Imamen und islamischen

    Gemeindevorstnden 406 5.7 Zukunftsforum Islam 408 5.8 Integrationsprojekte: BerlinKompetenz und MnchenKompetenz Weiterbildung fr Imame und Seelsorger 410 5.9 proDialog@DITIB ffnung, Integration und Parti - zipation der trkischen Migranten in das kommunale Leben mithilfe der Quali zierung von ehrenamtlichen Multiplikatoren und Dialogbeauftragten 414 5.10 Interkulturelle ffnung und Quali zierung der islamischen Gemeinden in Stuttgart 418

  • 6 1

    Beginn und erste Ergebnisse der Deutschen Islam Konferenz

  • 7 Beginn und erste Ergebnisse der Deutschen Islam Konferenz

    Die Deutsche Islam Konferenz (DIK)

    Muslime in Deutschland deutsche Muslime dieses Motto der Deutschen Islam Konferenz (DIK) bringt eines der Ziele auf den Punkt: Muslime in Deutschland sollen sich als Teil der deutschen Gesellschaft verstehen und von dieser auch so verstanden werden. Das setzt voraus, dass die Brgerinnen und Brger Deutschlands, welcher Abstammung und welchen Glaubens sie auch sind, mehr bereinander erfahren und mehr Verstndnis und Akzeptanz freinander gewinnen. Mit diesem Ziel hat das Bundesinnenmi-nisterium am 27. September 2006 die DIK einberufen und damit den Koalitionsvertrag der Bundesregierung von 2005 mit Leben gefllt.

    Der Vertrag sieht einen intensiven Dialog mit den groen christ-lichen Kirchen, mit Juden und mit Muslimen vor. Ein solcher Di-alog soll nicht nur wichtiger Bestandteil von Integrationspolitik und politischer Bildung sein er dient auch der Verhinderung und Bekmpfung von Rassismus, Antisemitismus und Extremis-mus. Laut Koalitionsvertrag ist es dabei ein Gebot des wechselsei-tigen Respekts, auch Differenzen, die die Dialogpartner trennen, eindeutig zu benennen. Weil Kommunikation allein fr ein gu-tes Miteinander nicht ausreicht, erarbeitet die DIK zudem Hand-lungsempfehlungen und initiiert konkrete Manahmen.

    Struktur

    Die Deutsche Islam Konferenz tagt auf zwei Ebenen. Drei Arbeits-gruppen und ein Gesprchskreis erarbeiten in regelmigen Sitzungen gemeinsame Positionen, Empfehlungen und Lsungs-vorschlge fr ein gutes Miteinander. Das Plenum wiederum dis-kutiert die Vorschlge der Arbeitsgruppen und des Gesprchs-kreises, gibt Anregungen fr die weitere Facharbeit und steuert so den Dialog zwischen Staat und Muslimen.

    PlenumDas Plenum ist das oberste Gremium der DIK. In ihm beraten Re-prsentanten des deutschen Staates und der Muslime in Deutsch-land ber die Empfehlungen, die in den drei Arbeitsgruppen und dem Gesprchskreis erarbeitet wurden.

  • 8Dreimal kamen die Mitglieder des Plenums seit September 2006 zu-sammen zunchst, um das grundstzliche Vorgehen festzulegen, danach, um Auftrge an die Arbeitsgruppen und den Gesprchs-kreis zu konkretisieren, und schlielich, um ein erstes Zwischenre-smee zu verabschieden.

    Die 30 Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Plenums sind sozu-sagen das Herz der Deutschen Islam Konferenz. Ihr fester Kreis setzt sich zusammen aus 15 Vertretern von Bund, Lndern und Kommunen sowie 15 Muslimen, darunter fnf Vertreter muslimi-scher Organisationen und zehn weitere nicht organisierte Mus-lime. Nur so gelingt es, der Vielfalt der Muslime in Deutschland annhernd gerecht zu werden.

    Arbeitsgruppe 1: Deutsche Gesellschaftsordnung und WertekonsensDie Kernfragen eines guten Miteinanders aller Menschen in Deutschland, gleich welchen Glaubens oder welcher Weltanschau-ung, und die Werteordnung des Grundgesetzes (GG) stehen im Zentrum der Arbeitsgruppe 1. Hier geht es beispielsweise um den Schutz der Grundrechte, die Skularitt als Ordnungsprinzip, die demokratische Willensbildung und die politische Teilhabe von Muslimen. Weitere Themenaspekte der Arbeitsgruppe 1 sind Er-ziehungsfragen sowie Wertevermittlung in der Familie oder die Gleichberechtigung von Mann und Frau. Zu den ersten Manah-men dieser Arbeitsgruppe zhlt ein Forschungsprojekt, das aussa-gekrftige Daten von Muslimen in Deutschland ermitteln soll.

    Arbeitsgruppe 2: Religionsfragen im deutschen VerfassungsverstndnisReligionspraktische Fragen werden in der Arbeitsgruppe 2 be-handelt. Wie gelingt die Einfhrung islamischen Religionsun-terrichts in Schulen? Wie gelingt es, alle muslimischen Kinder an schulischen Veranstaltungen, wie koedukativem Schwimm-unterricht, Sexualunterricht oder Klassenfahrten, teilhaben zu lassen? Was ist beim Bau von Moscheen zu beachten? Wie kann eine Bestattung nach muslimischem Glauben erfolgen? Diese und andere Aspekte werden vor dem Hintergrund der deutschen Rechtsordnung bearbeitet. Denn auch, wenn in der Bundesrepub-lik Kirche und Staat getrennt sind, so sind doch bestimmte Felder des Zusammenwirkens von Staat und Religionsgemeinschaften

  • 9gesetzlich geregelt. Bis zum Frhjahr 2008 ist es der Arbeitsgrup-pe beispielsweise gelungen, ein rechtliches Grundlagenpapier fr die Einfhrung islamischen Religionsunterrichts in deutscher Sprache vorzulegen.

    Arbeitsgruppe 3: Wirtschaft und Medien als BrckeDie Arbeitsgruppe 3 prft, welchen Beitrag Wirtschaft und Medi-en zur Integration der Muslime leisten knnen. Sie versucht auer-dem, inte grationsfrdernde Wirtschafts- und Medienprojekte zu initiieren. Die Mitglieder der Arbeitsgruppe 3 befassen sich daher

    zum einen mit Themen rund um Bildung, Ausbildung und Arbeits-markt denn hier sind junge wie erwachsene Muslime gegenber der Mehrheitsgesellschaft im Nachteil. Zum anderen geht es um das Islambild in den Medien. Dabei versucht die Arbeitsgruppe, Emp-fehlungen fr eine Berichterstattung zu konzipieren, die Stereotype durchbricht und Vorurteile abbaut. Dazu hat die Arbeitsgruppe 3 ne-ben zwei Fachkonferenzen zur Thematik bereits Handlungsempfeh-lungen formuliert.

    Beginn und erste Ergebnisse der Deutschen Islam Konferenz

  • 10

    Gesprchskreis Sicherheit und IslamismusThema des Gesprchskreises ist die Bedrohung Deutschlands durch islamistische Bestrebungen. Da dies ein sehr sensibles The-ma ist, hat das Gremium einen anderen Status und auch weniger Mitglieder als die drei Arbeitsgruppen. Im Gesprchskreis beraten Vertreter deutscher Sicherheitsbehrden und muslimischer Ver-bnde ber Strategien, wie Muslime und Sicherheitsbehrden in Deutschland besser zusammenarbeiten knnen. Dazu wurden be-stehende Kooperationen zwischen Polizei und Moscheevereinen, das Konzept Vertrauensbildende Manahmen und viele weitere Projekte diskutiert. Der Gesprchskreis riet zur Einrichtung einer Koordinierungsinstitution auf Bundesebene, um einen berblick ber alle vorhandenen Projekte zu erhalten und interessierten Personen in Deutschland Ansprechpartner fr Kooperationen zu vermitteln. Eine solche Clearingstelle wurde inzwischen beim Bundesamt fr Migration und Flchtlinge (BAMF) eingerichtet.

    Handlungsempfehlungen: Fr eine bessere Integration

    Bei der 3. Plenarsitzung am 13. Mrz 2008 wurde ein Zwischenre-smee mit den bisherigen Ergebnissen aus den Arbeitsgruppen und dem Gesprchskreis verabschiedet. Damit bestehen Empfeh-lungen unter anderem zu folgenden Themen:

    Integration von Muslimen in die deutsche Gesellschaftsord- nung und die Werteordnung des Grundgesetzes

    Einfhrung eines konfessionellen islamischen Religionsun- terrichts in deutscher Sprache an ffentlichen Schulen

    Bau und Betrieb von Moscheen

    Berichterstattung in Medien

    gemeinsames Vorgehen gegen gewaltttige und extremisti- sche Bestrebungen islamistischer Vereinigungen

    Die Deutsche Islam Konferenz hat sich hohe Ziele gesteckt. Denn es geht nicht nur darum, mehr Wissen und Verstndnis gegenber den drei grten Religionen im Land zu erreichen, um Vorurteile

  • 11

    und Missverstndnisse zu reduzieren. Auf der Agenda steht insbe-sondere auch die Integration junger Muslime in der Schule sowie im Berufs- und Arbeitsleben. Denn hier wurden in den vergange-nen Jahren nur unzureichende Verbesserungen erzielt. Damit stieg gleichzeitig die Gefahr, dass sich Parallelgesellschaften entwickeln. So heit es in der Regierungserklrung des Bundesinnenministers vor dem Deutschen Bundestag: Muslime sind in Deutschland willkommen. Sie sollen ihre Talente entfalten und unser Land mit weiter voranbringen. Damit wir die Deutsche Islam Konferenz als Chance fr ein neues Miteinander nutzen knnen, sind die Muslime aufgefordert, sich zu den Grundlagen eines harmonischen Mitein-anders zu bekennen. Dieser Weg in unsere Gesellschaft wird durch das Motto der Deutschen Islam Konferenz umschrieben: Muslime in Deutschland deutsche Muslime.

    Beginn und erste Ergebnisse der Deutschen Islam Konferenz

  • 12

    1.1 Deutsche Islam Konferenz Perspektiven fr eine gemein -same Zukunft1

    Frau Prsidentin! Meine Damen und Herren!

    In Deutschland leben heute zwischen 3,2 und 3,5 Millionen Musli-me. Die meisten von ihnen sind vor Jahrzehnten mit ihren Traditi-onen und Gewohnheiten, mit ihrer Religion und mit ihrer Kultur in dieses Land gekommen. Viele von ihnen haben, wie der Regis-seur Fatih Akin es beschrieben hat, vergessen zurckzukehren. Der Islam ist Teil Deutschlands und Teil Europas, er ist Teil unse-rer Gegenwart und er ist Teil unserer Zukunft. Muslime sind in Deutschland willkommen. Sie sollen ihre Talente entfalten und sie sollen unser Land mit weiter voranbringen.

    Um Perspektiven fr die gemeinsame Zukunft zu schaffen, ms-sen wir versuchen, die Probleme zu lsen, die das Zusammenle-ben mit Muslimen in unserem Land belasten: Religionsunterricht in Koranschulen und an staatlichen Schulen, Kopftuch, Imamaus-bildung, die Rolle der Frauen und Mdchen, das Schchten um nur ein paar Stichworte zu nennen. Nicht nur der Bundesregie-rung bereitet die hohe Arbeitslosigkeit insbesondere der Musli-me der zweiten und dritten Generation, hu g als Folge eines zu niedrigen Quali kationsniveaus, Sorge. Neben solchen Alltags-problemen fhrt der islamistische Terror zu ngsten und Arg-wohn in der Bevlkerung. Viele Muslime nden sich zu Unrecht unter einen Generalverdacht gestellt, ausgegrenzt und nicht voll in die deutsche Gesellschaft aufgenommen.

    All diese Sorgen mssen wir ernst nehmen und nehmen wir ernst. Die die Bundesregierung tragenden Parteien und Fraktionen, CDU/CSU und SPD, haben sich deshalb im Koalitionsvertrag aus-drcklich zum Dialog mit den Muslimen bekannt. Deshalb habe

    (Beifall des Abgeordneten Hans-Michael Goldmann [FDP])

    1 Regierungserklrung von Bundes minister des Innern Dr. Wolfgang Schuble, 54. Sitzung des Deut-schen Bundestages am 28. September 2006.

  • 13

    ich gestern mit der Deutschen Islam Konferenz in der Orangerie im Schloss Charlottenburg den ersten institutionalisierten Dialog zwischen dem deutschen Staat und den in Deutschland lebenden Muslimen erffnet. Das Schloss Charlottenburg auch das darf man sagen , Ende des 17. Jahrhunderts erbaut, erinnert an die groe Toleranz der preuischen Dynastie

    ja, der Brger, aber auch der Dynastie und war ein guter Ort, um diesen Dialog zu erffnen.

    Aufgabe dieser Deutschen Islam Konferenz soll es sein, eine L-sung der Probleme des Zusammenlebens gemeinsam und im Dialog mit den in Deutschland lebenden Muslimen zu suchen. Es ist viel darber diskutiert worden, was der Unterschied zwi-schen der Deutschen Islam Konferenz und dem Integrationsgip-fel sei und ob man sie nicht verbinden knne. Natrlich gibt es eine enge Verbindung zwischen der Integration der Muslime und dem Dialog mit den Muslimen; beides hat viel miteinander zu tun. Trotzdem stehen beim Integrationsgipfel und dem ent-sprechenden Prozess die Fragen aller in Deutschland lebenden Menschen, die aus vielerlei Grnden nach Deutschland gekom-men sind, im Vordergrund, whrend wir uns in der Deutschen Islam Konferenz ausschlielich mit dem Islam und mit den Mus-limen beschftigen.

    Im brigen unterhlt unser Staat geregelte Beziehungen zu den Kirchen. Viele Muslime erwarten zu Recht, dass so hnlich, wie der Staat Beziehungen zu den christlichen Kirchen und zur jdi-schen Gemeinschaft unterhlt, er auch Beziehungen zu den Mus-limen entwickelt was insofern komplizierter ist, als die Muslime nicht so verfasst sind wie die christlichen Kirchen. Einen Ansto zu geben, miteinander zu diskutieren, ist einer der wesentlichen Beweggrnde fr die Islamkonferenz und einer der Grnde, war-um wir uns entschlossen haben, dafr einen eigenen Prozess ins Leben zu rufen.

    Beginn und erste Ergebnisse der Deutschen Islam Konferenz

    (Steffen Reiche [Cottbus, SPD]: Und der Brger!)

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

  • 14

    Die Deutsche Islam Konferenz ist keine Veranstaltung, die nur gestern drei Stunden lang stattgefunden hat, sondern gestern war der Auftakt fr einen stndigen Dialog, den wir zunchst einmal auf einen Zeitraum von etwa zwei Jahren angelegt haben. Uns geht es, wie es im Koalitionsvertrag steht, um einen Dialog sui generis mit den Muslimen in Deutschland, die nicht mehr lnger eine auslndische Bevlkerungsgruppe darstellen, sondern Be-standteil unserer Gesellschaft geworden sind.

    Das muss den Muslimen und auch dem nicht muslimischen Teil unserer Gesellschaft vermittelt werden.

    Natrlich haben viele gefragt, warum das erst jetzt geschieht. Diese Diskussion fhrt aber nicht weiter. Besser jetzt als spter oder gar nicht. Vielleicht liegt das auch daran, dass wir zu lange gedacht ha-ben brigens nicht nur die Deutschen, sondern auch die meisten Zuwanderer, die einstmals als Gastarbeiter zu uns kamen , dass sie wieder in ihre Heimat zurckgehen. Irgendwann hat sich das gendert. Wir wissen, dass die meisten von ihnen in Deutschland geblieben sind. Ihre Kinder und Enkel fhlen sich lngst als Deut-sche trkischer oder arabischer Herkunft. Auch deswegen war es an der Zeit, mit dieser Deutschen Islam Konferenz ein Zeichen des Aufbruchs zu einem neuen Miteinander zu setzen.

    Die Vertreter des Staates Bund, Lnder und kommunale Spitzen-verbnde , die in der Deutschen Islam Konferenz vertreten sind, haben sehr deutlich gemacht, dass wir in diesem Dialog auch Er-wartungen an die Muslime haben. Nach der deutschen Rechts- und Werteordnung verstehen wir den Weg zu einem gedeihli-chen Zusammenleben als einen Prozess, in dem kulturelle und religise Unterschiede anerkannt werden, in dem aber auch die vollstndige Akzeptanz der freiheitlich-demokratischen Grund-ordnung verlangt und vorausgesetzt wird. Die mit dieser freiheit-lich-demokratischen Grundordnung geschtzten Grundregeln des Zusammenlebens sind fr jeden verbindlich, der in Deutsch-land lebt. Das Grundgesetz ist nicht verhandelbar.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

    (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BNDNIS 90/DIE GRNEN)

  • 15

    Beginn und erste Ergebnisse der Deutschen Islam Konferenz

    Durch das Grundgesetz wird im brigen mehr als durch viele an-dere Ordnungen das war auch gar nicht streitig Raum fr ein friedliches, vielfltiges, kulturelles und tolerantes Zusammenle-ben geboten. Deswegen ist es im Interesse aller, dass das Grundge-setz nicht verhandelbar ist.

    In dieser Ordnung, die von christlicher Ethik geprgt ist auch das muss gesagt werden, was ich gestern auch getan habe , muss der Islam seinen Platz finden. Hier lebende Muslime kn-nen sich Zukunftsperspektiven erffnen, wenn sie verstrkt Bereitschaft zeigen, unsere Sprache zu erlernen, Bildungsab-schlsse zu erwerben und sich an der Entwicklung der Gesell-schaft zu beteiligen.

    Damit wir die Deutsche Islam Konferenz als Chance fr ein neues Miteinander nutzen knnen, sind die Muslime aufgefordert, sich zu den Grundlagen eines harmonischen Miteinanders zu beken-nen: die deutsche Rechts- und Werteordnung, die deutsche Spra-che, die in Deutschland gltigen sozialen Konventionen. Dieser Weg in unsere Gesellschaft wird durch das Motto dieser Deut-schen Islam Konferenz umschrieben: Muslime in Deutschland deutsche Muslime.

    Ich glaube, dass die meisten, die das gestern verfolgt haben, in dem Urteil mit mir bereinstimmen werden, dass der Start gut gelungen ist.

    Es war eine offene Debatte. Wir hatten gar nicht vor, eine harmoni-sche und nur auf Konsens ausgerichtete Veranstaltung durchzu-fhren, sondern wir wollen, dass innerhalb der Gemeinschaft der Muslime unterschiedliche Auffassungen ausgesprochen werden. Wenn Sie sich die Teilnehmer anschauen, dann wissen Sie, dass es im Vorhinein sehr spannend war, wie das berhaupt gehen soll-te. Es ist gut gelungen. Alle haben einander gut zugehrt und am Schluss haben auf meine Frage alle gesagt, dass wir uns genau in dieser Zusammensetzung und auf dieser Grundlage jetzt auf den Weg machen und so weitermachen sollten. Deswegen ist der Start gut gelungen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

  • 16

    Es war eine offene und in Teilen durchaus kontroverse Debatte. Es wre unehrlich, etwas anderes zu sagen. Niemand hat auch nur den geringsten Vorbehalt gegenber der Gltigkeit unserer Verfassungs- und Rechtsordnung geuert. Das war so selbstver-stndlich wie nichts anderes. Auch das muss klar gesagt werden.

    Es mag zwar nur ein Randthema gewesen sein, obwohl es ein wichtiger Punkt ist: Die Tatsache, dass alle 30, die um diesen Tisch versammelt waren, gesagt haben, dass es schn wre, wenn eine bestimmte Operninszenierung bald wieder aufgefhrt werden knnte, und dass wir dann alle miteinander dort hingehen, zeigt etwas von dem Klima, das es in dieser Konferenz gibt.

    Ja, Herr Kollege, aber es ist nicht meine Sache als Innenminister, dem Parlament so einen Vorschlag zu unterbreiten. Ich halte das allerdings fr einen wichtigen Schritt.

    Ich nde es bezeichnend und gut, dass es gelungen ist, ein entspre-chendes Klima zu schaffen. Damit sind natrlich nicht alle Proble-me gelst. Ich bin berhaupt gegen jede Form von Verharmlosung. Das wird ein schwieriger Weg sein und das haben alle gesagt es liegt viel Arbeit vor uns. Aber wir haben eine gute Grundlage, diese Arbeit zu bewltigen; das ist eine wichtige Voraussetzung.

    Wir haben uns vorgenommen, Vereinbarungen zu wichtigen Fra-gen des Zusammenlebens zu erarbeiten. Das werden keine Ver-einbarungen mit einer Verbindlichkeit in juristischem Sinne sein knnen. Aber als ergebnisoffener und zielgerichteter Prozess soll die Konferenz darauf hinarbeiten, einen gemeinsamen Willen herzustellen, der es Bund, Lndern und Kommunen ermglicht, gemeinsam mit Muslimen zu handeln.

    Wir werden auf zwei Ebenen tagen: zum einen in der Form des Plenums, das wir gestern erffnet haben; zum anderen in drei Arbeitsgruppen und einem Gesprchskreis, in dem Vertreter von Bund, Lndern und Kommunen mit Vertretern der organisierten

    (Beifall des Abgeordneten Hans-Michael Goldmann [FDP])

    (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BNDNIS 90/DIE GRNEN Klaus Uwe Benneter [SPD]: Wir sollten uns dem anschlieen!)

  • 17

    Beginn und erste Ergebnisse der Deutschen Islam Konferenz

    wie auch der nicht organisierten Muslime zur Sacharbeit zusam-menkommen werden. Dies beginnt am 8. und 9. November in Nrnberg. Wir haben mit der Geschftsfhrung dieses Dialogs das Bundesamt fr Migration und Flchtlinge beauftragt. Diese Entscheidung hat allseits groe Zustimmung gefunden. Ich bin sehr froh, dass sich das Bundesamt zu Recht einer so groen Aner-kennung erfreut, weil es gute Arbeit leistet.

    Ergebnisse sollen aus sorgfltiger Analyse abgeleitete konkrete Handlungsempfehlungen sein. Im Plenum der Konferenz wollen wir etwa jedes halbe Jahr die Ergebnisse der Arbeitsgruppen zu einem breit angelegten Konsens zusammenfhren.

    Ich habe im brigen die Teilnehmer fr das Plenum wie fr die Arbeitsgruppen nach vielen intensiven Gesprchen und nach rei icher berlegung ausgewhlt. Es hat natrlich viele Debat-ten gegeben; das war unvermeidlich. Aber es war gewollt, dass es darber schon im Vorfeld Debatten gegeben hat. Ich habe Ver-treter der mitgliederstrksten muslimischen Dachverbnde mit religiser Prgung eingeladen. Sie reprsentieren, wenn man die Mitgliederzahl grozgig schtzt, 15 bis 20 Prozent der bei uns lebenden Muslime. Wenn man in diese Schtzung die Zahl der regelmigen Moscheebesucher einbezieht, dann kann man hin-sichtlich der Reprsentanz der Verbnde sogar mit Wohlwollen auf ein Drittel kommen.

    Daraus ergibt sich aber auch, dass die breite Mehrheit von religi-sen und nicht religisen Muslimen durch die Verbnde nicht hin-reichend reprsentiert ist und dass niemand den Anspruch erhe-ben kann, nur er allein reprsentiere die Muslime. Deswegen habe ich zur Konferenz bewusst ebenfalls Vertreter der nicht organi-sierten Muslime eingeladen, die die verschiedensten Facetten der muslimischen Lebenswirklichkeit in unserem Lande reprsen-tieren. Auch das ist in der Konferenz sehr deutlich geworden und es ist am Ende der Konferenz von allen akzeptiert worden. Das ist innerhalb des Dialogs und innerhalb der Gemeinschaft der Musli-me in Deutschland ein wichtiger Schritt. Natrlich ist das vorher kritisiert worden, aber auch von vielen positiv erwhnt worden.

    Ich glaube, alle, die als Vertreter von Bund, Lndern und Gemein-den am Tisch gesessen haben, haben in dieser beeindruckenden

  • 18

    Gruppe von 15 Reprsentanten muslimischen Lebens in Deutsch-land gesprt, dass dies auch in ihrer Vielfalt eine eindrucksvolle Gruppe war. Es ist eben wichtig, dass uns allen unserer Gesellschaft und damit auch der ffentlichkeit die Vielfalt islamischen Lebens in unserem Lande insgesamt bewusst wird. Es wird, wie ich gesagt habe, ein steiniger Weg sein fr die Muslime und fr den Staat. Aber nur in einer pluralen Auseinandersetzung haben wir eine Chance, Lsungen zu nden, wie sich der Islam in unserer offenen, freiheitlichen und pluralistischen Demokratie entwickeln kann.

    Das Spektrum der konkreten Fragen, die wir in der Konferenz er-rtern werden, ist so breit, wie der Islam in Deutschland vielfltig ist. Es umfasst als ersten Schwerpunkt die Vereinbarkeit verschie-dener islamischer Strmungen mit der deutschen Gesellschafts-ordnung. Ausgehend von den Wesensmerkmalen unserer plura-listischen Gesellschaft werden wir in der ersten Arbeitsgruppe, die den Namen Deutsche Gesellschaftsordnung und Wertekon-sens trgt, ber zentrale Werte sprechen. Dabei geht es nicht allein um die Frage der Gltigkeit der Grundrechte, sondern wir wollen, dass sich Muslime in Deutschland entfalten knnen.

    Den zweiten wichtigen Schwerpunkt bildet die Frage, wie sich der Islam als Religion mit den Strukturen und Elementen des deutschen Religionsverfassungsrechts vereinbaren lsst. Wir interpretieren unser Religionsverfassungsrecht nach Artikel 4 des Grundgesetzes sehr im Lichte unserer staatskirchenrecht-lichen Erfahrungen mit den christlichen Kirchen, was zu Prob-lemen mit der religisen Ordnung des Islams fhrt. Deswegen brauchen wir beispielsweise wenn wir an staatlichen Schulen Islamunterricht einfhren wollen einen Partner, weil es nicht gut wre, wenn der Staat dabei allein handeln wrde. Dass uns ein solcher Partner zur Verfgung gestellt wird, ist eine weitere Erwartung, die wir an die Arbeit der Islamkonferenz haben.

    Den dritten Schwerpunkt bildet der Bereich Wirtschaft und Me-dien. Dabei geht es etwa darum, wie wir die De zite in der kono-mischen und sozialen Lage vieler Muslime beheben knnen, wie wir erreichen knnen, dass die Medien strker als bisher dazu bei-tragen, dass Sprachkenntnisse und damit Kommunikation und Integration gefrdert werden, und um vieles mehr. Es geht aber auch um die Erwartungen von Muslimen an deutschsprachige

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    Beginn und erste Ergebnisse der Deutschen Islam Konferenz

    Printmedien und elektronische Medien. Auch darber ist gestern schon gesprochen worden.

    Wir werden auch ber die Bedrohung unserer freiheitlichen De-mokratie durch islamistische Bestrebungen miteinander reden. Es gibt bereits einen Gesprchskreis, in dem schon viele Verbn-de mit den Sicherheitsbehrden zusammenwirken. In dem Ge-sprchskreis Sicherheit und Islamismus der Deutschen Islam Konferenz wollen wir zu einer besseren Zusammenarbeit bei der Bekmpfung des gewaltttigen wie auch des legalistisch vorge-henden Islamismus gelangen. Wir drfen nicht hinnehmen, dass Extremisten die Religion des Islams fr ihre Taten in Anspruch nehmen knnen, gerade weil auch die groe Mehrzahl der fried-liebenden Muslime Angst vor gewaltttigen Extremisten hat.

    Ich verbinde mit der Erffnung des Dialogs mit den Muslimen die Hoffnung, dass alle verstehen, dass Muslime in Deutschland will-kommen sind. Damit sie ihre Potenziale voll entfalten knnen, mssen wir die Probleme unseres Zusammenlebens und deren Ursachen erkennen und daraus Konsequenzen ziehen. Nur so schaffen wir Perspektiven fr eine gemeinsame Zukunft.

    Ich hoffe, dass es mit der Deutschen Islam Konferenz gelingt, nicht nur praktische Lsungen zu nden, sondern auch mehr Verstnd-nis, Sympathie, Friedlichkeit, Toleranz und vor allen Dingen mehr Kommunikation und Vielfalt zu schaffen und damit zur Bereiche-rung in unserem Land beizutragen.

    Ich mchte mit folgenden Worten des in Frankreich lebenden libanesischen Schriftstellers Amin Maalouf schlieen, die mir sehr gut zu dem zu passen scheinen, was uns bei der Islamkonfe-renz bewegt:

    Wenn ich mich zu meinem Gastland bekenne, wenn ich es als das meine betrachte, wenn ich der Ansicht bin, dass es fortan ein Teil von mir ist wie ich ein Teil von ihm, und wenn ich mich entsprechend verhalte, dann habe ich das

    Recht, jeden seiner Aspekte zu kritisieren; umgekehrt, wenn dieses Land mich respektiert, wenn es meinen

    (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)

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    Beitrag anerkennt, wenn es mich in meiner Eigenart fortan als Teil von sich betrachtet, dann hat es das Recht,

    bestimmte Aspekte meiner Kultur abzulehnen, die mit seiner Lebensweise oder dem Geist seiner Institutionen

    unvereinbar sein knnten.

    Wenn wir das gemeinsam zur Grundlage machen, dann knnen wir in unserem Lande vieles noch besser zustande bringen, als es bisher der Fall war.

    Herzlichen Dank.

    (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)

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    Beginn und erste Ergebnisse der Deutschen Islam Konferenz

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    1.2 Vorlufige Erkenntnisse, nchste Schritte2

    Begrung

    Ich freue mich sehr, Sie heute zur dritten Plenarsitzung der Deut-schen Islam Konferenz hier in diesem schnen Goethe-Saal des Lo-genhauses in Berlin-Wilmersdorf begren zu drfen. Mein herz-liches Willkommen gilt insbesondere auch denjenigen, die heute zum ersten Mal mit uns tagen. Auf staatlicher Seite heie ich die geschtzte Prsidentin der Kultusministerkonferenz, Frau Mi-nisterin Kramp-Karrenbauer, willkommen. Ein besonderes Will-kommen gilt meinem Innenminister-Kollegen Volker Bouf er. Er vertritt heute den Vorsitzenden der Innenministerkonferenz, Jrg Schnbohm, der wegen eines anderen wichtigen dienstlichen Termins verhindert ist. Danken mchten ich auch Herrn Walid Nakschbandi, der wegen beru icher Verp ichtungen nicht mehr dem Plenum der DIK angehrt, aber weiterhin der Arbeitsgruppe 3.An seiner Stelle heie ich Nihat Sorgec herzlich willkommen. Herr Sorgec ist Geschftsfhrer der BildungsWerk Kreuzberg GmbH und setzt sich dort erfolgreich fr Ausbildung und Beschftigung von Migrantinnen und Migranten ein. Nach dem, was ich ber Ihre Arbeit und ber Ihre Mitwirkung in der Arbeitsgruppe 3 der DIK wie auch beim Integrationsgipfel gehrt habe, bin ich recht zuversichtlich, dass Sie unsere Debatte auch hier im Plenum berei-chern werden. Gren darf ich Sie schlielich von Feridun Zaimo-glu. Er gehrt der Islamkonferenz weiter an, muss jedoch heute bei der Verleihung eines Buchpreises anwesend sein.

    2 Rede von Bundesinnenminister Dr. Wolfgang Schuble bei der Erffnung der 3. Plenarsitzung der Deutschen Islam Konferenz (DIK) am 13. Mrz 2008 in Berlin.

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    Was uns bewegt

    Ich mchte einleitend nur einige wenige Worte verlieren, damit wir uns rasch dem widmen knnen, weswegen wir heute zusam-mengekommen sind: den Ergebnissen der Beratungen in den Ar-beitsgruppen und im Gesprchskreis der DIK.

    Ich glaube, in den letzten Wochen und Monaten ist uns allen noch-mals deutlich geworden, warum es so wichtig ist, dass wir uns in diesem Rahmen treffen. Der schreckliche Brand in Ludwigshafen, die verletzenden Vorwrfe gegen die Rettungskrfte vor Ort, die Rede des trkischen Ministerprsidenten in Kln, die neuerlichen Drohungen gegen einen der Verfasser der Mohammed-Karika-turen und nun vor kurzem erst Drohungen gegen eine bestimmt provozierende, nicht besonders geschmackvolle, aber eben auch auszuhaltende und durch unsere Freiheit geschtzte Ausstellung hier in Berlin: All diese Vorkommnisse, und die doch sehr emo-tionalen Debatten, die sie ausgelst haben, zeigen, wie gro das Potenzial fr Missverstndnisse und auch mangelndes Verstehen nach wie vor ist.

    Die emotionale Kluft zwischen den Menschen, und das macht mir schon Sorge, besteht offenbar unverndert fort. Trotz allem, wo wir im Verhltnis miteinander in unserer Gesellschaft und auch zwischen Staat und Zuwanderern in den letzten zwei Jahren wei-tergekommen sind, besteht noch immer ein Mangel an Verstnd-nis freinander und an Vertrauen im Umgang miteinander. Das lsst auch uns und unsere Gesprche in der Islamkonferenz nicht unberhrt.

    Verstndnis schaffen

    Anders als viele stehen jedoch sie alle, stehen wir als Mitglieder der Deutschen Islam Konferenz in einer besonderen Verantwor-tung. Es ist unsere Aufgabe, im Gesprch nicht nur eine Kultur des Zuhrens zu kultivieren, sondern ein gemeinsames Verstndnis davon zu formulieren, wie wir in Deutschland zusammenleben knnen. Dafr mssen wir miteinander streiten, damit in der Aus-einandersetzung mit drngenden Fragen Gemeinsames wie auch Trennendes sichtbar wird.

    Beginn und erste Ergebnisse der Deutschen Islam Konferenz

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    Dabei sind wir alle gefordert, die Grundlagen unseres Denkens und die Beweggrnde unseres Handeln fr den jeweils anderen transparent zu machen. Etwa zu verdeutlichen, warum die Be-ziehungen zwischen Staat und Brger, zwischen Staat und Reli-gionsgemeinschaften in Deutschland so gestaltet sind, wie es das Grundgesetz vorsieht. Aus diesem Grunde hat die Arbeitsgruppe 2 Religionsfragen im deutschen Verfassungsverstndnis der DIK im Oktober letzten Jahres ein hochrangiges Fachgesprch ber die religionsverfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen in Deutschland durchgefhrt. Das Gesprch fand im Beisein der im KRM organisierten Verbnde im Kaisersaal des deutschen Gene-ralkonsulats in Istanbul statt, weil es insbesondere auch dem Bun-desinnenministerium wichtig schien, Vertretern der trkischen Religionsbehrde, des trkischen Auenministeriums, theologi-scher Fakultten und anderer wissenschaftlicher Einrichtungen zu verdeutlichen, welche Chancen unser deutsches Religionsver-fassungsrecht fr Beziehungen zwischen Staat und Muslimen bie-tet. In diesem Zusammenhang mchte ich auch zu den erwarte-ten Verffentlichungen der trkischen Religionsbehrde Diyanet und der Ankaraner Theologenschule sagen, dass diese Arbeiten von groer Bedeutung sind und Aufmerksamkeit verdienen.

    Eine Kultur des Zuhrens und des Verstehens zu entwickeln, ist nie einfach, aber mglich. Das zeigen die Fortschritte im Dialog hier in der Islamkonferenz ebenso wie die ausgesprochen positi-ve Resonanz auf unsere Dialogbemhungen im In- und Ausland. Diese Kultur bliebe jedoch letztlich auf ein ertrglicheres Neben-einander beschrnkt, wenn es nicht gelingt, Annherungen zu verstetigen und letztlich in gemeinsames Handeln mnden zu lassen.

    Schritte zu mehr Gemeinsamkeit

    Gemeinsames Handeln wiederum erfordert ein gemeinsames Verstndnis dessen, wie man zueinander steht, wie man miteinan-der umgehen und was man gemeinsam erreichen will. Eine solche Verstndigung herbeizufhren, ist eine der zentralen Aufgaben und Herausforderungen an diese Konferenz. Wir alle haben bei der letzten Plenarsitzung im Mai 2007 gemerkt, dass ein so grund-legender und weitgreifender Prozess nicht quasi ber Nacht am

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    Zielpunkt angelangen kann. Es war gut und richtig, dass wir den Arbeitsgruppen und dem Gesprchskreis seitdem neun Monate Zeit gegeben haben, sich mit grundlegenden Sachverhalten aus-einanderzusetzen und gemeinsame Empfehlungen zu erarbeiten.

    Dabei wurde viele der muslimischen Mitglieder des Plenums wirken ja selbst in einer der Arbeitsgruppen intensiv um Wor-te und Positionen gerungen. Etwa darum, ob sich die Muslime in Deutschland zur Rechts- und Werteordnung unseres Landes be-kennen sollen, wollen, knnen oder gar mssen. Oder darum, bis zu welchem Grade religise Gebote gegen Regelungen in unse-rem freiheitlichen Rechtsstaat ins Feld gefhrt werden drfen.

    Das Ringen um solch grundstzliche, ja rechtsphilosophische Fra-gen ist ein Beleg fr die Ernsthaftigkeit dieses Dialogs. Wenn es nicht zum Ende kme, wre dies jedoch zugleich auch ein Beleg fr Misstrauen zwischen den verschiedenen Seiten, Gruppen und Konstellationen. Die Islamkonferenz als Ganzes kann jedoch nur dann Ergebnisse erzielen und Vernderungen bewirken, wenn alle Beteiligten sich zu einem Konsens hin orientieren und ge-meinsame Positionen formulieren.

    Genau das haben die Mitglieder der Arbeitsgruppen und des Ge-sprchskreises in den letzten Monaten getan. Zwar haben sie nicht in allen Fragen bereinkunft erzielen knnen dann mssten wir die Islamkonferenz zu einem raschen und guten Abschluss brin-gen , aber sie haben mit den uns als Zwischenresmee vorgeleg-ten Thesen, Empfehlungen, Schlussfolgerungen und Berichten eine unverzichtbare Grundlage fr konkrete Schritte hin zu ge-meinsamem Handeln geschaffen:

    Die Arbeitsgruppe 1 Deutsche Gesellschaftsordnung und Werte-konsens beschreibt in ihrem Beitrag vor dem Hintergrund des Islams als relativ neuer Religion in Deutschland die essenziellen Voraussetzungen und Herausforderungen der Integration von Zu-wanderern muslimischen Glaubens in die deutsche Gesellschaft.

    Die Schlussfolgerungen der Arbeitsgruppe 2 Religionsfragen im deutschen Verfassungsverstndnis zeigen nochmals auf, welche Handlungsmglichkeiten fr islamische Religionsgemeinschaf-ten in Deutschland bestehen.

    Beginn und erste Ergebnisse der Deutschen Islam Konferenz

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    Der Beitrag der Arbeitsgruppe 3 Wirtschaft und Medien als Br-cke wirbt fr eine verantwortliche Berichterstattung, die auch all-tagsnahe Themen aufgreift und so aufbereitet, dass die kulturelle Vielfalt muslimischen Lebens in Deutschland sichtbar wird. ber-haupt hat ja die Diskussion in der Arbeitsgruppe 3 bereits dazu bei-getragen, dass sich die Medien intensiver und sachlicher mit den Muslimen und dem Islam in Deutschland auseinandersetzen denken sie nur an das Forum am Freitag im ZDF. Objektivitt und Differenziertheit mssen aber auf beiden Seiten Randbedingung journalistischen Arbeitens sein. Darber mssen wir uns zuknf-tig noch mehr in den Sitzungen der Arbeitsgruppe 3 unterhalten.

    Schlielich die Schlussfolgerungen des Gesprchskreises Sicher-heit und Islamismus. Sie entwickeln erstmals ein gemeinsames Verstndnis der islamistischen Herausforderung unserer Gesell-schaft. Das ist angesichts der ngste und Sorgen vieler Brger ein unverzichtbarer Schritt hin zu mehr Vertrauen in eine gemeinsa-me Zukunft, in der wir Extremisten jeglicher Couleur entgegen-treten. Die Clearingstelle fr Kontakte zwischen Muslimen und den Sicherheitsbehrden, die zu prfen das Plenum in seiner zwei-ten Sitzung in Auftrag gegeben hatte, wurde vom Gesprchskreis inzwischen konzipiert. Sie kann unmittelbar nach dieser 3. Ple-narsitzung ihre Arbeit im Bundesamt fr Migration und Flcht-linge aufnehmen.

    Diese Ergebnisse knnen sich sehen lassen. Sie zeigen jedoch auch, dass noch ein weiter Weg vor uns liegt. Vertreter der nicht organi-sierten Muslime, der Aleviten und der Trkischen Gemeinde woll-ten in vielen Fragen weiter auf den deutschen Staat und die auf-nehmende Gesellschaft zugehen und zwar aus berzeugung. Der Staat kann eine solche Annherung rechtlich nicht verlan-gen. Wohl aber wrde sie von vielen verstanden als ein Zeichen der Zugehrigkeit und Zusammengehrigkeit, das die Integrati-on der Muslime erleichtern und in vielerlei Hinsicht, nicht zuletzt emotional, voranbringen wrde.

    Es ist deshalb alles andere als zielfhrend, wenn von anderen in letzter Minute Bedenken gegen gemeinsam entwickelte und angenommene Positionen geltend gemacht werden. Fr solche Bedenken gab es gengend Zeit und gengend gut geeignete Au-genblicke, um sie vorzubringen, anzuhren und aufzugreifen. In

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    meinem politischen Leben habe ich die Erfahrung gemacht, dass gerade solche Verhaltensweisen gewonnenes Vertrauen wieder in Frage stellen. Mir kommt es manchmal so vor, als wrde Mancher noch immer mit den hiesigen Gegebenheiten hadern, statt die Ge-staltungsspielrume unseres Religionsverfassungsrechts zu nut-zen. Dies sind meine Anmerkungen zum formalen Vorgehen.

    Nun zum Inhalt. Das Bundesinnenministerium, in dessen Kom-petenzbereich auch unsere Verfassung liegt, hat sich durchaus etwas dabei gedacht, als es von der ursprnglichen Formulierung Beachtung der deutschen Rechts- und Werteordnung, wie sie sich auch im Grundgesetzt spiegelt zur Formulierung vollstn-dige Beachtung der deutschen Rechtsordnung und der Werteord-nung des Grundgesetzes bergegangen ist. Die Begriffe Rechts- und Werteordnung sollten voneinander unterschieden werden. Rechtsordnung ist ein streng juristischer Begriff und umfasst alle im Staate geltenden Gesetze, geht also weit ber das Grund-gesetz hinaus. Diese Rechtsordnung ist ohnehin fr jeden ver-bindlich; ihre Beachtung ist damit eine Selbstverstndlichkeit.

    Der Begriff Werteordnung hingegen bietet stets einen gewissen Interpretationsspielraum, insbesondere dann, wenn ein klarer Bezugspunkt fehlt. Durch den Zusatz auch im Grundgesetz spie-gelt bliebe unklar, woraus sich die genannte Werteordnung darber hinaus ergeben soll und welche Werte sie ber die un-ser Gemeinwesen prgenden Werte des Grundgesetzes hinaus umfassen soll. Gegenber dieser Unbestimmtheit bietet die nun vorliegende Formulierung deutlich mehr Klarheit, welche Wer-te gemeint sind. Denn nach der stndigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verkrpert sich in den Grundrechts-bestimmungen des Grundgesetzes eine objektive Werteord-nung, die als verfassungsrechtliche Grundentscheidung fr alle Bereiche des Rechts gilt. Die Werteordnung des Grundgesetzes wirkt somit auch in andere Bereiche der Rechtsordnung und die dadurch konstituierte Gesellschaftsordnung hinein. Vor diesem Hintergrund bin ich schon einigermaen erstaunt, wenn in Teilen der ffentlichkeit von einem groen Wertestreit die Rede ist.

    Wenn ich nun auf den Beginn dieses anfangs so ungewissen Wegs zurckblicke und mir ansehe, was die Arbeitsgruppen und der Ge-sprchskreis mit dem Zwischenresmee vorgelegt haben, bin ich

    Beginn und erste Ergebnisse der Deutschen Islam Konferenz

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    trotzdem zufrieden. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der be-ratenden Gremien verdienen unseren Dank und Respekt. Das gilt in besonderem Mae fr die vielen, die nicht Institutionen oder Organisationen vertreten und sich unentgeltlich in ihrer Freizeit in der DIK engagieren.

    Den Weg, den das Zwischenresmee aufzeigt, knnen wir nur gehen, wenn die gefundenen Lsungen auch von allen getragen und vertreten werden, die sich in den Beratungen beteiligt und schlielich dem Konsens zugestimmt haben. Wer gemeinsam mit anderen Muslimen und dem deutschen Staat handeln will, muss auch fr das eintreten und einstehen, was zuvor beschlossen und vereinbart worden ist. Das gilt erst recht, wenn es Reibungen gibt und nicht fr alle in der Gesellschaft nachvollziehbar ist, warum wir uns so langsam aufeinander zu bewegen.

    Wem es nicht mglich ist, sich am Konsens zu beteiligen und ihn auch zu vertreten nach innen wie auen , der muss sich fragen lassen, ob er wirklich Reprsentant einer pluralistischen muslimi-schen Bevlkerung in Deutschland sein kann und will. Ich habe ja vernommen, dass es einen Versuch der im KRM versammelten Verbnde gab zu ergrnden, warum ein Groteil der in Deutsch-land lebenden Muslime sich nicht durch diese Verbnde repr-sentiert fhlt. Der Prozess der ffnung und Pluralisierung der im KRM organisierten Verbnde, also einer innermuslimischen An-nherung an die bergroe Mehrheit muslimisch geprgter Men-schen in Deutschland, scheint noch am Anfang zu stehen. Und auch die Annherung an Staat und Gesellschaft unseres Landes, an Millionen Mitbrger, die mehr ber ihre muslimischen Nach-barn erfahren wollen, kommt nur langsam voran. Ohne Annhe-rung aber wird es Muslimen schwerfallen, vollstndig als Teil un-seres Ganzen akzeptiert zu werden. Denn wie will man glcklich sein in einem Land, wenn man es nicht vollstndig annimmt und als das eigene erkennt?

    In einem Rechtsstaat besteht natrlich die Mglichkeit, auf ge-richtlichem Wege Sonderkonditionen zu erstreiten. So wie ge-rade wieder geschehen gegen das Diesterweg-Gymnasium vor dem Berliner Verwaltungsgericht. Wo es um die Einfhrung isla-mischen Religionsunterrichts geht, braucht der Staat verlssliche Partner, die voll und ganz den von der Arbeitsgruppe 2 przisier-

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    ten Voraussetzungen entsprechen. Juristische Auseinanderset-zungen sind deshalb nicht nur wenig zielfhrend, sondern wer-fen auch Zweifel an der Partnerschaftstauglichkeit der Beteiligten auf. Formale Verfassungstreue, Frau Professorin Langenfeld hat es in einem viel gelesenen Beitrag fr die Frankfurter Allgemeine Zeitung przise ausgefhrt, gengt dafr eben nicht.

    Der deutsche Staat muss und wird genauso wie bei allen anderen Religionen in Deutschland auf der Erfllung aller rechtlichen Voraussetzungen bestehen. Nur dann kann der Staat seiner treu-hnderischen Verantwortung fr einen Unterricht gengen, der rechtskonform sein muss. Und nur dann besteht im brigen auch Aussicht, dass ein solcher Unterricht angenommen wird von den-jenigen, fr die er angeboten werden soll: muslimischen Kindern und Jugendlichen sowie ihren Eltern, von denen die meisten ja bisher nicht in einem der islamischen Verbnde organisiert sind. Gemeinsames Handeln verlangt eben auch, Vorbehalte durch Vertrauen zu berwinden. Vertrauen erhlt, wer ebenso glaub-wrdig zu schwierigen Kompromissen wie zu seinen Ausgangs-positionen steht.

    Gemeinsam handeln

    Gemeinsames Handeln verlangt indes nicht wie oft behauptet wird eine bestimmte, vorgegebene Art der Selbstorganisation von Muslimen. Es ist nicht die Aufgabe des deutschen Staates, die deutschen Muslime nach seinen Vorstellungen zu organisieren. Die Islamkonferenz ist kein Versuch, den Islam in Deutschland im Spiegel von Erfahrungen mit der christlichen Religion quasi zu verkirchlichen. Die Islamkonferenz ist ein auf Kontinuitt angelegter Rahmen zur P ege der Beziehungen zwischen dem deutschen Staat und den Muslimen in Deutschland. Gerade weil sich der Dialog so langwierig und mhevoll gestaltet, wird dieser Prozess lange ber das Jahr 2009 hinaus Zeit bentigen, vor allem aber auch den Willen und die Kraft auf Seiten der Muslime, sich partnerschaftsfhig zu organisieren.

    Navid Kermani hat in der letzten Plenarsitzung im Mai vergange-nen Jahres gesagt, er danke mir und dem deutschen Staat dafr, dass ich die ersten 15 ausgewhlt und an diesem Tisch versam-

    Beginn und erste Ergebnisse der Deutschen Islam Konferenz

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    melt htte. Es msse aber das Ziel sein, dass in einem Jahr eine an-dere, demokratisch bestimmte und fr die pluralistische Vielfalt der Muslime in Deutschland voll reprsentative Vertretung an der anderen Seite der Tafel sitze. Diese Herausforderung bleibt beste-hen. Die muslimischen Mitglieder erinnern sich bestimmt auch an die Erwartung, mit der die Bundeskanzlerin bei unserem fest-lichen Abendessen im November ihre Teilnahme an einem knfti-gen Zusammentreffen angekndigt hat. Den Prozess der Selbstor-ganisation der Muslime kann der deutsche Staat nicht leisten, und er soll es auch nicht. Die Muslime selbst sind hier gefordert.

    Was wir jedoch heute als Deutsche Islam Konferenz beitragen knnen, ist, Chancen fr gemeinsames Handeln aufzuzeigen und mit der Verabschiedung des Zwischenresmees Grundlagen fr knftige Zusammenarbeit zu legen. Heute sind ja Vertreterinnen und Vertreter der fr viele der behandelten Fragen zustndigen Lnder unter uns. Diese Chance sollten wir nutzen und Sie, liebe Frau Kramp-Karrenbauer und lieber Herr Bouf er, bitten, unsere heutigen Ergebnisse direkt und auf dem schnellsten Wege in Ihre zustndigen Fachministerkonferenzen einzubringen. Und natr-lich sollten wir uns gemeinsam auch Gedanken machen, wo wir dem Dialog in den Gremien der DIK Impulse geben mchten.

    Um zum Schluss noch einmal auf Feridun Zaimoglu zu sprechen zu kommen: Ich wrde mir wnschen, dass irgendwann einmal alle wie die Haupt gur des gleichnamigen Romans Leyla sagen kn-nen: Ich will dieses Land lieben, weil es vermisst werden will.

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    Beginn und erste Ergebnisse der Deutschen Islam Konferenz

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    1.3 Zwischenresmee der 3. Plenarsitzung der DIK3

    Vorwort4

    Am 27. September 2006 habe ich die Deutsche Islam Konfe-renz (DIK) einberufen, um mit Bund, Lndern und Kommunen im Dialog mit Vertreterinnen und Vertretern der Muslime in Deutschland Wege zu einer besseren religions- und gesellschafts-poltischen Integration zu beschreiten. Damit wurde ein gesamt-staatlicher Rahmen fr einen dauerhaften Dialog mit Muslimen in Deutschland geschaffen.

    Die Arbeitsgruppen und der Gesprchskreis der DIK haben sich seither intensiv mit Fragen des Zusammenlebens, der Integration des Islams in unser Religionsverfassungsrecht, mit der Rolle der Medien und der Zusammenarbeit zwischen Muslimen und Sicher-heitsbehrden in Deutschland befasst. Allen, die an den Beratun-gen mitgewirkt haben und sich in der Islamkonferenz fr ein gutes Zusammenleben engagieren, mchte ich dafr herzlich danken.

    Heute legen die Arbeitsgruppen und der Gesprchskreis gemein-sam erarbeitete Thesen und Schlussfolgerungen zu zentralen Fra-gestellungen der DIK vor:

    Das Thesenpapier Muslimisches Leben in der deutschen Gesell-schaftsordnung der Arbeitsgruppe 1 Deutsche Gesellschafts-ordnung und Wertekonsens beschreibt vor dem Hintergrund des Islams als relativ neuer Religion in Deutschland die Grundlagen, Voraussetzungen und Herausforderungen der Integration von Zu-wanderern muslimischen Glaubens in die deutsche Gesellschaft.

    Die Schlussfolgerungen der Arbeitsgruppe 2 Religionsfragen im deutschen Verfassungsverstndnis zeigen Wege zur Einfhrung von islamischem Religionsunterricht auf. Sie nehmen auch Stel-3 Vorlage fr die 3. Plenarsitzung der DIK am 13. Mrz 2008 in Berlin4 Dr. Wolfgang Schuble, Bundesminister des Innern, Berlin, im Mrz 2008

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    lung zum so oft diskutierten Bau und Betrieb von Moscheen sowie zum islamischen Bestattungswesen.

    Der Beitrag der Arbeitsgruppe 3, Wirtschaft und Medien als Brcke, arbeitet die Bedeutung der Medien fr ein gedeihliches Mitein ander heraus und zeigt Mglichkeiten auf, wie Medien zu mehr Verstehen und Verstndnis beitragen knnen.

    Die Schlussfolgerungen des Gesprchskreises Sicherheit und Is-lamismus schaffen eine unverzichtbare Grundlage fr mehr Zu-sammenarbeit von Muslimen und Sicherheitsbehrden und da-mit gewiss auch Vertrauen in unsere gemeinsame Zukunft.

    Dass wir im Dialog schon einiges erreicht haben, zeigen auch die als Anlagen beigefgten Ausarbeitungen und Berichte der Ar-beitsgruppen und des Gesprchskreises zum Stand der Beratung beziehungsweise der Umsetzung von in der 2. Plenarsitzung am 2. Mai 2007 in Auftrag gegebenen Vorhaben.

    Lassen Sie uns heute gemeinsam das vorliegende Zwischenres-mee der Arbeitsgruppen und des Gesprchskreises diskutieren und als erstes Zwischenresmee der Deutschen Islam Konferenz (DIK) verabschieden. Lassen Sie uns damit zugleich den nchsten Schritt hin zu einer besseren religions- und gesellschaftspoliti-schen Integration von Islam und Muslimen gehen, indem wir eine Befassung der fr viele der genannten Fragen federfhrenden Fachministerkonferenzen der Lnder ermglichen.

    Die Deutsche Islam Konferenz ist ein Prozess, ein gemeinsamer Weg zu einem besseren Miteinander. Auf diesem Weg sind wir weiterhin gefordert, Unterschiede zu benennen, zu diskutieren und wo mglich ein gemeinsames Verstndnis zu entwickeln. Es gilt noch viele Schritte zu gehen, bis wir erreichen, was wir uns vorgenommen haben: Muslime und ihren Glauben in Deutsch-land heimisch werden zu lassen, damit aus Muslimen in Deutsch-land deutsche Muslime werden.

    Beginn und erste Ergebnisse der Deutschen Islam Konferenz

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    Thesen der Arbeitsgruppe 1 Deutsche Gesellschafts-ordnung und Wertekonsens: Muslimisches Leben in der deutschen Gesellschaftsordnung

    Die bisherige Diskussion in der Arbeitsgruppe Deutsche Gesell-schaftsordnung und Wertekonsens lie deutlich werden: Ein gemeinsames Verstndnis der Prozesshaftigkeit von Integrati-on ist von zentraler Bedeutung fr ein gedeihliches Zusammen-leben von Muslimen und Angehrigen der nichtmuslimischen deutschen Mehrheitsgesellschaft. Den Weg zu einem gedeihli-chen Zusammenleben hat Bundesinnenminister Dr. Wolfgang Schuble in der Regierungserklrung vom 28. September 2006 mit dem Titel Deutsche Islam Konferenz Perspektiven fr eine gemeinsame Zukunft als einen Prozess beschrieben, in dem kul-turelle und religise Unterschiede anerkannt werden und in dem die vollstndige Akzeptanz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung verlangt und vorausgesetzt wird.

    Die Notwendigkeit verstrkter Bemhungen um Integration ge-m diesem beiden Seiten Rechnung tragenden Integrations-verstndnis steht auer Frage. Nach vielen Jahren der Zuwande-rung aus muslimisch geprgten Lndern deuten von den Medien jngst verstrkt dargestellte Schwierigkeiten im Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Kulturkreise auf Probleme in der Integration hin. Wie in anderen europischen Staaten ist auch in Deutschland zu beobachten, dass sich Integration zuweilen ungleichfrmig vollzieht. Begnstigt durch moderne Kommu-nikations- und Verkehrsmittel fhlen sich Zuwanderer oftmals verschiedenen Kulturen zugehrig, sodass sie zwischen der alten Heimat beziehungsweise der ihrer Eltern oder Groeltern und der neuen Heimat Deutschland hin- und hergerissen sein knnen, zuweilen verstrkt durch Ablehnungs- und Diskriminierungser-fahrungen. Die Bildung von Identitten und Identi kationen voll-zieht sich zumal als komplexer und von Schwierigkeiten begleite-ter Prozess mit vielfltigen Brchen und Umkehrmglichkeiten.

    Integration als Prozess verndert grundstzlich beide Seiten, die Mehrheitsgesellschaft wie auch die Zuwanderer. Sie verlangt Zu-wanderern dabei ein hheres Ma an Anpassung ab, insbesonde-re an die auf Recht, Geschichte und Kultur Deutschlands beruhen-den Orientierungen der Aufnahmegesellschaft. Das Bekenntnis

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    zur deutschen Rechts- und Werteordnung und die Bereitschaft zu Erwerb und Gebrauch der deutschen Sprache bilden den Weg zum Verstndnis und zur Teilhabe an ihr.

    Umso wichtiger ist es, dass Staat und Gesellschaft Zuwanderer da-bei untersttzen, Teil der deutschen Gesellschaft zu sein und von ihr entsprechend anerkannt und als bereichernd empfunden zu werden. Vielfltige Manahmen zur Untersttzung von Integra-tion in Schule, Ausbildung, Arbeitsmarkt und ffentlichem und gesellschaftlichem Leben leisten wichtige Beitrge, bestehende Hrden und Probleme zu beseitigen.

    Die deutsche Gesellschaftsordnung, ihr Rechts- und Wertesys-tem beruhen auf einer eigenen Geschichte, die auch geprgt ist von der Auseinandersetzung von Staat und Religion. Das der deutschen Gesellschaftsordnung zugrunde liegende Staatsver-stndnis speist sich aus dem Kon ikt Staat und Religion (Konfes-sionskriege, konfessionelle Spaltung) und dem Kon ikt Staat und Brger (Totalitarismen des 20. Jahrhunderts). Staat und Religion sind Grenzen gesetzt. Das Gleiche gilt fr das Verhltnis von Staat und Brger. Die Begrenzung der jeweiligen Sphren dient dem friedlichen Zusammenleben der Menschen. Der religis und weltanschaulich neutrale Rechtsstaat schtzt die Freiheitsrechte jedes einzelnen seiner Brger. Der skulare Staat ist dabei nicht

    Beginn und erste Ergebnisse der Deutschen Islam Konferenz

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    gleichzusetzen mit einem skularistischen Staatswesen, welches die Religion aus dem ffentlichen Raum verdrngt. Gerade die Praxis des deutschen Religionsverfassungsrechtes stellt unter Be-weis, wie vielfltig die Beziehungen zwischen Staat und Religion sind. In einer Wirklichkeit, die von einer Vielzahl an Kulturen, Re-ligionen, ethnischen Gruppen und Philosophien geprgt ist, hat sich die Skularitt des Staates bewhrt; unter Verhltnissen, wie sie in Deutschland geschichtlich gewachsen und in seiner Verfas-sung verbrieft sind, gewhrleistet sie ein gedeihliches Miteinan-der. Auch aus Sicht der in der Arbeitsgruppe 1 vertretenen Musli-me ist diese Verfassung vorbildlich.

    Diese fr die deutsche Gesellschaftsordnung prgende wechsel-seitige Begrenzung anzuerkennen und sie als vorteilhaft zu er-kennen, fllt Zuwanderern aus Lndern mit anderer Ausgestal-tung des Verhltnisses von Staat und Religion oftmals schwer. Und doch gibt es zur gelebten Akzeptanz dieser wechselseitigen Begrenzung aus Sicht des deutschen Staates keine Alternative. Der Rechtsstaat verlangt von den Angehrigen aller Religionen die unbedingte Einhaltung der Rechtsordnung. Die Entwicklung eines in Deutschland gelebten Islams kann sich nur innerhalb des durch den Rechtsstaat gesetzten Rahmens vollziehen.

    Die Arbeitsgruppe 1 der Deutschen Islam Konferenz postuliert fnf Thesen als Zwischenstand der Beratungen:

    Deutschland versteht sich als europisch gewachsene Kul-1.turnation und ist ein freiheitlich verfasster demokratischer Rechtsstaat. Ein gedeihliches, friedliches und respektvolles Zusammenleben aller Menschen gleich welchen Glau-bens in unserem Land setzt die Integration aller Menschen in diese Gesellschaftsordnung voraus. Die in ihr zum Aus-druck kommenden Rechte und P ichten der Einzelnen wie auch ihrer Zusammenschlsse sind verbindlich fr jeden, der in Deutschland lebt oder leben will.

    Integration verlangt auch von in Deutschland lebenden 2.Muslimen die aktive Bereitschaft zu Erwerb und Gebrauch der deutschen Sprache und darber hinaus die vollstndige Beachtung der deutschen Rechtsordnung und der Werte-ordnung des Grundgesetzes. Zugleich ist die Mehrheitsge-

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    Beginn und erste Ergebnisse der Deutschen Islam Konferenz

    sellschaft gefordert, in Deutschland lebende Muslime als gleichberechtigten Teil der deutschen Gesellschaft anzuer-kennen und zu respektieren.

    Religise Gebote oder Werte knnen einen wichtigen Beitrag 3.zu einem sinnerfllten Leben des Einzelnen und zu einem konstruktiven Miteinander in der Gesellschaft leisten. Die religise Freiheit des Einzelnen ndet dort ihre Grenzen, wo sie im Gegensatz zur freiheitlichen demokratischen Grund-ordnung steht. Diese wechselseitige Begrenzung schtzt die Freiheitsrechte jedes einzelnen Brgers ebenso wie die Auto-ritt des skularen Staates und den Entfaltungsspielraum re-ligiser Gemeinschaften.

    Es ist die gemeinsame Verantwortung des Staates und seiner 4.Brger, ein demokratisches Miteinander auf der Grundlage der deutschen Rechtsordnung und der Werteordnung des Grundgesetzes zu frdern, die Rechte aller Brger zu scht-zen und Bestrebungen gegen die freiheitliche Demokra-tie da sie die Freiheit und die Sicherheit aller Menschen in Deutschland gefhrden gemeinsam zu begegnen.

    Um Mngel im Zusammenleben beheben zu knnen, bedarf es 5.verlsslicher empirischer Erkenntnisse, insbesondere bezg-lich der Zahlen, der Herkunft, des Bildungsstands, der Sozialla-ge, des Religions- und Kulturverstndnisses der in Deutschland lebenden Muslime. Hier bestehen nach Ansicht der Arbeits-gruppe 1 Deutsche Gesellschaftsordnung und Wertekonsens der Deutschen Islam Konferenz erhebliche De zite. Vor allem die vielfltigen Erfolge der Integration der in Deutschland le-benden Muslime sollten in Zukunft mehr bercksichtigt und gewrdigt werden. Die AG 1 hat auf dieser Grundlage das For-schungsprojekt Muslimisches Leben in Deutschland initiiert (zum Stand der Umsetzung siehe Anlage 1, Seite 51).

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    Schlussfolgerungen der Arbeitsgruppe 2 Religions-fragen im deutschen Verfassungsverstndnis

    Die Arbeitsgruppe 2 war vom Plenum mit der Einrichtung einer (Unter-)Arbeitsgruppe zur Erarbeitung einer Positivliste be-auftragt worden, die unbeschadet der Zustndigkeit der Lnder fr die konkreten Verfahren die verfassungsrechtlich mageb-lichen Voraussetzungen fr die Einfhrung von islamischem Religionsunterricht nach Art. 7 Abs. 3 GG weiter konkretisieren sollte. Die Arbeitsgruppe hat diesen Auftrag ausgefhrt und sich seit der 2. Plenarsitzung auch mit den Themen Bau und Betrieb von Moscheen in Deutschland und islamische Bestattung be-fasst. Das Thema Integration in der Schule wurde andiskutiert und wird in der nchsten Sitzung der Arbeitsgruppe in seinen rechtlichen Gesichtspunkten vertieft behandelt.

    Die Arbeitsgruppe ist zu folgenden Ergebnissen und Empfehlun-gen gelangt:

    Einfhrung von islamischem ReligionsunterrichtDie Arbeitsgruppe hat das von der Unterarbeitsgruppe Wege zu einem islamischen Religionsunterricht erarbeitete und als Anlage 2 beigefgte Papier zu den verfassungsrechtlichen Rah-

    menbedingungen fr die Einfhrung einesislamischen Reli gions-unterrichts bis auf Ziffer XII. des Papiers einvernehmlich ange-nommen. Dieses Papier przisiert die wesentli-chen organisatorischen und inhaltlichen An-forderungen der Un-terrichtseinfhrung. Es wird vorgeschlagen, dass es vom Plenum zu-stimmend zur Kenntnis genommen wird.

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    Beginn und erste Ergebnisse der Deutschen Islam Konferenz

    Bau und Betrieb von Moscheen in DeutschlandDer Moscheebau ist ein wichtiger Schritt zur Integration des Is-lams in Deutschland. Mit dem Neubau von Moscheen verlassen die muslimischen Gemeinden die Hinterhfe und provisorisch umgenutzten Bauten und dokumentieren ihren Willen, dauer-haft ein Teil der deutschen Gesellschaft zu sein.

    In den Stdten und Gemeinden ist der Bau von Moscheen aller-dings nicht selten Gegenstand von Kon ikten. Gelegentlich spie-len Sorgen wegen der entstehenden Verkehrsbelastung eine Rol-le. Hu g werden dabei aber Integrationskon ikte ausgetragen. Der Bau der Moschee zeigt im Stadtbild die Prsenz des Islams. Er kann damit Vorbehalte auslsen und ngste wecken. In den meis-ten Fllen verebbt der Kon ikt, wenn nach Fertigstellung des Baus der Alltag einkehrt. Manchmal werden aber auch Einstellungen erkennbar, mit denen sich Politik und Gesellschaft ber den Ein-zelfall hinaus auseinandersetzen mssen.

    Die verfassungsrechtlich garantierte Religionsfreiheit umfasst selbstverstndlich auch das Recht der muslimischen Gemeinden, Moscheen zu errichten. Dazu gehren Rume fr die Gemeindear-beit. Die Rechtsprechung stellt die Moscheen deshalb den Kirchen und Synagogen bauplanungsrechtlich im Ergebnis gleich. Auch in bauordnungsrechtlicher und immissionsschutzrechtlicher Hinsicht gelten keine Besonderheiten. Gesetzgebung kann deshalb keinen wesentlichen Beitrag zur Lsung oder Milderung der Kon ikte leis-ten. Ntzlich knnte eine fachliche Arbeitshilfe mit einzelfallunab-hngigen Aussagen vor allem zu der hu g umstrittenen Frage der Stellpltze bei Bauten zu gottesdienstlichen Zwecken sein.

    Kommunalpolitik und Kommunalverwaltungen knnen darauf hinwirken, Moscheebaukon ikte zu begrenzen oder gar nicht erst aufkommen zu lassen. Hilfreich sind eine Stadtentwicklungs-politik, die sich aktiv mit dem Bedarf und mglichen Standorten von Moscheen auseinandersetzt, und eine ffentlichkeitsarbeit, die den Bau von Moscheen ausdrcklich befrwortet, dabei vor-handene ngste in der Bevlkerung aber ernst nimmt.

    Die muslimischen Bauherren sollten durch eine rechtzeitige und sorgfltige Unterrichtung auf eine breite Akzeptanz ihres Bau-vorhabens hinwirken. Dabei sollte auch erlutert werden, wer

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    die Moschee trgt, welche Aktivitten dort geplant sind und wie der Kontakt zu ihrer Umgebung gestaltet werden soll. Hilfreich ist auch eine mglichst weitgehende Transparenz hinsichtlich der Finanzierung. Werden nicht nur Flchen vorgesehen, deren Nutzung wie bei einer Fleischerei fr Halal-Fleisch oder der Woh-nung fr den Imam einen engen Zusammenhang mit der Religi-onsausbung aufweist, sondern zum Beispiel aus Grnden der Finanzierung zustzlich gewerbliche Einrichtungen oder Woh-nungen errichtet, ist darauf zu achten, dass stdtebauliche oder Integrationsprobleme nicht verschrft werden.

    Die rechtzeitige Heranziehung geeigneter Personen als Berater oder die Einsetzung eines Mediators kann die Kon ikte um den Bau einer Moschee mildern oder ganz verhindern. Die Initiative dazu kann von der muslimischen Gemeinde wie von der Kommu-ne ausgehen. Fr diese Aufgabe kommen Persnlichkeiten in Be-tracht, die das Vertrauen und das Ansehen, ber das sie auf beiden Seiten verfgen, einsetzen knnen.

    Die Politik und die ffentlichkeit, insbesondere auf lokaler Ebene, Medien und Kirchen oder andere Religionsgemeinschaften, die Bauherren und die Nachbarschaft tragen gemeinsam Verantwor-tung dafr, dass die Diskussion ber den Bau von Moscheen sach-lich gefhrt wird und damit die Integration des Islams in Deutsch-land voranbringt und nicht infrage stellt.

    Islamische BestattungIslamische Bestattungen weisen einige Besonderheiten auf, wie zum Beispiel die grundstzlich sarglose Erdbestattung mglichst am selben oder folgenden Tag, wobei der Leichnam lediglich in Tcher gewickelt wird, oder die Ausrichtung der Grber nach Mekka. Bestattungen nach diesen religisen Anforderungen sind bereits in einigen Lndern mglich. Die bisherigen Anpassungen der Bestattungsgesetze einzelner Lnder und kommunaler Fried-hofssatzungen sind positive Beispiele fr den konstruktiven Dia-log zwischen muslimischen Vertretungen und den Lndern. Sie sind gleichzeitig ein positives Signal fr die Integration der hier lebenden Muslime.

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    Beginn und erste Ergebnisse der Deutschen Islam Konferenz

    Die Lnder und Kommunen sind daher aufgerufen, sich ber die bereits praktizierten Lsungsmglichkeiten auszutauschen und mglichst vergleichbare Regelungen zu schaffen, welche den Spezi ka islamischer Bestattungen Rechnung tragen. Dazu ge-hren insbesondere die Einrichtung islamischer Grberfelder und Friedhfe, die Verkrzung der Mindestbestattungsfrist, die sarglose Bestattung und die Verlngerung der Ruhefristen. Von Verfassungs wegen ist fr die Trgerschaft einer von einer Religi-onsgemeinschaft getragenen Begrbnissttte nicht erforderlich, dass die Religionsgemeinschaft den Status einer Krperschaft des ffentlichen Rechts besitzt.

    Thesen der Arbeitsgruppe 3 Wirtschaft und Medien als Brcke

    Vorbemerkung: Aufgrund der unterschiedlichen Thematiken werden die Schlussfolgerungen in einen Teil Wirtschaft und ei-nen Teil Medien aufgeteilt. Die Teilnehmer der Arbeitsgruppe betonen die Bedeutung der Gesamtthematik. Die Nutzung der Medien fr ein besseres Verstndnis muslimischer und nicht mus-limischer Brger in Deutschland, aber auch die Befassung mit der Lebenswirklichkeit der Muslime in unserem Land mache die Be-sonderheit und Wichtigkeit der Arbeitsgruppe aus.

    Die Empfehlungen der Arbeitsgruppe richten sich gleichermaen an die Auf-nahmegesellschaft und die zugewander-ten Muslime. Beide Seiten mssen sich in der P icht sehen, Verbesserungen im gemeinsamen Miteinander anzustreben und Schwellen abzubauen. Neben den be-kannten Schwierigkeiten im Zusammen-leben vor allem in den Problembezirken deutscher Grostdte gebe es eine sehr viel grere Erfolgsbilanz gelungener In-tegration muslimischer Bevlkerungsteile in Deutschland.

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    Schlussfolgerungen zum Themenbereich WirtschaftDie Arbeitsgruppe hat sich bisher mit der Lebenswirklichkeit jun-ger Muslime bis zu ihrem Schulabschluss befasst. In den nachfol-genden Sitzungen sollen konkrete Einzelvorschlge ausgearbei-tet werden; ebenso werden dann der bergang in das Berufsleben und Anforderungen beziehungsweise Hilfestellungen seitens der Wirtschaft thematisiert. Spezielle muslimische Aspekte, die das Heranreifen Jugendlicher bestimmen und in der einen oder an-deren Weise prgen, konnten bisher nicht eindeutig ausgemacht werden. Als Ergebnis der bisherigen Beratungen formulieren die Mitglieder der Arbeitsgruppe folgende Appelle:

    Muslimische Eltern sind zum Teil nicht ausreichend ber 1.das deutsche Bildungssystem informiert, daher sind viele ihrer Bemhungen nicht zielfhrend; zum Teil ist auch eine intensivere Erziehungsp icht wnschenswert; ein besseres Verhltnis Eltern/Schule ist anzustreben; gefordert wird ein tieferes interkulturelles Verstndnis der Lehrerschaft fr die Belange muslimischer Mitbrger

    Verstrkte Einrichtung von Ganztagsschulen mit pdagogi-2.schen Bildungskonzepten an den Nachmittagen

    berprfung des deutschen Schulsystems vor dem Hinter-3.grund einer wnschenswerten lngeren gemeinsamen Schulausbildung; Bildungssegregation nach Herkunft sollte abgebaut werden

    Nachhaltige Verbesserung der Sprachausbildung mit ent-4.sprechenden, wissenschaftlich abgesttzten neuen Konzep-ten (parallel zum Schulalltag wenn ntig bis zu einem Alter von sechs Jahren)

    Verstrktes Werben bei muslimischen Eltern, ihre Kinder in 5.Kindergrten/Vorschulen zu schicken; verbesserte Betreu-ung inklusive quali zierten Bildungsauftrags in diesen Ein-richtungen; Verbesserung der Ausbildung/Schulung der Mitarbeiter

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    Beginn und erste Ergebnisse der Deutschen Islam Konferenz

    Schlussfolgerungen zum Themenbereich MedienDie Arbeitsgruppe hat sich mit dem Medienbild des Islams in Deutschland befasst. Die aktuelle Berichterstattung ist berpropor-tional auf den Gewaltaspekt fokussiert. Die Arbeitsgruppe fordert deshalb eine verantwortungsvolle, vorurteilsfreie und differenzierte Berichterstattung. Es sollten mehr alltagsnahe Themen zum islami-schen Leben in Deutschland aufbereitet werden. Auch die kulturelle Vielfalt muslimischer Mitbrger sollte in dem Sinne dargestellt wer-den, dass sie zu unserer Kultur in Deutschland als Ganzes beitrgt.

    Die Arbeitsgruppe befasste sich zudem mit den internen Struktu-ren der Medien. In der Arbeitsgruppe wurde gefordert, deutlich mehr quali zierte Mitarbeiter mit Migrationshintergrund in den Fernseh- und Rundfunkredaktionen sowie in den Printmedien einzustellen, um den Sachverstand und das interkulturelle Ver-stndnis dieser Mitbrger zu nutzen.

    Auf Grundlage dieser Erkenntnisse hat die Arbeitsgruppe am 27. Februar 2008 im Bundespresseamt gemeinsam mit der Her-bert Quandt-Stiftung eine Fachtagung Das Islambild in Deutsch-land: Alte Stereotype, neue Feindbilder? durchgefhrt, um fr die Durchbrechung von Stereotypen in der Berichterstattung ber Islam und Muslime zu werben.

    Auf der von Phoenix bertragenen Veranstaltung, an der unter anderem Bundestagsabgeordnete aller Fraktionen, Journalis-ten und Wissenschaftler teilnahmen, wurde vor allem der Frage nachgegangen, ob und wie sich das ffentliche/mediale Bild von Muslimen in Deutschland, aber auch ihre Selbstdarstellung seit dem 11. September 2001 gewandelt hat. Bundestagsabgeordnete aller Fraktionen untersttzten dabei den Ruf nach einem diffe-renzierten Islambild und betonten, dass das Gefhl vieler Musli-me, ausgegrenzt und abgelehnt zu werden, eines der zentralen Probleme der deutschen Integrationspolitik darstellt. Verbands-vertreter riefen die Muslime in Deutschland auf, sich strker ge-sellschaftlich zu engagieren.

    Knapp 200 Vertreter aus der Politik, den Medien und der Wissen-schaft trugen zu einem sehr engagierten und regen Diskurs teil (siehe Anlage 3, Seite 64).

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    Schlussfolgerungen des Gesprchskreises Sicherheit und Islamismus

    Vorbemerkung: Die vorgelegten Schlussfolgerungen sind Ergeb-nis der ersten fnf Sitzungen des Gesprchskreises und wurden in der achten Sitzung des Gesprchskreises am 25. Januar 2008 abschlieend diskutiert und angenommen. Einzelne Aspekte, zu denen bisher keine gemeinsamen Positionen beschlossen wur-den, sind Gegenstand knftiger Sitzungen des Gesprchskreises und werden in weitere Schlussfolgerungen des Gesprchskreises ein ieen. Als Ergebnis ihrer bisherigen gemeinsamen Arbeit stellen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Gesprchskrei-ses Sicherheit und Islamismus fest:

    Schlussfolgerungen zu den Projekten Kooperation zwischen Polizei und Moscheevereinen sowie Vertrauensbildende ManahmenDer Gesprchskreis Sicherheit und Islamismus der Deutschen Is-lam Konferenz (DIK) hat sich in den Sitzungen vom 8. November 2006 und vom 17. Januar 2007 mit dem Konzept Vertrauensbil-dende Manahmen sowie mit zwei praktischen Beispielen der Kooperation rtlicher Polizeibehrden mit Moscheevereinen (in Essen und Berlin) beschftigt.

    Das Konzept Vertrauensbildende Manahmen wurde im Rah-men eines seit 2005 bestehenden Dialogprozesses zwischen dem

    Bundeskriminalamt (BKA), dem Bundes-amt fr Verfassungsschutz (BfV), mehre-ren Landessicherheitsbehrden und den muslimischen Verbnden DITIB und ZMD entwickelt und von den Beteiligten einver-nehmlich verabschiedet. Es zielt primr auf eine bessere Zusammenarbeit zwi-schen den beteiligten muslimischen Ver-bnden und den Sicherheitsbehrden ab. Gleichzeitig versteht sich das Konzept als ein Baustein zur Strkung des Vertrauens zwischen Muslimen und Nichtmuslimen in Deutschland.

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    Beginn und erste Ergebnisse der Deutschen Islam Konferenz

    Die errterten Beispiele fr eine Zusammenarbeit von lokalen Polizeibehrden und Moscheevereinen wurden durch die Bun-deszentrale fr politische Bildung in einem Leitfaden Polizei und Moscheevereine der ffentlichkeit zugnglich gemacht. Die vorgenannten Initiativen wurden unter dem Blickwinkel der Auf-gabenstellung des Gesprchskreises Islamismus und Sicherheit diskutiert und bewertet. Im Ergebnis wurden dabei die folgenden Schlussfolgerungen gezogen:

    Das Konzept Vertrauensbildende Manahmen von BKA, BfV und mehreren Landessicherheitsbehrden mit DITIB/ZMD sowie der Leitfaden Polizei und Moscheevereine stel-len jeweils eine geeignete Grundlage fr eine strukturierte Zusammenarbeit zwischen Sicherheitsbehrden und musli-mischen Gemeinschaften dar.

    Die Gefahren der Radikalisierung knnen durch derartige Projekte mittelbar beein usst werden: Ein besseres Vertrau-ensverhltnis von Sicherheitsbehrden und Muslimen kann die Bereitschaft von Muslimen sttzen, islamistischen das heit einem extremistischen Verstndnis des Islam Bestre-bungen entgegenzuwirken, sich gegenber gefhrdeten Per-sonen in ihrem Umfeld migend einzusetzen und Extremis-ten und Radikale auszugrenzen.

    Der Erfolg von Kooperationen auf der lokalen Ebene hngt mageblich von den konkreten Umstnden vor Ort ab. Eini-ge allgemeingltige Erfolgsfaktoren sind identi zierbar, die jedoch nicht abschlieend sind:

    Flchendeckende Benennung von festen Ansprechpart- nern vor Ort auf beiden Seiten mit mglichst hohem Ein- uss in ihren jeweiligen Institutionen (Kerngedanke des Konzepts Vertrauensbildende Manahmen)

    Runde Tische: Alle mageblichen Akteure im jeweiligen So- zialraum mssen eingebunden sein. Polizei und Moscheever-eine sind nur zwei Facetten neben anderen, wie etwa Sozial- und Jugendverwaltung, Schulen, Vereine mit muslimischer Mitgliedschaft, anerkannte muslimische Persnlichkeiten.

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    Gemeinsamkeiten betonen: Alle Beteiligten mssen erkennen, inwiefern gerade sie einen Beitrag fr eine Kooperation leisten knnen und dies als Daueraufgabe begreifen. Alle Beteiligten mssen sich an vorab de nierten Zielen messen lassen.

    Chefsache: Bei den jeweiligen Fhrungspersnlichkeiten der beteiligten Institutionen muss ein nachhaltiges Inter-esse bestehen, eine Vertrauensbasis mit anderen Beteilig-ten zu entwickeln und ihre Mitarbeiter in dieser Richtung zur praktischen Arbeit anzuhalten.

    Langfristiges Engagement: Alle Beteiligten mssen auch ohne besonderen Anlass dauerhaft fortwhrend konkrete Schritte unternehmen, um eine Kooperation nachhaltig mit Leben zu erfllen.

    Folgende konkrete Manahmen ergnzen diese Erfolgsfakto- ren positiv:

    Feste organisatorische Verankerung relevanter Aufgaben in den beteiligten Institutionen, um kontinuierliche Aufga-benwahrnehmung auch bei sich verndernder personeller Zusammensetzung zu gewhrleisten

    Bereitstellung materieller Ressourcen in den beteiligten Ins- titutionen, um die fr langfristiges Engagement notwendi-gen organisatorischen Voraussetzungen zu gewhrleisten

    Foren einrichten und nutzen: Durchfhrung von regelm- igen Informationsveranstaltungen und Gesprchsforen unter Beteiligung aller Ebenen

    Fortbildung von Behrdenmitarbeitern

    Gemeinsame Erstellung von Informationsmaterial zu Isla- mismus und Radikalisierung

    Koordinierung der staatlichen Akteure, sodass verschiede- ne Institutionen (zum Beispiel Lokalverwaltung, Polizeibe-hrde) gemeinsam parallele Impulse in die muslimische Gemeinschaft hinein geben knnen

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    Beginn und erste Ergebnisse der Deutschen Islam Konferenz

    Schlielich sollte auch die Einrichtung einer Koordinierungs- institution auf der Ebene des Bundes oder der Lnder geprft werden, um einen berblick ber smtliche Kooperations-projekte zu erhalten, Ansprechpartner, Referenten etc. zu vermitteln oder bei der Erstellung und Verteilung von Infor-mationsmaterial zu untersttzen (Clearingstelle).

    Auf der Grundlage dieser Schlussfolgerung und des aus ihr resul-tierenden Prfauftrags der 2. Plenarsitzung am 2. Mai 2007 wurde die Einrichtung einer Clearingstelle beim BAMF vorgeschlagen und umgesetzt (siehe Bericht, Anlage 4, Seite 56).

    Schlussfolgerungen zur Arbeit der deutschen Sicherheits-behrden im Bereich IslamismusDer Terrorismus bedroht alle Menschen Muslime wie Nichtmus-lime. Die Teilnehmer des Gesprchskreises sind auf der Grundlage der Einschtzung der Sicherheitsbehrden und eigener Wahrneh-mung der Auffassung, dass in Deutschland eine ernstzunehmen-de Gefahr eines Terroranschlages besteht, der unter Berufung auf den Islam legitimiert wird.

    Die einem solchen Anschlag vorausgehende Radikalisierung der potenziellen Tter ndet auch in Deutschland statt, das heit, die Tter entschlieen sich erst whrend eines Aufenthaltes in Deutschland zur Tat, sind in Deutschland aufgewachsen oder deutscher Herkunft.

    Auch in Deutschland propagieren einige muslimische Gruppen und Organisationen aktiv extremistische Ideologien und Verhal-tensweisen. Sie setzen sich in Wort und Tat fr Ziele ein, die mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung Deutschlands nicht vereinbar sind und eine Gefahr fr den inneren Frieden in Deutschland sowie fr Frieden und Vlkerverstndigung in der Welt darstellen.

    Es ist die gemeinsame Verantwortung aller, islamistischen Bestre-bungen in einem gesamtgesellschaftlichen Schulterschluss entge-genzuwirken. Die wichtigsten Instrumente dafr sind staatliche Gefahrenabwehr, Integrationspolitiken und zivilgesellschaft-liche Dialoge.

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    Insbesondere Radikalisierungsprozessen und der Bereitschaft zu Gewalttaten kann nur durch eine wirksame Frherkennung auch unter aktiver Mitwirkung der Muslime begegnet werden. Das dafr notwendige Vertrauen erfordert einen kritischen Dia-log zwischen den Sicherheitsbehrden und Vertretern der Musli-me in Deutschland.

    Schlussfolgerungen zu Terrorismusbekmpfungsstrategien und staatlichem Dialog mit muslimischen Gemeinschaften in den NiederlandenZwar unterscheidet sich die muslimische Bevlkerung in den Niederlanden hinsichtlich Ethnizitt, Struktur und Anteil an der Gesamtbevlkerung deutlich von der Situation in Deutschland. Gleichwohl bestehen Gemeinsamkeiten in Bezug auf mangel-hafte Integration und Bildungsde zite bei muslimischen Zu-wanderern. Gemeinsamkeiten bestehen auch hinsichtlich der Sicherheitslage und der bestehenden Gefahr zunehmender isla-mistischer Radikalisierung. In beiden Lndern gibt es zwischen den Bevlkerungsgruppen De zite mit Blick auf Wissen berein-ander und gegenseitiges Verstndnis freinander.

    Der in den Niederlanden verfolgte, breit angelegte integrations-politische Ansatz beinhaltet spezielle Manahmen zur Reduzie-rung von Gefahren, die von islamistischem Extremismus und Radikalisierung ausgehen, wie etwa die Schulung von Multiplika-toren, die innerhalb der muslimischen Gemeinden offensiv gegen Radikalisierung argumentieren sollen, und die Einrichtung von Internetangeboten, die der Vielzahl islamistischer Internetseiten gegenbergestellt werden knnen und einen demokratisch ori-entierten Islam propagieren. Viele dieser Projekte nutzen die Ein-bindung von Muslimen in die Prventionsarbeit gegen islamisti-sche Tendenzen.

    Die Kampagne in den Niederlanden gegen den Terrorismus hatte zum Ziel, das Bewusstsein fr die Gefahren des Terrorismus, die ffentliche Aufmerksamkeit und das Vertrauen der Bevlkerung in die staatlichen Manahmen inklusive des Dialogprozesses zu strken, ohne zugleich unterschwellig ein Feindbild Islam zu befrdern.

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    Beginn und erste Ergebnisse der Deutschen Islam Konferenz

    Die vorgestellten niederlndischen Prventionsprojekte bieten Beispiele, die aufgegriffen werden sollten: Prventive Projekte ge-gen islamistische Radikalisierung, wie eine antiislamistische In-ternetseite oder eine zielgerichtete Kampagne gegen Terrorismus und Radikalisierung und fr ein friedliches Miteinander, knnen auch im deutschen Kontext mehr Transparenz herstellen und einen wichtigen Beitrag dazu leisten, dass islamistische Bestre-bungen keinen Nhrboden nden und insbesondere Jugendliche nicht radikalisiert werden. Sie sollten unter Einbeziehung musli-mischer Organisationen und Persnlichkeiten auch im Kontext der Deutschen Islam Konferenz angestrebt werden.

    Die am Gesprchskreis beteiligten Verbnde erklren es als exis-tenzielles Anliegen, die Gemeinden gegen Extremismus zu im-munisieren. Hier ist von staatlicher Seite zu prfen, inwieweit im Rahmen nachhaltiger und besser greifender Prventionsarbeit in Zukunft bestehende oder noch zu schaffende Angebote (zum Bei-spiel Internetforen, Jugendangebote von Muslimen fr Muslime) gefrdert werden knnen.

    Schlussfolgerungen zu islamistischen Einfl ssen auf islamische Bildungsarbeit und diesbezglichen RadikalisierungsfaktorenIm Rahmen muslimischer Bildungsarbeit existieren auch Bil-dungsangebote, die ein islamistisches Weltbild vermitteln. Dies uert sich etwa

    in der Darstellung eines exklusiven Wahrheitsanspruches des Islams bei gleichzeitiger Abwertung anderer Religionen und Kulturen,

    in der Propagierung des Islams als einzig gltiger politischer und gesellschaftlicher Ordnung5,

    in der Vermittlung von antiwestlichen, antichristlichen oder antisemitischen Feindbildern oder

    einer Vorbildfunktion des Mujahid im extremistischen oder terroristischen Sinne.

    5 Dies ist unvereinbar mit der vom Grundgesetz verfassten pluralen Demokratie.

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    Zwischen islamistischer Bildungsarbeit und terroristischen An-schlgen besteht kein direkter monokausaler Zusammenhang. Allerdings kann die Vermittlung islamistischer Bildungsinhalte radikalisierend wirken und auch dann, wenn nicht die Unter-sttzung politisch-religis motivierter Gewalt propagiert wird, desintegrativ wirken und die Entstehung islamistischer Parallel-gesellschaften und eine Radikalisierung in den politischen Extre-mismus befrdern.

    Aufgabe islamischer Bildungs- und Schulungseinrichtungen ist auch, sich von solchen islamistischen Ein ssen deutlich abzu-grenzen und eine kritische Auseinandersetzung mit islamisti-schen Gruppen aktiv zu befrdern. Die von ihnen angestrebten Lehr-/Lernziele und Bildungsinhalte sollten zur Aufrechterhal-tung, nachhaltigen Strkung und Weiterentwicklung der frei-heitlichen demokratischen Grundordnung beitragen. Die in dieser Hinsicht begonnenen Aktivitten mssen fortgesetzt und ausgebaut werden.

    Islamische Verbnde und Bildungstrger sollten diesen Prozess durch die Herstellung von Transparenz insbesondere in Bezug auf Zielgruppen, Lehrmaterialien und die fachliche Eignung der Lehrkrfte untersttzen. Die Verbnde werden aktiv gegen is-lamistische Publikationen vorgehen, die in ihren Einrichtungen erhltlich sind, insbesondere wenn sie von den Sicherheitsbehr-den, Wissenschaft, Medien und zivilgesellschaftlichen Organisa-tionen auf solche Flle aufmerksam gemacht werden. Dies schliet ein, im Diskurs die verfassungsfeindliche Richtung islamistischer Publikationen zu klren und darber aufzuklren.

    In islamischen Bildungseinrichtungen soll dieser Ansatz proaktiv vermittelt werden. Kooperationen wie etwa Patenschaften von ffentlichen Schulen und anderen Bildungseinrichtungen (zum Beispiel Bundeszentrale fr politische Bildung) mit Moscheever-einen und muslimischen Bildungstrgern knnen zu einem Aus-tausch ber Lehr- und Lernziele beitragen und die freiheitliche demokratische Grundordnung verwirklichende Inhalte und Ar-gumentationsmuster vermitteln.

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    Beginn und erste Ergebnisse der Deutschen Islam Konferenz

    Anlage 1: Forschungsprojekt Muslimisches Leben in Deutschland

    Auf der Grundlage der Beschlsse des 2. Plenums der Deutschen Islam Konferenz initiierte die Arbeitsgruppe Deutsche Gesell-schaftsordnung und Wertekonsens (Arbeitsgruppe 1) das empi-rische Forschungsprojekt Muslimisches Leben in Deu