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ORTHOPÄDIE & RHEUMA 2·2005 46 Osteom, Chondrom, Exostosen und Co. „Gutartige“ Knochentumoren – nicht immer ungefährlich H. R. Dürr Viele benigne Knochentumoren bedürfen keiner weiteren Therapie oder Kontrolle. Andererseits können aggressive gutartige Läsionen zu erheblichen Destruktionen, Lokal- rezidiven und Metastasierung führen. Bei den thera- peutischen Optionen haben sich in den letzten Jahren einige technische Verbesserungen ergeben. E twa 40 – 50 % aller primären Kno- chentumoren sind als benigne zu klassifizieren. Die Einteilung be- nigner Knochentumoren wiederum er- folgt letztlich anhand der historisch ge- wachsenen und fortlaufend ergänzten Klassifikation der WHO, die als wesent- liches Kriterium Vorhandensein und Art der Tumormatrix berücksichtigt (Tab. S. 49). In histologisch nicht eindeutig klassi- fizierbaren Entitäten kommt der Bildge- bung sowie der klinischen Symptomatik eine erhöhte Bedeutung zu. Umgekehrt kann die Diagnose in weitaus den meis- ten Fällen bereits aus Bildgebung und Klinik gestellt werden. Zu erwähnen sind eine Reihe von Läsionen, die gesicherten nicht neoplas- tischen Ursprungs sind. Aufgrund ihres Wachstumsverhaltens und ihrer Morpho- logie werden diese traditionell als „tumor- ähnliche Läsionen“, wie Knochenzysten, fibröse Dysplasie, fibröser Kortikalisde- fekt, Ganglion etc. bezeichnet. Insgesamt ist die Klassifikation je- doch nicht stringent. So gibt es benigne Knochentumoren, wie zum Beispiel den Riesenzelltumor, die eine Fernmetasta- sierung aufweisen können, oder tumor- ähnliche Läsionen, wie die aneurysmale Knochenzyste, mit zum Teil ausgedehn- ten Destruktionen bis hin zum Gelenk- verlust. Eine Stadieneinteilung der benignen Tumoren beispielsweise nach Enneking ist möglich, wird in der Klinik jedoch aufgrund des teilweise völlig unvorher- sehbaren Wachstumsverhaltens nur sehr eingeschränkt angewandt. Diagnostik Diagnostisch ist nach wie vor das Rönt- gen unverzichtbar und wesentlicher Bau- stein im diagnostischen Konzept. Insbe- sondere zur Bestimmung der Tumoraus- Fortbildung Abbildungen 2a – b: Osteoidosteom nahe des Trochanter minor bei einem 16-jährigen Patienten: Nidusbildung mit ausgedehnter Umgebungssklerose Abbildungen 1a – b: Typischer Befund eines Osteoms bei einer 47-jährigen Patientin (im Rahmen der Diagnose eines Uteruskarzinoms aufgefallen), konstante Größe über vier Jahre b © Prof. Dr. H. R. Dürr, München (1–11) a a b

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Page 1: Osteom, Chondrom, Exostosen und Co. „Gutartige ... · PDF fileliches Kriterium Vorhandensein und Art der Tumormatrix berücksichtigt (Tab. S. 49). In histologisch nicht eindeutig

ORTHOPÄDIE & RHEUMA 2·200546

Osteom, Chondrom, Exostosen und Co.

„Gutartige“ Knochentumoren – nicht immer ungefährlichH. R. Dürr

Viele benigne Knochentumoren bedürfen keiner weiteren Therapie oder Kontrolle. Andererseits können aggressivegutartige Läsionen zu erheblichen Destruktionen, Lokal-rezidiven und Metastasierung führen. Bei den thera-peutischen Optionen haben sich in den letzten Jahreneinige technische Verbesserungen ergeben.

E twa 40–50% aller primären Kno-chentumoren sind als benigne zu klassifizieren. Die Einteilung be-

nigner Knochentumoren wiederum er-folgt letztlich anhand der historisch ge-wachsenen und fortlaufend ergänzten Klassifikation der WHO, die als wesent-liches Kriterium Vorhandensein und Art der Tumormatrix berücksichtigt (Tab. S. 49). In histologisch nicht eindeutig klassi-fizierbaren Entitäten kommt der Bildge-bung sowie der klinischen Symptomatik eine erhöhte Bedeutung zu. Umgekehrt kann die Diagnose in weitaus den meis-ten Fällen bereits aus Bild gebung und Klinik gestellt werden.

Zu erwähnen sind eine Reihe von Läsionen, die gesicherten nicht neoplas-tischen Ursprungs sind. Aufgrund ihres Wachstumsverhaltens und ihrer Morpho-logie werden diese traditionell als „tumor-ähnliche Läsionen“, wie Knochenzysten, fibröse Dysplasie, fibröser Kortikalisde-fekt, Ganglion etc. bezeichnet.

Insgesamt ist die Klassifikation je-doch nicht stringent. So gibt es benigne Knochentumoren, wie zum Beispiel den Riesenzelltumor, die eine Fernmetasta-sierung aufweisen können, oder tumor-ähnliche Läsionen, wie die aneurysmale Knochenzyste, mit zum Teil ausgedehn-ten Destruktionen bis hin zum Gelenk-verlust.

Eine Stadieneinteilung der benignen Tumoren beispielsweise nach Enneking ist möglich, wird in der Klinik jedoch aufgrund des teilweise völlig unvorher-sehbaren Wachstumsverhaltens nur sehr eingeschränkt angewandt.

DiagnostikDiagnostisch ist nach wie vor das Rönt-gen unverzichtbar und wesentlicher Bau-stein im diagnostischen Konzept. Insbe-sondere zur Bestimmung der Tumoraus-

Fortbildung

Abbildungen 2a–b: Osteoidosteom nahe des Trochanter minor bei einem 16-jährigen Patienten: Nidusbildung mit ausgedehnterUmgebungssklerose

Abbildungen 1a–b: Typischer Befund eines Osteoms bei einer 47-jährigen Patientin (im Rahmen der Diagnose eines Uteruskarzinoms aufgefallen), konstante Größe über vier Jahre

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dehnung und zur Klassifikation nicht-ossifizierender Tumormatrix ist die MRT sinnvoll. Das CT hat im Extremitäten-bereich im Nachweis von Vorhandensein und Morphologie ossärer Matrixanteile, Randsklerosen oder Periostreaktionen hohe Bedeutung. Die Skelettszintigrafie oder zum Teil auch die Positronenemis-sionstomografie (PET) wird in Fragen kritischer Abgrenzung zu malignen Lä-sionen oder zum Nachweis/Ausschluss weiterer Herde eingesetzt.

Knochenbildende TumorenOsteom: Sehr seltene Läsion des Stamm- und Extremitätenskeletts, häufiger im Schädelbereich; meist asymptomatische Zufallsbefunde ohne jegliche Therapie- oder Kontrollkonsequenz, beim Erwach-senen ist jedoch die Abgrenzung zu os-teoblastischen Metastasen notwendig (Abb. 1a und b). Bei multiplem Vorkom-men sollte nach Darmpolypen im Sinne einer familiären Polyposis (Gardener-Syn-drom) gesucht werden.Osteoidosteom: Mit 10% aller benig-nen Knochentumoren vergleichsweise häufiger Befund. Die zumeist jungen Patienten geben vor allem nächtliche Knochen- oder Gelenkschmerzen an, im typischen Fall ist eine bis zu 1 cm große Läsion mit Nidus-artigem, nicht ossifi-zierten inneren Kern und ausgedehnter osteoblastischer Randreaktion erkennbar (Abb. 2a und b). Die kortikale Reaktion kann dabei beträchtliche Ausmaße errei-chen. Liegt die Läsion gelenknah, so sind die klassischen Symptome einer Arthritis mit Gelenkerguss, Gelenkschwellung

und lokalen Schmerzen möglich. Nicht wenige Fälle einer Monarthritis im ju-gendlichen Alter werden sekundär als Osteoidosteom diagnostiziert, da sich die kleine Läsion an ungünstiger Lokalisa-tion sowohl dem Nativröntgenbild wie auch der MRT entziehen kann, bezie-hungsweise nicht als solche erkannt wird. Das CT ist hier sowohl in der Diagnostik

wie auch der minimal-invasiven Therapie, zum Beispiel durch Radiofrequenzabla-tion (Abb. 3), dem MRT überlegen. Ätio-logisch ist die Zuordnung zu den Tumo-ren umstritten, da im Spontanverlauf nach einigen Jahren eine Ausheilung eintritt. Da eine Therapie zumeist mini-mal-invasiv und ambulant erfolgen kann und die Patienten im Regelfall sofort

Abbildung 3: Radiofrequenzablation eines Osteoidosteoms der Tibia eines 13-jähri-gen Patienten: Stichinzision, CT-gesteuer-tes Einbringen der RFA-Sonde

Abbildungen 4a–b: Osteoblastom desLWK 5 bei einer 12-jährigen Patientin. Verlauf: Resektion, Knochenspaninter-position; rezidivfrei über 13 Jahre.

Abbildungen 5a–b: 11-jähriger Patient mit multiplen kartilaginären Exostosen; Fehlstellung im Unterarmbereich und beginnende Genu-varus-Fehlstellung durch Beeinträchtigung des epiphysären Wachstums

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beschwerdefrei werden, empfiehlt sich jedoch dieses Vorgehen. Der oft propa-gierte „Aspirin-Test“ zeigt lediglich das typische Ansprechen des Prostaglandin-induzierten Schmerzes auf NSAR und ist aufgrund seiner mangelnden Spezifi-tät obsolet.Osteoblastom: Histologisch nicht vom Osteoidosteom zu differenzieren, zeigt diese Läsion ein vollständig anderes Er-scheinungsbild. Meist vergleichsweise

symptomarm, finden sich osteoblastische, zum Teil sehr destruktive Tumoren (Abb. 4a und b, S. 47), größer als 1 cm, die eine bioptische Klärung erfordern. Wann immer möglich, sollte dieser Tumor mar-ginal aber im Gesunden reseziert werden, eine ausgedehnte intraläsionale Küretta-ge ist jedoch oft der einzig funktionser-haltende Weg. Rezidive finden sich je nach Radikalität der Resektion im zwei-stelligen Prozentbereich.

Fortbildung Gutar tige Knochentumoren

Knorpelbildende TumorenKartilaginäre Exostosen: Mit mehr als 40% aller benignen Knochentumoren sind die Exostosen die häufigsten Kno-chentumoren überhaupt. In 90% der Fälle findet sich ein isolierter Tumor teils sessil, teils gestielt, von nahe der Epiphy-senfuge aus nach peripher wachsend. In 10% der Fälle liegt ein hereditäres Leiden in Form von multiplen Exostosen vor (1–2 Fälle/100.000 Einwohner) (Abb. 5a und b, S. 47), zwei Drittel davon be-reits mit Familienanamnese. Ursächlich ist vermutlich weniger eine tatsächliche Neoplasie als vielmehr ein versprengtes Wachstum von Teilen der Epiphysen fuge.Die weitaus meisten Exostosen dürften asymptomatisch sein und werden deshalb nicht entdeckt. In vielen Fällen kommt es jedoch neben einer sicht- und tastba-ren Tumorbildung zur Entwicklung schmerzhafter Bursen über den Befun-den, in Extremfällen auch zu Läsionen benachbarter Nerven (zum Beispiel des N. peroneus) oder vaskulären Kompres-sionen. Im typischen Fall eines Zufalls-befunds einer solitären Exostose, meist während des pubertären Wachstums-schubs, ist ein abwartendes Verhalten gerechtfertigt. Die Indikation zur Resek-tion sollte nur bei rechtfertigenden Be-schwerden gestellt werden. Eine maligne Entartung ist zwar im Einzelfall beschrie-ben und sollte bei nach Wachstumsab-schluss weiter- oder wieder wachsenden Exostosen vor allem stammnaher Loka-lisation in Erwägung gezogen werden, ist jedoch eher eine Rarität.

Multiple kartilaginäre Exostosen sind weitaus komplexer zu beurteilen: Es kommt durch die epiphysennahe Loka-lisation oft zu Achs- und Längenabwei-chungen der Extremitäten und es besteht ein zweistelliges Prozentrisiko einer ma-lignen Entartung im Lebensverlauf. Die Diagnose der Erkrankung wird hier in der Regel sehr früh gestellt, eine konti-nuierliche Verlaufsbeobachtung, inten-siviert in den Zeiten des größeren Län-genwachstums, ist sicher notwendig. Tumorresektionen und Umstellungs-osteotomien müssen, wenn notwendig, mit dem Augenmaß des erfahrenen Kin-derorthopäden erfolgen, im Erwachse-nenalter sind die oft großen Tumoren bei jeglicher Wachstumsneigung sofort zu resezieren (Abb. 6a und b).

Abbildungen 6a–b: Patientin mit multiplen kartilaginären Exostosen. a: Im Alter von19 Jahren großer Befund an der rechten Skapula, Progredienz. b: Im Alter von 33 Jahren Resektion des Chondrosarkoms G 1

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Abbildungen 7a –b: a: Klassisches Enchondrom als Zufallsbefund (bei degenerativen Gelenkschmerzen) bei einer 42-jährigen Patientin am proximalen Humerus: Maschen-drahtförmige Kalzifikationen der intraossären Knorpelmatrix, diskrete endostaleKortikalisarrosion. b: Multiple Enchondrome im Handskelett eines 25-jährigen Patienten

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Chondrome treten sowohl als periostale Formen, insbesondere jedoch als typische intraossäre Enchondrome auf. Ihre Inzi-denz wird vermutlich unterschätzt, da sich die in der Regel völlig asymptoma-tischen Läsionen häufig nur als Zufalls-befunde im meist mittleren Lebensalter bei degenerativen Gelenkbeschwerden finden (Abb. 7a und b). Lediglich im Bereich des Handskeletts sind sympto-matische Formen mit Auftreibung der Phalangen mit und ohne Schmerz ver-gleichsweise häufig. Ätiologisch ist auch hier ein versprengtes Wachstum von An-teilen der Epiphysenfugen zu vermuten, dementsprechend sind nach Wachstums-abschluss progrediente Läsionen stets sarkomverdächtig. Die Entartungswahr-scheinlichkeit ist wegen der hohen Dun-kelziffer asymptomatischer Chondrome nicht eindeutig bestimmbar, dürfte je-doch deutlich im unteren einstelligen Prozentbereich liegen. Bei den in weniger als 10% multiplen Chondromen (Mor-bus Ollier oder Maffuci-Syndrom in Zusammenhang mit Hämangiomen) ist

WHO-Klassifikation benigner Knochentumoren (WHO 2002)Gruppe Entität % aller benig- nen Tumoren

Knochenbildende Tumoren Osteom Osteoidosteom 10 Osteoblastom 3

Knorpelbildende Tumoren Osteochondrom (Exostose) 48 Chondrom (Enchondrom) 23 Chondroblastom 5 Chondromyxoidfibrom 2

Riesenzelltumor Osteoklastom 8–10% aller Knochentumoren

Vaskuläre Tumoren Hämangiom 4 Glomustumor < 1

Intraossäre Weichgewebstumoren Desmoidtumor (Fibromatose) < 1 Lipom < 1 Benignes fibröses Histiozytom 2

Intraossäre neurale Tumoren Neurinom < 1 Neurilemmom < 1

Tumorähnliche Läsionen Juvenile Knochenzyste Aneurysmale Knochenzyste Fibröse Dysplasie Osteofibröse Dysplasie Langerhans-Zell-Histiozytose Fibröser metaphysärer Defekt Pigmentierte villonoduläre Synovitis Intraossäres Ganglion

dies jedoch anders. Das Risiko einer ma-lignen Entartung vor allem der stamm-nahen Läsionen liegt beim Morbus Ollier etwa bei 20% bis zum 40. Lebensjahr (Abb. 8). Entsprechend kommt dem Nachweis/Ausschluss multipler Herde

zum Beispiel durch ein Skelettszinti-gramm Bedeutung zu. Typische Malig-nitätszeichen sind hier Schmerzen, die Progredienz der Läsion, die kortikale Destruktion, ein inhomogenes Erschei-nungsbild oder das Verschwinden ehe-

Abbildung 8: 32-jähriger Patient mit nicht erkanntem Morbus Ollier (Enchondrome im Humerus, Radius und Metakarpale): patholo-gische Fraktur durch entstandenes Chondro-sarkom

Abbildungen 9a–b: 14-jähriger Junge mit Schmerzen im Kniegelenk über einige Wochen. Es findet sich eine rein epiphy-säre und osteolytische Läsion, typisch für das Chondroblastom. Therapie durch Kürettage und Spongiosaauffüllung

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mals vorhandener Kalzifikationen. Ausnahme sind die Enchon-drome des Handskeletts. Sie sind teilweise osteolytisch und zeigen eine ausgeprägtere endostale Kortikalisdestruktion, ohne dass sich eine Malignität nachweisen ließe.

Therapeutisch wird man beim klassischen Enchondrom ein zuwartendes Verhalten mit im Verlauf jährlichen oder zwei-jährlichen Röntgenkontrollen empfehlen, im Zweifelsfall ge-gebenenfalls die Kürettage und Auffüllung des Befundes. Auf-grund der histologisch ausgesprochen problematischen Diffe-renzierung zwischen benignem Enchondrom und Chondrosar-kom Grad I ist eine Biopsie in den wenigsten Fällen sinnvoll.Chondroblastom: Weltweit ist dieser Tumor bisher in nur we-nigen hundert Fällen beschrieben worden. Die epiphysäre Lä-sion ist typischerweise bei 10–15-jährigen Kindern zu sehen und kann zur Gelenkdestruktion, in seltenen Einzelfällen auch zur pulmonalen Metastasierung führen (Abb. 9a und b, S. 49). Therapeutisch wird regulär die Kürettage, eventuell mit adju-vanten Maßnahmen wie Phenol, Ethanol oder Knochenzement, durchgeführt. Aufgrund der Lokalisation ist eine Resektion der aggressiven Läsion problematisch. Rezidive finden sich in zirka 10–15% der Fälle.Chondromyxoidfibrom: Noch seltener als das Chondroblastom ist der epiphysennahe aber metaphysäre, meist exzentrisch ge-legene Tumor typischerweise bei Kindern zwischen 5 und 15 Jahren anzutreffen (Abb. 10a und b). Die Therapie besteht, wann immer möglich, in einer Resektion knapp im Gesunden oder in einer ausgedehnten intraläsionalen Kürettage. Auch hier beträgt die Rezidivquote 10–15%.

RiesenzelltumorDer Riesenzelltumor (Osteoklastom) ist eine häufig lange asymptomatische, rein osteolytische, zumeist exzentrisch ge-legene Läsion der epimetaphysären Knochenabschnitte(Abb. 11a–c, S. 52). Das typische Erkrankungsalter liegt bei 10–30 Jahren, er findet sich jedoch prinzipiell in jedem

Fortbildung Gutartige Knochentumoren

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Abbildungen 10a und b: 10-jähriger Patient mit Chondromyxoid-fibrom der proximalen lateralen Tibia: Klassischer metaphysärer exzentrischer Befund mit periostaler Reaktion. Resektion knapp im Gesunden ohne Funktionseinschränkung

Kurz gemeldet

Klettersport

Ringband-Rupturen ein häufiges Problem

Die Diagnose anhand des Bogensehnen-Phänomens fällt relativ leicht. Schwieriger ist, Kletterern eineSportkarenz einzubläuen.

In der Statistik der Handverletzungen bei der Boom-Sportart Klettern rangieren mit Abstand ganz oben Verletzungen des Ringbandapparates, seien es Zerrun-gen oder Rupturen. Bei deren Diagnose „kommt es ganz entscheidend darauf an, das Bogensehnen-Phänomen zu kennen“, erläuterte Dr. François Moutet vom Hôpital A. Michallon in Grenoble auf einem sportmedizinischen Symposium der Polytechnischen Universität Valencia. Bei dem „Bowstring“ genannten Phänomen tritt die Beugesehne am Finger deutlich hervor, wenn sie gegen Widerstand angespannt wird.

Am häufigsten kommt es laut Moutet zur Ruptur des A2-Ringbandes, vornehmlich am Mittel- oder Ringfinger.

Gerade bei letzterem sind die Hebelverhältnisse am ungüns-tigsten, wenn beim dynami-schen „Durchziehen“ an einem Griff oder beim Abrutschen der Füße plötzlich maximale Belastungen an nur zwei oder drei Fingern auftreten. Das laute Schnalzen bei einem Sehnenriss können oft sogar noch weiter entfernt Stehende wahrnehmen. Die Folgen sind in jedem Fall lokaler Druck-schmerz und Schwellung des Grundgliedes; bisweilen tritt auch ein Hämatom auf. Ist das

„Bowstring“-Phänomen ganz eindeutig, empfiehlt sich laut Moutet der operative Eingriff. Bestehen diagnostische Zwei-fel, sollte sonografisch oder aber mittels CT beziehungs-weise MRT näher abgeklärt werden.

Bei einem Eingriff wendet der Franzose häufig die Me-thoden nach Lister, Karev, Weilby/Kleinert und Doyle an. Danach muss der Patient für 45 Tage zum Schutz einen thermoplastischen Kunststoffring tragen, darf aber längst noch nicht zurück an die Kletterwand. Denn selbst wenn nach den etwa sieben Wochen, während derer unter Frühmobilisierung nur ein ganz einge-schränktes Rehabilitationsprogramm gefahren werden darf, die Fingergymnastik verstärkt wird, sind noch wei-tere 45 Tage äußerste Zurückhaltung mit Trainingsversu-chen angesagt. Erst nach 90 Tagen also darf wieder mit Sport begonnen werden. Doch bis der Kletterer wieder in der Wand hängt, ist sicher die doppelte Zeitspanne abzuwarten.

Bei konservativ versorgten Sehnenverletzungen wird in der Regel nach etwa 90 Tagen die Belastbarkeit wieder erreicht. Ob chirurgischer Eingriff oder nicht, so Moutet, sollte präventiv künftig kreuzweise über dem Band ge-taped werden. rom

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Häufige Verletzung beim Klettern: Ringband-Rupturen

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Lebensalter. Histologisch sind die na-mensgebenden Osteoklasten lediglich Begleitphänomen, die eigentliche Tumor-komponente ist die fibrozytäre Gerüst-struktur. In bis zu 10% der Fälle werden pulmonale Metastasen beschrieben, eine diesbezügliche präoperative Abklärung und spätere Nachsorge ist Pflicht. Der Spontanverlauf ist nicht absehbar, auch histologische Prognoseparameter existie-ren nicht. Ausgedehnte Läsionen bis hin zur Amputationsnotwendigkeit können vorkommen. Da der Riesenzelltumor histologisch vom so genannten „braunen Tumor“ bei Hyperparathyreoidismus nicht differenziert werden kann, sollte zusätzlich stets, aber vor allem bei mul-tiplen Läsionen, das Parathormon be-stimmt werden.

Der Tumor hat wie alle aggressiven benignen Läsionen ein signifikantes Re-zidivriskio nach intraläsionaler Resektion, weniger häufig nach marginaler und so gut wie nie nach weiter Resektion. In-traläsionale Eingriffe, wie sie standard-mäßig in dieser Tumorgruppe durchge-

Abbildungen 11a–c: Riesenzell-tumor der distalen Tibia bei einem 19-jährigen Patienten. Typische ausschließlich osteo-lytische Läsion, epimetaphysär exzentrisch gelegen. Therapie: Kürettage, Turbofräsung, Phe-nolisation und Spongiosaplastik mit Rekonstruktion der Gelenk-fläche

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führt werden, setzen eine ausgedehnte Freilegung voraus. Die „einfache“ Kü-rettage ist beim Osteoklastom als inadä-quat zu betrachten, die Rezidivquote liegt hier bei 50% und mehr. Kürettagen soll-ten stets durch lokal mechanisch aggres-sive Verfahren, wie die Turbofräsung und Lavage, ergänzt werden. Da extraläsio-nale Resektionen insbesondere bei den häufig gelenknahen Befunden zu inadä-quaten Funktionsverlusten führen kön-nen, muss zusätzlich eine lokal adjuvan-te Therapie zur Ausdehnung des Sicher-heitsabstandes erfolgen:

— Phenolisation, Ethanol— Methylmethacrylat (Knochenzement),— kryochirurgische Verfahren,— Kauterisierung.Diese gängigen chemischen und physi-kalischen Methoden der adjuvanten Lo-kaltherapie ersetzen nicht die subtile Präparation, finden in der Literatur je-doch eine weite Verbreitung und werden individuell unterschiedlich beurteilt. Mit den genannten Substanzen kann bei sorg-fältiger operativer Technik eine Reduk-

tion der Lokalrezidivrate auf zirka 10% erzielt werden.

Ein besonderes Augenmerk sollte bei den scheinbar „harmlosen“ Läsionen, auch der Weichteile, der differenzierten Diagnostik gelten. Die Biopsie und eine umfangreiche Bildgebung sind auch hier obligat. Die Unterschätzung der Aggres-sivität der Läsionen kann zum Lokal-rezidiv mit erheblicher Beeinträchtigung des benachbarten Gelenks bis hin zum Gelenkverlust führen.

Riesenzelltumoren zeigen auch noch nach mehr als fünf Jahren klinisch oft lange inapparente Lokalrezidive oder pulmonale Metastasen. Eine entspre-chende Anpassung der Kontrollzeiträume (mindestens zehn Jahre) ist zwingend notwendig.

Sonstige LäsionenHäufiger werden, meist als Zufallsbefun-de, ein oder mehrere ossäre Hämangio-me, zum Beispiel in den Wirbelkörpern, beschrieben. Es ist nicht ganz klar, ob diese Läsionen nicht vielmehr vaskulären Malformationen entsprechen und nicht neoplastischen Ursprungs sind. Eine Therapienotwendigkeit ergibt sich in der Regel nicht. Alle anderen benignen Tu-moren stellen seltene Befunde dar.

Literatur beim Verfasser

Prof. Dr. med. Hans Roland DürrLeiter Schwerpunkt Tumororthopädie,Orthopädische Klinik der LMU MünchenUniversitätsklinikum Großhadern,Marchioninistr. 15, 81377 München

Fortbildung Gutar tige Knochentumoren

FazitBenigne Knochentumoren erfordern in vielen Fällen keine Therapie. Bei den häufigen Exostosen sollte eine mög-liche Wachstumsdeviation beachtet werden. Insbesondere bei den chon-droiden Läsionen kann die Abgren-zung zum malignen Befund schwierig sein. Aggressive gutartige Läsionen, wie Riesenzelltumoren, Chondroblas-tome oder Osteoblastome, können zu erheblichen Destruktionen, schwierig zu therapierenden Lokalrezidiven und zur Metastasierung führen und soll-ten deshalb bevorzugt in spezialisier-ten Tumorzentren versorgt werden.