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NUMERISCHE LÖSUNG CHEMISCHER GLEICHUNGEN 1

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Page 1: NUMERISCHE LÖSUNG CHEMISCHER GLEICHUNGEN 1. Die Aufgabenstellung Aus einem chemischen Mechanismus mit den Spezies X 1.. X m und den Reaktionen R 1.. R

NUMERISCHE LÖSUNG CHEMISCHER GLEICHUNGEN

1

Page 2: NUMERISCHE LÖSUNG CHEMISCHER GLEICHUNGEN 1. Die Aufgabenstellung Aus einem chemischen Mechanismus mit den Spezies X 1.. X m und den Reaktionen R 1.. R

Die Aufgabenstellung

• Aus einem chemischen Mechanismus mit den Spezies X1..Xm und den Reaktionen R1..Rn lassen sich m Gleichungen ableiten, welche die Konzentrations-änderungen dC1/dt..dCm/dt der

Spezies vom Zeitschritt t zum Zeitschritt t+1 beschreiben

• Bestimme die Lösung dieser Gleichungen bei t+1, wenn die Anfangskonzentrationen C1(t)..Cm(t) gegeben sind

• Anmerkung: manchmal werden auch Emissionen oder Depositionsraten als Pseudo-Reaktionen in den chemischen Mechanismus einbezogen

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Besonderheit chemischer Differentialgleichungen

• Steifheit (s. nächste Folien)

• Positiv-definite Lösungen (keine negativen Konzentrationen)

• "Dämpfung" (die meisten Lösungen enthalten einen Term e-kt)

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Steifheit von Differentialgleichungen

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Gegeben sei das Anfangswertproblem

welches ein System von n gewöhnlichen, gekoppelten Differentialgleichungen erster Ordnung darstellt.

Ein steifes System enthält Komponenten, die sich mit sehr unterschiedlichen Geschwindigkeiten ändern.

schnell

langsam

Beispiel:

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Steifheit von Differentialgleichungen (2)

5

Die Steifheit lässt sich bestimmen aus den Eigenwerten der Jacobi-Matrix:

Die Eigenwerte sind die Lösung des charakteristischen Polynoms:

J

Ein System ist dann steif, wenn die Eigenwerte weit auseinanderliegen, d.h. der Steifigkeitskoeffizient S wird groß:

Bei chemischen Gleichungen gilt immer n=m (n Gleichungen für n Spezies)

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Übung: Chapman Mechanismus

6

(1) O2 + h O + O

(2) O + O2 + M O3 + M

(3) O3 + h O2 + O

(4) O3 + O O2 + O2

Meteorologische Randbedingungen:Februar, 50S• Fall a: p=18 hPa (ca. 30 km), T=235.3 K• Fall b: p= 2 hPa (ca. 45 km), T=271.7 K

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Temperatur

7

b: 271.7 K

a: 235.3 K

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Photolysefrequenz jO2O+O

8

b: 3.510-10 s-1

a: 5.010-11 s-1

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Ratenkoeffizienten

9

aus JPL, 2011:

MT

k

4.234

2

300100.6

Tk 2060exp100.8 124

a: k2 = 4.4310-16

b: k2 = 4.02 10-17cm3 molec.-1 s-1

a: k4 = 1.2610-15

b: k4 = 4.0810-15cm3 molec.-1 s-1

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Photolysefrequenz jO3O2+O

10

b: 3.710-3 s-1

a: 8.510-4 s-1

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Aufgabe 1:

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Erstelle das System der Differentialgleichungen für den Chapman-Mechanismus

y1 = O, y2 = O2, y3 = O3

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Lösung Aufgabe 1

12

31433212211 2 yykyjyykyj

dt

dy

31433212212 2 yykyjyykyj

dt

dy

314332123 yykyjyyk

dt

dy

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Aufgabe 2:

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Berechne die Lebensdauern von y1, y2, y3

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Lösung Aufgabe 2

14

1

Q

Q

34221 ykyk

1212 ykj

1433 ykj

Wir benötigen also Schätzwerte der Konzentrationen von y1, y2, y3!

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Für y1, y3 Rückgriff auf steady-state Konzentrationen:

02 31433212211 yykyjyykyj

dt

dy

0314332123 yykyjyyk

dt

dy

y2 ist einfach: y2 = 0.2 M

3422

33211

2

ykyk

yjyjy

143

2123 ykj

yyky

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Leider sind diese Gleichungen wieder gekoppelt. Für unsere Zwecke rechnen wir mal mit y3 = 3 ppm. Dann erhält man:

Alle Angaben in molec. cm-3

Fall a Fall b

y1 2.2107 1.4109

y2 1.11017 1.11016

y3 1.71012 1.61011

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s107.11026.1101.11043.4

1112151716

11

Damit ergibt sich für die Lebensdauern:

Fall a Fall b

1 0.015 s 0.22 s

2 ~2.5 y ~200 d

3 ~20 min ~4 min

Wir können damit schon erahnen, dass das Gleichungssystem ziemlich steif ist!

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Aufgabe 3:

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Erstelle die Jacobi-Matrix des Gleichungssystems

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Lösung Aufgabe 3

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143123422

1431213422

1431213422

22

2

ykjykykyk

ykjykjykyk

ykjykjykyk

J

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Aufgabe 4:

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Bestimme die Steifheit des Gleichungssystems

ACHTUNG: Im Folgenden steht für die Eigenwerte, nicht für die Verlustraten!

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Lösung Aufgabe 4

21

143123422

1431213422

1431213422

22

2

ykjykykyk

ykjykjykyk

ykjykjykyk

IJ

Jund aus

D.h. wir müssen die Determinante der Matrix

bestimmen!

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Ein python-Programm berechnet die Eigenwerte von J (numpy.linalg.eig(J)) als:

Fall a Fall b

1 -66 -4.5

2 -1.110-7 -1.210-7

3 +2.910-20 -9.610-21

Die Steifheit des Systems S ist also jenseits von 107 bzw. 1021.

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Chemical Families

A „trick“ to reduce the stiffness of chemical equation systems is the definition of chemical „families“: Species are grouped together so that the fast reactions don‘t change the group concentration.

32312 HOONONOEmissionsNO

2 kkj

dt

dNO

Example:NOx = NO + NO2

+O3, +HO2

NO2

NO+h

Emissions

+OH, deposition

depositionOHNONOHOONONO

23232312

2 kjkk

dt

dNO

depositionOHNOEmissionsNONONO

232x k

dt

d

dt

d

dt

d

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ÜBER DAS LÖSEN CHEMISCHER DIFFERENTIALGLEICHUNGEN

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Typology of solvers for chemical equations

• analytical

• forward (explicit) Euler

• chemical families

• backward (implicit) Euler

• multistep implicit-explicit, backward integration (Gear)

• Runge-Kutta-Rosenbrock

• hybrid predictor-corrector methods

• Gauss-Seidel25

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Desired properties of numerical solvers• stability

• mass conservation

• speed

• accuracy

• positiveness

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Explizites Verfahren ("Forward Euler")

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"Explizit" bedeutet, dass für alle Gleichungen jeweils die Werte des vorangegangenen Schrittes auf der rechten Seite eingesetzt werden.

2

12211

2 dt

cdh

dt

dchcc

ti

tit

iti

Die Schrittweite eines expliziten Verfahrens darf nicht länger sein als die kürzeste Lebensdauer!

Ansatz über Taylor-Entwicklung:

mit h = Schrittlänge

Forward Euler ist exakt masse-erhaltend.

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Chapman-Zyklus mit forward Euler

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13

114

133

12

112

121

11

1

1111 2

ttttttt

ttt yykyjyykyjhy

dt

dyhyy

13

114

133

12

112

121

12

1

2111 2

ttttttt

ttt yykyjyykyjhy

dt

dyhyy

13

114

133

12

112

13

1

3111

ttttttt

tt yykyjyykhydt

dyhyy

Maximale Zeitschrittlänge 0.01 bzw. 0.2 s.

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Ergebnisse

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Berechnung von 24 Stunden dauert ca. 5 Minuten

Fall a

Zeit [h]

Kon

zent

ratio

n [m

olec

cm

-3]

y1

y3

y2

y1

y3

y2

Zeit [h]

Fall b

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Fall b mit h=0.5 s

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Implizites Verfahren ("Backward Euler")

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Bei diesem Verfahren wird in der Taylor-Entwicklung die aktuelle Konzentration der gerade berechneten Spezies benutzt. Für alle anderen Konzentrationen werden wieder die Werte des vorangegangenen Zeitschritts eingesetzt.

dt

dchcc

ttit

iti

1,1

mit h = Schrittlänge

Backward Euler ist stabil und positiv-definit, aber nicht masse-erhaltend.

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Chapman-Zyklus mit backward Euler

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1314

133

1212

121

11

1,

1111 2

ttttttt

tttt yykyjyykyjhy

dt

dyhyy

13

114

1332

11221

12

1,

2111 2

ttttttt

tttt yykyjyykyjhy

dt

dyhyy

tttttttt

tt yykyjyykhydt

dyhyy 3

11433

12

112

13

1,

3111

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Solange der Verlustterm linear von der zu lösenden Spezies abhängt, können wir diese ausklammern und erhalten:

ti

ti

ti yPhyy 1

Daraus ergibt sich für yit:

1

11

1

t

ttit

i h

Phyy

Der Massefehler kann reduziert werden, indem das Verfahren iterativ so lange angewendet wird, bis die Lösung für alle Spezies konvergiert (Beispiel: MOZART Modell).