falk gastro-kolleg leber und gallenwege · lethargie, abdominalbeschwerden, arthralgien sowie...

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Fragebeantwortung unter www.falkfoundation.de Falk Gastro-Kolleg 1 Titelbild: Patient mit Hämochromatose (HE-Färbung mit Berliner Blau-Färbung) Hämochromatose Zusammenfassung Die hereditäre, HFE-vermittelte Hämochromatose (HH) ist die häufigste monogene Erberkrankung des Menschen. Durch eine Mutation im HFE-Gen, insbesondere von C282Y, kommt es zu einer Suppression des zentralen Eisenregulators Hepcidin und dadurch zur vermehrten intestinalen Eisenresorption. Unbehandelt führt diese chronische Eisenüberladung schließlich zu schweren irreversiblen Langzeitschäden insbesondere an Leber, Pankreas und Herz. Obwohl die genetische Testung für HFE-Mutationen die Diagnostik erheblich verbessert hat, ist ein allgemeines Screening der Bevölkerung aufgrund der sehr niedrigen klinischen Penetranz von ca. 10% nicht sinnvoll. Entscheidend für die Prognose ist eine möglichst frühe Diagnose, da mittels Aderlass eine sehr effektive und einfache Therapie zur Verfügung steht, die bei rechtzeitigem Beginn eine normale Lebenserwartung ermöglicht. Die HH muss von anderen Krankheiten, die zur Eisenüber- ladung führen, abgegrenzt werden. Hierzu zählen die seltenen nicht-HFE-assoziierten Hämochromatosen, z. B. durch Mutationen der Gene, die für Hämojuvelin, Hepcidin, Transferrinrezeptor 2, Coeruloplasmin und Ferroportin kodieren. Differenzialdiagnostisch bedeutsam ist im klinischen Alltag vor allem die alkoholische Lebererkrankung und des Weiteren die große Gruppe der sekundären Hämosiderosen, die durch eine ineffektive Blutbildung, z. B. bei der Thalassaemia major, verursacht sind und regelmäßige Bluttrans- fusionen erfordern. Schlüsselwörter Hämochromatose | HFE | Hepcidin | Eisenüberladung | Leberzirrhose | Suszeptometrie Prof. Dr. Sebastian Mueller* Dipl.-Phys. Johannes Mueller Dr. Hanna Raisi Dr. Janina Sollors Dr. Vanessa Rausch Medizinische Klinik (Gastroenterologie, Hepatologie) Krankenhaus Salem und Zentrum für Alkoholforschung Universität Heidelberg Zeppelinstr. – Heidelberg *Korrespondierender Autor Prof. Dr. S. Mueller Falk Gastro-Kolleg Leber und Gallenwege

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Fragebeantwortung unter

www.falkfoundation.de

Falk Gastro-Kolleg

1

Titelbild: Patient mit Hämochromatose (HE-Färbung mit Berliner Blau-Färbung)

HämochromatoseZusammenfassung

Die hereditäre, HFE-vermittelte Hämochromatose (HH) ist die häufigste monogene Erberkrankung des Menschen. Durch eine Mutation im HFE-Gen, insbesondere von C282Y, kommt es zu einer Suppression des zentralen Eisenregulators Hepcidin und dadurch zur vermehrten intestinalen Eisenresorption. Unbehandelt führt diese chronische Eisenüberladung schließlich zu schweren irreversiblen Langzeitschäden insbesondere an Leber, Pankreas und Herz. Obwohl die genetische Testung für HFE-Mutationen die Diagnostik erheblich verbessert hat, ist ein allgemeines Screening der Bevölkerung aufgrund der sehr niedrigen klinischen Penetranz von ca. 10% nicht sinnvoll. Entscheidend für die Prognose ist eine möglichst frühe Diagnose, da mittels Aderlass eine sehr effektive und einfache Therapie zur Verfügung steht, die bei rechtzeitigem Beginn eine normale Lebenserwartung ermöglicht. Die HH muss von anderen Krankheiten, die zur Eisenüber-ladung führen, abgegrenzt werden. Hierzu zählen die seltenen nicht-HFE-assoziierten Hämochromatosen, z. B. durch Mutationen der Gene, die für Hämojuvelin, Hepcidin, Transferrinrezeptor 2, Coeruloplasmin und Ferroportin kodieren. Differenzialdiagnostisch bedeutsam ist im klinischen Alltag vor allem die alkoholische Lebererkrankung und des Weiteren die große Gruppe der sekundären Hämosiderosen, die durch eine ineffektive Blutbildung, z. B. bei der Thalassaemia major, verursacht sind und regelmäßige Bluttrans-fusionen erfordern.

Schlüsselwörter

Hämochromatose | HFE | Hepcidin | Eisenüberladung | Leberzirrhose | Suszeptometrie

Prof. Dr. Sebastian Mueller*Dipl.-Phys. Johannes MuellerDr. Hanna RaisiDr. Janina SollorsDr. Vanessa RauschMedizinische Klinik(Gastroenterologie, Hepatologie)Krankenhaus Salem undZentrum für AlkoholforschungUniversität HeidelbergZeppelinstr. – Heidelberg

*Korrespondierender Autor

Prof. Dr. S. Mueller

Falk Gastro-Kolleg

Leber und Gallenwege

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Hämochromatose

Historisches

1865 wurde die Hämochromatose erstmals von Amand Trousseau bei der Autopsie eines Diabeteskranken mit einem „bronzefarbenen Antlitz“ und Leberzirrhose be-schrieben, jedoch nicht mit Eisen in Verbindung gebracht (Tab. 1) [1]. 1871 bestätigte und erweiterte Troisier diese Entdeckungen und erkannte zusätzlich die großen Men-gen an einem Eisen-reaktiven Pigment in der zirrhotischen Leber [2]. Seine klassische Trias „Diabetes mellitus, Leberzirrhose und Hyperpigmentierung der Haut“ war über Jahrzehnte Grundlage der klinischen Diagnose der Hämochromatose. 18 Jahre später bestätigte von Recklinghausen mithilfe von neu entwickelten histologischen Unter-suchungsmethoden wie der Berliner Blau-Färbung nach Max Perls, dass die bräunliche Pigmentierung in den Leberbiopsien auf enorme Mengen an Eisenablagerungen in den Leberzellen beruht. Er führte diese Befunde allerdings auf Hämolyse zurück und nannte die Krankheit irrtümlicherweise Hämochromatose [3]. Fast 50 Jahre später wies der englische Gerontologe Sheldon in seiner an über 300 Patienten durchgeführten Studie auf die hereditäre Eigenschaft der Erkrankung hin. Weiterhin vermutete er als erster eine vermehrte Eisenresorption [4]. Mitte der 1970er-Jahre assoziierte Simon die Erkrankung erstmals mit dem MHC-Klasse-I-Komplex auf Chromosom 6 und beschrieb sie als „hereditäre Hämochromatose (HH)”. Feder konnte 1996 das HFE (High Iron Fe)-Gen auf dem Chromosom 6b identifizieren, das in seiner Kohorte in über 83% der Patien-ten mit Hämochromatose mutiert war [5]. Der Zusammenhang von Eisenüberladung und Hepcidin wurde erstmals 2001 erkannt [6, 7]. Der exakte molekulare Mechanismus der durch die HFE-Mutation verursachten Suppression wird allerdings bis heute nicht in allen Details verstanden.

Geschichte der Hämochromatose

Jahr Entdeckung Wissenschaftler

1865 Erster Fall von „Bronzediabetes und Zirrhose“ Trousseau

1871 Erweiterung des Begriffs „Bronzediabetes“ Troisier

1889 Einführung des Begriffs „Hämochromatose“ von Recklinghausen

1935 Vererbung der Hämochromatose und die Rolle von Eisen Sheldon

1975 Autosomale rezessive HLA-verknüpfte Erkrankung Simon

1996 Identifizierung des HFE-Gens Feder

2001 Entdeckung von Hepcidin Krause & Park

2001 Zusammenhang von Hepcidinexpression und Lebereisen Pigeon & Loreal

2004 Entdeckung des HJV-Gens und HJV-verwandter Hämochromatose Papanikolaou

2006 HJV/BMP-Signalweg reguliert Hepcidin und den Eisenstoffwechsel Babitt & Linn

2009 BMP6 als endogener Regulator des Eisenstoffwechsels Andriopoulus

2014 HFE-vermittelter Mechanismus Wu

Prävalenz und Genetik

Besonders häufig findet sich die HH bei Nordeuropäern keltischen Ursprungs. In Deutschland tritt sie mit einer Häufigkeit von 1:400 auf. Bei 85% aller Hämochromato-sen in Deutschland liegt eine Mutation im HFE-Gen an der Position 282 auf dem kur-zen Arm des Chromosoms 6p21.3 vor. Dies führt zum Austausch von Cystein zu Tyrosin (C282Y). Eine weitere, jedoch nicht so häufige HFE-Variante ist ein Austausch von His-tidin zu Asparagin an Position 63 (H63D). HFE kodiert für ein ubiquitär exprimiertes MHC-Klasse-I-ähnliches Glykoprotein. Die zuvor erwähnten Mutationen inhibieren die Bindung von β2-Mikroglobulin und die Expression von HFE auf der Zelloberfläche,

P Die Hämochromatose ist seit über 150 Jahren klinisch bekannt, allerdings wurden wesentliche molekulare Mechanismen erst in den letzten zwei Dekaden entdeckt.

Tab. 1

P Die Hämochromatose ist die häufigste monogene Erberkrankung mit allerdings sehr niedriger klinischer Penetranz von ca. 10%.

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während jedoch die genaue molekulare Funktion noch unbekannt ist (s. auch Abb. 2). Die große phänotypische Variabilität und die mit 10–20% relativ geringe klinische Pene-tranz deuten auf den Einfluss weiterer modulierender Gene und Umweltfaktoren hin.

Klinik

Die zunehmende Eisenüberladung ist ein sehr langsamer Prozess. Erst nach Jahrzehn-ten, meist im Alter von 40–60 Jahren, treten Leberzirrhose, Diabetes mellitus oder Kar-diomyopathien auf (Tab. 2). Seit Einführung der genetischen Testung im Jahr 1996 [5] werden Spätstadien des Krankheitsbildes immer seltener beobachtet. In früheren Ar-beiten sind die häufigsten Symptome eher unspezifisch, wie z. B. allgemeine Schwäche, Lethargie, Abdominalbeschwerden, Arthralgien sowie Potenzverlust bei Männern [8]. Zu den häufigsten klinischen Untersuchungsbefunden gehören Hepato- oder Spleno-megalie, Hautpigmentierung und Haarverlust. Obwohl noch keine aktuellen Daten vorliegen, kann doch davon ausgegangen werden, dass die neuen nicht-invasiven Verfahren wie die transiente Elastografie die Früherkennung der sehr häufigen Leber-manifestation bei der Hämochromatose deutlich verbessern werden. Die Entwicklung der klinischen Symptome ist altersabhängig. Dabei gehören Herzschäden und die Beteiligung der endokrinen Drüsen eher zu den frühen Manifestationen im Alter von 10–20 Jahren, während Leberschäden erst nach über 40 Jahren beobachtet werden [9]. Das Verhältnis von erkrankten Männern zu erkrankten Frauen beträgt etwa 10:7. Klassi-sche Arbeiten noch vor Einführung der genetischen Testung konnten zeigen, dass vor allem die Leberzirrhose und danach auch die Herzmanifestation das Überleben der Patienten bestimmt. Haupttodesursachen waren in dieser klassischen Studie das hepato-zelluläre Karzinom (HCC), Leber- und Herzversagen sowie die Entwicklung eines Dia-betes mellitus [8].

Klinische Symptomatik bei Hämochromatose

Symptome

– Schwächegefühl, Lethargie– Abdominalbeschwerden– Arthralgie– Potenzverlust– Amenorrhö– Belastungsdyspnoe– Neurologische Symptome

Befunde

– Hepatomegalie– Pigmentierung der Haut– Haarverlust– Splenomegalie/Milzvergrößerung– Periphere Ödeme– Ikterus– Aszites

Weitere Befunde

– Auffälligkeiten im Elektrokardiogramm– Ösophagusvarizen

Pathophysiologie

Genetische Daten aus Tier- und Humanstudien zeigen, dass ein relativ niedriger Hepci-dinspiegel das charakteristischste Merkmal der Hämochromatose ist [10]. Hepcidin ist ein Peptid aus 25 Aminosäuren, welches in der Leber gebildet wird. Es gehört zur evo-lutiv hochkonservierten Defensinfamilie und war ursprünglich im Urin entdeckt wor-den und durch seine bakteriziden Eigenschaften aufgefallen [11, 12]. Hepcidin konnte

P Lebermanifestation, Diabetes mellitus und Kardiomyopathie bestimmen die Prognose der HH, die klinische Symptomatik ist eher unspezifisch.

Tab. 2

P Häufigste Ursache der HH ist die C282Y-Mutation im HFE-Gen, welche über reduzierte Spiegel des Eisenhor-mons Hepcidin zu einer erhöhten duodenalen Eisenresorption führt.

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inzwischen als wichtigster systemischer Eisenregulator charakterisiert werden, der die Serum-Eisenspiegel rasch und hocheffizient senkt (Abb. 1). Hepcidin steuert die intes-tinale Eisenresorption (1–2 mg/Tag) über das proximale Duodenum sowie die Freiset-zung von Eisen aus Makrophagen. Diese Steuerung erfolgt durch Bindung an den bis heute einzig bekannten Eisenexporter Ferroportin und dessen Phosphorylierung, In-ternalisierung und anschließenden Abbau im Lysosom [13]. Niedrige Hepcidinspiegel führen demnach zur vermehrten Ferroportinexpression, was eine erhöhte Eisenauf-nahme aus der Nahrung bzw. Eisenfreisetzung aus Makrophagen ins Blut zur Folge hat. Langfristig führen niedrige Hepcidinspiegel folglich zur Eisenüberladung. Daher wir-ken sich alle Mutationen in den Hämochromatosegenen HFE, HJV, TfR2, FPN oder Hep-cidin selbst direkt aus und führen über eine Hepcidinsuppression zur Eisenüberladung (Tab. 3). Zudem integriert Hepcidin mehrere Informationen, die ebenfalls noch nicht alle verstanden sind. Neben den Serum-Eisenspiegeln spielen Entzündung, Hypoxie und Erythropoese eine wichtige Rolle.

Systemische Eisenregulation beim Menschen Über die Nahrung aufgenommenes Eisen wird im Duodenum resorbiert und an Transferrin gebunden. Dieser Komplex wird dann zum Knochenmark transportiert und das Eisen kann dort zur Erythropoese genutzt werden. Gealterte Erythrozyten werden von Makrophagen phagozytiert und das Eisen kann anschließend für die Häm-Synthese wieder verwertet werden. Überschüssiges Eisen wird in Form von Ferritin in der Leber gespeichert. Generell wird die Eisenhomöostase durch das Peptidhormon Hepcidin und dessen Bindung an den Eisenexporter Ferroportin (FPN) kontrolliert. Rot markierte Pfeile veranschaulichen die vermehrte FPN-Expression und den Eisentransport durch die HFE-Mutation.

Erythrozyt (2 g)

Knochenmark

Erythropoese Erythro-phagozytose

Makrophage

DuodenumEisen im Blut

Transferrin (3 mg)

FPN

FPN

HFE-Mutation

Hepcidin

Eisenresorption (1–2 mg)Verlust von Eisen (1–2 mg)

Eisenspeicherungz. B. Ferritin

> 90%

120 Tage

Leber (1 g)

Typen der Hämochromatose

Typ Chromosom Gen Vererbung Resultierender Phänotyp Vorkommen

1 6 HFE autosomal-rezessiv

parenchymale Eisenüberladung, Lebererkrankung, Arthralgie

keltische Vorfahren

2A 1 Hämojuvelin (HJV) autosomal-rezessiv

schwere parenchymale Eisenüberladung, Herzerkrankung, Leberzirrhose, endokrine Erkrankung, Diabetes, Arthralgie

jugendlich

2B 19 Hepcidin (HAMP) autosomal-rezessiv

s. 2A jugendlich

3 7 Transferrinrezeptor 2 (TfR2)

autosomal-rezessiv

parenchymale Eisenüberladung, Lebererkrankung

Italien

4 3 SLC40A1/Ferroportin (FPN)

autosomal-dominant

parenchymale und retikulo-endotheliale Eisenüberladung

Italien

neonatal unklar unklar unklar Hepatitis mit Cholestase sehr selten

andere unklar unklar unklar nicht keltisch

Abb. 1

Tab. 3

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Die genauen Mechanismen, warum die HFE-Mutationen C282Y und H63D zur Hepcidin-suppression führen, sind allerdings bis heute noch nicht vollständig verstanden. HFE ist normalerweise mit dem Transferrinrezeptor 1 (TfR1) assoziiert, dissoziiert jedoch un-ter Bindung von im Blut zirkulierendem Holo-Transferrin an TfR1 vom Komplex ab, da Transferrin eine höhere Affinität zu TfR1 hat und sich die Bindungsstellen für beide Moleküle überlappen [14]. HFE kann dann mit TfR2 interagieren, jedoch mit einer sehr geringen Affinität [15], was letztendlich zur Einleitung der Hepcidintranskription führt. Dieser Komplex wird vermutlich durch den BMP-Korezeptor Hämojuvelin (HJV) weiter reguliert, die Dynamik dieser Interaktion ist allerdings noch nicht geklärt.

Es wurde jedoch gezeigt, dass durch den Verlust von endogenem HJV die HFE-vermit-telte Hepcidinexpression wegfällt, was auf eine beiderseitige Abhängigkeit hindeutet [16]. HJV ist ebenfalls an der Signalweiterleitung beteiligt, die durch die Bindung von Liganden an den BMP-Rezeptor (z. B. BMP6) eingeleitet wird. Nach Bindung wird durch die Kinaseaktivität von BMP-Rezeptor Typ II (BMPRII, ActRIIa,ActRIIb) der Rezeptor Typ I (Alk2 und/oder Alk3) phosphoryliert. Durch diese Interaktion werden wiederum intra-zelluläre SMAD-Proteine (SMAD1/5/8) phosphoryliert, die dann zusammen mit SMAD4 den aktivierten Komplex bilden, der im Zellkern die Expression von Hepcidin reguliert. 2014 wurde ein neuer Mechanismus beschrieben, bei dem HFE an Alk3 bindet, was seine Ubiquitinierung und proteosomale Degradation verhindert. Als Ergebnis wird Alk3 auf der Zelloberfläche verstärkt exprimiert. Die Mutationen im HFE-Gen sollen hier zu einer verminderten Alk3-Phosphorylierung führen und damit letztendlich zu einer verrin-gerten Hepcidinexpression (Abb. 2). Der BMP/SMAD-Signalweg stellt sich demnach als zentraler Regulationsmechanismus der Hepcidinexpression in Hepatozyten dar. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass weiterführende Forschungsergebnisse zum Pathomechanismus der HH mit Spannung erwartet werden, da sie unmittelba-ren Einfluss auf die klinische Praxis haben werden. Insbesondere eine robustere Hep-cidinanalyse wird die Diagnostik der HH erheblich verbessern.

Aktuelle molekulare Mechanismen der HFE-vermittelten Eisenüberladung HFE (rot markiert) bindet an BMP-Rezeptor Typ I (Alk3), um dessen Ubiquitinierung und proteosomalen Abbau zu verhindern. Daraus resultiert eine vermehrte Expression von Alk3 auf der Zelloberfläche, eine darauffolgende Aktivierung des BMP/SMAD-Signalwegs und eine vermehrte Hepcidinexpression. Dieser Prozess ist bei HH-Patienten gestört und führt zu einer reduzierten Hepcidinexpression und einem reduzierten Level im Serum (verändert von Wu et al., Blood. 2014).

Smur

f1

iSMADs(SMAD6 & 7)

Hepatozyt

Zellkern

Hepcidin-mRNA

Hepcidin

Holo-Tf

Holo-Tf

TfR2 TfR1HFE

BMP6

Ubiquitin

P

?

I II

Alk2/Alk3

HJVBMP-Rezeptor

SMAD1/5/8

SMAD4

P

?

HAMP

Abb. 2

6

Diagnostik und Aufklärungsstrategie

Ein erster Hinweis für das Vorliegen einer Hämochromatose ist heute in der Regel ein erhöhter Ferritinspiegel im Routinelabor und nicht die später auftretenden klinischen Symptome (s. Tab. 1). Fortgeschrittene, HH-bedingte Leberzirrhosen oder ein HH-be-dingter Leberkrebs werden heute nur noch selten beobachtet. Das oft in der Praxis bestimmte Serumeisen hat aufgrund von ausgeprägten zirkadianen Schwankungen und seiner Nahrungsabhängigkeit keinen Stellenwert bei der Diagnose einer Eisen-überladung. Liegt Ferritin über 200 ng/ml bei der Frau und über 300 ng/ml beim Mann, sollte zusätzlich die Transferrinsättigung bestimmt werden. Bei Werten über 45% beim nüchternen Patienten muss eine Hämochromatose abgeklärt werden. Dabei sollte innerhalb des klinischen Kontextes sorgsam auch die Differenzialdiagnose einer Hyperferritinämie erwogen werden (Abb.3). Ferritin kann bei häufigen anderen Krankheitskomplexen, wie Entzündungen, Tumorerkrankungen bzw. den nicht seltenen sekundären Eisenüberladungen bei hämatologischen Erkrankungen deutlich erhöht sein. Bei der Beurteilung des Serumferritins sollten daher immer auch zusätzlich die Transaminasen, die LDH, die Entzündungsparameter (CRP, Leukozyten) und das Blut-bild (Hb, MCV) angeschaut werden. Ebenfalls sehr wichtig für die Praxis ist die immer noch zu selten erkannte alkoholische Lebererkrankung (ALE). Es wird im Alltag oft verkannt, dass die Ferritinspiegel bei der ALE in ca. 15% über 1000 ng/ml liegen können, vermehrt natürlich bei Patienten mit manifester Leberzirrhose [17]. Patienten mit chro-nischem Alkoholkonsum und erhöhten Ferritinspiegeln sollten daher zu einer Absti-nenz von 4 Wochen ermutigt und Ferritin dann im Verlauf erneut bestimmt werden. Irrtümlicherweise wird häufig eine erhöhte Transferrinsättigung als beweisend für eine HH angesehen, aber dieser Befund tritt ebenfalls bei der viel häufigeren ALE auf.

Neben der in der Praxis immer wieder wichtigen Differenzialdiagnose der Hyperferriti n-ämie ist es genauso relevant zu klären, ob überhaupt und wenn ja, welche Form der hepatischen Eisenüberladung vorliegt (Abb. 4). Bei hohen Ferritinwerten ist daher im-mer auch eine Leberbeteiligung zu fordern, die z. B. durch erhöhte Transaminasen oder Lebersteifigkeit dokumentiert wird. Die Leber ist die häufigste Organmanifestati-on, allerdings in aller Regel symptomfrei. Erst bei höheren Eisenüberladungen, z. B. einem Ferritin > 800 ng/ml, kommt es zu einem Anstieg der Transaminasen, wobei die GPT führt. Auch wenn die Leitlinien aus Europa und den USA [18, 19] diese noch nicht erwähnen, sind die neuen elastografischen nicht-invasiven Verfahren zur Fibrosedia-gnostik wie Fibroscan oder ARFI sehr hilfreich, weil sie mit hoher Genauigkeit eine Fi-brosierung ausschließen bzw. eine Lebermanifestation sehr empfindlich nachweisen können [20]. Auch wenn hier noch Studien fehlen, so ist sicher zur erwarten, dass eine

P Die HH wird heute primär über erhöhte Ferritinspiegel sowie eine erhöhte Transferrinsättigung und weniger über typische klinische Befunde diagnostiziert. Daher ist die Differenzial-diagnose der Hyperferritinämie wichtig.

Abb. 3

P Eine frühe Lebermanifestation sollte durch erhöhte Leberwerte oder eine erhöhte Lebersteifigkeit mittels transienter Elastografie erfasst werden.

Differenzialdiagnose einer Hyperferritinämie

Normale Transferrinsättigung

Transaminasen, CRP, Transferrinsättigung, Blutbild

Hyperferritinämie

HHCSAcoeruloplasminämie

GenetischeHämochromatosen

Hyperferritinämie mit oderohne Eisenüberladung

Hyperferritinämie mit zusätzlichenpathologischen Laborbefunden

Sonstige Mutationen:HAMP, HJV, TfR2, FPN

KeineEisenüberladung

EisenüberladungKein Coeruloplasmin

HFE-Mutation(ca. 95% der Fälle)

TransferrinsättigungGgf. Eisenüberladung

Tumor

Entzündung Sek. Eisenüberladung

ALE

7

erhöhte Lebersteifigkeit einer der frühen Parameter bei einer HH ist und die Elastografie daher unverzichtbarer Bestandteil des Screenings, aber auch der Nachsorge sein sollte.

Differenzialdiagnose der hepatischen Eisenüberladung

Hepatische Eisenüberladung

Anämien

Eisensupplementation

HFE

Nicht-HFE

Sonstige

C282Y/C282YC282Y/H63D

Acoerulo-plasminämie

HJVTfR2FPN

Hepcidin

Thalassaemia majorSideroblastische Anämie

Chronisch hämolytische AnämieAplastische Anämie

PyruvatkinasemangelPyridoxin-abhängige Anämie

Leber-erkrankungen

ALENAFLHCVHBV

Portokavaler Shunt

Primär Sekundär

Liegen Hinweise für eine HH vor, wie erhöhte Eisenparameter und eine Leberbeteili-gung mit erhöhten Transaminasen oder erhöhter Lebersteifigkeit, sollte eine Genoty-pisierung erfolgen. Bei deutlich erhöhtem Ferritin (> 1000 ng/ml), Leberbeteiligung oder anderer HH-typischer Klinik, wie z. B. Arthralgie, gilt ein positiver Nachweis einer homozygoten C282Y-Mutation als Diagnosesicherung und eine weitere histologische Abklärung kann dem Patienten erspart werden. Eine zusätzliche HFE-Genotypisierung sollte in jedem Falle bei bekanntem Vorliegen von Porphyria cutanea tarda, Chondrocalinose, primärem HCC, Diabetes mellitus Typ 1 (nicht Typ 2) und bekannter Kardiomyopathie durchgeführt werden. Bei einer C282Y/H63D-Mutation oder negativem Ergebnis muss eventuell auch eine seltenere Mutation, wie z. B. im Gen von Hämojuvelin, Hepcidin, Transferrinrezeptor 2 oder Fer-roportin, erwogen werden (s. Tab. 3). In diesem Fall sollte eine Leberbiopsie angestrebt werden, um die Menge und Lokalisation des Lebereisens zu bestimmen und ggf. andere Komorbiditäten auszuschließen. Abbildung 5 zeigt schematisch den jetzt in Heidelberg eingesetzten Algorithmus zur Abklärung einer Hämochromatose, auch unter Einbe-ziehung der neuen elastografischen Verfahren. Da gegenwärtig noch keine robusten Tests für Hepcidin auf dem Markt sind, spielen die Hepcidinspiegel derzeit noch keine größere Rolle bei der Diagnostik der HH. Hier sind allerdings baldige Verbesserungen absehbar.

Aktueller Algorithmus zur Abklärung einer Hämochromatose

EisenparameterTransferrinsättigung > 45%Ferritin > 300 ng/ml

GenanalyseC282Y, H63D, S65C

LeberbiopsieQuantitative Eisenbestimmung mg/g Trockengewicht > 2

Lebereisenindex (Lebereisen [μmol/g]/Alter) > 1,9

Nicht-invasive Eisenbestimmung?

Leberwerte

Lebersteifigkeit

GPT > GOT

> 6 kPa

Suszeptometrie, MRT, SQUID

Klinik und Anamnese

Arthralgie, Diabetes, Alkohol etc.

Abb. 4

P Bei HH-typischer Klinik gilt ein positiver Nachweis einer homozygoten C282Y-Mutation als Diagnosesicherung und eine weitere invasive Abklärung kann dem Patienten erspart werden.

Abb. 5

8

Differenzialdiagnosen

Die Differenzialdiagnose der Hyperferritinämie ist auch deswegen wichtig, weil ein-zelnen Patienten vermeidbare weitere diagnostische Maßnahmen und Verunsiche-rungen erspart werden können. So ist das in Abbildung 3 rechts gezeigte hereditäre Hyperferritinämie-Katarakt-Syndrom (HHCS) zwar sehr selten, aber inzwischen auch für Deutschland beschrieben und nimmt zu. Diese Patienten haben, durch eine spezi-fische Mutation bedingt, erhöhte Ferritinspiegel, ohne dass eine Eisenüberladung vor-liegt. Typisch sind bei dieser Störung die über Jahre konstant erhöhten Ferritinspiegel von deutlich über 1000 ng/ml, ggf. eine Katarakt und ansonsten völlig normale Labor-werte ohne Leberbeteiligung [21]. Liegt also eine solche Konstellation vor, sollte dem Patienten die unnötige Leberbiopsie in jedem Fall erspart werden.

Wie bereits oben erwähnt, gehört zu den häufigsten differenzialdiagnostischen Erwä-gungen die alkoholische Lebererkrankung. Etwa 5% der deutschen Bevölkerung zei-gen ein riskantes Trinkverhalten mit über 60 g Alkohol pro Tag und dies ist daher nicht zu unterschätzen und im Alltag wahrscheinlich sogar die häufigste Ursache für patho-logische Eisenparameter. Bei etwa der Hälfte der schweren Trinker sind die Eisenpara-meter erhöht und können deswegen sehr leicht mit einer HH verwechselt werden. Zur klaren diagnostischen Abgrenzung der ALE sei auf aktuelle Übersichten verwiesen [22]. Nach unserer Erfahrung ist hier eine Alkoholkarenz von 4 Wochen ausreichend. Sollten erhöhte Ferritinwerte und Transferrinsättigung durch den Alkohol bedingt sein, so werden sich diese in der Phase der Abstinenz normalisieren und zurückbilden. Ebenfalls wichtig sind die sekundären Eisenüberladungen, insbesondere des häma-topoetischen Systems, weswegen hier, wie oben erwähnt, ein differenzierter Blick auf das Blutbild erforderlich ist.

Neue Entwicklungen der Eisenbestimmung und molekularen Diagnostik

Nicht nur bei der adulten HH ist die Leber das Organ mit der frühesten und stärksten Eisenüberladung. Die nicht-invasive Quantifizierung des Lebereisens ist daher eine der bisher noch nicht zufriedenstellend gelösten Aufgaben (Abb. 6). Serumparameter sind, wie oben bereits ausgeführt, nicht spezifisch genug und es wird daher immer noch weltweit nach einer einfachen, nicht-invasiven Methode zur Bestimmung des Leber-eisens gesucht. Obwohl sich mittelfristig sicherlich z. B. die Bestimmung der Hepcidin-spiegel als wichtiges Kriterium etablieren wird, fehlen bisher noch anerkannte und validierte ELISA-Tests für die klinische Routine. Das Serumferritin ist insbesondere dann ausreichend, wenn die Diagnose der HH gesichert ist und es um Verlaufskontrollen z. B. bei Aderlasstherapie geht. Beim Nachweis des erhöhten Lebereisens gilt die Leberbi-opsie immer noch als Goldstandard. Anhand der Biopsie können die zelluläre Lokalisa-tion der Eisenüberladung, z. B. in Makrophagen oder Hepatozyten, bzw. die Zonierung sowie andere Komorbiditäten wie ALE erkannt werden. Eine Limitation der Biopsie ist die Invasivität mit einem nicht zu unterschätzenden Prozentsatz von Nebenwirkungen und dem sogenannten Sampling-Error von bis zu 30% [20]. Dies betrifft ebenfalls die klassischerweise durchgeführte quantitative Eisenbestimmung im Analyselabor, die z. B. in mg/g Trockengewicht (normal < 2 mg/g) oder als sogenannter Lebereisen-index (Lebereisen [μmol/g]/Alter, normal < 1,9) angegeben wird. Trotzdem darf nicht übersehen werden, dass auch hier Probenfehler bestehen und andere Einflussgrößen wie der Zirrhosegrad oder die Leberverfettung die Eisenquantifizierung verändern können.

P Die Differenzialdiagnose der Hyper-ferritinämie erfordert die Verlaufs-beurteilung des Ferritins, ggf. Alkohol-karenz sowie die Beurteilung von Routineparametern wie CRP, LDH, Blutbild und Leberwerten.

P Neue Verfahren wie die Raum-temperatur-Suszeptometrie werden in naher Zukunft die nicht-invasive Bestimmung des Lebereisens ermöglichen.

9

Aus diesem Grund sind schon seit Längerem andere nicht-invasive Untersuchungs-verfahren in der Erprobung und werden in naher Zukunft eine größere Rolle spielen. Bei den bildgebenden Verfahren kann hier insbesondere die Magnetresonanztomo-grafie (MRT) eine gewisse Bedeutung erlangen. In hochspezialisierten Zentren ist schon heute eine zuverlässige Bestimmung für ausgewählte Krankheiten, z. B. Thalass-ämien, möglich. Allerdings muss das MRT gut kalibriert und mit der adäquaten Soft-ware versehen sein, um die entsprechenden Eisenparameter exakt zu messen. Außer-dem haben Aufwand und Kosten bisher nicht zu einer flächendeckenden Verfügbarkeit verholfen. Ebenfalls müssen mit dem MRT auch in Zukunft noch besondere Interfe-renzen, wie z. B. Entzündung und Verfettung, abgeklärt werden. Andere 3D-Verfahren wie die Dual-Energy-Computertomografie scheinen nicht empfindlich genug zu sein.

Darüber hinaus wird intensiv an der Entwicklung der sogenannten Suszeptometrie gearbeitet. Ein Prototyp dieses Verfahrens ist das schon seit über 40 Jahren im Einsatz befindliche SQUID-Magnetometer [23]. Durch Helium-gekühlte Spulen werden hier-bei Quanteneffekte ausgenutzt, um den Eisengehalt hochsensitiv zu bestimmen. Auf-grund der hohen Kosten sind weltweit aber seit Jahren nur 4 Geräte im Einsatz. Neue hoffnungsvolle Ansätze bietet hier die Raumtemperatur-Suszeptometrie. Erste Unter-suchungen mit einem Prototyp an über 250 Patienten in Heidelberg sind vielverspre-chend. Sie zeigen, dass das Lebereisen bei einem unselektierten heterogenen Krank-heitsgut in über 80% sauber bestimmt werden kann [24]. Bei schlanken Patienten ist die Messung in jedem Fall möglich. Einschränkungen bestehen vor allem bei adipö-sen Patienten mit ausgeprägtem subkutanem Fettgewebe.

Therapie

Primäres Therapieziel bei der HH ist die Entfernung des überschüssigen Eisens. Gold-standard ist die Aderlasstherapie [25]. Initial wird alle 2–4 Wochen 500 ml Blut, das etwa 200–250 mg an Hämoglobin gebundenes Eisen enthält, entnommen. Dies führt über eine stimulierte Erythropoese zur Entleerung der Eisenspeicher. Um das Eisen in der Leber zu senken, sind in der Regel mehrere Monate, in manchen Fällen 1–2 Jahre notwendig. In der Praxis hat sich Ferritin als Verlaufsparameter bewährt, welches auf 50 ng/ml gesenkt werden sollte. Probleme bei der Ferritininterpretation wurden oben erwähnt. Nach Erreichen dieses Zielwerts sind Aderlasstherapien nur noch alle 3–6 Monate erforderlich. Bei älteren Menschen kann die Aderlass-bedingte Anämie limitierend sein und eine solche Therapie ist daher bei Herzinsuffizienz kontraindiziert. In diesem Fall kann auf Chelatoren, z. B. mit Deferoxamin 20–60 mg/kg KG i.v. oder Deferasirox per os (initial 20 mg/kg KG), zurückgegriffen werden. Mit Chelatoren können ca. 250 mg Eisen pro Monat entfernt werden. Bezüglich Supportivtherapien müssen bei Patienten mit HH einige Aspekte berücksichtig werden. Zusätzliche Vitamin-C-Gaben sind praktisch kontraindiziert und können z. B. zum Herztod führen. Protonen-pumpenhemmer oder das Trinken von Tee reduzieren die Eisenresorption, sind also daher unproblematisch bzw. können sogar die Aderlasstherapie unterstützen.

RTS = Raumtemperatur-Suszeptometrie

Verfahren zur Bestimmung des Lebereisens

Invasiv Nicht-invasiv

Biopsie Serum

FerritinTransferrinsättigung

SerumeisenSoluble Transferrin

Hepcidin

Suszeptometrie

SQUIDRTS

Bildgebende Verfahren

MRTDual-Energy-CT

Abb. 6

P Primäre Therapie der HH ist die Aderlasstherapie, wobei Vitamin C bei frisch diagnostizierter HH kontraindiziert ist.

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Prognose, Lebertransplantation und Familienscreening

Für die Aderlasstherapie konnte eine klare Verbesserung des 5- und 10-Jahres-Über-lebens nachgewiesen werden. Beispielsweise lag das 5-Jahres-Überleben bei 93% im Vergleich zu 48% in der Kontrollgruppe [26]. Eine Verbesserung der Fibrose zeigte sich bei 15–50% der Patienten, eine Rückbildung z. B. von Ösophagusvarizen, war allerdings selten zu beobachten. Abdomen- und Hautsymptome sowie allgemeine Müdigkeit sprechen besser an als Arthralgien, Impotenz und kardiale Symptome [27]. Die Leber-transplantationsdaten zeigen im Vergleich zu anderen Populationen ein doch deutlich geringeres 1-Jahres- und 5-Jahres-Überleben von 64 und 34% [28]. Es bleibt spekulativ, ob diese Daten auf die systemische Eisenüberladung zurückzuführen sind oder sich durch die historischen Daten mit früher insuffizienter Eisendepletion vor der Trans-plantation erklären lassen. Bei Diagnose einer HH sollten die unmittelbaren Familien-mitglieder getestet werden, vor allem Kinder und Geschwister. Wie weiter oben aus-geführt, ist ein generelles Bevölkerungsscreening aufgrund der niedrigen Penetranz der HFE-Mutation nicht indiziert.

Zusammenfassend ist die Hämochromatose die häufigste monogene Erberkrankung des Menschen. Über 90% der Fälle in Deutschland sind durch das HFE-Gen C282Y homozygot bedingt. Ursache der meisten, einschließlich der HFE-bedingten Hämo-chromatosen sind unzureichende Serumspiegel des Eisenhormons Hepcidin. Die kli-nische Penetranz ist mit unter 10% deutlich geringer, weswegen ein allgemeines Neu-geborenenscreening nicht durchgeführt wird. Aktuell sind erhöhte Eisenparameter wie Ferritin und Transferrinsättigung, die genetische Testung und eine gesicherte Leber-beteiligung mittels Elastografie und Transaminasen die Eckpunkte der Diagnostik. Nicht-invasive Verfahren zur Bestimmung eines erhöhten Lebereisens wie Magnet-resonanztomografie oder die Suszeptometrie sowie die direkte Bestimmung von Hepcidin im Serum werden in naher Zukunft mehr Bedeutung erlangen. Eine Leber-biopsie sollte zum Ausschluss von Komorbiditäten und zur Bestätigung des Eisen-gehalts, insbesondere bei Ferritinspiegeln über 1000 ng/ml und gesicherter Leber-beteiligung, erwogen werden. Ein genetisches Screening sollte nur bei positiver Familienanamnese durchgeführt werden. Die Aderlasstherapie stellt für die meisten Patienten die Therapie der Wahl dar und garantiert eine normale Lebenserwartung bei rechtzeitigem Beginn. Alternativen, insbesondere bei juvenilen Hämochromato-sen oder transfusionsbedingten sekundären Siderosen, sind Eisenchelatoren.

Glossar

ALE alkoholische LebererkrankungALK (engl.) activin-like kinaseARFI (engl.) acoustic radiation force impulseBMP (engl.) bone morphogenetic proteinCRP C-reaktives ProteinCT ComputertomografieELISA (engl.) enzyme-linked immunosorbent assayFPN FerroportinGOT Glutamat-Oxalacetat-TransaminaseGPT Glutamat-Pyruvat-TransaminaseHAMP (engl.) hepcidin antimicrobial peptideHb HämoglobinHBV Hepatitis-B-VirusHCV Hepatitis-C-VirusHFE (engl.) High Iron FeHH Hereditäre HämochromatoseHHCS Hereditäres Hyperferritinämie-Katarakt-SyndromHJV HämojuvelinKG KörpergewichtLDH Laktat-DehydrogenaseMCV (engl.) mean corpuscular/cell volumeMHC (engl.) major histocompatibility complexMRT Magnetresonanztomografie

P Bei rechtzeitiger Diagnose und Therapie haben Patienten mit HH eine normale Lebenserwartung. Ein generel-les Bevölkerungsscreening ist aufgrund der niedrigen klinischen Penetranz der HFE-Mutation nicht indiziert.

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SMAD (engl.) contraction of Sma and Mad (mothers against decapentaplegic)Smurf1 (engl.) SMAD-specific E3 ubiquitin protein ligase 1SQUID (engl.) superconducting quantum interference deviceTfR1 Transferrinrezeptor 1TfR2 Transferrinrezeptor 2

Ein Interessenkonflikt besteht nicht.

Zu empfehlende Literatur

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Literatur

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Leber und Gallenwege

Fragen zur Hämochromatose

Frage 1:Was sind die häufigsten Symptome von Hämochromatose-Patienten?

EE Allgemeine Schwäche, Lethargie und Abdominalbeschwerden EE Starker Durst und HeißhungerEE FlankenschmerzenEE SehstörungenEE Keine der obigen Antworten ist richtig

Frage 2:Welches ist die häufigste Mutation bei Hämochromatose in Deutschland?

EE Ein Austausch von Histidin zu Asparagin an der Position 63 (H63D)EE Ein Austausch von Cystein zu Tyrosin an der Position 282 (C282Y)EE Eine kombinierte Mutation (C282Y/H63D)EE Eine Mutation im HJV-GenEE Eine Mutation im Hepcidin-Gen

Frage 3:Welche Medikamente sind bei Patienten mit Hämochromatose kontraindiziert?

EE BetablockerEE Vitamin CEE EisenchelatorenEE Vitamin B6

EE Protonenpumpenhemmer

Frage 4:Welche klinischen Befunde können bei Patienten mit Hämochromatose vorliegen?

EE PruritusEE AlopezieEE LungenrestriktionEE Unklare ArthritisEE Hautlipome

Frage 5:Welche neuen nicht-invasiven Verfahren eignen sich zur Früherkennung von Lebermanifestationen bei Hämochromatose?

EE GenotypisierungEE MRTEE Transiente Elastografie (Fibroscan)EE Dual-Energy-CTEE Keine der obigen Antworten ist richtig

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Leber und Gallenwege

Frage 6:Welche Antwort ist richtig? Für das erste Screening einer hereditären Hämochromatose eignet sich die Bestimmung von

EE TransferrinEE SerumeisenEE TransaminasenEE RoutinelaborEE Ferritin und Transferrinsättigung

Frage 7:Was ist der zugrunde liegende Mechanismus der Eisenüberladung bei Hämochromatose?

EE TransferrinmangelEE Erhöhte HepcidinspiegelEE Eine erhöhte duodenale Eisenresorption durch reduzierte HepcidinspiegelEE Erniedrigte FerroportinexpressionEE Mutationen in Ferritin

Frage 8:Welche zusätzlichen Parameter neben den Eisenparametern spielen Ihrer Meinung nach bei der Differenzialdiagnose einer Hämochromatose keine Rolle?

EE Entzündungsparameter (z. B. CRP)EE BlutgerinnungsparameterEE Blutbild (Hb, MCV)EE TransaminasenEE LDH als möglicher Indikator einer Hämolyse

Frage 9:Bei welcher Krankheit ist eine hepatische Eisenüberladung eher unwahrscheinlich?

EE AceruloplasminämieEE LeberzirrhoseEE ThalassämieEE Alkoholische LebererkrankungEE Glomerulonephritis

Frage 10:Welche Antwort ist richtig? Eine Hyperferritinämie findet sich nicht bei

EE AceruloplasminämieEE Autoimmuner HepatitisEE Hyperferritinämie-Katarakt-Syndrom EE BlutungsanämieEE Pneumonie