krappfütterung als grundlage biochemischer untersuchungsmethoden

3
Krappfiitterung als Grundla~e biochemischer Uniersuchungs- methoden. Dr. Adol~ Bm, er, Lindhardt b. Namfl~<>f. (Eb~geqa~+.gen a,.m, 15. A ~+g~.st1922, ) Unsere Kemitnisse ~bec die Bihtung yon Knoche, ngewebe und Zahnsubstanz sind so lange unbefriedigend und ungen~igend, his wir den Chemismus der spezi- fisehen Zellt~itigkeit, d. h. der Osteol>lasten und Odontoblasten erseh6pfend (~['f&ssen. Es mug daher auffallen, dal.~ Lieber]cii/m in seiner ausgezeiehneten Abhand- tung veto Jahre 1879 ,,l~rber Resorption der Knoe]lensubstanz" gar nieht auf das ehemisehe Problem eingeht, obwoh[ beinahe sehon 100 Jahre vorher ein h6ehst bedeutsamer Versueh darfiber angestellt war. Wie F,. H. Weber im Jahre 1S30 in tier 4. Ausgabe yon HiIdebrandts Anatomie (Bd. I, S. 318, ;~40) beriehtet, hat schon Ruther/org -- eiwa im Jahre 1780 -- die entseheidende ehemisehe Frage naeh der Farbbindung der F'~trberrSte (Radix gubiae tinetorum) an die Knoehensubstanz zu seinem Forsehungsziele gemaeht. E. H. Weber sehreibt fiber Ruth.e,+~ord: ,,Er setzte n:~tmlieh dem Aufgusse der FitrberrSte erst salzsam'en Kalk zu, wobei er keine Verinderung der Farbe des~+etben bemerkte. Als er abet dann dieser Mischung des Aufgusses der F/trber- rSte und des salzsauren Kalkes eine Aufl6sung der phosph~aaure'n Soda zugol3, so erfolgte augenblieklieh dutch eine doppelte Anziehung eine Zersetzung der- setben, vermSge deren phosphor,3aurer Kalk und salzsaures Nat.ron entstand. Der phosphorsaure Kalk bem~tehtigte sich hierbei sogleich des J~'arbstoffes mxl fiel karmosinrot nieder." E. H. IVeber hMt damit yon Ruther/ord den Beweis for erbracht, dab es im Knochen der pbosphorsaure Kalk ist, welcher verm6ge einer ehemischen Verwandtschaft (tie F~rberrSte sehr stark anzieh~. Weml nun Lieberkiihn rein histotogisch die Krappfiitterung als exakte Me- rhode f0r die Erforsehung der Knoehenwachstums- und Resorptionsvorgi~nge zu erweisen sucht, so m6chte ich hier naehweisen, dag die tCrappffitterung aueh biotogisch ats Grundlage fiir Untersuehungen der Bildung, des Waehstums, der Resorption und Regeneration yon Knoehengewebe und analog offenbar aueh yon ZMmgewebe nnd Zahnsubstanz gar wohl in Betraeht kommt. Lesen wit in einem der gebriiuehlieheren Handbficher etv+a C. (legenbaurs Anatomie oder O. Hertwigs Entwieklungsgesehiehte naeh, so linden wit dariiber, wie es zum Nieder- seMag oder zu der Einlagerung yon :KMk.~lzen in die os~eoide Subst~nz komm% niehts. Immer kehrt der Sammelbegriff ,,KMksalze" wieder, ohne dab einmM tin ern~ter Versueh gemaeht ~4rd, fiber die beraerkenswerten Untersehiede der chemisehen Zusammensetzung der dabei in Betraeht kommenden SMze a~ffzuldi~ren. Es ]iegt ja ~uf der Hand, da[~ bier ein besonders feiner Chemismus der Zelltgtigkeit vorliegt, wenn wit bedenken, dab nicht

Upload: adolf-bauer

Post on 10-Jul-2016

216 views

Category:

Documents


2 download

TRANSCRIPT

Krappfiitterung als Grundla~e biochemischer Uniersuchungs- methoden.

Dr. Adol~ Bm, er, L indhard t b. Namfl~<>f.

(Eb~geqa~+.gen a,.m, 15. A ~+g~.st 1922, )

Unsere Kemitnisse ~bec die Bihtung yon Knoche, ngewebe und Zahnsubstanz sind so lange unbefriedigend und ungen~igend, his wir den Chemismus der spezi- fisehen Zellt~itigkeit, d. h. der Osteol>lasten und Odontoblasten erseh6pfend (~['f&ssen.

Es mug daher auffallen, dal.~ Lieber]cii/m in seiner ausgezeiehneten Abhand- tung veto Jahre 1879 ,,l~rber Resorption der Knoe]lensubstanz" gar nieht auf das ehemisehe Problem eingeht, obwoh[ beinahe sehon 100 Jahre vorher ein h6ehst bedeutsamer Versueh darfiber angestellt war.

Wie F,. H. Weber im Jahre 1S30 in tier 4. Ausgabe yon HiIdebrandts Anatomie (Bd. I, S. 318, ;~40) beriehtet, hat schon Ruther/org -- eiwa im Jahre 1780 -- die entseheidende ehemisehe Frage naeh der Farbbindung der F'~trberrSte (Radix gubiae tinetorum) an die Knoehensubstanz zu seinem Forsehungsziele gemaeht. E. H. Weber sehreibt fiber Ruth.e,+~ord: ,,Er setzte n:~tmlieh dem Aufgusse der FitrberrSte erst salzsam'en Kalk zu, wobei er keine Verinderung der Farbe des~+etben bemerkte. Als er abet dann dieser Mischung des Aufgusses der F/trber- rSte und des salzsauren Kalkes eine Aufl6sung der phosph~aaure'n Soda zugol3, so erfolgte augenblieklieh dutch eine doppelte Anziehung eine Zersetzung der- setben, vermSge deren phosphor,3aurer Kalk und salzsaures Nat.ron entstand. Der phosphorsaure Kalk bem~tehtigte sich hierbei sogleich des J~'arbstoffes mxl fiel karmosinrot nieder." E. H. IVeber hMt damit yon Ruther/ord den Beweis for erbracht, dab es im Knochen der pbosphorsaure Kalk ist, welcher verm6ge einer ehemischen Verwandtschaft (tie F~rberrSte sehr stark anzieh~.

Weml nun Lieberkiihn rein histotogisch die Krappfiitterung als exakte Me- rhode f0r die Erforsehung der Knoehenwachstums- und Resorptionsvorgi~nge zu erweisen sucht, so m6chte ich hier naehweisen, dag die tCrappffitterung aueh biotogisch ats Grundlage fiir Untersuehungen der Bildung, des Waehstums, der Resorption und Regeneration yon Knoehengewebe und analog offenbar aueh yon ZMmgewebe nnd Zahnsubstanz gar wohl in Betraeht k o m m t .

Lesen wit in einem der gebriiuehlieheren Handbficher etv+a C. (legenbaurs Anatomie oder O. Hertwigs Entwieklungsgesehiehte naeh, so linden wit dariiber, wie es zum Nieder- seMag oder zu der Einlagerung yon :KMk.~lzen in die os~eoide Subst~nz komm% niehts. Immer kehrt der Sammelbegriff ,,KMksalze" wieder, ohne dab einmM tin ern~ter Versueh gemaeht ~4rd, fiber die beraerkenswerten Untersehiede der chemisehen Zusammensetzung der dabei in Betraeht kommenden SMze a~ffzuldi~ren. Es ]iegt ja ~uf der Hand, da[~ bier ein besonders feiner Chemismus der Zelltgtigkeit vorliegt, wenn wit bedenken, dab nicht

590 Adotf Bau.r :

weniger als vier KMlcsMze z.B. im Lehrbuch der Physiologic yon Her.mann angegeben werden :

Basisch phosphorsaurer KMk . . . . . . . . . . . . . . . . . P~OsO~.~ Kohlensaurer Kalk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . CaCOo. CMorcaleium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . CaC1. :Fluorcatclum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . CaFI 2

Analog Nhren die Angaben yon Lando~s (Lehrbueh der Physiologie) auf einen 5u/terst feinen Chemismus der Harggebilde des Zahnes: das Gertist teimgebender Substanz ist yon Calciumphosphatearbonat durchdrungen, und zwar im 1)enti,~ zu 72,06%, im Schmelz zu 963X)°o. Das Ze~ment stimmt vSltig mit der Knoehensubstanz iiberein.

Die Zusammen~tzung des get.rockneten Knochens ist naeh La~(toi.~ in bezug altf Kalksalze: 57% neutrMer phosphot~aurer Kalk. 705 kohtensaurer Kalk.

Naeh Heintz - - zit.ie~ bei C. Gegenba.ur - - enthielt das kompakte N:nochengewebe eines Femur an organischer Substanz;

Phosphorsauren Kalk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85,62 Kohlensauren Kalk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.06 Fluorcalcium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.57 Phosphorsaure Magnesia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1,75

Nach V.v. Richter.s Lehrbuch der anorganischen Chemic enth~lt die Asche tieriseher Knoehen gegen 82% TricMeiumphospha~. Wegen der Konstanz der Zusammensetzung des Knoehengewebes hat man sieh nach MiDge Edu.ard.s jun. und Zateu..sL T - - zitiert yon Hermann - - die Salz~ nicht mechani~h in die organisehe Substanz eingelagert, sondern damit chemiseh verbunden zu denken.

LTberatl wird nun yon den Beobach te rn / ibere ins t immend ber ieh te t , dat.~ sieh der wachse~ute Knoehen ju.nger Tiere du tch K r a p p f i i t t e r u n g rot ft trbt. Ieh habe reich davon wiederhol t dureh eigene Versuehe. i i b e r z e u ~ wie andere r se i t s davon, dag d~s Ske le t t ausgewachsener Tiere die Fi~rberr6te nur in sehr ger ingem Grade ann immt . W i t wissen eben, daft die Chemie der Knoehen sieh mi t v,w- sehre i t endem Al te r t tndert.

Naeh Theodor Schreyer - - z i t i e r t w m Lieber]ci~hn - - bestehen die K n o e h e n eines Kindes ungef~hr zu 1/~, die eines Erwachsenen zu ~/s, die eines Greises zu 7/s ihres Gewichtes aus erd igen Bestancttei len. I eh behaup te nun, daf3 ftir den Chemismus der Osteoblas ten und OdontobL~sten die K r a p p f t i t t e r u n g und die vain Blu te aus ( intra v i t am!) erzeugte K r a p p f ~ r b u n g nach z~vei g i e h t u n g e n als In- d ica tor d ienen kann.

1. K a n n m a n den Reagensglasversuch ~uther/ords dutch e inen biologisehen Versueh sehr sinnfMlig bes t~t igen und so beweisen, dag tatsgchlich der kohlensaure

A'al~ /iir die B i n d u n g des Krapp/a~'bsto//es im Organismus nicht in Betracht l,;o'mznt.

Fii t ter t . man naml ich ein H a u s h u h n lhngere Zeit w~hrend der Leget-:%tigkeit reiehlich mi t Krapp , so bleiben die Eierschalen in ihrer F a r b e unver/~ndert . Die BeweiskrMt dieses Versuehes is t deshalb besonders hoeh anzusehlagen, well wi t naeh ~'~athusius in der Eisehale nieht ein gew6hnliehes Ausseheidungs- p r o d u k t zu sehen haben, sondern wie in den Hfil len des Vogeleies t i be rhaup t , ,einen gewaehsenen Organismus, gewaehsen aus der Anlage, welehe sehon die Idiille des Eiers toeks ho t" . Nebenbe i bemerk t bes t eh t naeh O. Hertwig - - Ele- mente der Entwieklungsgeschichte - - die Sehale der Vogeleier zu 2°,g aus e iner organisehen Grundlage , in wetehe 98% , ,Kallcsalze" abge lager t sind. I m Lehrbueh V. v. Richters fiber anorganisehe Chemie Iesen wit, dab eben diese yon O. Her twig

nich t ntther def inier ten , ,Ka lksa lze" im wesent l iehen Ca le iumearbona t sind.

I£r~tpgfli~terung ais ~[;rundla~e bit)~,hemis(:her Untersuchungsmethoden. 591

2. K~nn ma~ den Geffensatz des verschiedenen chemischen Verhalten8 aus- 5,~wachsener Knochen und wachsender Knochen wiederum ziemlich sirmfMlig dars~ellen, wenn man einem ausgewaehsenen Kaninchen eine Fraktur , z. B. beider Vorder:~rmknochen der einen Extremiti~t beibringt, es vor und w~hrend der K~ochenbruchhe ihnu mit I~:_rapp f~ittert und dann etwa 3 Wochen sphter das farbige Verhalten c~er t<mochen priift.

Es zeigt sich dann: da$ das gesamte Skelett des erwachsenen Tieres nach 3~4wbch ige r Krappf i i t terung nur schwach rosarot gefi~rbt ist, dab dagegen (lie frak~urierten Knochen in ganzer Ausdehnung, besonders aber gegen die Frak tur . steile ]fin in wesentlich oder auffallend hbheren~ Grade sich rot gefi~rbt, haben. \Vir kbnnen ~L~o bei der Knochenheilung ~ilterer Tie,re einen verdi~le,rten Chemi~mu8 im Sinne einer , ,Verjiingung" unmi t t e lba rab lesen .

Die beiden Versuche: , ,Eierschalenversueh" und , ,Knochenbruchversueh" zusammengenommen reehtfertigen meine Behauptung, dab die Krappffitterm~g als Grundlage ffir biochemisehe Untersuehungsmethoden benutz t werden kann.

Wit haben gesehen, keh~e Krappf/~rbung ohne phosphorsauren Kaik -- immer intr~ v i tam veto Blute aus voransgesetzt! - - , wissen aber andererseits, kein Zellkern ohne Phosphor. So werden wit atff eine spezifische chemische Tgtigkeit der OsteobIasten und Odontoblasten hingewiesen, die es weiter zu erforschen gilt0

Ieh bin zum Sehlusse noch schuldig, zu erhgrten, dab die Analogie fiir das Zahngewebe triftige G~inde hat. Wie Zieberki~hn sehr schbn darstellt nnd wie ieh reich wiederholt iiberzeugte, fgrben sich auch d ie jungen Z~hne bei K_rapp- ffi t terung rot und - - das hglt Lieberkiihn fiir sehr wichtig! - - hal ten den Farb- stoff sehr lange lest. Ein Hund, der im 2. bis 4. Lebensmonat Krappfu t t e r bekam, bet im Alter yon 2 Jahren, als er starb, an dem Langsdurehschni t t eines Backenzahnes noch einen farbigen Saum, der yon der Krone his zur Wurzel verlief.

Life raturverzeiehnis. N. Lieberkithn, u n d J. J3ermann, , , ~ b e r l~esorpt ion de r K n o c h e n s u b s t a n z " , A b h ~ n d -

h m g e n der Senckenbergisch~:n n a t u r f o r s c h e n d e n Gcsel t schaf t I I . 1879. - - Weber, .E.H., 4. Ausgabe yon Hi|d( brandts .~atomie Bd. I, S. 318, 340. 1830. (~'brigens zitiert yon Johannes ~ICiller, :Physiolo~e des M~nschen 1841). - - Ruther]ord in Robert B/ake, Hiberni, disscrt, inaug, m(d. de dentium formatione et structura in homine et in variis ~nimalibus. Edinborgi 1780. S.e. VII. Tab. axn. im Auszuge in 1~ils Archly fiir die Physiologie 4, 336. I800. -~- Nathus@a, W. v., Z~itschr. f. wisscnschaf$1. ZooL 55, 576. 1893. - - t?auer, Adol/, 1. Xxapp bei Tuberkulose. Bdtr. z. Klin. d. Tuberkul. :~l, H~ft 3; 2. @~er Krupp und Zinn. krau~. Beitr. z. Klin. d. XhlbcrkuL 39; 3. U~ber Krappanwendung bei Lupus, und Wie 1~$~ sieh die subcutane Krappvzrabfolgung bei Lungentu~rkulese r~ch~fe~igen ? Beitr. z. Kiln. d. Tuberkul. 4~. 1919; 4. Vtr~nderungen des menschliehen Hams unt~r Kmppwirkung und G~schiehtliehphysiotogisehe Grtmdlagen zurWiederbelebung der Krappanwendung. Zeitschr. f. Urol. 14. 1920; 5. Zur Verwendung yon Krappwurzel in der Ti'erzuch~. In der Deutschen landwirtschaftliehen Tierzucht. Jabrg. 25, Nr. 29. 1921 ; 6. ~ber Erythrophytie des waehsen- den Knoehens in Na~ur, Ha lbmonatsschrift, _XII. J~hrg., H~ft 23. 1921; 7. Ein Beitrag zur Kenntnis yon den pathologischerweise im Auge auftretenden Knoehenueubildungen. Inaug.. Diss. Leipzig 1905.

Zeif~schr. f. d. gee. Anat. I. Abt. Bd. 66. 38