johannes itten: materialstudien – assemblagen

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12 © Bildungsverlag Lemberger Johannes Itten: Materialstudien – Assemblagen Johannes Itten wurde 1888 in der Schweiz geboren. Nach einer Ausbildung als Volks- schullehrer studierte er Mathematik und Na- turwissenschaften in Bern. 1913 wurde er an der Stuttgarter Akademie als Schüler von Adolf Hölzel aufgenommen. Seine erste Ein- zelausstellung hatte er 1916 in der Berliner Galerie „Der Sturm“. Im gleichen Jahr zog It- ten nach Wien, wo er eine Kunstschule eröff- nete. Bis zu seinem Tod im Jahr 1967 leitete er unter anderem als Direktor das Kunstge- werbemuseum und die Kunstgewerbeschule in Zürich und publizierte Schriften zu seiner kunstpädagogischen Lehre. Von 1919 bis 1923 unterrichtete Johannes Itten am Bauhaus. Die Einführung seines Vorkurses war für das gesamte pädagogi- sche Konzept und die spätere Künstleraus- bildung äußerst bedeutsam. Intuition und Methode sind die beiden Stich- wörter, unter denen sich sein Unterricht ein- ordnen ließe. Sein Vorgehen, die Studenten zunächst mit Bewegungs- und Atemübungen zu lockern, ging weit über einen theoretischen Kunstunterricht hinaus. Hierbei orientierte sich Itten an der von ihm am Bauhaus einge- führten Mazdaznan-Lehre, einer religiösen Lebensphilosophie, die auf einer bewussten Atem- und Ernährungslehre basiert. Itten gliederte seinen Unterricht stets nach drei großen Schwerpunkten: Natur- und Ma- terialstudien, Analyse alter Meister sowie Aktzeichnen. Das Betrachten, Betasten und Anordnen verschiedener Materialien wie Draht, Holz, Metall, Glas und Eisen sollte den künftigen Architekten ein Gefühl für Form und Farbe vermitteln und sie außerdem mit den Eigen- schaften der Werkstoffe vertraut machen. Ihre Kreativität stellten die Bauhausschüler durch die Anordnung der Einzelteile unter Beweis, die zum Teil vom Schrotthändler stammten. Raues und glattes, starres und formbares Material wurde so auf vielfältige Weise miteinander in Beziehung gebracht. Hier geht es – wie auch in der folgenden Un- terrichtsstunde – um das kreative Zusam- menstellen gegenständlicher Materialien zu einer ästhetischen Komposition. Materialien für den Unterricht zu besorgen ist für diese Stunde kein Problem. Die Schüler sollen in freier Arbeit Gegenstände aussu- chen, anordnen und mit einer Heißklebepis- tole auf einem Holz- oder Pappuntergrund befestigen. Materialstudie aus dem Kurs von Johannes Itten, 1920. Rekonstruktion 978-3-85221-973-8_K_Das Bauhaus.indd 12 18.05.2013 08:09:28

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Johannes Itten: Materialstudien – Assemblagen

Johannes Itten wurde 1888 in der Schweiz geboren. Nach einer Ausbildung als Volks-schullehrer studierte er Mathematik und Na-turwissenschaften in Bern. 1913 wurde er an der Stuttgarter Akademie als Schüler von Adolf Hölzel aufgenommen. Seine erste Ein-zelausstellung hatte er 1916 in der Berliner Galerie „Der Sturm“. Im gleichen Jahr zog It-ten nach Wien, wo er eine Kunstschule eröff-nete. Bis zu seinem Tod im Jahr 1967 leitete er unter anderem als Direktor das Kunstge-werbemuseum und die Kunstgewerbeschule

in Zürich und publizierte Schriften zu seiner kunstpädagogischen Lehre.

Von 1919 bis 1923 unterrichtete Johannes Itten am Bauhaus. Die Einführung seines Vorkurses war für das gesamte pädagogi-sche Konzept und die spätere Künstleraus-bildung äußerst bedeutsam.

Intuition und Methode sind die beiden Stich-wörter, unter denen sich sein Unterricht ein-ordnen ließe. Sein Vorgehen, die Studenten zunächst mit Bewegungs- und Atemübungen zu lockern, ging weit über einen theoretischen Kunstunterricht hinaus. Hierbei orientierte sich Itten an der von ihm am Bauhaus einge-führten Mazdaznan-Lehre, einer religiösen Lebensphilosophie, die auf einer bewussten Atem- und Ernährungslehre basiert.

Itten gliederte seinen Unterricht stets nach drei großen Schwerpunkten: Natur- und Ma-terialstudien, Analyse alter Meister sowie Aktzeichnen.

Das Betrachten, Betasten und Anordnen verschiedener Materialien wie Draht, Holz, Metall, Glas und Eisen sollte den künftigen Architekten ein Gefühl für Form und Farbe vermitteln und sie außerdem mit den Eigen-schaften der Werkstoffe vertraut machen.

Ihre Kreativität stellten die Bauhausschüler durch die Anordnung der Einzelteile unter Beweis, die zum Teil vom Schrotthändler stammten. Raues und glattes, starres und formbares Material wurde so auf vielfältige Weise miteinander in Beziehung gebracht.

Hier geht es – wie auch in der folgenden Un-terrichtsstunde – um das kreative Zusam-menstellen gegenständlicher Materialien zu einer ästhetischen Komposition.

Materialien für den Unterricht zu besorgen ist für diese Stunde kein Problem. Die Schüler sollen in freier Arbeit Gegenstände aussu-chen, anordnen und mit einer Heißklebepis-tole auf einem Holz- oder Pappuntergrund befestigen.

Materialstudie aus dem Kurs von Johannes Itten, 1920. Rekonstruktion

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Schülerarbeit: Assemblage, Material: Baustellenabfälle

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Johannes Itten: Bildkompositionen – Gegensätze

Neben den Materialstudien initiierte Itten die Beschäftigung der Studierenden mit Ge-gensätzen wie rund – gerade bzw. eckig, hell – dunkel, groß – klein. Er betrachtete es als Grundlage, ein ästhetisches Empfinden für den Aufbau und die Struktur eines Bildes zu entwickeln. Diese so genannte Formleh-re setzte er sowohl im Zeichnerischen als auch anhand plastischer Arbeiten um.

Arbeitsauftrag bei dieser „Übung“ war das freie Kombinieren von runden und geraden Formen. Die farbige Gestaltung der Übun-gen blieb den Schülerinnen und Schülern selbst überlassen.

Schülerarbeiten zum Thema: Kombination von runden und eckigen Formen

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