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Matthias Brunke
EinleitungDie Sohle naturnaher Bche und Flsse istnicht eben, sondern durch Vertiefungen undErhhungen gekennzeichnet. Grere Vertie-fungen werden als Kolke und grere Erh-hungen als Furte bezeichnet. Zumeist tretendiese Erscheinungen in einer Abfolge auf, sodass von Furt-Kolk Sequenzen gesprochenwird (CHURCH 1992, Abbildung 1 und 2). DieseSequenzen sind morphologische Formen, diedas Lngsprofil naturnaher sand- und kiesge-prgter Fliegewsser charakterisieren.
Diese Formen wurden an vielen Fliegews-sern durch zurckliegende Ausbau- und Unter-haltungsarbeiten entfernt (Abbildung 3). VieleGewsser reagierten darauf mit einem nahezukontinuierlichen Feinsedimenttransport und, jenach Geflle und berbreite des Profils, ent-weder mit einer fortschreitenden Tiefenerosi-on oder mit Sandablagerungen auf der ausge-bauten Sohle (BROOKES 1987). In der Folgeverloren solche Gewsser ihre Habitatfunktio-nen fr Fische und wirbellose Tiere, so dassdie heutige degradierte Morphologie zumeisturschlich fr den bedauerlichen kologischenZustand der Gewsser ist.
Furten sind natrlicherweise der Laichplatzfr kieslaichende Fischarten, wie z.B. der Fo-relle und dem Schnpel. Das Fehlen dieserStrukturen verhindert die natrliche Existenzdieser Charakterarten der Fliegewsser inSchleswig-Holstein. Daher wurden mitunterKieslaichpltze fr lachsartige Fische im Rah-men von Restaurationsmanahmen angelegt.Die Funktion der angelegten Laichpltze warnur von kurzer Dauer, wenn sie schnell mitFeinsedimenten verstopften (IVERSEN et al.1993, BRUNKE 1999, MADSEN & TENT 2000, GER-KEN 2006).
Eine Neuanlage der verloren gegangenen For-men ist zweckmig, wenn geomorphologi-sche Kriterien bercksichtigt werden undwenn diese Formen mehrere kologischeFunktionen erfllen knnen.
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Furte und Kolke in Fliegewssern: Morphologie,Habitatfunktion und Manahmenplanung
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Abbildung 1: Die
unruhige Wasser-
oberflche ber
Furten weist auf
die hier turbulente-
ren Strmungsbe-
dingungen hin, da-
gegen ist die
Wasseroberflche
bei Kolken glatt.
Abbildung 2:
Schematische Dar-
stellung einer Furt-
Kolk Sequenz im
Querschnitt (oben)
und in der Aufsicht
(unten). Grau: Kol-
ke; Schraffiert: Ge-
fllestrecken der
Furte.
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Entstehung von Furt-Kolk SequenzenFurten setzen sich aus abgelagertem kiesig-steinigem Material zusammen, das durch denSedimenttransport verfrachtet wurde. ImLngsprofil stellen Furten kurze Teilstreckenmit erhabenen Stein- und Kieslagern dar, dieflache Passagen mit erhhtem Lngsgeflleausbilden und durch schnelles, turbulentesFlieen charakterisiert sind. Hydraulisch erh-hen sie die Rauheit der Sohle, da das Grobma-terial ein erosionsresistentes Sohlendeckwerkausbildet. Furten bilden sich aus dem grobenKorn einer oberstrom gelegenen, lokalen Tiefe-nerosion, die an dieser Stelle einen Kolk ent-stehen lsst (SEAR et al. 2003). Furten sind da-her an Kolke assoziiert.
Bnke unterscheiden sich von Furten, dasie nicht durch die Ablagerungen des erodier-ten Grobkorns aus Kolken entstehen, sondernAblagerungen des gesamten Feststofftrans-ports darstellen (SCHERLE 1999). Bnke in Tief-landbchen bestehen so aus Sanden und ab-
gesetzten Schwebstoffen. Sie bilden sich z.B.als ortsfeste Seitenbnke direkt unterhalb vonGleithngen oder an strmungsberuhigtenUferbereichen. Bnke sind im Gegensatz zuFurten instabile Formen, die je nach Durch-flusssituation wieder in Suspension geratenoder sich als Geschiebe flussab bewegen.
Mitunter finden sich oberhalb von Furten auchlngere tiefere Strecken, die jedoch keine be-sondere morphologische Struktur aufweisen.Diese Formen werden im Englischen je nachGeflle und Strmung als `Glide oder `Runbezeichnet (BISSON 1982, Abbildung 4). SolcheFormen entstehen natrlicherweise wahr-scheinlich aus gefllten Kolken, und sie wr-den bei geringer Sedimentnachlieferung Kolkeausbilden. In hydromorphologisch beeintrch-tigten Bchen zeigen lngere Strecken mit Gli-des die Degradation an; in diesen Streckenohne Furten und Kolke ist die Tiefenvarianz so-wie Strmungs- und hufig auch Substratdi-versitt reduziert.
Abbildung 3: Ein begradigter und berbreiter Bachabschnitt in einem Buchenwald, bei dem anstelle von Furt-Kolk Sequenzen ausschlie-lich Rippel aus mobilem Sand die ebene Form der Sohle bestimmen.
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Abbildung 4: Eine Furt und die oberstrom gelegene Kolk/Glide-Struktur
Der Sedimenttransport findet in naturnahenAbschnitten von Kolk zu Kolk ber die dazwi-schen befindlichen Furten statt, die vergleichs-weise lagestabil sind. Die Einbindung grererSteine und Blcke erhht die Stabilitt der Fur-ten. Furten tragen so zumeist eher wenig zuder transportierten Sedimentfracht bei und siebleiben dann auch bei Hochwasser erhalten.Stabile Furten lassen sich an der dunklen ober-flchlichen Sedimentschicht erkennen, die einverfestigtes Gefge aufweist.
Furten knnen jedoch auch ber jngerenKiestransport entstehen. Solche aktiven, insta-bilen Furten verfgen ber neues und daherhelles Korn, das locker aufliegt. Solche Furtenhaben einen klar erkennbaren unterstrom ge-legenen Rand (Abbildung 5). Mit der Zeit kn-nen auch diese Furten sich verdichten und sorumlich fixieren, wenn sich die Mobilisierungvon Bettsedimenten und der Sedimenttrans-port von oberstrom reduziert (SEAR et al.2003).
Abbildung 5: Der klar erkennbare unterstrom gelegene Rand der Furt zeigt, dass diese noch aktiv ist.
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Lokale Tiefenerosionen, die Kolke entstehenlassen, knnen verschiedene Ursachen haben,so dass verschiedene Kolktypen unterschie-den werden knnen (BISSON et al. 1982):
(1) Krmmungskolk: Eine Krmmung im Lauferhht die Strmung in der Auenkurve, sodass am Prallufer eine Tiefenerosion statt-finden kann.
(2) Sturzkolk: Eine Querstruktur wie ein Wehroder ein schrg liegender Uferbaum fhrtzu einem Rckstau nach oberstrom und zueinem Absturz des Wassers nach unter-strom, wo sich dann ein Tosbecken ausbil-det.
(3) Engenkolk: Eine mitunter auch etwas ln-gere Einengung des Gerinnes durch z.B.eng beieinander stehende Uferbume fhrtzu einer mittigen Beschleunigung desDurchflusses, auf die das Gerinne erosivmit der Ausbildung einer wannenfrmigenTiefenrinne reagiert.
(4) Seitenkolk: Lokale Hindernisse wie z.B.abgelagertes Totholz und Blcke konzen-trieren die Strmung seitlich und fhren zukleineren Kolken.
(5) Kehrwasserkolk: Direkt unterhalb von Hin-dernissen am Ufer, z.B. einem grerenUferbaum kann sich eine Kreisstrmungentgegengesetzt zur Stromrichtung (Kehr-strmung) ausbilden, die eine seitlicheAusbuchtung in das Ufer erodiert (Abbil-dung 6).
(6) Unterstrmungskolk: Unterstrmte Wur-zeln und quer im Gerinne befindliche Tot-holzstrukturen knnen untersplt werden(Abbildung 7).
(7) Schnellenkolke: Auf geraden Strecken, indenen der Durchfluss mandriert, bildensich in sedimentfhrenden Bchen alternie-rende Bnke mit dazwischen gelagertenKolken aus.
Abbildung 6: Ein Kehrwasserkolk liegt seitlich der Strmung hinter einem exponierten Uferbaum (blau: Strmungsrichtung des Baches;rot: Kehrstrmung im Kolk).
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Abbildung 7: Ein Unterstr-mungskolk in ei-nem kleinen Bach.
Sobald sich Furt-Kolk Sequenzen in einem Ge-wsser gebildet haben, stabilisieren sich die-se Formen durch verschiedene hydromorpho-logische Mechanismen. (1) Die turbulente Strmung ber einer Furt
strukturiert die Furtsedimente zu einer gr-beren und dichter gepackten Deckschicht,die bei Hochwssern erosionsresistenterist.
(2) Die sich bei einem Hochwasser ausbilden-den hydraulischen Krfte sind am strkstenin den Kolken, so dass hier Sedimenttrans-portraten und Erosion am strksten sind.
(3) Der durch die Furt-Kolk Morphologie etab-lierte Sedimenttransport von Kolk zu Kolkfrdert den Erhalt von Furten, da hier dasgrbere Sediment abgelagert wird.
(4) Die durch die Furt-Kolk Morphologie ausge-bildete Sekundrstrmung behindert dieSedimentablagerung in den Randbereichender Kolke, so dass diese, wenn sie ent-standen sind, dazu tendieren, auch nichtwieder gefllt zu werden (SEAR et al. 2003).
Kolke selbst hingegen sind hinsichtlich ihrerTiefe und Sedimentzusammensetzung zeitli-chen Vernderungen unterworfen, da zu Nied-rig- und Mittelwasserphasen transportiertesFeinmaterial sich in den Kolken ablagern kann.Whrend eines kolkbildenden Hochwasserswerden diese Feinsedimente dann wieder he-rausgesplt.
MorphometrienDie morphometrische Charakterisierung (alsodie Ausmessung der ueren Form) von Furt-Kolk Sequenzen erfolgt im Lngsprofil entlangdes so genannten Thalwegs (Abbildung 2).Der Thalweg beschreibt die longitudinaleStromlinie der grten Wassertiefen. In natur-nahen Gewssern dokumentiert solch einLngsprofil die variable Sohltopographie, ausder sich die Furt-Kolk Morphologie ablesenlsst (Abbildung 8). Die Lngsprofile zeigen zu-dem, dass keine zwingend regelhaften Abfol-gen vorliegen, sondern Furten und Kolke unre-gelmige Ausprgungen haben. Die Lagedieser Formen wird erheblich durch die Lauf-form, Uferbume und anliegende steinig-kiesi-ge sowie sandig-schluffige Bden bestimmt.Furten bestehen oft aus mehreren Gefllestre-cken mit dazwischen gelagerten Vertiefungen.
Die Profilquerschnitte sind bei Furten in derRegel symmetrisch, whrend sie bei Kolkenasymmetrisch sind (Abbildung 9). Obgleich dieFliegeschwindigkeiten in den Gefllestreckender Furten hoch sein knnen, sind ufernaheBereiche hufig strmungsberuhigt. Diese fla-chen strmungsberuhigten Bereiche sindwertvolle Jungfischhabitate (ARMSTRONG & NIS-LOW 2006).
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Als Orientierungsgre wird ein Abstand zwi-schen Furten bzw. Kolken im Bereich der 3-bis 9-fachen sowie im Mittel der 5- bis 7-fa-chen Sohlbreite betrachtet (GREGORY et al1994). Vergleichbare Werte wurden auch an
Bchen in Schleswig-Holstein festgestellt. Freinige Bachabschnitte wurden anhand vonLngsprofilen (Abbildung 8) verschiedene Ori-entierungswerte zu Furten und Kolken inSchleswig-Holstein ermittelt (Tabelle 1).
Abbildung 8: Lngsprofil der Sohle und der Wasserspiegellage entlang des Thalwegs eines naturnahen Baches in Schleswig-Holstein (rot:Sohltopographie, rote Gerade: mittleres Sohlgeflle, blau: Wasserspiegellage, blaue Gerade: mittlere Wasserspiegellage).Das mittlere Sohlgeflle der vermessenen Strecke betrgt 0,1%, das mittlere Sohlgeflle der Gefllestrecken in den Furtenbetrgt 3%.
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Abbildung 9: Morphometrische Querschnitte (m) durch eine annhernd symmetrische Furt und einen asymmetrischen Kolk mit der Vertei-lung der Fliegeschwindigkeiten (cm/s).
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Tabelle 1: Statistische Werte zu Furten an vier Bchen in Schleswig-Holstein. Aufgrund der Unregelmigkeit der Formen handelt es sichum Orientierungswerte.
kologische BedeutungFurt-Kolk Sequenzen sind grundlegend freine Tiefenvarianz sowie Strmungs- und Sub-stratdiversitt, die Kenngren der Habitatqua-litt fr Fische und wirbellose Tiere sind (BRUN-KE 2008). Furte und Kolke stellen so genannteMesohabitate dar, die eine Vielzahl von Mikro-habitaten fr fliegewssertypische Arten ent-halten. In Fliegewssern werden die lokalenBedingungen der Mikrohabitate vornehmlichdurch die Kornzusammensetzung, Wassertie-fe, Strmungsbedingungen und das Angebotan Nahrungsressourcen definiert.
Kolke bieten insbesondere Habitate fr adul-te Fische (Abbildung 10). ber Furten wirddas Wasser aufgrund der hohen Turbulenz be-lftet. Hier befinden sich die Laichpltze kies-laichender Fischarten und die Habitate juveni-ler Fische in den strmungsarmen, flachenRandbereichen (Abbildung 10). Insbesonderedie Furten werden durch strmungsliebendewirbellose Tiere besiedelt, die auch auf grobesHartsubstrat, hohe Strmung und gute Sauer-stoffversorgung angewiesen sind.
Oberhalb des Laichhabitats kieslaichender Fi-sche sollte sich ein ausreichend tiefer Kolk be-finden, der als Ruhezone whrend der Laich-zeit dienen kann und in einen Anstrmbereichzur Furt bergeht (MUNLV 2006). Das Laichha-bitat befindet sich an den Kolk anschlieenddirekt oberhalb bis in den Bereich des Schei-telpunktes der Furt (JUNGWIRTH et al. 2003). Eingeeignetes Laichhabitat sollte zumindest dieFlche von drei Laichgruben aufweisen. In d-nischen Untersuchungen wurde ein Geflleber den Laichpltzen von Forellen von 0,2 bis1,7% festgestellt (MADSEN & TENT 2000).
Das entscheidende Aufwuchshabitat fr diejuvenilen Fische sind die strmungsberuhigtenRandbereiche der Furt (ARMSTRONG & NISLOW2006). Die Entfernung zum Aufwuchshabitat,in das sich die juvenilen Fische nach ihremSchlpfen aus dem Substrat verteilen, solltegering sein (idealerweise unter 25 m, hchs-tens jedoch 100 bis 250 m), da ansonsten dieVerlustraten durch Verdriftung und Prdationzu gro sind. Die Flche betrgt idealerweisemehr als 1.500 m2, ungnstigenfalls 200 bis500 m2 (MUNLV 2006).
Krckau Barnitz Osterau Treene
(Langeln) (Kretholz) (Bass) (Tarpholz)
Einzugsgebietsgre (km2) 34,3 35,6 120 177,5
Bordvolle Breite (m) 5,4 8,3 9,1 11,5
Sohlbreite (m) 4,2 5,0 6,2 7,4
mittleres Streckengeflle (%) 0,1 0,14 0,15 0,1
Anzahl Furten pro 100 m 3,6 2,6 1,9 3,0
mittlere Furtlnge (m) 13 15 25 20
Verhltnis Furtabstnde (Scheitelpunkte) zur Sohlbreite (m) 6,1 7,7 5,3 7,2
mittlere Hhe der Furten ber mittlerer Sohlhhe (m) 0,10 0,10 0,11 0,22
mittleres Sohlgeflle der Gefllestrecken in Furten (%) 2,7 3,0 3,6 6,8
mittlere Lnge der Gefllestrecken (m) 8,5 9,6 4,9 3,4
Anzahl Kolke pro 100 m 4,0 2,9 2,9 2,0
Mittlere maximale Tiefe der Kolke unter mittlerer Sohlhhe (m) 0,40 0,34 0,52 0,65
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RestaurationsmanahmenGrundstzlich ist es eher sinnvoll, ber natrli-che Prozesse in Fliegewssern morphologi-sche Strukturen entstehen zu lassen, als dieFormen nachzubauen. In den durch Ausbauund Grundrumungen berformten Gews-sern fehlt jedoch hufig der Kies, der fr dieAusbildung von Furten erforderlich ist. Ange-legte Furten erhhen nicht nur das Habitatan-gebot fr Fische und wirbellose Tiere, sie sindauch eine wichtige Schutzmanahme in Ge-wssern, die sich in einem morphodynami-schen Ungleichgewicht befinden und aufgrundeiner fortschreitenden Tiefenerosion ihren Zu-stand fortlaufend verschlechtern.
Das Einbringen von Furten hat einen diffe-renzierten Einfluss auf die Wasserstnde.Der hydraulische Widerstand entsteht durchdie Rauheit des groben Korns und die Formvon Furt-Kolk Sequenzen. Dieser Widerstandist jedoch nur bei geringen Wasserstnden be-deutend und fhrt dann zur Erhhung desNiedrig- bis Mittelwasserstandes. Mit steigen-dem Abfluss nimmt jedoch der Widerstandkontinuierlich ab. Bei bordvollem Abfluss fhrtdies dazu, dass der Wasserstand verglichenmit der Situation vor der Anlage nicht signifi-kant erhht ist (SEAR & NEWSON 2004, sowieverschiedene hierin zitierte Studien). Es emp-fiehlt sich die bordvolle Breite bei den Furt-strecken zu vergrern und die Sohlbreite, ins-besondere bei berbreiten Gewssern, imoberen Drittel etwas zu verschmlern (10 bismaximal 20%), da Sandfraktionen auf der Ge-fllestrecke nicht liegen bleiben drfen. DieFurten knnen hier auch am Ufer gesichert
werden, um eventuelle Uferschdigungendurch Umsplungen zu verhindern. Je nachden lokalen Gegebenheiten kann es in begrn-deten Fllen erforderlich sein, die Wasserspie-gellagen mit Modellen vor einer Manahme zuberechnen.
Die Beachtung folgender Punkte ist bei derAnlage von Furt-Kolk Sequenzen zu empfeh-len:1. Eine Anlage von Furten ist in sand- und
kiesgeprgten Vorranggewssern (LAWA-Typen 14 und 16) sinnvoll, die nicht unterzu starker Sanddrift leiden, da die Sandedie kiesigen Strecken berlagern oder dieKieslcken verstopfen. Zudem verhindertein hoher Sandtransport die Ausbildungvon Kolken. Gegebenenfalls ist es ange-bracht, die Furten vor Feinsediment durchoberhalb angelegte, naturnahe Sandfngezu schtzen.
2. Um kologische Erfolge mit der Anlagevon Furten als Laich- und Aufwuchshabita-te fr Fischpopulationen zu erzielen, ist essinnvoll, einen geomorphologischen Ab-schnitt in die Restauration einzubeziehen,der zumindest dem 30-fachen der bordvol-len Breite entspricht.
3. Bei vorhandenen Furtresten oder Restbe-stnden von kiesigen Arealen sollten Kiesund Steine nur in Form von seitlichen Kies-depots unterhalb von Kolken am auslaufen-den Prallufer angeboten werden, da an-sonsten vorhandene Strukturen undBesiedlungen geschdigt werden knnten.
Abbildung 10:Schematische Dar-stellung der bevor-zugten Aufenthalts-orte fr juvenileund adulte Forellen,Elritzen und Quer-der (Larvenstadiumder Neunaugen)und von morpholo-gischen Formenund Substraten so-wie den dazugeh-renden Querschnit-ten (hellblau).
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4. Die Position einer Furt befindet sich idea-lerweise direkt unterhalb einer Laufkrm-mung. Gefllereiche Abschnitte sind zu be-vorzugen.
5. Die Abstnde zwischen Furten betragenetwa das 5 bis 7-fache der natrlichenSohlbreite und das 3 bis 5-fache der natrli-chen bordvollen Breite. Knnen mehrereFurten auf der berplanten Strecke entste-hen, so sind Neuanlage und Kiesdepots imVerhltnis 1:1 oder 1:2 abwechselnd zukombinieren, um auch die natrliche Ent-wicklung der Furt-Kolk Sequenzen zu fr-dern.
6. Die Lnge der Furten betrage etwa das 3bis 4-fache der Sohlbreite. Der Scheitel-punkt der Furt wird nach etwa 20 - 30%der Lnge erreicht, so dass unterhalb dieGefllestrecke der Furt folgt.
7. Die mittlere Hhe der Furt betrgt etwa0,1 - 0,2 m und die maximale Hhe etwa0,2 bis 0,3 m ber der mittleren Sohllage:unterhalb gelegene Furten sollten oberhalbgelegene nicht einstauen. Um als Forellen-laichplatz zu funktionieren, muss auf derGefllestrecke mindestens ein Sohlgefllevon 0,2% erreicht werden.
8. Die Schichtdicke einer Furt betrgt etwa0,5 m, bei kleineren Bchen gegebenen-falls weniger. Liegt in dem Gewsser einestarke Tiefenerosion vor, so kann die Furtdirekt auf die Sohle gebracht werden, dakeine bedeutenden Vernderungen derWasserstnde zu erwarten sind. Ansons-ten ist vorher eine Schicht der Sohle vor-sichtig abzugraben; die Mobilisierung vonFeinsedimenten ist dabei zu minimieren.
9. Bei langen geraden Strecken in berbreitenProfilen sind vorzugsweise keine im Quer-profil symmetrischen Furten anzulegen,sondern asymmetrisch mit einer leicht tie-feren seitlichen Rinne, um ein pendelndesStrmungsmuster zu bewirken (wechsel-seitige Furten). V-frmige Furten bewirkensymmetrische Kolke in der Profilmitte undsollten nur ausnahmsweise angelegt wer-den, falls absolut keine Vernderungen imUferbereich toleriert werden knnen.
10.Furte und Kolke sind Ausdruck von natrli-chen Sedimentumlagerungen. Hydromor-phologische Anpassungen und Verlagerun-gen der Furt sind zu erwarten. Dagegenkann die berwiegende Verwendung von
bergroem Korn, das die Stabilittskrite-rien erfllt, zu unnatrlichen Gerinnemor-phologien fhren, die nur unzureichend dieHabitatansprche von Fischen und wirbel-losen Tieren erfllen (Abbildung 11).
11.Das Furtmaterial setzt sich bei der Anlageaus gemischten Sand-, Kies- und Steinfrak-tionen zusammen (Tabelle 2), bei der zu-nchst das oberflchlich liegende feinereMaterial weggeschwemmt wird und sichdabei ein stabileres Sohlendeckwerk aus-bildet und bei der das tiefer liegende feine-re Material das Korngerst der Furt stabili-siert. Vereinzelte grere Steine undBlcke stabilisieren in der Regel die Furt.
11. In begrndeten Fllen knnen im unterenBereich der Furt alternativ oder kombiniertBlcke, Buschkisten mit Reisigfaschinen,grobes Totholz (Wurzelstcke, ins Ufer ein-gedrckte, schrg liegende Baumstmmeauf der Hlfte der Sohlbreite) oder nichtdurchgezogene, versetzte Holzpflockreiheneingesetzt werden, um einer Verlagerungder Furt entgegen zu wirken.
12.Naturtypisches Ufergehlz ist entschei-dend fr die Ausbildung und Stabilitt vonKolken, so dass Furt-Kolk Sequenzen inVerbindung mit Erlen im (potenziellen) Prall-hangbereich zur Ausbildung von Kolkenund als Ufersicherung zu setzen sind (Ab-bildung 12-14).
13.Engen- und Seitenkolke lassen sich durchimpulsgebende Manahmen induzieren.
14.Als Zeitraum fr die Anlage von Furten bie-tet sich der Sptsommer bis Frhherbstan.
15.Natrliche Furten bilden heterogene, vern-derliche Formen als Ausdruck der morpho-dynamischen, sedimentologischen Prozes-se. Auch neu angelegte Furten werdensich morphologisch verndern. Insbeson-dere ist bis zur Ausbildung eines Deckwer-kes mit einem Verlust der Fein- und Mittel-kiesfraktionen zu rechnen; aus diesemGrund ist es sinnvoll, oberhalb Geschiebe-depots anzulegen.
Folglich sind Umlagerungen bei dieserManahme zu tolerieren, und es ist sinn-voll, Planung und Umsetzung zu dokumen-tieren, um aus den anschlieend beobach-teten Vernderungen das bisherigeVerstndnis zu verbessern.
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Abbildung 11: Diese angelegte Grobkiesschttung ist aufgrund ihrer geringen Lnge und des Einheitskorns ungeeignet, um die Habitatbe-dingungen im begradigten Bach zu verbessern.
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Abbildung 12: Insbesondere in kiesgeprgten Bchen frdern ungeeignete und fehlende Uferbume eine Seitenerosion und verhindern da-mit die Ausbildung von Kolken, so dass folglich die Tiefenvarianz viel zu gering ist. Die Wurzeln von Buchen und Nadelbu-men werden im Laufe der Zeit vom Wasser untersplt und damit die Bume gefllt.
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Abbildung 13: Auf beiden Bildern stabilisieren einzelne Erlen das Ufer und ermglichen die Bildung kleiner Engenkolke, da sie an diesenStellen die Seitenerosion unterbinden.
Abbildung 14: Die Stabilisierung des Ufers durch Erlenwurzeln ist von dauerhafter Natur (links im Bild die Reste von Bongossi-Faschinender ehemaligen Ufersicherung).
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ZusammenfassungNaturnahe Fliegewsser sind durch ab-wechslungsreiche geomorphologische Formenstrukturiert. Zu diesen zhlen so genannte Kol-ke als Vertiefungen und Furten als Erhhun-gen der Sohle. Diese Formen liefern eine Fllean Habitaten fr Fische und wirbellose Tiere,da sie ein Mosaik aus verschiedenen Fliege-schwindigkeiten, Wassertiefen, Sohlsubstra-ten, Nahrungsressourcen und Schutzrumenausbilden.
Furten und Kolke entstehen als Folge morpho-dynamischer Prozesse, bei denen Sedimentebei verschiedenen Abflssen erodiert, trans-portiert und wieder abgelagert werden. Furteund Kolke wechseln alternierend in mehr oderweniger regelmigen Sequenzen ab, wobeiim Mittel der Abstand zwischen zwei Furtenoder zwei Kolken etwa dem 5 bis 7-fachen derSohlbreite entspricht.
In unserer heutigen Landschaft sind diese For-men durch den Ausbau der Gewsser vieler-orts verschwunden und so auch urschlich frdie gefhrdete Biodiversitt von Fliegews-sern. Da die morphologisch vernderten Ge-wsser des norddeutschen Tieflands aufgrundeines Mangels an Kiesen und Steinen dieseFormen zumeist nicht eigendynamisch rege-nerieren knnen, werden detaillierte Empfeh-lungen fr Restaurationsmanahmen gege-ben.
SummaryThe channels of near-natural running watersare structured by diverse geomorphic forms.Prominent forms refer to pools as deepeningand riffles as elevations of the river bed. Theyprovide numerous habitats for fish and ma-croinvertebrates, because they generate a mo-saic of flow velocities, water depths, substra-tum compositions, nutritional resources andrefugia.
Riffles and pools are generated by morphody-namic processes, which erode, transport anddeposit sediments during different dischargestages. Riffles and pools alternate in more orless regular sequences. The average distancebetween two riffles or two pools generallyfalls in the range of the five to seven channelwidths.
These fluvial forms have disappeared in ourpresent-day landscape owing to river enginee-ring. The resulting morphological degradationof running waters strongly endangers aquaticbiodiversity. The modified lowland streamsand rivers are mostly depleted from gravel andstones and will therefore not be able to resto-re morphological forms by natural processes.Detailed recommendations for restaurationmeasures to mimic natural forms and initiatemorphodynamic processes are given.
DanksagungHerrn Michael Ahne danke ich fr wertvolleHinweise zum Manuskript.
Furte und Kolke in Fliegewssern: Morphologie, Habitatfunktion und Manahmenplanung 211
Tabelle 2: Grenordnungen der prozentualen Verhltnisse in der Kornzusammensetzung einer neu anzulegendenFurt. Ein kleiner Anteil an Grobsanden stabilisiert das tiefere Gefge und verlangsamt das Eindringennoch feinerer Sedimente, ein kleiner Anteil an Steinen und Blcken stabilisiert die Deckschicht, derHauptbestandteil (bis ca. 80%) der Furt wird durch Kiese gestellt (D50 etwa 20 bis 30 mm). Je nach Ge-flle und Stabilittsanforderungen knnen die Anteile angepasst werden, jedoch sollten Mittel- undGrobkies die dominanten Fraktionen stellen. Der Untergrund und tiefere Kopfbereich der Furt kann zurStabilisierung auch aus grberem Korn bestehen.
Fraktion Korndurchmesser (mm) Anteile (%)
Grobsand 0,63 - 2 < 10
Feinkies 2 6,3 15
Mittelkies 6,4 - 20 30
Grobkies 20 - 63 30
Steine 64 - 200 15
Blcke > 200 einzelne
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Dr. Matthias Brunke Dezernat 41 - FliegewsserkologieTel.: 0 43 47 / [email protected]
212 Jahresbericht des Landesamtes fr Natur und Umwelt des Landes Schleswig-Holstein 2007/08
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