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Pestizide reduzieren - aber wie? Beiträge zur Reduktion des Pestizideinsatzes

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Pestizide reduzieren - aber wie?

Beiträge zur Reduktion des Pestizideinsatzes

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Zum Titelbild

Links oben: Rapsfeld in Noer an der Ostsee (Dr. Ina Walenda)

Links unten: Ackerrandstreifen bei Kiel (Angelika Elak)

Rechts: Stieglitz, Vogel des Jahres 2016 (NABU S-H)

NaturFreunde1

Impressum

HerausgeberNaturFreunde DeutschlandsLandesverband Schleswig-Holstein e. V.Lorentzendamm 1624103 KielTel. 0431 9828 [email protected]

SpendenkontoSparkasse MittelholsteinIBAN DE95 2145 0000 0001 0144 30BIC NOLADE21RDB

Konzeption, Redaktion und LayoutDr. Ina Walenda und Angelika Elak

Wir danken der Druckerei Einblatt, der Inhaberin Ulla Draeger, aus Kiel für ihre großar-tige Unterstützung bei der Bildbearbeitung.

TexteAusten, Dr. GuidoBent, SylviaBirk, JanBöhling, JohannElak, AngelikaHaffmans, SusanHohenschurz-Schmidt, RalphHeydemann, FritzKruse, Dr. Hermann

Maack, ThiloMahlke, IngaSilke SchwartauPackschies, MichaelPetersen, Dr. GertVoß, BerndWalenda, Dr. InaWehde, Gerald

Kiel, November 2017

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Inhaltsverzeichnis

Silent Spring 2.0?

Ralph Hohenschurz-Schmidt, De Immen.......................................................7

Droht unserer Agrarlandschaft ein 'stummer Frühling'?

Fritz Heydemann, NABU S-H...................................................................10

Schützen Grenzwerte für Pestizide unsere Gesundheit?

Dr. Hermann Kruse, Christian-Albrechts-Universität Kiel.................................15

Chemischer Pflanzenschutz und seine Risiken -

ein Umdenken ist überfällig

Susan Haffmans, Pestizid Aktions-Netzwerk................................................19

Teures Trinkwasser

Dr. Guido Austen,Verband Schleswig-Holsteinischer Energie- und Wasserwirtschaft................................................................22

Kluger Ackerbau geht ohne Gift

Dr. Ina Walenda, NaturFreunde S-H..........................................................24

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Pestizide reduzieren

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Wie kann eine Pflanzenschutzabgabe wirken?

Bernd Voß, Agrarbündnis......................................................................28

Stopp dem Schmuggel illegaler Pflanzenschutzmittel

Silke Schwartau, Verbraucherzentrale HH..................................................31

Vom Winde verweht

Gerald Wehde, Bioland........................................................................34

Solawi – eine Lösung für Vieles

Inga Mahlke, Schinkeler Höfe.................................................................36

Ethoxyquin - verbotenes Pestizid in Aquakulturen

Thilo Maack, Greenpeace......................................................................38

Pestizide in Privatgärten - vollkommen überflüssig

Angelika Elak, NaturFreunde S-H.............................................................40

Stadt Eckernförde - 30 Jahre Herbizidverzicht

Sylvia Bent und Michael Packschies, Stadt Eckernförde..................................43

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Pestizide reduzieren

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NaturFreunde

Pestizide reduzieren

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Stadt Preetz - der Verzicht auf Pestizide fällt leicht

Jan Birk, Stadt Preetz..........................................................................45

Naturnahe Forstwirtschaft in Schleswig-Holstein

Johann Böhling, Schutzgemeinschaft Deutscher Wald....................................47

Offizielle Maßnahmen zum Schutz von Mensch und Umwelt

Dr. Gert Petersen, Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung......................................................................49

Pestizide reduzieren - was getan werden muss

Dr. Ina Walenda und Angelika Elak, NaturFreunde S-H...................................52

Online-Umfrage: Pestizide im Garten?

NaturFreunde S-H..............................................................................56

NaturFreunde laden ein: Runder Tisch “Pestizide reduzieren”

NaturFreunde S-H..............................................................................57

Wer wir sind

NaturFreunde S-H..............................................................................58

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Pestizide reduzieren

Liebe Leserinnen und Leser,

mit dieser Broschüre haben wir E perten aus Verei-nen, Institutionen, Kommunen und der Landesre-gierung gebeten, ihre Vorstellungen zur Reduktionder Anwendung chemisch-synthetischer Pflanzen-behandlungsmittel darzustellen und ihre gutenGründe zu erl utern. Dafür danken wir allen Auto-ren und Autorinnen ganz herzlich.In den Beitr gen geht es um mit dem Pestizidein-satz verbundene e terne Kosten, Forderungen zugesetzlichen Regelungen, den Schmuggel von ille-galen Pflanzenbehandlungsmitteln, eine Gef hr-dung von Insekten und Vögeln durch Spritzmittel,ihre unnötige Anwendung in Hausg rten, die Beson-derheiten der Forstwirtschaft, den Unkrautver-nichter Glyphosat, um die Probleme des ko-Landbaus mit seinen konventionell wirtschaftendenNachbarn, um alternative Produktionsmethodenwie die Solidarische Landwirtschaft am Beispiel derRegion Schinkel und um eine Pestizidabgabe.Auf den ersten Blick erleichtern Pestizide die Be-wirtschaftung der Felder, vor allem machen sie den

Ackerbau kostengünstiger für die landwirtschaft-lichen Betriebe. Und so wird seitens der Befürwor-ter gern mit günstigen Lebensmitteln für alle argu-mentiert. Dennoch schwindet die gesellschaftlicheAkzeptanz des Einsatzes von Pestiziden. Nicht zuletzt hat die öffentliche Diskussion ummögliche gesundheitliche und ökologische Gefahrendes am meisten eingesetzten Mittels Glyphosat denPestizideinsatz noch weiter in Verruf gebracht. Aberauch die zum Beizen des Saatgutes verwendetenNeonicotinoide, angesehen als eine Hauptursachefür das Bienensterben, stellen einen Gifteinsatzmehr und mehr in Frage. Die vermeintlich billigenLebensmittel kosten mehr Geld an anderer Stelle,so bei der Trinkwasseraufbereitung und werdendadurch statt von den Verursachern von uns allengetragen. Mit Blick auf mögliche Gesundheitsgefahren - inFrankreich ist die degenerative HirnerkrankungMorbus Parkinson als Berufskrankheit für Landwirteanerkannt - und ökologische Sch den zahlt sich die

NaturFreunde nach getaner Arbeit: Mechanische Bek mpfung des Großen B renklaus (Herkulesstaude)in Wattenbek im Mai 2017

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Anwendung für die Gesellschaft als ganze ohnehinnicht aus. udem sind Resistenzen infolge desgroßfl chigen Einsatzes ein nicht mehr zu überse-hendes Problem in der Pra is.Für den Einsatz im Garten heißt es im Magazin einergroßen Baumarktkette, welche von einer Privatan-wendung abr t: Es geht auch ohne Chemie .Diese empfieht Hitze statt Spritzmittel, Vlies-Ma-terialien, Hacken und rückenfreundliche Unkraut-stecher. Eine andere Baumarktkette wirbt bei ihrenKunden erstmals mit Neonicotinoid-frei erzeugtenierpflanzen. In den über 1100 Kommunen in

Schleswig-Holstein sind chemisch-synthetische Mit-tel auf öffentlichen Fl chen ohnehin seit Jahrenverboten, leider sind Ausnahmen noch möglich. Nicht voran in Richtung Pestizidreduktion geht esin der Landwirtschaft. war gibt es Reduktionspro-gramme wie den in 2003 in Kraft getretenen Na-tionalen Aktionsplan zur Reduktion des Pestizid-einsatzes (NAP). Doch aufgrund unkonkreter Vor-gaben hat er sich in vorhersehbarer Weise alswirkungslos erwiesen. In den Absatzzahlen der

chemischen Industrie spiegeln sich diese Vorgabendaher auch nicht wieder. Der Pestizidabsatz ist un-ver ndert hoch oder sogar noch gestiegen. udemstellen die Behörden Jahr für Jahr immer wiederVerstöße gegen die gute fachliche Pra is derPflanzenschutzmittelanwendung fest. Da sowohlPersonal zur Kontrolle als auch abschreckendeStrafbew hrungen fehlen, hat sich daran über dieJahre hinweg kaum etwas ge ndert. Hier bestehtdringender Handlungsbedarf. Die NaturFreunde stehen für Felder, öffentlicheFl chen und G rten ohne Agrarchemikalien. Die Ar-tikel dieser Broschüre benennen Argumente undWege dahin. Mögen die Inhalte auch die politischenEntscheidungstr ger erreichen. Die Rahmenbedin-gungen für die Landwirtschaft müssen endlichdahingehend umgestaltet werden, dass sich einepestizidfreie, ökologische Bewirtschaftungsweiserentiert und damit Standard eglicher land-wirtschaftlicher Bewirtschaftung werden möge. Imprivaten und öffentlichen Bereich können wir schonetzt ganz auf Pestizide verzichten.

LandesvorstandDieter Neumann

Pro ektleitungAngelika Elak

Gesch ftsführungDr. Ina Walenda

NaturFreunde

Pestizide reduzieren

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Wir wünschen uns Interesse an den Beitr gen und freuen uns über Rückmeldungen unter [email protected],

Ihre NaturFreunde im Landesverband Schleswig-Holstein.

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Pestizide reduzieren

Silent Spring 2.0?

Ralph Hohenschurz-Schmidt

An einem Montag im Sommer 2016 erhielt der Redakteur im Schleswig-HolsteinischenZeitungsverlag einen ungewöhnlichen Anruf. Am Telefon war ein Herr mittleren Alters,der ihm Folgendes mitteilte: „Seit mehr als 25 Jahren bin ich begeisterter Motorrad-fahrer und ich liebe es, an warmen Sommertagen gemütlich durch die Landschaft zufahren. Gestern war so ein Tag. Als ich abends zuhause ankam, war etwas nicht so wiesonst. Zunächst wusste ich nicht, was es war. Doch als ich meinen Motorradhelm beiseitelegte, erkannte ich den Unterschied: Anders als bei früheren Touren waren Windschutzund Helm fast sauber. Kaum ein Insekt bzw. dessen Überreste waren darauf zu sehen“.

Der Hobbybiker, der sich bisher wenig Gedankenüber die Lebensbedingungen von Insekten gemachthatte, wurde auf seine Weise mit der traurigen Re-alität konfrontiert: Die Menge, aber auch die Arten-vielfalt an Insekten ist in den letzten Jahrendramatisch gesunken. Den Motorradmann beein-druckte seine neue Erfahrung so sehr, dass er amFolgetag seines Sonntagsausflugs bei der Lokal-zeitung anrief und seine Geschichte erzählte. DemZeitungsredakteur ging es wohl ebenso, denn erschrieb über diese Begebenheit einen Artikel.Erleben wir in Deutschland gerade eine Neuauflagevon „Silent Spring“? Die Amerikanerin Rachel Carson wies in ihrem legendären populärwissen-schaftlich geschriebenen Buch aus den frühen 60ernanhand einer Fülle von Daten und Fakten aufgravierende Umweltprobleme als Folge einesungezügelten Einsatzes synthetischer Pestizide in

der Landwirtschaft hin. Sie klagte die chemische In-dustrie der Durchführung einer Desinformations-kampagne an und die Politik, die Positionen derIndustrie allzu leichtfertig als ihre eigenen zu über-nehmen. Trotz intensiver Lobbyarbeit seitens derIndustrie gegen die Wissenschaftlerin blieben dieBilder, die sie zeichnete, in der politischen Öffent-lichkeit präsent. Carson´s stummer Frühling, einFrühling ohne Vogelgezwitscher, ebnete in den USAden Weg zum Verbot des Ultragifts DDT. Das Ultra-gift von heute heißt Glyphosat. Anders als DDTtötet die chemische Verbindung aus der Gruppe derPhosphonsäuren keine Insekten, als Totalherbizidaber alles pflanzliche Leben bis auf wenige Ausnah-men. Mithilfe der Gentechnologie werden Nutz-pflanzen immun gegen die Wirkung des Giftsgemacht. Glyphosat in Verbindung mit genverändertemSaatgut ist daher seit Jahrzehnten ein Milliar-dengeschäft für Bayer, Monsanto, Syngenta und Co.Pflanzen, Blühpflanzen im Besonderen, stehen amAnfang der Nahrungskette. Pflanzen sind für Insek-ten unverzichtbar, als Nahrungsquelle, als Lebens-raum und für die Fortpflanzung. Ohne Pflanzen gibtes keine Insekten und ohne Insekten keine Vögel,Fische und Säugetiere. Diese Gleichung ist einfach.Und sie ist lange Zeit aufgegangen, mit den bekann-ten Folgen für Flora und Fauna. Die EuropäischeKommission hat in 2016 nach heftiger öffentlicherDiskussion eine Kehrtwende vollzogen. Die Zulas-sung von Glyphosat wurde nur um 18 Monate bisEnde 2017 verlängert. Geplant waren weitere15 Jahre. Und nun ist sogar ein vollständiges Verbot

Neonikotinoide schädigen Honigbienen

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nicht mehr auszuschließen. Wiederholt sich hierGeschichte? Selbst wenn es zu einem Verbot von Glyphosat kom-men sollte, droht der Insektenwelt weiterhinUngemach. Im konkreten Fall ist das Problem keinEinzelgift, sondern gleich eine ganze Gruppe vonchemischen Verbindungen, die die Agrarchemie er-sonnen hat: Die Neonicotinoide. Traurige Berühmt-heit erlangten die „Neonics“ im Frühjahr 2008, alses in der badischen Rheinebene zu einem massivenBienensterben kam. Berufs- und Hobbyimker er-lebten den schlimmsten Verlust an Bienenvölkernseit Jahrzehnten. Schnell zeigte sich, dass einefehlerhafte Beizung von Saatmais mit diesenhochwirksamen synthetischen Insektiziden derGrund für das Bienensterben war. Neonicotinoidewirken auf die Nervenzellen von Insekten weitstärker als auf die von Wirbeltieren, daher galtensie lange Zeit als ein großer Fortschritt im Pflanzen-schutz. Mittlerweile ist klar, dass diese Gruppe von

Insektenvernichtungsmitteln nicht selektiv aufSchadinsekten wirkt. Alle Insekten werden mehroder weniger stark in Mitleidenschaft gezogen -auch und gerade die Honigbienen. Seit Jahrenberichten selbst erfahrene Imker von unerklär-lichen Völkerverlusten. Das optische Phänomen sinddabei keine toten Bienen am Bienenstock, sondernleere Kästen schon im Herbst. Während Herstellerund Anwender der Insektengifte eine fehlerhafteBekämpfung der parasitären Varroamilbe als Verur-sacher des rätselhaften Völkersterbens rekla-mieren, ist der Neurobiologe Prof. Randolf Menzelvon der Freien Universität Berlin ganz anderer Mei-nung. Er verweist darauf, dass bereits geringsteMengen dieser in der Landwirtschaft und im pri-vaten Bereich massenhaft eingesetzten Mittel dasVerhalten von Insekten beeinflussen. Im konkretenFall der Honigbiene bedeute dies, dass Individuen,die in Kontakt mit Neonicotinoiden kommen, dieOrientierung verlieren und nicht mehr zurück zu

Diesen Bienen geht es gut. Wir Imker tragen dazu bei, indem wir unsere Betriebsweise auf die Bedürfnisseder Bienen ausrichten. Vor allem Neonicotionoide sind ein Problem.

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Pestizide reduzieren

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ihrem Stock finden. Die Folge sind leere Bienenbe-hausungen - und saubere Motorradhelme. Die Ho-nigbiene ist die bekannteste Vertreterin von zirka570 Wildbienenarten, die allein in Deutschlandvorkommen. Davon gilt nur noch ein Drittel als inihrem Bestand gesichert, 70 Prozent stehen auf derRoten Liste. Bienen tragen über ihre Befruchtungs-leistung weltweit pro Jahr zirka 200 Milliarden Eurozur Wertschöpfung bei, denn 40 Prozent derNahrungsmittelerzeugung hängen von ihnen ab.Etwa 80 Prozent aller Pflanzen sind auf Insekten alsBestäuber angewiesen.Es war wohl die Fülle an Fakten, die die EU-Kom-mission vor dreieinhalb Jahren dazu bewog, vierder umstrittenen Nervengifte für bestimmte An-wendungen zu verbieten. Seit dieser Zeit laufen dieInteressenverbände der Agrarchemie und derDeutsche Bauernverband Sturm gegen das Verbot.

Die deutschen Konzerne Bayer Cropscience undBASF sowie ihr schweizer Pendant Syngenta habendie EU-Kommission sogar verklagt. Es geht um ihrKerngeschäft, das die Global Player durch das Ver-bot bedroht sehen. In 2017 begann vor dem Eu-ropäischen Gerichtshof in Luxemburg die erste vondrei mündlichen Verhandlungen. Drei Imkerver-bände des Bündnisses zum Schutz der Bienen wur-den bei diesen Verfahren als Prozessbeteiligtezugelassen. Auch der norddeutsche Verein für einewesensgemäße Bienenhaltung „De Immen“ be-teiligt sich finanziell. Zusammen mit Fachanwältenund der wissenschaftlichen Task Force des Bünd-nisses unterstützt das Bündnis die Position der EU-Kommission in dem Gerichtsverfahren. DasVerfahren umfasst 6.000 Seiten Schriftsätze von In-dustrie und Kommission. Der Prozess hat das Zeug,zu einem internationalen Präzedenzfall zu werden,denn das Gericht muss nicht nur prüfen, ob die Ein-schränkung der Genehmigungen aus Gründen desUmwelt- und Bienenschutzes rechtmäßig war, undob den Chemiekonzernen Schadenersatz für ent-gangene Gewinne in Milliardenhöhe zusteht. AmBeispiel der Bienen geht es auch um die wichtigenGrundsatzfragen der Rechtssicherheit vonForschung und Innovation und darum was schwererwiegt, der Schutz unternehmerischer Investitionenund Ertragserwartungen oder das Wohl von Kon-sumenten, Natur und Umwelt. Aus Sicht von DeImmen gibt es nur einen Weg aus der Misere: eineökologische Bodenbewirtschaftung - in der Land-wirtschaft, in der Forstwirtschaft, in dergewerblichen, aber auch in der privaten Garten-und Grünflächenbewirtschaftung.

Ralph Hohenschurz-SchmidtDiplom-BiologeDe Immen e.V.c/o Thorsten LilientalHaselberg 1124357 [email protected] immen.de

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Pestizide reduzieren

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Droht unserer Agrarlandschaft ein 'stummer Frühling'?

Fritz Heydemann

Wo der herrliche Gesang der Vögel erschallte, ist es merkwürdig still geworden. Diegefiederten Sänger sind äh verstummt Schönheit, Farbe und der eigene Reiz, die sieunserer Welt verleihen, sind ausgelöscht. Mit dramatischen Worten untermalte dieamerikanische Biologin Rachel Carson ihre Warnungen vor den verheerenden Auswirkun-gen des Insektizids DDT und seiner Verwandten auf die Umwelt. Dass ihr 1962 in den USAund bald darauf in Deutschland erschienenes Buch den Titel „Silent Spring“ ("Der stummeFrühling") trug und in vielen Passagen Singvögel als Opfer eines fahrlässigen und allzugroßzügigen Umgangs mit Pestiziden vorstellte, war für die nicht nur leidenschaftlichengagierte, sondern auch durchaus wissenschaftlich akribisch recherchierende Autorinbewusst gewähltes Stilmittel: Singvögel sind den meisten Menschen ans Herz gewachsen,so dass sich Botschaften mit ihrem Schicksal -hier Vergiftung - besonders gut trans-portieren lassen. Zudem sind Biologie und Ökologie vieler Vogelarten außerordentlichgut untersucht, so dass Carson ihre Thesen vom gravierenden Einfluss der damals haupt-sächlich verwendeten Pestizide auf viele wissenschaftliche Erkenntnisse aufbauen konn-te. Ihr Buch löste denn auch heftige politische Debatten aus, stärkte dasUmweltbewusstsein in Amerika und Europa und trug letztlich nicht nur zum Verbot desDDT in den USA und Deutschland bei, sondern veranlasste die Öffentlichkeit auch zueinem kritischeren Blick auf die Verheißungen und Unbedenklichkeitsatteste der Agrar-chemie.

Die chlorierten Kohlenwasserstoffe, zu denen DDT,Lindan, Dieldrin und andere gehören, wirken aufviele Organismengruppen unmittelbar toxisch. Siesind äußerst persistent und reichern sich über dieNahrungskette an, wodurch neben den Zielobjektenwie Nutzpflanzenschädlinge oder Malariamückenauch andere Arten wie Vögel stark betroffen wer-den. Die Biozidkontamination führte beim Wander-falken zu Unfruchtbarkeit oder sogar zum Tod.Neben der direkten Verfolgung und der illegalenEntnahme von Jungvögeln zur Beizjagd verursachtedie schleichende Pestizidvergiftung in Deutschlandfast das Aussterben dieser großen Falkenart. In den1970er Jahren untersuchte Seeadlereier wieseneine erhebliche Kontamination mit DDE, einemhochtoxischen Metaboliten des DDT, auf, vermut-liche Ursache für den damals geringen Bruterfolg.Dies zeigte sich nicht nur für Schleswig-Holstein,sondern auch bei den Seeadlerpopulationen Finn-lands und Schwedens. Auch die Eier von Rohrweihe,Habicht und Sperber wiesen hohe Rückstände an

DDE und anderen Bioziden auf. Betroffen waren vorallem Greifvogelarten, deren Nahrung vollständigoder zu einem größeren Teil aus Vögeln besteht, dieals Beutetiere höher belastet waren als Mäuse, derHauptnahrung von Mäusebussard und Turmfalke.Allerdings lagen die Werte bei diesen Arten, andersals beim Seeadler, noch unter einer für denFortpflanzungserfolg kritischen Größenordnung.Kamen in früheren Jahrzehnten Vergiftungen vonVögeln als Nebeneffekte des Pestizideinsatzes auchin Deutschland häufig vor, wird jetzt bei allen zuge-lassenen Pflanzenbehandlungsmitteln die dies-bezügliche Unbedenklichkeit für Vögel und andereWarmblüter hervorgehoben. Schließlich sollen dieheute eingesetzten Mittel ihre Toxizität nurbezüglich der zu bekämpfenden Schadorganismenentfalten, sollen schnell und ungefährlich abbaubarsein und sollen Anwendungsvorschriften ungewollteNebenwirkungen verhindern, lassen Agrar-chemiebranche, Zulassungsbehörden und Bauern-verband einhellig verlauten. Tatsächlich ist die

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Schadstoffbelastung in Eiern und Organen vonVögeln deutlich zurückgegangen. Ausnahmen bildenallerdings manche Zugvögel, die in ihren Überwin-terungsgebieten nach wie vor z.B. zur Malariapro-phylaxe verwendete Chlorkohlenwasserstoffe mitder Nahrung aufnehmen. Doch damit hat die vonRachel Carson für die Umweltbelastung durch Agro-chemikalien gewählte Metapher des 'stummenFrühlings' keineswegs an Aktualität verloren. Die Situation der Vogelwelt unserer Agrarlandschaftist derzeit so dramatisch wie nie zuvor. Wo lässtsich noch das Lied der Feldlerche hören? DieFeldlerche war bis in die 1950er Jahre die häufigsteBrutvogelart Schleswig-Holsteins, stand geradezufür den Einzug des Frühlings auf dem Lande. Vorallem etwa seit den 1970er Jahren ist ein Rückgangvon über 90 Prozent zu verzeichnen, der immernoch anhält. Damit gehört die Feldlerche zu denVogelarten, deren von der EU-Vogelschutzrichtliniegeforderter 'guter Erhaltungszustand' in weite Fer-ne gerückt erscheint. Diese rasante Negativentwicklung ist bei fast allenVogelarten der Agrarlandschaft zu erkennen,darunter selbst bei immer noch als 'Allerweltsarten'angesehenen Arten wie Goldammer, Bluthänflingund Star. Von den hauptsächlich in der Agrarland-schaft lebenden Vögeln sind mit 45 Prozent, unterBerücksichtigung der Vorwarnliste sogar 80 Prozent,überproportional viele in der Roten Liste derBrutvögel Deutschlands (Stand 2007) vertreten.

Selbst wenn man die durch quantitative und quali-tative Verluste von Feuchtgrünland besonders starkbetroffenen Vögel wie Uferschnepfe, Kiebitz undWachtelkönig herausnimmt, lässt sich für kaum eineArt eine Bestandsstabilität feststellen. Von den 30häufigsten Feldvogelarten Deutschlands konntenseit 2007, dem Jahr des Fortfalls der obliga-torischen EU-Flächenstilllegung, nur Fasan, Wiesen-schafstelze, Raben- und Nebelkrähe ihren Bestandhalten, so ein ornithologischer Alarmruf aus demJahr 2012. Mittlerweile befindet sich auch dieSchafstelze, die seit Ende der 1980er Jahre ver-stärkt Ackerflächen besiedelte, dort wieder aufdem Rückzug. Die Vogelgruppen anderer Lebensraumtypenkom-plexe wie Wald, Binnengewässer und Siedlungsraumsind zwar auch in Abnahme begriffen - aber nichtso stark wie die Vögel der Agrarlandschaft. Die Be-standsdichte der als Lebensraumindikator gewähl-ten Feldvogelarten beträgt im Schnitt nicht einmaldie Hälfte des Wertes von 1970, also einer Zeit, inder Chlorkohlenwasserstoffe und andere auf Vögelunmittelbar toxisch wirkende Pestizidverbindungennoch verbreitet im Einsatz waren. Zudem hat sichdieser Trend in den letzten zehn Jahren deutsch-landweit noch verschlechtert. Auch in den andereneuropäischen Staaten ist diese besorgniserregendeEntwicklung auffällig. Die Ursache für den rapidenRückgang der Vogelwelt in der Feldmark liegtzweifelsohne in der bislang ungebremsten Inten-

Der Stieglitz (links) benötigt als Samenfresser Feldraine und Brachen. Noch vor wenigen Jahren warenSchafstelzen (rechts) häufig auf Ackerschlägen zu beobachten.

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sivierung der Landwirtschaft. An diesbezüglichgravierenden Faktoren sind für die letzten 20 Jahrehauptsächlich die Entwässerung von Feuchtgrün-land, der Verlust und die ökologische Verarmungvon Dauergrünland, die über die Kulturflächen aufdie randlichen naturnahen Biotope (z.B. Knicks,Wegraine) hinausreichende Eutrophierung, derFortfall der Marktordnungsbrache sowie die rapideZunahme des Anbaus nachwachsender Rohstoffe (z. B. Energiemais) zu nennen. Doch auch der nachwie vor massive Biozideinsatz ist ein gravierendnegativ auf die Vogelwelt einwirkender wirksamerFaktor. Pestizide entziehen Vögeln die Nahrungsbasis.So sind in Schleswig-Holstein "große Flächen mit in-tensiver Acker- und Grünlandwirtschaft zur Brutzeitnahezu vogelleer", wie es die aktuelle Rote Listeder Brutvögel Schleswig-Holsteins (2010) mitdrastischen Worten ausdrückt. In hohem Maßemitverantwortlich für die 'Talfahrt' sind nicht etwaVergiftungserscheinungen. Sie bilden bei Vögeln in-zwischen die absolute Ausnahme, vom gezielten,gegen Krähen, Habichte und Bussarde als ver-meintliche 'Niederwildschädlinge' oder gegenSeeadlerbrutvögel als mögliche 'Windenergieverhin-derer' gerichteten Auslegen von mit Carbofuran,Dichlorvos oder einem anderen bereits in geringerKonzentration auf Vögel toxisch wirkendem, mitt-lerweile verbotenem Pestizid bestrichenen Ködern- illegal und strafbar und dennoch immer wieder

vorgenommen - mal abgesehen. Stattdessen leidendie Vögel der Feldmark unter eklatantem Nahrungs-mangel, Folge vor allem der höchst effizienten In-sektenvernichtung durch Pestizide. Die Jungvögelmüssen ausnahmslos mit tierischer Nahrung, weilenergie- und eiweißreich, versorgt werden. Auchdie Altvögel ernähren sich zur Brutzeit hauptsäch-lich von Insekten und anderen Wirbellosen, selbstbei ansonsten weitgehend Pflanzensamen undBeeren fressenden Arten. Der andauernde Pes-tizideinsatz hat die Zahl der Insektenindividuen in-zwischen jedoch so weit reduziert, dass immer we-niger Vogelbruten aufgezogen werden können bzw.Bruten gar nicht erst begonnen werden. So ergabenUntersuchungen des Entomologischen Vereins Kre-feld und des NABU Nordrhein-Westfalen einen Rück-gang der Masse fliegender Insekten innerhalb dervergangenen 20 Jahre von durchschnittlich 80 Prozent. Vergleiche mit Forschungsergebnissenzur Häufigkeit von Insekten in den 1950er und1960er Jahren zeigen noch viel dramatischereRückgänge auf.Zu ähnlicher Erkenntnis dürfte auch jeder etwas äl-tere Autofahrer gelangt sein: Musste man vor 20,30 Jahren noch nach der Fahrt an einem lauen Som-merabend die zahllosen Insektenleichen von derWindschutzscheibe waschen, ist es heute fast schonein Ereignis, wenn einem mal ein Falter oder Käfergegen die Scheibe prallt. Im Hinblick auf die vielenanderen Faktoren, die Feldlerche, Goldammer und

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Ehemals der häufigste Vogel, heute fast eine Rarität - die Feldlerche (links). Selbst Stare (rechts) sinddeutlich zurückgegangen.

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Pestizide reduzieren

Co. das Leben im landwirtschaftlich genutztenRaum erschweren, mag es kaum möglich er-scheinen, den Einfluss der Pestizide zu extrahieren.Doch 2014 gelang einer niederländischenForschungsgruppe am Beispiel des Pflanzenbehand-lungsmittels Imadacloprid der Beweis, dass Vögelinfolge gebräuchlicher Insektizidanwendung regel-recht 'verhungern'. Sie haben über viele Jahre dieBestandsentwicklungen von 15 verschiedenen Sper-lingsvogelarten untersucht, von denen sich neunArten von Insekten ernähren und die alle ihre Jun-gen mit Insekten füttern. Die Wissenschaftler stell-ten fest, dass ab einer bestimmten Imada-cloprid-Konzentration im Oberflächenwasser, Indizfür den erfolgten Einsatz dieses Insektizids, die Vo-gelbestände im Schnitt um 3,5 Prozent jährlichgesunken sind. Imadacloprid gehört zur Gruppe derNeonicotinoide, die auf das Nervensystem aller In-sektenarten wirken, angeblich aber Wirbeltierenicht schädigen, weswegen diese systemisch wirk-ende, seit 1985 entwickelte Biozidgruppe lange Zeitals 'umweltfreundlich' gepriesen wurde. Allerdingsliegen Nachweise britischer Forscher vor, dassNeonicotinoide auch bei Vögeln zu Schädigungen

von Nervensystem, Immunabwehr und Frucht-barkeit führen können. Eine unmittelbar letal-toxische Wirkung wurde beider Aufnahme von gebeiztem Saatgut festgestellt.Imadacloprid gehört seit Mitte der 1990er Jahre zuden weltweit am meisten angewendeten Pes-tiziden. Neonicotinoide werden häufig über dasSaatgut verabreicht, wobei der Wirkstoff allePflanzenteile erreicht, sogar Pollen und Nektar, sodass selbst blütenbesuchende Insekten wie Bienengeschädigt werden. Die Neurotoxine können mehrals drei Jahre chemisch wirksam bleiben, reichernsich im Boden an und können auf diese Weise selbstdie Vegetation von Bracheflächen infizieren. Wegenihrer Bienengefährlichkeit sind die Zulassungen fürdie gebräuchlichsten Neonicotinoide in der EU vor-erst ausgesetzt worden. Andere Insektizide wie ausder Gruppe der Pyrethroide vernichten die Insek-tenfauna allerdings gleichermaßen nachhaltig ne-gativ, so dass eine Entspannung der Situation selbstbei einem endgültigen Verbot sämtlicher Neonicoti-noide nicht zu erwarten wäre. Problematisch sind außerdem trotz verbesserterTechnik Abdriftungen versprühter Insektenbekämp-fungsmittel auf Wegraine, Saumstreifen und Knicks,wo sie ebenfalls die Insektenfauna dezimieren.Auch Herbizide tragen zum Rückgang der Vogelweltbei. Neben Insektiziden entfalten auch Herbizideindirekt eine negative Wirkung auf Feldvögel. Durchdas Wegspritzen der Ackerbegleitflora verlierenArten wie Rebhuhn, Hänfling und Stieglitz, die alsausgewachsene Vögel überwiegend Samen verzeh-ren, ihre Nahrungsgrundlage. Vor allem in denbesonders heftig mit Herbiziden behandelten Mais-feldern bleiben inzwischen sogar die hauptsächlichan Hängen zu findenden Störstellen sowie Rand-bereiche ohne jeglichen Wildkrautbewuchs. Offen-bar ist der im Boden befindliche Samenvorrat er-schöpft. Auch bei Herbiziden ergibt sich das Pro-blem der Abdriftung auf die Vegetation der Rand-strukturen. Im Zusammenwirken mit der im land-wirtschaftlichen Raum allgegenwärtigen Eutro-phierung durch Stickstoffeinträge wird der Bewuchsvon Feldrainen und Knickböschungen zunehmendvon hochwüchsigen, schnell regenerationsfähigenund verhältnismäßig resistenten Gräsern undBrombeeren geprägt. Insektenblütige, samentra-gende Kräuter werden dagegen eliminiert. Zudem

Auch die Goldammer ist als Feldvogel durch Agrar-chemikalien gefährdet

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Pestizide reduzieren

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Fritz HeydemannStellv. NABU-LandesvorsitzenderNaturschutzbund Schleswig-Holstein e. V.Färberstr. 5124534 NeumünsterTel. 04321 [email protected]

werden im feucht-schattigen Mikroklima derdichten Vegetation die Lebensbedingungen für vieleInsektenarten ungünstig. Ein ganz anderer mittelbarer Effekt ist – nebenNahrungsmangel – wesentlich für den Rückgang derFeldlerche verantwortlich: Lerchen benötigen zumBrüten eine relativ lockere Vegetation, die sie inden heutigen Raps- und Getreidefeldern nicht mehrvorfinden. Diese Feldfrüchte können nur deshalb sodicht stehend aufwachsen, weil der sonst zu er-wartende Pilzbefall durch Fungizide verhindertwird. In den zur Vermeidung von Pilzkrankheitenetwas schütter stehenden Getreideschlägen derBiobetriebe fühlt sich die Feldlerche hingegen sehrwohl. So ergaben ornithologische Untersuchungenauf Feldern des Biolandbetriebs Hof Ritzerau einenmehr als zehnmal so hohen Feldlerchenbestand alsauf umliegenden konventionell bewirtschaftetenÄckern, weil das Getreide dort mit größerem Rei-henabstand eingedrillt wurde, aber auch wegen deraufgrund des Pestizidverzichts reichhaltigen Insek-tenvorkommen. Gemäß der EU-Verordnung 1107/2009 ist die Biodi-versität, also auch der Erhalt der Vogelbestände,ein eigenständiges Schutzgut, auf das Risikobewer-tungen bei der Zulassung von Pflanzenbehand-lungsmitteln erfolgen müssen. Die Risikobe-wertungen beziehen sich zur Zeit aber aus-schließlich auf unmittelbar toxische Wirkungen.Vorgaben und Verfahren zur Berücksichtigung indi-rekter Effekte auf das Ökosystem, wie sie für Insek-ten- und Vogelwelt entscheidend sind, fehlen.Diese Lücke ist nach Auffassung des NABU unbe-dingt zu schließen.Die EU-Vogelschutzrichtlinie verlangt für alle eu-ropäischen Vogelarten einen ‚guten Erhaltungszu-stand‘, wobei die Mitgliedsstaaten regelmäßig überdie Bestandsentwicklungen zu berichten haben. Das

dafür erforderliche Monitoring zeigt auch fürSchleswig-Holstein auf: Die Situation der Agrarvögelist alarmierend und entfernt sich bei immer mehrArten vom guten Erhaltungszustand. Mit der Na-tionalen Biodiversitätsstrategie, fußend aufentsprechenden internationalen Vereinbarungen,versucht die Bundesregierung, diesem Abwärts-trend entgegenzutreten. Bis 2020 soll der Arten-rückgang gestoppt werden, so das hehre Ziel. Dassdieses gerade für die Vogelwelt unserer Kulturland-schaft illusorisch ist, geht unter anderem aus demvom Bundesumweltministerium herausgegebenen„Indikatorenbericht 2014 zur Nationalen Strategiezur biologischen Vielfalt“ hervor. Im übrigen hatsich auch das Land Schleswig-Holstein mal an einerBiodiversitätsstrategie versucht. Der dazu 2009 er-stellte Entwurf verwies zwar auf die hohen Biodi-versitätsverluste in der Agrarlandschaft, ver-zichtete hierzu jedoch auf effiziente Maßnahmen-empfehlungen – und verschwand dann schnell in derSchublade. So werden die Vogelbestände unserer Kulturland-schaft absehbar weiter ausgedünnt, wird der‚stumme Frühling‘ Realität werden. Der anhaltendintensive Pestizideinsatz ist daran maßgeb-lich beteiligt. Zwar können Ökobetriebe und Natur-schutzflächen als ‚Rettungsinseln‘ für Rebhuhn,Wachtel, Braunkehlchen, Feldlerche und anderefungieren – den auf breiter Fläche ungebrems-ten Rückgang dieser noch vor 50 Jahren häufigenArten werden aber auch sie nicht aufhalten können.Für den “guten Erhaltungszustand”, wie ihn die EU-Vogelschutzrichtlinie für alle europäischen Vo-gelarten verlangt, von dem sich aber die Bestands-entwicklung gerade der Feldvögel auch inSchleswig-Holstein immer weiter entfernt, ist einedrastische Einschränkung der Biozidanwendungunumgänglich.

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Schützen Grenzwerte für Pestizide unsere Gesundheit?

Dr. Hermann Kruse

Die Anwendung von Schädlingsbekämpfungsmitteln ist umfassend und europaweit seit2013 durch die EU-Verordnung Nr. 528/2012 geregelt. Für die Zulassung eines Wirkstoffesist es notwendig, dass neben der Risikobewertung für Mensch und Tier auch dieAuswirkungen auf die Umwelt untersucht werden. Bezüglich der gesundheitlichen Be-wertung der Wirkstoffe ist in Deutschland das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR)federführend. Risiken für die Gesundheit können von Rückständen der Pflanzen-schutzmittel in der Nahrung ausgehen. Aus toxikologischer Sicht haben die Fungizide(Schutz vor Schimmelpilzbefall), die Herbizide (Pflanzenvernichtungsmittel) und die In-sektizide (Insektenvernichter) die größte Bedeutung.

Ihre Anreicherung in Pflanzen und Tieren (Akkumu-lation) ist abhängig von der Schnelligkeit des Ab-baus in der Umwelt, ihrer Löslichkeit in Fetten undihrer Möglichkeit, sich an Zellmembranen zu bin-den. Die besonders gute Anreicherung derchlorhaltigen organischen Biozide wie DDT, Lindan,Dieldrin, Chlorpyriphos und anderen in den Nahr-ungsnetzen führte in den 70er Jahren des 20. Jahr-hunderts zum Verbot dieser Stoffe. Erschwerendkam hinzu, dass durch sie nachweislich u.a. Ner-venschäden und Krebserkrankungen hervorgerufenwerden können. Danach wurden Ersatzstoffe ge-sucht, die weniger stark akkumulieren undschwächer toxisch für den Menschen sein sollen.

Neue Wirkstoffe sind z.B. Glyphosat als Total-Un-krautvernichter, Carbamate zur Schimmelpilz-bekämpfung und Pyrethroide zur Insekten-vernichtung. Unstrittig werden diese Ersatzstoffeweniger in den Nahrungsnetzen angereichert alsihre Vorgängerstoffe. Nicht so eindeutig sind dieBefunde zur Toxizität.Nur unter großem Vorbehalt sollten administrativeHöchstgehalte für Pestizide in der Nahrung akzep-tiert werden. Die EU-weit gültigen Pflanzenschutz-mittelhöchstgehalte in unserer Nahrung werden inder Regel aus nur wenigen tierexperimentellen Be-funden hergeleitet. In diesem Zusammenhang istauch zu beanstanden, dass die Tierexperimente

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Pestizide reduzieren

Abbildung aus “Pestizide und Gesundheitsgefahren” - Daten und Fakten, PAN Germany, 2012

Anzahl der akuten Pestizidvergiftungen (Todesfälle) für einzelne Länder und Regionen pro Jahr

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häufig von den Herstellern selbst durchgeführt bzw.beauftragt werden. Die in Tierexperimentenbeobachteten Unwirksamkeitsdosen werden durch100 dividiert und sind dann die täglich für den Men-schen zugemuteten Aufnahmen (TDA-Werte). UnterBerücksichtigung der Verzehrgewohnheiten könnenHöchstmengengehalte für die unterschiedlichenNahrungsmittel errechnet werden: In der nur ingeringen Mengen verzehrten Petersilie können z.B.höhere Rückstandsmengen toleriert werden als inwesentlich höheren Mengen verzehrten Kartoffeln.Aufgrund der Kritikpunkte ist m.E. zu fordern, dassdas Vorkommen von Pestizidrückständen in derNahrung dem Minimierungsgebot unterliegen muss.Eine Duldung von Höchstmengen ist nicht gesund-

heitsschützend. Eine TDA-Berechnung ist nur sinn-voll, wenn aufgrund von kriminellen Aktivitäten er-höhte Rückstandsmengen in der Nahrung vorkom-men und die Bevölkerung besorgt ist, ob ihre Ge-sundheit beeinträchtigt wurde. Ein aktuelles Bei-spiel ist der Nachweis des Insektizids Fibronil inHühnereiern.Werden von einem zugelassenen Biozid Rückständein unserer Nahrung nachgewiesen, müssen sowohldie Rechtmäßigkeit der Zulassung als auch Anwen-dungsbeschränkungen diskutiert werden. Falsch istm.E. in solchen Fällen zumutbare Tagesaufnahmenzu errechnen. Beispielhaft zu erwähnen ist hier dasTotalherbizid Glyphosat, das unter dem Handelsna-men „Round up“ bekannt ist. Glyphosat wurde im

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Die wesentlichen Kritikpunkte an den Grenzwertherleitungen sind:

Die Anzahl der publizierten tierexperimentellen Untersuchungsbefunde zur Dosis-Wirkungs-•

beziehung eines Wirkstoffes ist gering.

Die vom Hersteller durchgeführten Experimente werden in der Regel nicht publiziert, sondern•

lediglich den Genehmigungsbehörden vertraulich vorgelegt. Somit stehen die Befunde nur

wenigen Fachleuten zur Bewertung zur Verfügung.

Häufig bleibt bei der Angabe der Unwirksamkeitsdosis das kritische Organ, d.h. das Organ, das•

am sensibelsten auf den Stoff reagiert, unerkannt.

Die Übertragung tierexperimenteller Erkenntnisse auf den Menschen ist häufig nicht berechtigt.•

Getestet werden lediglich Einzelstoffe; Wechselwirkungen mit anderen Bioziden aber auch mit•

anderen Umweltschadstoffen werden außer Acht gelassen.

Die Belastungen gegenüber einem Biozid können auch aus anderen Quellen als der Nahrung•

erfolgen. Fungizide und Insektizide können z.B. auch im Hausstaub vorkommen, so dass sich

die Exposition gegenüber einem Stoff aus der Inhalation und der oralen Aufnahme zusam-

mensetzt.

Die meisten Wirkstoffe enthalten Verunreinigungen, von denen die Toxizität häufig nicht•

bekannt ist. Außerdem werden dem Wirkstoff wirkungsverstärkende Stoffe beigemischt. Auch

Lösemittel kommen in den Mixturen vor.

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Mikrogramm-Bereich pro Kilogramm u.a. in Hülsen-früchten nachgewiesen. Zu fordern ist, dass un-verzüglich die Toxizität des Glyphosats und seinerAbbauprodukte im menschlichen Organismussorgfältig bearbeitet wird und darüber hinaus An-wendungsbeschränkungen bzw. Verbote diskutiertwerden, die zur Entlastung der Nahrungsmittelführen. Schließlich müssen Beobachtungen zuGesundheitsschäden der gegenüber Glyphosat be-lasteten Menschen (z.B. Anwender) gewissenhaftbewertet werden. Zu klären ist, ob die aufgrundvon Tierexperimenten zu befürchtenden Effekteauch bei betroffenen Menschen gehäuft auftreten(Krebs und Missbildungen). Solange diese Fragennicht eindeutig beantwortet werden können, isteine weitere Zulassung von Glyphosat abzulehnen.Aufgabe der Toxikologie ist es, Fragen nach denGesundheitsschäden durch Pestizideinwirkungen zubeantworten. Chronische Belastungen gegenübergeringen Mengen von Pestiziden (z.B. kontaminierteNahrung) führen nur selten zu offensichtlichenGesundheitsschäden, die eindeutig mit der Pestizid-belastung in Zusammenhang gebracht werden kön-nen. Erfahrungen liegen allerdings für Menschenvor, die infolge eines Unfalls oder beruflichem Um-gang mit Pflanzenschutzmitteln hohen Dosen aus-gesetzt waren. Die in diesen Fällen beobachtetenGesundheitsschäden können jedoch nicht unmittel-bar auf chronisch mit geringen Dosen Belasteteübertragen werden.Bei chronischen Belastungen gegenüber Pestizidenin kleinen Dosen kann es zur Schwächung des Im-munsystems, Schäden am Nervensystem und aller-

gischen Reaktionen kommen, so dass es bei Vorbe-lastungen mit anderen Fremdstoffen bzw. Gesund-heitsschwäche anderer Ursachen zu einerGesamtsituation kommt, bei der das „Fass zumÜberlaufen“ kommt. Komplexe Gesundheitsschä-den können die Folge sein.Hinweisen möchte ich auf Menschen, die aufgrundspezifisch ausgebildeter Körperfunktionen beson-ders sensibel auf Fremdstoffe reagieren. In diesemZusammenhang muss auch die multipleChemikalienunverträglichkeit (MCS) erwähnt wer- den. Der Mechanismus für MCS ist nicht geklärt. Wirgehen jedoch davon aus, dass bei MCS-Erkranktenerhöhte Belastungen gegenüber einem Schadstoff(z.B. Pestiziden) zu einer anhaltenden Überemp-findlichkeit gegenüber Schadstoffen führen kann.Beispielhaft für chronische Belastungen mit einemBiozid und daraus folgende Gesundheitsschädensollen hier die Pyrethroide vorgestellt werden.Pyrethroide gehören zu den meist verwendeten Insektiziden in Deutschland. Sie wurden in Anlehn-ung an die Strukturen der natürlich in Chrysanthe-menblüten vorkommenden Pyrethrine chemisch soverändert, dass sowohl die Wirksamkeit als auch dieNachhaltigkeit gesteigert wurden (Handelsnamenfür Pyrethroide: Deltamethrin, Permethrin,

Cyfluthrin usw.). Eine im Tierexperiment erkanntenervenschädigende Wirkung wurde auch bei Men-schen beobachtet, die erhöhten Pyrethroid-Belas-tungen nach Pyrethroid-Anwendungen in Wohn-ungen ausgesetzt waren. Die vor allem an Stäube

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Im Apfelanbau wird häufig zur Giftspritze gegriffen

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Nachweis des Insektizids Fibronil in Hühnereiern

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Dr. Hermann KruseInstitut für Toxikologie Christian-Albrechts-UniversitätBrunswiker Str. 1024105 KielTel. 0431 500 [email protected]

gebundenen Pyrethroide können zu Beschwerdenwie übermäßige Müdigkeit, Benommenheit, ver-mehrtem Kopfschmerz, Übelkeit, Antriebsarmutund Konzentrationsschwäche führen. Über dieSchwellendosis für die Eintrittswahrscheinlichkeitder Effekte existieren unterschiedliche Angaben inder Literatur.Pestizid-Vorkommen in unserer Nahrung sind uner-wünscht. Die Angabe von unschädlichen Rück-standsmengen in der Nahrung ist äußerst proble-matisch, da viele Einflußgrößen die Grenz-

wertleitung beeinflussen. Folglich muss das Mini-mierungsgebot gelten. Letztlich ist nur die restrik-tive Anwendung von Pflanzenschutzmitteln ziel-führend. Erkrankungen durch erhöhte Pestizidauf-nahmen sind literaturbekannt. Im Vordergrund derWirkungen stehen allergische Reaktionen, Immunsystemschwächungen und Schäden am Ner-vensystem. Kausalzusammenhänge zwischen Ge-sundheitsbeschwerden und Pestizidbelastungensind schwer belegbar. Daraus den Schluss zu ziehen,dass es sie nicht gibt, ist falsch.

Glyphosatanwendung bis an die Wohnbebauung

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Pestizide reduzieren

Chemischer Pflanzenschutz und seine Risiken -

ein Umdenken ist überfällig

Susan Haffmans

Rund 70 Jahre chemischer Pflanzenschutz liegen hinter uns. Das hat Spuren hinterlassen.Pestizide lassen sich mittlerweile überall auf der Welt nachweisen, in Böden, Seen,Flüssen, im Grundwasser, direkt vor der Haustür und am Polarkreis, in Lebensmitteln,im Hausstaub, in der Muttermilch und in anderen Körperflüssigkeiten. Im Laufe derGeschichte des chemischen Pflanzenschutzes wurden immer wieder Pestizide entwick-elt, die zum Zeitpunkt ihrer Markteinführung als „sicher“ angepriesen wurden und danndoch verantwortlich waren für Schädigungen der Gesundheit von Menschen und Tieren,für Belastungen der Umwelt und Reduzierung der Artenvielfalt.

Die Beispiele hierfür reichen von Organo-Chlor-verbindungen, wie dem in den 1930er Jahren zuge-lassenen und längst verbotenen DDT, das sich imFettgewebe und in der Umwelt angereichert hat,über Organophosphate wie Parathion, besser be-kannt als E 605, dass aufgrund seiner extremenakuten Toxizität für viele Vergiftungen verant-wortlich war, über Atrazin, das zahllose Grund-wässer kontaminiert und so Trinkwasserstandortegefährdet hat, bis zu den „modernen“ Neonikoti-noiden, die aufgrund ihrer Bienen-Gefährlichkeitseit 2013 zumindest einem Teilverbot unterliegen.Hinzu kommen neuere Erkenntnisse über Pestizide,beispielsweise aus den Stoffgruppen der Triazoleund der Dithiocarbamate, die in das empfindlicheHormonsystem von Menschen und Tieren eingreifenkönnen („Endokrine Disruptoren“, EDs). ZahlreicheGesundheitsstörungen wie die Beeinträchtigungender Fruchtbarkeit, neurologische Störungen oderdie Förderung hormonbedingter Krebsarten wieBrust-, Hoden-, Prostatakrebs werden mit der Ex-position gegenüber EDs in Verbindung gebracht.Dieser Blick zurück zeigt, dass trotz erfolgter Ver-schärfungen im Zulassungsverfahren, technischerNeuerungen und höherer Ausbildungsqualität, derEinsatz chemisch-synthetischer Pestizide immer zuBelastungen von Mensch und Umwelt und Arten-vielfalt führte und führt, die bei Markteinführungnicht absehbar waren bzw. im Rahmen derRisikobewertung nicht erkannt, unterschätzt oderignoriert wurden. Seit 2002 versuchte Deutschlandzunächst mit dem freiwilligen „Reduktionspro-

gramm chemischer Pflanzenschutz“ und seit 2009mit dem verbindlichen „Nationalen Aktionsplan zurnachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmit-teln (NAP)“ die negativen Auswirkungen deschemischen Pflanzenschutzes zu reduzieren – leiderbislang ohne große Erfolge. Mit der Überarbeitungder gesetzlichen Vorgaben zur Zulassung und zurVerwendung von Pestiziden im Jahr 2009 wurdezudem der integrierte Pflanzenschutz zum gesetz-lich verbindlichen Mindest-Standard für denPflanzenschutz in Europa und die Befolgung „derallgemeinen Grundsätze des integrierten Pflanzen-schutzes“ festgeschrieben. Diese schreiben sowohlvorsorgende Maßnahmen, wie Fruchtfolge, ange-passte Düngung und phytosanitäre Maßnahmen vor,als auch eine Bevorzugung nicht-chemischer Ver-fahren vor chemischen Methoden, wenn sich mitihnen ein zufrieden stellendes Ergebnis bei derBekämpfung von Schädlingen erzielen lässt. Doch trotz der genannten rechtlichen Vorgaben undjahrelanger freiwilliger Bemühungen ist die Inten-sität des chemischen Pflanzenschutzes in Deutsch-land de facto gestiegen. So stieg der Inlandsabsatzan Pestizid-Wirkstoffen (ohne die inerten Gase) seit2002 bei nahezu unveränderter Nutzfläche um gut17 Prozent. Das zeigt: Die regulativen Vorgaben undAktionsprogramme finden nicht oder nur halbherzigEingang in die Praxis, sind unzureichend verbindlichund verfehlen das gesetzliche Ziel, die Abhängigkeitvom chemischen Pflanzenschutz zu minimieren.Was ist also zu tun, um den Pestizideinsatz effektivzu reduzieren und Menschen, Natur und Umwelt

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gesund zu erhalten? Am effektivsten gelingt der Schutz, wenn Pestizidegar nicht erst eingesetzt werden. Es gilt vielmehr,nicht-chemische Pflanzenschutzverfahren in For-schung, Beratung und in der Praxis intensiv zufördern. Im Bereich der Züchtung muss die Entwick-lung robuster und resistenter Sorten, die ohnechemisch-synthetischen Pflanzenschutz auskom-men, vorangetrieben werden. Fusionen großerAgrarkonzerne, wie die von Bayer und Monsanto,die gemeinsam zum größten Anbieter für Saatgutund Pestizide weltweit würden, sind daher unbe-dingt zu verhindern, denn sie verschärfen lediglichdie Machtkonzentration im Agrarbereich undschränken die zukünftige Sortenwahl weiter drama-tisch ein. Es bedarf vielmehr der Förderung von An-bausystemen, die auf pflanzenbauliche Kompetenzzur Vorbeugung vor Krankheitsbefall setzten, mitintelligenten Fruchtfolgen und angepasstem Dünge-management. Landwirte dürfen bei der Umstellung vom chemi-schen Pflanzenschutz auf nicht-chemische Ver-fahren nicht alleine gelassen werden. Sie benötigenfachkundige, von der Pestizid-Industrie unab-hängige Beratung, Fortbildung und solide finan-zielle Unterstützung. Statt wie bisher befürchtetenErtragseinbußen vorab durch Beizung des Saat- undPflanzguts zu begegnen, sollten Landwirten andereModelle der Absicherung im Ertragsausfall ange-boten werden. Ein solcher, systematischer Ansatz

zur Pestizid-Reduktion in Deutschland braucht Zeitund hat – das zeigen Vergangenheit und Gegenwart– starke Widersacher, gerade in einem Land, in demführende Agrarchemiekonzerne beheimatet sind. Um die Weichen in Richtung Pestizid-Reduktion zustellen ist es notwendig, die bislang in den Pestizid-Preisen unberücksichtigten Umwelt- und Gesund-heits-Folgekosten des Pestizideinsatzes überrisikobezogene Abgaben oder Steuern einzupreisen.Das ist mit geltendem EU-Recht vereinbar. AndereLänder wie Dänemark und Italien haben bereits Er-fahrungen und Schleswig-Holstein hat bereitsVorschläge für eine nationale risiko-basierte Abgabeauf Pestizide erarbeiten lassen. Auch die Beibehal-tung und der Ausbau der Ökolandbauförderung undder Forschungsförderung für den ökologischenLandbau sind wichtige Maßnahmen, denn jederHektar, der kontrolliert biologisch bewirtschaftetwird, trägt zur Pestizid-Reduktion bei. Von der inder nationalen Nachhaltigkeitsstrategie und auchim NAP festgelegte Zielvorgabe von 20 ProzentÖkolandbaufläche (ÖLF), ist Schleswig-Holstein mitnur rund vier Prozent ÖLF leider noch weit ent-fernt.Bis ein Umbau der Landbewirtschaftung vollzogenist, sollten parallel notwendige Verbesserungen derRisikoprüfung im Rahmen der Wirkstoffgenehmi-gung und der Produktzulassung erfolgen, wiebeispielsweise die Verschärfung der Prüfung auf„Bienengefährlichkeit“ durch Berücksichtigung

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Inlandsabgabe Pestizid-Wirkstoffe (ohne Wirkstoffe im Vorratsschutz (inerte Gase)

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Inlandsabgabe Pestizid-Wirkstoffe (ohne Pestizide im Vorratsschutz (inerte Gase)

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Susan HaffmansReferentin für Pestizide/TierarzneimittelPestizid Aktions-Netzwerk e.V. (PAN Germany)Nernstweg 3222765 HamburgTel. 040 399 19 10 [email protected]

chronischer Giftigkeit und der Wirkung auch aufWildbienen, die allgemeine Berücksichtigung kumu-lativer Wirkungen und Mehrfachbelastungen, diekonsequente Umsetzung von Ausschluss- und Sub-stitutionsverfahren bei Pestiziden mit bestimmtengefährlichen Eigenschaften wie beispielsweise hor-monschädliche Pestizide sowie die Begrenzung derMöglichkeit zur Einflussnahme der Pestizidher-steller auf Zulassungsentscheidungen. Auch regio-nale Einschränkungen zur Verwendung von Pesti-ziden, beispielsweise in und um Parkanlagen,Schulen, Kindergärten oder in Naturschutzgebietensowie die Durchsetzung eines Verbots für die beson-

ders problematische Anwendung von Pestizidendurch ungeschulte Laien im Haus- und Kleingarten,sind wichtige Schritte, die auf kommunaler undföderaler Ebene gefördert werden können. Wichtig ist: Die Verantwortung für eine pestizid-freie Zukunft kann nicht von der Landwirtschaftalleine geschultert werden. Hier ist die gesamteGesellschaft gefordert, Ideen einzubringen und Ver-antwortung zu übernehmen. Und damit kann jederschon heute beginnen: Beim Verzicht auf Un-krautvernichter und Insektensprays im eigenenGarten und mit dem Einkauf von nicht gespritztemObst, Getreide und Gemüse aus der Region.

Zunehmende Erkenntnisse über Effekte

Organo- chlorver-bindungen z. B. DDT Anreicherung in Fettgewebe und der Umwelt

Carbamate z.B. Aldicarb

Hohe akute Toxizität / Vergiftungen / bienen-gefährlich / Rückstände

Organo-phosphate z.B. Parathoin (E605)

Hohe akute Toxizität gegen Insekten und Warmblüter/ Vergiftungen Vögel / Menschen

Triazine z. B. Artazin

Anreicherung in der Umwelt / Brunnen-belastung / Fortpflanzungs-schäden

Phenyl-harnstoff-derivate z.B. Diuron

stark gewässer-gefährdend

Neonikotinoidez.B. Clothianidin umweltmobil, langlebig, bienen-gefährlich

Pestizide: 70 Jahre Gesundheits-Belastungen und Schädigungen natürlicher Lebensgrundlagen

Abb. S. Haffmans, PAN Germany

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Teures Trinkwasser

Dr. Guido Austen

Die Trinkwasserversorgung in Schleswig-Holstein erfolgt zu 100 Prozent aus Grundwasser.Grundwasseraufbereitungs-Maßnahmen müssen immer umfangreicher werden, damitTrinkwasser den gesetzlichen Bestimmungen entspricht. Die Kosten tr gt am Ende derVerbraucher. In der auf EU-Recht basierenden und in das Lebensmittelrecht einge-bundenen Trinkwasserverordnung (TVO) sind die ualit tsanforderungen für Trinkwasserder öffentlichen Versorgung festgeschrieben. iel der Verordnung ist es, dass die menschliche Gesundheit bei lebenslangem Genuss von Trinkwasser in keinster Weisebeeintr chtigt wird.

Ungef hrlich, aber für den Verbraucher un s-thetisch, ist das Vorkommen von Eisen und Mangan,die beim W schewaschen Braunverf rbungen verur-sachen können. Auch Huminstoffe, die h ufig imGrundwasser vorkommen, sind nicht gesundheits-sch dlich, beeintr chtigen aber Geruch und Ge-schmack des Naturprodukts Wasser. Für Pflan-zenschutzmittel (PSM) gelten edoch Grenzwerte.Da bei der Vielzahl der Stoffe niemand sagen kann,wie verschiedene Substanzen im Grundwassermiteinander reagieren und es keine wissen-schaftlich belegte to ikologische Begründung fürGrenzwerte gegeben werden kann, wird als Vor-sichtsmaßnahme seit vielen Jahren das Null-prinzip umgesetzt. Demnach dürfen von Pflanzen-schutzmitteln nur noch Konzentrationen an derNachweisgrenze der von edem Labor als Min-destanforderung geforderten Messmethode fest-gestellt werden, und in der Summe nicht mehr als

fünf solche grenzwertigen Nachweise. Die Nach-weisgrenze wurde dabei auf 0,1 Mikrogramm eLiter festgelegt. Die in der Verordnung festgelegten ualit tspara-meter hat der Wasserversorger an der ber-gabestelle des Trinkwassers an den Kundeneinzuhalten, also bis zur Hauptabsperr-Armatur imKeller. Für die amtliche Kontrolle der Einhaltungder Werte sind die Gesundheitsbehörden der Kreisezust ndig. Sie kontrollieren auch die ualit t desTrinkwassers, das das Wasserwerk verl sst. Die In-tensit t der Kontrollen richtet sich zum einen nachder abgegebenen Trinkwassermenge. Bei Auff l-ligkeiten, in einem Einzugsgebiet, in dem intensiverLandwirtschaft betrieben wird oder Baumschulbe-triebe angesiedelt sind, können weitere Unter-suchungen einzelner Brunnen oder sogarVorfeldmessstellen vom Gesundheitsamt angeord-net werden. Die Kosten der standardm ßig üblichen

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22Die Analyse der Wasserproben wird aufwendiger

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Dr. Guido Austen:

Wenn wir unser LebensmittelWasser weiterhin als sicheres undkostengünstiges Naturprodukt er-halten wollen, muss ein Gesetzher, das den Einsatz von Pflanzen-schutzmitteln begrenzt.

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Trinkwasseruntersuchungen liegen bei einemBeispiel-Stadtwerk, das zwischen 40.000 und50.000 Einwohner versorgt, bei rund 15.000 Europro Jahr. Unterm Strich führen alle diese Maßnah-men zu einer zum Teil deutlichen Erhöhung desBeprobungs- und Analyseaufwands. Durch eine Verringerung der Förderleistung des be-troffenen Brunnens kann versucht werden, die Be-lastung des Brunnenwassers und damit desabgegebenen Trinkwassers zu verringern. Der Erfolgl sst sich nur durch zus tzliche Analysen fest-stellen, was gleichzeitig wieder mehr Aufwand be-deutet. Führt diese Maßnahme nicht zum Erfolg,

kann es sinnvoll sein, einen Brunnen am alten Standort aufzugeben und den Bau eines neuenBrunnens in Betracht zu ziehen. Die damit verbun-denen Kosten für den Bau des Brunnens liegen beietwa einer halben Million Euro. Hinzu kommenKosten für die Erschließung neuer Brunnenstand-orte, die standortabh ngig sehr stark variieren. Esliegen Beispiele für Erschließungskosten zwischen0,1 bis 1,2 Millionen Euro vor. Unklar ist die Nach-haltigkeit dieser Strategie, da auch neue Brunnen-standorte zum Teil sehr schnell wieder positivePSM-Befunde aufwiesen. Schließlich besteht nochdie Möglichkeit, die Aufbereitungstechnologie so zuver ndern, dass Pflanzenschutzmittel weitgehendeliminiert werden können. Dies wird derzeit ineinem Wasserwerk aus dem Kreis der kommunalenmittelst ndischen Unternehmen praktiziert -

hrliche Kosten (Betrieb und Abschreibung) rund300.000 Euro.Insgesamt führen alle eingeleiteten Maßnahmen zuMehrkosten, die über die Wasserpreise, -gebührenletztendlich an die Kunden des eweiligen Unter-nehmens weitergegeben werden müssen, wenndiese wirtschaftlich arbeiten sollen. Teilweise rei-chen diese Mehrkosten an bis zu zehn Prozent desWasserpreises heran. Deshalb sind Maßnahmen zuergreifen, die das Einbringen von gesundheits-sch dlichen chemisch-synthetischen Pflanzenbe-handlungsmitteln weitestgehend unterbinden, oderdem Einsatz von grundwasservertr glichen Mittelnden Vorzug geben, über Steuern und Abgaben aufPestizide sollte nachgedacht werden.

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Dr. Guido AustenVorsitzender Arbeitskreis Wasser Verband Schleswig-Holsteinischer Energie- undWasserwirtschaft e. V.Hermann-Körner-Str. 61-6321465 ReinbekTel. 040 7273 [email protected]

Trinkwasseraufbereitung im Wasserwerk Glinde

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Kluger Ackerbau geht ohne Pestizide

Dr. Ina Walenda

Der Unkrautvernichter Glyphosat ist ein weltweites Milliarden-Geschäft für die Her-steller. Die öffentliche Diskussion der letzten zwei Jahre über seine potentiell krebs-verursachende Wirkung hat zwar ein Durchwinken der Neu-Zulassung für weiterefünfzehn Jahre zunächst verhindert. Für ein Moratorium oder ein Verbot hat der Protestaus Umweltverbänden und Bevölkerung noch nicht gereicht. Dem stehen die beinhartenInteressen der Wirtschaft und nur schwache Politikvertreter entgegen. Doch für das be-queme Ackerbauinstrument gibt es Alternativen.

Für die landwirtschaftliche Praxis ist Glyphosat aufden ersten Blick ein einfacher, kostensparenderProblemlöser. Einmal gespritzt räumt es zuverlässigund komfortabel mit allen “Unkräutern” auf. Daherist es in den vergangenen Jahren immer schnellerund sorgloser eingesetzt worden. In Deutschlandsind es rund 40 Prozent der Ackerfläche, die jedesJahr mit glyphosathaltigen Herbiziden behandeltwerden. Bei der für Schleswig-Holstein typischenKulturart Raps wird Glyphosat auf fast 90 Prozentder Anbauflächen ausgebracht. Eine chemisch-syn-thetische Alternative zum weltweit am meisten

verkauften Herbizid ist bislang nicht in Sicht. Alleanderen zugelassenen Mittel – so denn auch dasTotschlag-Argument der Industrie - seien noch tox-ischer für Mensch und Umwelt. Gewässer würdenstärker belastet, angebaute Kulturen stärkergeschädigt. Es sei nicht ausgeschlossen, dass sogarVerbraucher in ihrer Gesundheit gefährdeter seien.Eine Alternative zum Spritzmitteleinsatz hieße Pflü-gen plus weiterer Bodenbearbeitung, um das Saat-bett frei von Bewuchs zu halten. Doch einen Hektarzu pflügen anstatt ihn mit dem Totalherbizid zu be-handeln, kann wegen des Mehraufwandes an Per-

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Bessser kein Bett im Kornfeld - heute müssen den Hunden die Beine nach dem Spaziergang abgewaschenwerden. Hundebesitzer berichten von heftigen Reaktionen ihrer Vierbeiner auf Spritzmittel und Vergif-tungserscheinungen wie Durchfall und Erbrechen.

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sonal und Energie etwa doppelt so viel kosten. Jegrößer der Betrieb, um so mehr Kosten lassen sichmit Glyphosat einsparen. Ein Verzicht sei für die Be-triebe folglich alternativlos, heißt es von den An-wendern. Ist das wirklich so?Ergebnisse von Auswertungen des Julius-Kühn-Insti-tuts in 2016 zeigten allerdings, dass die Substitutionvon Glyphosat durch zusätzliche Bodenbear-beitungsmaßnahmen nicht per se teurer sein muss.Im Ackerbau hingen die wirtschaftlichen Folgendavon ab, ob durch eine einmalige zusätzliche Bo-denbearbeitung eine Wirkungsäquivalenz zuGlyphosat erzielt werden konnte. So führte diemechanische Unkrautbekämpfung durch eine ein-malige Bodenbearbeitung ggf. sogar zu einem be-triebs-wirtschaftlich identischen bis besseremErgebnis. Standort, Witterung und Anbaupraxis gel-ten als wichtige Einflussfaktoren für die ökonomi-schen Konsequenzen der Substitution. Dass verantwortliche Landwirtschaft ohnehin keinGlyphosat braucht, macht der einst für seinenMühen belächelte Öko-Landbau schon lange vor.Und mehr und mehr konventionell arbeitende Land-wirte sehen Glyphosat durchaus kritisch. Auch jen-seits von Umwelt- und Gesundheitsaspekten ist

Glyphosat in der Praxis nicht nur heile Welt. Meistverdrängt wird, dass eine häufige Glyphosatanwen-dung zu neuen Problemen führt und an vielen Standorten bereits an seine Grenzen kommt.Weltweit nehmen Resistenzen auf dem Acker zu.Über 30 Pflanzenarten sind als resistent gegenGlyphosat gelistet. Als Beispiel sei der Ackerfuchs-schwanz genannt. Nur noch wenige Herbizide inDeutschland wirken. In England gibt es schon einenmultiresistenten Ackerfuchsschwanz. Wenn er sichausbreitet, haben die Bauern keine andere Wahl,als den Acker brach zu legen, um dann Unkräuterschließlich wiederum mit Glyphosat oder mecha-nisch zu beseitigen. Dennoch kommt er immerwieder. Wo Ackerfuchsschwanz im Getreidefeldmitwächst, drohen Ernteausfälle von 50 Prozent.Darüber hinaus gibt es Berichte, auch ausSchleswig-Holstein, über einen Zusammenhangzwischen der Verfütterung glyphosatbehandelterFuttermittel und gesundheitlichen Problemen mitder Fruchtbarkeit von Schweinen und Rindern. Wis-senschaftler entdeckten zudem einen Zusammen-hang zwischen Glyphosat in Futtermitteln undchronischem Botulismus bei Menschen und Rindern.Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft

Klassische Fehlanwendung - der gesetzliche Mindestabstand (zwei Meter) wurde nicht eingehalten

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(AbL) hat sich deshalb zu einer Positionentschlossen, die ihren Verbandsmitgliedern eineGlyphosatanwendung nur als Notfallmaßnahmeempfiehlt. Ein ackerbauliches System, das in hohem Maße aufAgrarchemikalien beruht, dabei Folgen für dieGesundheit von Mensch und Tier sowie der Umweltignoriert, darf keine Zukunft haben. Eine solcheLandwirtschaft basiert zudem auf einer fatalen Ab-hängigkeit von nur wenigen Mitteln und liegt damitin den Händen nur weniger Konzerne. Daher bedarfes einer Neuorientierung in der ackerbaulichenPraxis und in der Grünlandbewirtschaftung. Gutdurchdachte Fruchtfolgen und herkömmliche mech-anische Bodenbearbeitung machen das Gift auf demAcker überflüssig. So schreibt es der Gesetzgeberohnehin vor. Die deutsche Pflanzenschutzgesetzge-bung verlangt vor dem Einsatz von Pestizidenzunächst eine Ausschöpfung sämtlicher biologis-cher, mechanischer und kulturtechnischerMöglichkeiten als Leitlinie des Handelns. Wasbraucht es aber, damit diese Rückbesinnung aufeinen klugen Ackerbau ohne Glyphosat gelingt?Umweltgerechte Bewirtschaftungsweisen schei-tern in der Praxis vor allem an einer fehlenden

Wirtschaftlichkeit für die Betriebe. Für 2020 stehtallerdings eine Reform der europäischen Agrarfi-nanzierung an. Die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP)ist die wichtigste Stellschraube, um Landwirte be-triebswirtschaftlich in die Lage zum Umsteuern hinzu umweltverträglichen Bewirtschaftungsweisen zuversetzen. Aus Steuermitteln finanzierte Agrarsub-ventionen, die sich am Grundbesitz orientieren,gehören abgeschafft. Statt dessen müssten Land-wirte ausschließlich Geld für ökologische Leistun-gen erhalten, d. h. wenn sie besondere Leistungen

Hier wächst nichts mehr - großflächige Glyphosatanwendung bis an den Waldrand

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Pestizide reduzieren

Dr. Ina WalendaLandesgeschäftsführerin NaturFreunde DeutschlandsLandesverband S-HLorentzendamm 1624103 KielTel. 0431 [email protected]

für die Allgemeinheit erbringen und so Mensch, Tierund Umwelt schützen. Beratungsempfehlungensollten alternative Systeme in den Vordergrundstellen. Die Agrarforschung müsste verstärktagrarökologische Anbausysteme, biologische undkulturtechnische Verfahren des Pflanzenschutzesins Visier nehmen. Schnell reagieren könnten dieBundesländer, wenn sie parallel zur Förderung desÖkologischen Landbaus auch für Agrarumweltmaß-nahmen, bei denen Betriebe auf den Einsatz vonGlyphosat und anderen Pestiziden verzichten,entsprechende Fördermittel anbieten würden. DieFördersätze dafür müssten allerdings deutlich nachoben angepasst werden, um eine vergleichbare

Rentabilität zu erzielen wie bei konventioneller Be-wirtschaftung. In Schleswig-Holstein wurden Vorschläge derUmwelt- und Naturschutzverbände für ein Pes-tizidreduktionsprogramm für die laufende Förder-mittelperiode von einem Grünen Landwirt-schaftsminister leider nicht umgesetzt. Ebenso hater seine eigene Idee einer Steuer auf Pestizide, dieihre Anwendung unattraktiver werden ließe, nichtweiter verfolgt. Höchste Zeit also, den öffentlichenDruck für Maßnahmen zur Reduzierung chemisch-synthetischer Pflanzenbehandlungsmittel, ins-besondere gegen den Einsatz von Glyphosat, nochweiter zu intensivieren.

Auch das gehört zu den Nebenwirkungen von Pestiziden: Unfall mit Spritzmitteln hier auf einem Hof inVreden/Nordrhein-Westfalen.

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Wie kann eine Pflanzenschutzabgabe wirken?

Bernd Voß

Es mag politisch fahrlässig scheinen, eine weitere Abgabe oder Steuer zu fordern. DerMarktfruchtbau hat eine schwierige Marktsituation sowie höhere Belastungen durchwidrige Ernteumstände. Außerdem haben die GRÜNEN im Bundestagswahlkampf 2013wie ein Alptraum erfahren müssen, wie unbeliebt man sich mit neuen Steuerkonzeptenmachen kann. Aber hat nicht die kritische Diskussion um Neonikotinoide und Glyphosatin den letzten Jahren gezeigt, was es auch für Bewirtschafter bedeutet, wenn sich trotzsichtbarer Schwierigkeiten ganze Anbauverfahren, Fruchtfolgen und Züchtungen auf kri-tische Mittel ausrichten und die Alternativen nicht genügend entwickelt werden?

Die Pflanzenschutzpolitik der letzten Jahre hat mitden bisherigen Mitteln ihre Ziele nicht erreicht. DerNationale Aktionsplan Pflanzenschutz (NAP) siehteine Reduktion der Risiken der Pestizidanwendungum 30 Prozent bis 2023 vor. Dabei geht es um diebeiden humantoxikologischen Ziele: a. Reduktionder Auswirkungen auf Anwender und Anwohnersowie b. weniger als ein Prozent Überschreitung derRückstandshöchstmenge in Lebensmitteln bis 2021.Es geht um die Begrenzung der Pestizidanwendungund die Stärkung und Entwicklung integrierter undökologischer Methoden sowie den Ökolandbau.Der einfache Reflex mehr zu kontrollieren, greiftgenauso zu kurz wie die schnelle Forderung nachVerboten und der Umkehrschluss, solange es nichtverboten ist, ist es eben erlaubt. Die Fol-gekosten für Umwelt und Gesundheitspiegeln sich nicht annähernd imErzeugerpreis wider. Das blockiert dieEntwicklung einer Pestizidreduktion undauch Pestizidfreiheit. In einigen euro-päischen Ländern wie Frankreich,Schweden und Dänemark ist dieserAnsatz längst Realität. In Deutschland fehlen einerseitsLenkungsinstrumente, mit denen risiko-basiert, differenziert Mittel teurer ge-macht werden, andererseits auch Fi-nanzmittel für die Entwicklung undEtablierung von Verfahren zur Minderungund Beseitigung der Risiken des Pflan-

zenschutzes. Daher haben 2015 die schleswig- hol-steinische und andere Landesregierungen beimHelmholzzentrum für Umweltforschung in Leibzigein Gutachten in Auftrag gegeben. Das von den Wis-senschaftlern aus unterschiedlichen Disziplinen entwickelte Modell basiert a. auf einer Grundabga-be (Hektar und Wirkeinheit von 20 Euro); b. einemhumantoxikologischen Faktor (nach ADI bzw AOELEinstufung) für die Risiken für Verbraucher, An-wohner und Anwender; c. einem Faktor für Mittel,die substituiert (1,5- fach) werden können oder imHaus- sowie Kleingarten (4- fache) eingesetzt wer-den sollen. Die Erhebung der Steuer soll bei denGroß- und Einzelhändlern (vierfach) bzw. bei denImporteuren erfolgen. Es sollten zur humantoxiko-

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Landwirt, Vorstand Agrarbündnis e. V. und MdL Bernd Voß aufder heimischen Scholle in der Wilstermarsch.

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Pestizide reduzieren

logischen Bewertung auch ökotoxikologische Para-meter hinzugezogen werden. Die Höhe des Grund-betrages und seine Gewichtung zu Humantoxizitätund Umwelttoxizität wären zu diskutieren. Waslässt sich zur Wirkung sagen: Modellkalkulationenin Getreide/Rapsfruchtfolgen könnten unterschleswig-holsteinischen Hochertragsstandortendurch das vorgeschlagene Steuermodell Kosten-steigerungen bei den Pflanzenschutzmitteln durchdie Steuer im Winterweizen von knapp 300 auf zirka500 Euro pro Hektar, in der Wintergerste von 150auf zirka 250 Euro pro Hektar und beim Raps vonzirka 170 auf über 300 Euro pro Hektar ausmachen.Diese Zahlen beruhen auf der Annahme, dass wederbei den Mitteln noch bei Fruchtfolge und Anbau-strategie Anpassungsreaktionen erfolgen. Das wäreaber infolge der erheblichen Kostensteigerung bzw.Einkommenseinbußen zu erwarten. Das Gutachten geht von einer kurzfristigen Reduk-tion von 20 Prozent im Ackerbau, bis zu fünf Pro-zent bei starren Nachfragen wie in Sonderkulturenaus. Langfristig wird eine Reduktion von 35 Prozentfür möglich erachtet. Die Einnahmen werden miteiner Milliarde Euro jährlich bzw. mit 59 Euro proHektar landwirtschaftlicher Nutzfläche durch-schnittlich bundesweit angegeben. Bei der Verwendung dieser gebundenen Haus-

haltsmittel ist die Diskussion offen. Wichtig ist es,die Lenkungswirkung zu erhalten, Akzeptanz zustärken und Verwaltungskosten niedrig zu halten.Denkbar wären: Anschubhilfen für Alternativen imAnbausystem, Pflanzenzüchtung, nicht-chemischePflanzenschutzmaßnahmen entwickeln und viel-fältige Fruchtfolgen fördern. Aber auch kurz-fristige Mittelbereitstellung für bestimmte Kul-turen, um Belastungsspitzen am Anfang zu puffernund den Anpassungsprozess zu beschleunigen, sindzu prüfen. Die Mittel können aber auch in Lebens-mittelüberwachung, Umweltüberwachung undTrinkwasseraufbereitung gehen. Natürlich kommt bei landwirtschaftlichen Erzeug-nissen schnell das Argument der Benachteiligung iminternationalen Wettbewerb durch eine Pflanzen-schutzsteuer. Das lässt sich nicht völlig negieren,sie sind in anderen europäischen Ländern aber auchnicht eingetreten. Insgesamt gibt es auch in an-deren Bereichen bedeutendere länderspezifischeKostenunterschiede bei Arbeit und Energie, so dassdas als Argument nicht gegen eine Pflanzenschutz-abgabe hilft. Wichtiger erscheint mir jenseits der Umwelt- undGesundheitsargumente, auf die Perspektive einerbesseren Positionierung im Wettbewerb und dabeiauf die bessere und sichere Qualität der Erzeug-

Landwirte protestieren in Berlin für den Erhalt bäuerlicher Strukturen in der Landwirtschaft, gegenzunehmenden Intensivierungsdruck und Ausrichtung ihrer Produktion auf den Weltmarkt.

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nisse zu setzen. Wir müssen davon ausgehen, dassder Lebensmitteleinzelhandel zukünftig nochstärker in diesen Bereich schauen wird. So kann dieEinführung einer Abgabe zu einem Wettbewerbs-vorteil generieren. Die Zeiten, wo Fehler im Pflanzenbau durch denEinsatz von Pflanzenschutzmitteln überdeckt wer-den könnten, seien vorbei. Diese Aussage stammtaus der Zeitschrift „top agrar“ und belegt, dassdiese Einsicht nicht nur in Umweltverbänden, son-dern auch in Agrarfachkreisen angekommen ist.Landwirtinnen und Landwirte reagieren beiverbindlichen Vorgaben schnell mit betrieblichenAnpassungen. Wer sich gegen eine Abgabe aus-spricht, muss auch sagen, welche relevanten Alter-nativen es zum gesetzlichen Auftrag derPflanzenschutzmittelreduktion gibt. Einfach „Nein“sagen ist keine Alternative. Die Zielvorgaben zur Pflanzenschutzgesetzgebungin EU und Bund wie auch beim Nationalen Aktions-programm (NAP) werden verfehlt, wenn es dafürkeine neuen Impulse gibt. Die Aufwandmengen ge-hen nicht wirklich zurück, gleichzeitig werden dieMittel nicht weniger toxisch. Pflanzenschutzmittel-reste werden immer noch dort gefunden, wo sienicht hingehören, nämlich im Grundwasser, in Seenund Flüssen und in Lebensmitteln. Die verbesserteAnalysetechnik zum Problem zu erklären bedeutet,die Sache völlig auf den Kopf zu stellen. Wenn dieTatsache akzeptiert wäre, dass es ein Problem mitPflanzenschutzmittelrückständen gebe und dazuHandlungsbedarf bestehe, öffnete dies den Weg zueiner gemeinsamen Suche nach Lösungen.

Die aktuellen Plagiatsvorwürfe an das Bundesamtfür Risikobewertung (BfR) im Zusammenhang mitden vorgelegten Studien von Monsanto bestätigen:Eine Pflanzenschutzsteuer ersetzt keine unab-hängige Prüfung, Zulassung, Evaluierung und Verbotvon Pflanzenschutzmitteln. Eine Reform des Zulas-sungsverfahrens und auch Verbote nach derzei-tigem Recht sind allerdings politisch schwer durch-zusetzen oder langwierige Verfahren. Das Ord-nungsrecht stößt an Grenzen, weil nicht alles kon-trolliert werden kann. Die Kontrollquote liegt beiknapp zwei Prozent. Durch Ordnungsrecht alleinwerden nicht genügend Anreize für Innovation undEffizienzsteigerung gegeben. In anderen Ländernhat sich gezeigt, dass eine ökonomisch wirkendeLenkungsabgabe das Potential hat, die Risikendurch den chemischen Pflanzenschutz wirksam zureduzieren. Eine ökonomisch wirkende Lenkungsabgabe oderSteuer ist ein attraktives Instrument, um eine Re-duktion der Risiken durch den chemischen Pflan-zenschutz zu erreichen. Aus dieser Perspektivelohnt es sich, die Pflanzenschutzabgabe weiter zu entwickeln, dafür zu streiten und sie umzuset-zen. Daher halte ich den Weg über eine Abgabe für einen guten Weg, der auch Bäuerinnen und Bauernentgegenkommt. Sie können selbst über die fürihren Betrieb jeweils am besten geeigneten Maß-nahmen entscheiden und sie mit etablieren. Die er-hobenen Mittel könnten auch den Betrieben bei der Umsetzung der Ziele helfen. Das gibt Anreiz fürbetriebliche Entwicklungen auf dem Weg zuehrlicheren Produktpreisen.

Bernd VoßVorstand Agrarbündnis e. V.MdL Grüne LandtagsfraktionDieksdorf 12425554 Nortorf/WilsterTel. 0431 988 1515Mobil 0173 9135 [email protected]

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Pestizide reduzieren

Stopp dem Schmuggel illegaler Pflanzenschutzmittel

Silke Schwartau

Wissenschaftliche Studien zeigen: Wer viel Obst und Gemüse isst, lebt gesünder. Dochimmer wieder zeigen Untersuchungsergebnisse, dass verschiedene Obst- und Gemüse-sorten mit Pestizidrückständen belastet sind. Daher ist es wichtig, den Pestizideinsatzweiter zu minimieren und strikt auf die Einhaltung von Grenzwerten zu achten, um denhohen Gesundheitswert pflanzlicher Lebensmittel nicht zu schmälern. Einiges hat sichin den letzten Jahren zum Positiven bewegt, so geht der Bioanbau voran, wenn auchleider nur in kleinen Schritten. Der Handel akzeptiert von vielen Lieferanten keine maxi-male Auslastung möglicher Grenzwerte mehr und das Bundesinstitut für Risikobewertung(BfR) berücksichtigt seit Jahresanfang auch Mehrfachrückstände in seinem Zulas-sungsverfahren. Trotzdem heißt es wachsam bleiben, denn es gibt noch immer keinenSummengrenzwert, so wie beim Trinkwasser, und im Zuge der Globalisierung kommenneue Probleme hinzu, die noch zu wenig bekannt sind.

Beispiel China: Das Reich der Mitte exportiertbesonders viele Nahrungsmittel. Viele Produkte,wie Tomaten, getrocknete Pilze oder Knoblauchstammen häufig aus China und werden gern in ver-arbeiteten Lebensmitteln verwendet. So kommenetwa 80 Prozent der weltweiten Ernte für Saft-konzentrate von dort. Aus Sicht vieler Verbraucherspricht einiges gegen den hohen Import von Lebens-mitteln aus China. Denn in keinem anderen Landder Welt werden so viele Pestizide verwendet. Da-bei kommen zudem Stoffe zum Einsatz, die in

Deutschland und der Europäischen Union längst ver-boten sind. Doch weil in China die Untersuchungender Lebensmittel nicht immer unabhängig oder aufdem neuesten Stand und die Kontrollinstanzen oftkorrupt sind, gelangt das Gift unbemerkt ins Essen.Weltweit agiert eine „Pestizid-Mafia“, die illegalePflanzenschutzmittel verkauft – dies auch über denHamburger Hafen oder weitere Häfen Norddeutsch-lands. So finden Beamte des Zolls immer wiederfalsch deklarierte Ladungen mit gefährlichen Substanzen, die rund um die Welt geschickt wer-

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Hürden, die den Kampf gegen illegale Pestizide behindern:

Mangel an einer einheitlichen weltweiten Reglementierung: Pestizide sind nicht ein-•

heitlich reglementiert. Länderübergreifende Verbote wären hilfreich. Das gemeinsame

Interesse an der Vernichtung illegaler Pflanzenschutzmittel könnte dadurch gesteigert

und jahrelange Transportwege vermieden werden.

Unübersichtliche Zulassungsverfahren: Komplexe und vor allem unterschiedliche Zulas-•

sungsregeln oder wenig restriktive Gesetze bieten zahlreiche Schlupflöcher für Mani -

pulationen, sowie für eine fehlerhafte und unvollständige Deklaration.

Korruption: Bestechlichkeit – insbesondere in Afrika – verhindert ein rigoroses Eingreifen. •

Lukrativer Verkauf: Die Gewinnspanne beim Verkauf von illegalen Pestiziden ist enorm•

hoch. Das geringe Entdeckungsrisiko und die oft verschleierten Handelsrouten machen

den Verkauf von illegalen Pflanzenschutzmitteln zu einem lukrativen Geschäft. Oftmals

sind illegale Pestizide für Landwirte eine günstige Alternative zu zugelassenen Marken-

produkten.

Fehlende Sachkunde: Zollbeamten sind häufig nicht umfassend im Umgang mit Pes-•

tiziden geschult.

Einfache Beschaffungsmöglichkeiten im Internet: Illegale Pestizide können problemlos•

im Internet bestellt werden. Die Anbieter werben sogar mit speziellen Lieferwegen, die

eine Umgehung des Zolls ermöglichen.

Probleme bei den Prüfverfahren: Die Analyse von Proben dauert teilweise mehrere Tage,•

dann muss die Ware lange festgehalten werden.

Falsche Deklaration: Die Angabe falscher Inhaltsstoffe ist nicht grundsätzlich strafbar.•

Die Einfuhr der Ware kann verhindert werden, die Vernichtung der falsch ausgezeich-

neten Stoffe allerdings häufig nicht.

Verpackungen ohne Produzenten-Hinweis: Separater Versand von illegalen Pestiziden•

und den dafür vorgesehenen Verpackungen, so dass bei Entdeckung nur die gefälschten

Verpackungen vernichtet werden können.

Rückverfolgung kaum möglich: Die Ware wird häufig umgeladen, Behörden haben wenig•

Kapazitäten und transnationale Kooperationen sind nur in geringem Umfang vorhanden.

Vermischungsgefahr: Legal erworbene chemische Stoffe können auch im Inland zu ille-•

galen Pflanzenschutzmitteln gemischt werden.

Transportrisiken: Die Risiken beim Transport auf Containerschiffen oder im Flugzeug sind•

enorm hoch, insbesondere bei niedrigen Flammpunkten können unvorhersehbare

Gefahrenquellen entstehen.

Kaum Risiken für die Pestizid-Mafia: Die Überwachung der einzelnen Stationen (Her-•

steller, Einführer, Abfüller, Etikettierer, Verkäufer) ist mangelhaft.

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Page 34: Pestizide reduzieren - aber richtig · 4 Stadt Preetz - der Verzicht auf Pestizide fällt leicht Jan Birk, Stadt Preetz.....45 Naturnahe Forstwirtschaft in Schleswig-Holstein Johann

den. Um die Pestizid-Belastung zu verringern ist eine verbesserte Kontrolle in den europäischenHäfen dringend erforderlich, jedoch allein nichtausreichend. Teilweise fehlen den Behörden dierechtlichen Mittel, um diese Pestizide aus demVerkehr zu ziehen, weil sie nur transportiert, abernicht angelandet werden - also sozusagen nicht vonBord gehen und das Containerschiff nicht verlassen. Besonders in Afrika werden illegale Pflanzen-schutzmittel häufig flächendeckend eingesetzt: Ein hohes Gesundheitsrisiko für die Verbraucher,wenn die Lebensmittel dann wieder nach Europaexportiert werden. Zuweilen wird nach beson-ders giftigen Stoffen in Europa gar nicht gesucht,weil diese in unseren Breiten ja ohnehin nicht zuge-lassen sind - ein fataler Irrtum. Die Gewinnspannender Fälscher sollen übrigens denen der Rausch-giftschmuggler sehr ähnlich sein. Selbst für die Ar-beiter vor Ort in Afrika oder Asien, die teilweisevollkommen ungeschützt mit den giftigen Stoffen

in Berührung kommen, stellen illegale Pestizide ein immenses Gesundheits-problem dar.Um den Schmuggel mit illegalen Pestizideneinzudämmen sind folgende Maßnahmen angezeigt:Die Schaffung eines mehrsprachigen Portals, in demunter anderem die länderspezifischen Gesetze zumEinsatz von Pestiziden dokumentiert werden, wäreeine Grundvoraussetzung. Beispielsweise könntedamit nachvollzogen werden, welchen Pestizideneine Banane aus Tansania oder eine Erbse aus Kenialaut dortigem Gesetz ausgesetzt sein könnte. Solltees zu einem Einsatz von illegalen Pestiziden kom-men und diese Gefahrenquelle im europäischenSchnellwarnsystem aufgelistet werden, könnten eu-ropäische Verbraucher diese Lebensmittel gezieltboykottieren. Das würde Druck auf die Anbauländerausüben. Zum Austausch von Informationen sollte

eine länderübergreifende Meldestelle eingerichtetwerden, über die Behörden gegenseitig Informatio-nen über Zulieferer oder zurückgesandte Containeraustauschen können. Durch eine gemeinsameMeldestelle können zudem die häufig ver-schleierten Handelsrouten sichtbar gemacht wer-den. Um die Effizienz der afrikanischen Verbändezu erhöhen, wäre ein Know-How-Transfer, und aucheine finanzielle Unterstützung beim Aufbau von In-formations- und Prüfstellen, wünschenswert.

Schiffstransporte mit Pestiziden sind ein hohesRisiko für die Umwelt

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Silke SchwartauAbteilungsleiterin Lebensmittel undErnährungVerbraucherzentrale Hamburg e. V.Kirchenallee 22 20099 HamburgTel. 040 24832 [email protected]

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Pestizide reduzieren

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Vom Winde verweht

Gerald Wehde

Leichtflüchtige Pestizidwirkstoffe werden vom Wind über weite Strecken transportiertund belasten die Kulturen anderer Bauern. Doch die Zulassungsbehörden von Pflanzen-schutzmitteln in Deutschland sitzen die Problematik aus.

Herbizidabdrift vom Nachbarfeld ist das eine. Nurmit hohem Aufwand lässt sich der Verursacher fest-stellen und Schadensersatz einfordern. Oft bleibtder geschädigte Landwirt auf seinem Schadensitzen. Das andere ist, wenn das Gift von weit herauf das eigene Feld weht. Dann kann kein Verur-sacher mehr ermittelt werden. Mit so einem Fallhatten es die Bewirtschafter vom Bioland-BetriebGut Wilmersdorf in Brandenburg zu tun. Im Winter2012 meldete sich ein Kunde bei Betriebsleiter Ste-fan Palme, der Körnerfenchel bei ihm bezogen undHerbizidrückstände entdeckt hatte. Alarmiertschickte Palme weitere Proben ans Labor. Erneutfanden sich die beiden Wirkstoffe Pendimethalinund Prosulfocarb. Beide gehören im konven-tionellen Landbau zum Spritzalltag. Nur: Gut Wil-mersdorf hat keine konventionellen Nachbarn. Umden Fenchel herum werden alle Flächen im Umkreisvon zwei Kilometern biologisch bewirtschaftet. DerBetrieb mit 1.100 Hektar liegt im Biosphärenreser-vat Schorfheide-Chorin und damit im größten zu-sammenhängenden Bio-Anbaugebiet in Deutsch-land. Palme erstattete Anzeige gegen unbekanntund wies das Landesamt für Umwelt, Gesundheitund Verbraucherschutz in Brandenburg (LUGV) aufdie Pestizidverunreinigung hin. Im Folgejahr warder Fenchel erneut mit den beiden Herbiziden kon-taminiert. Der Landwirt konnte den Bio-Fenchelwieder nicht wie geplant verkaufen.Das LUGV nahm sich des Hinweises von StefanPalme an und beauftragte ein Umweltbüro, dieSache näher zu untersuchen. Dessen Experten be-probten Baumrinden und stellten technische Pas-sivsammler auf Palmes Feldern auf. Und siehe da:Obwohl in diesem Jahr nachweislich kein Landwirtin der näheren Umgebung Pendimethalin oder Pro-sulfocarb verwendet hatte, fanden sich Rückständein den Sammlern. Die Gifte mussten also über weite

Entfernungen herangeweht worden sein. Und zwarin großen Mengen, denn Pendimethalin war amStandort 100- bis 1.000- fach höher konzentriert alsin Sammlern in unbelasteten Gebieten an der Nord-und Ostsee. Mit der Veröffentlichung des LUGV-Gutachtens wurde 2015 erstmals systematischbelegt, dass Pendimethalin und Prosulfocarb, diedie Hersteller ADAMA, BASF und Syngenta inDeutschland vertreiben, über weite Strecken ver-frachtet werden. Die beiden Unkrautvernichterverunreinigen so die Ernten von Bio-Bauern undkonventionellen Landwirten, die diese selbst nicht

Nach der Ernte aufgestellter Passivsammler: Hiersammelte sich zum regulären Erntetermin der Wirk-stoff Pendimethalin an

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Pestizide reduzieren

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Page 36: Pestizide reduzieren - aber richtig · 4 Stadt Preetz - der Verzicht auf Pestizide fällt leicht Jan Birk, Stadt Preetz.....45 Naturnahe Forstwirtschaft in Schleswig-Holstein Johann

ausbringen. Dadurch können Waren nicht mehr wiegeplant oder gar nicht vermarktet werden. ZumBeispiel wenn der gesetzlich verankerte strengeGrenzwert für Babynahrung überschritten wird.Doch auch den zuständigen Behörden in Bund undLändern ist seit langem bekannt, dass Pestizideauch über weite Entfernungen verfrachtet werden,das zeigen Sitzungsprotokolle. So wurden in Grün-kohlproben immer wieder hohe Belastungen mitPendimethalin gefunden, die nicht mit direkter Ab-drift vom Nachbarfeld erklärt werden konnten.„Wir Landwirte bleiben auf dem Schaden durch denPestizidferntransport sitzen, den andere verur-sachen. Denn in diesem Fall ist kein Verursacher zuermitteln“, sagt Stefan Palme vom Gut Wilmersdorfstellvertretend für viele geschädigte Landwirte.Auch andere Kulturen und Kräuter wie Grünkohl,Dill und Petersilie, aber auch Arzneipflanzen, sindregelmäßig kontaminiert. Das bereitet auch denHerstellern und Händlern zunehmend Probleme, dieauf heimische Bio-Produkte setzen. „Es kann nichtsein, dass deutsche Bio-Bauern den Anbau be-stimmter Kulturen einstellen müssen, weil die Be-hörden bei der Zulassung von Pestiziden versagen“,ärgert sich Erwin Winkler, Geschäftsführer desKräuterherstellers Herbaria. Betroffene Bio-Un-ternehmer wandten sich 2016 unterstützt von Bio-land in einem offenen Brief an Bundesland-wirtschaftsminister Schmidt. Sie verlangten darinSofortmaßnahmen auf nationaler Ebene, die dieKontamination durch Pendimethalin und Prosulfo-carb deutlich reduzieren, allen voran das Verbotder Anwendung in Flächenkulturen wie Getreide.Denn hier stehen alternative Herbizide zur Verfü-gung, die weniger dazu neigen, über weite Streckendurch die Luft transportiert zu werden.

Zudem sollen die Pestizidhersteller dazuverpflichtet werden, Kapselformulierungen zu ver-wenden. Zwar hatte die Zulassungsbehörde, dasBundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmit-telsicherheit (BVL) für beide Wirkstoffe im März2016 zusätzliche Anwendungsauflagen veröf-fentlicht, allerdings lösen diese nicht das Problemder hohen Verdunstungsneigung beider Wirkstoffe. Bioland fordert gemeinsam mit den Bio-Un-ternehmen zudem ein umfassendes staatlichesMonitoring von Pestizidwirkstoffen in der Luft. DennFernverfrachtungen beschränken sich nicht aufPendimethalin und Prosulfocarb. Schadenfälledurch das Herbizid Clomazone sind seit langembekannt. Auch Glyphosat steht auf der Verdachtsliste, alleinaufgrund seiner hohen Ausbringungsmengen von5.000 bis 6.000 Tonnen jährlich. Auch die Agrarminister der Bundesländer sind be-sorgt und behandelten die Problematik auf zweiihrer Agrarministerkonferenzen in 2015 und 2016.Sie forderten deren Berücksichtigung bei künftigenZulassungsentscheidungen. Der Bund solle zudemein umfassendes Luft-Monitoring zu Pestiziden in-stallieren. Passiert ist seitdem nichts. EU, Bundes-landwirtschaftsministerium und BVL wiegeln ab.Stattdessen verfolgen die Behörden einen anderenWeg der Problembewältigung: Im Juli hat die EU dieGrenzwerte für Pendimethalin in bestimmtenGemüsekulturen zum Teil deutlich erhöht (Verord-nung (EU) 2015/1101). Den schwarzen Peter habenalle Anbauer, sowohl konventionell als auch bio, diedie besonders hohen Anforderungen für Baby-nahrung oder Arzneimittel bei Pestiziden erfüllenmüssen. Doch mit diesem Problem lässt man siealleine.

Gerald WehdePressesprecher, GeschäftsleitungAgrarpolitik und KommunikationBioland e.V.Kaiserstraße 1855116 MainzTel. 0613 1239 [email protected]

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Pestizide reduzieren

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Solawi - eine Lösung für Vieles

Inga Mahlke

Lebensmittelskandale und die Diskussionen zum Ackergift Glyphosat haben erfreulicher-weise zu einem erhöhten Bewusstsein bei Verbrauchern und Konsumenten geführt. Vielemöchten etwas ndern und verantwortlich handeln und sich gesund ern hren, frei vonPestizidrückst nden. Das hat zu einem regelrechten Bioboom geführt. Doch auch derlöst leider nur einen Teil unserer Probleme in der globalisierten Welt.

Wir importieren Nahrungsmittel aus der ganzenWelt und wissen oft gar nicht mehr, was wann beiuns wachsen würde. Wenn der Anbau ökologischzertifiziert und somit pestizidfrei ist, erfordert erzwar weltweit einen sorgsameren Umgang mitBöden, Pflanzen und Tieren als die konventionelleLandwirtschaft. Außerdem werden sinnvoller WeiseGew sser und Grundwasser geschont, aber im en-geren Sinne ökologisch und wirklich nachhaltiggehandelt wird damit leider noch lange nicht. Nur als Beispiel sei gefragt wie ökologisch nach-haltig denn ein Bio-Erdbeer-Joghurt aus Bayern ist,der polnische Erdbeeren enth lt und erst in 800Kilometer Entfernung in Schleswig-Holstein gekauftund gegessen wird, ganz zu Schweigen von einerbiologisch angebauten Flugmango aus bersee oderdem Einschweißen und hnlichen überflüssigenVerpackungen auch bei Bioprodukten. Verpackun-gen und lange Transportwege machen einenGroßteil der Nachhaltigkeit wieder zunichte, selbstwenn man auf Biolabel achtet. Daraus ergibt sichals erstes Fazit: Bio allein kann die Welt nicht ret-ten. us tzlich ist es wichtig auf Regionalit t und

Saisonalit t zu achten Die solidarische Land-wirtschaft setzt diese Forderungen hervorragendum und tr gt außerdem noch zum Erhalt der klein-b uerlichen Betriebe und unserer Natur- und Kul-turlandschaft (Knicks) bei und das in der Regelbiologisch, also ohne Einsatz von Pestiziden. Kleine- meist Biohöfe - kommen aus der Wachstumsdruck-spirale heraus und können erhalten werden, weilsich Menschen zusammen gefunden haben, die eineneue andere Wirtschaftsweise aufbauen wollen, un-abh ngig von EU-Normen oder Fördergeldern, eine kleinb uerliche Landwirtschaft, die gemein-

schaftlich getragen wird: biologisch, regional undsaisonal. Die Verbraucher unterstützen einen oder mehrereHöfe, ganz konkret mit einem monatlichen Beitragfür mindestens ein Jahr. Durch diese gegenseitigeVereinbarung wird deren E istenz gesichert, denndie Höfe bekommen ein festes Einkommen undwirtschaftliche Planungssicherheit, ihr Absatz istgesichert und sie wissen für wen sie arbeiten, dennsie sind Teil einer Gemeinschaft. Sie sind raus ausdem Wettbewerbsdruck, denn die Produkte ver-lieren ihren Preis, wenn sie nicht mehr mit dem(Welt-)marktpreis konkurrieren müssen. Die Ver-braucher wissen, wo ihr Essen herkommt, kennendie Wirtschaftenden und können mitbestimmen,was angebaut wird, manchmal dürfen sie auchmithelfen. Sie tragen auch das Risiko für Misserntenoder Massenernten, d.h. Mangel oder berfluss be-stimmter Produkte. Dafür bekommen sie wöchent-lich gesunde, pestizidfreie, wertvolle, regionale,saisonale und meist ökologische Nahrungsmittel,

Ernteeinsatz der Mitglieder der Solawi

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Pestizide reduzieren

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ganz frisch und unverpackt in hoher ualit t direktvom Erzeuger, edoch nicht zwingend in Norm-maßen. Sie werden mit gesunden, naturbelassenenund schonend verarbeiteten Lebensmitteln versorgtund lernen wieder wertzusch tzen, was der Bodenuns schenkt und daraus ihr Essen zu planen. Sie sindeingebunden in einem sozialen Netzwerk mit denErzeugern und den anderen Verbrauchern, mitdenen sie die Ernte teilen. Sie bekommen durch Be-suche und wöchentliche Ernte- und Infobriefe Ein-blick in die Abl ufe auf den Höfen und in dieProduktion und dadurch wieder einen dichterenBezug zu ihren Lebensmitteln und nebenbei auchzur Natur, besonders zur Erde und zum Land, aufdenen sie erzeugt werden. Dieser Kontakt ist span-nend, durchaus nicht nur für die Kinder. Alle könnenIdeen einbringen und sich als Gemeinschaft weiterentwickeln. Manche Solawis haben neben Gemüse noch Ge-treide oder Brot, Milch und Milchprodukte undentsprechende Fleischanteile. Einige haben Hühneroder kümmern sich um eigene Obstwiesen oderdenken über solche Ausbaumöglichkeiten nach. Dersorgsame Umgang miteinander und das (Wieder-)erlernen der natürlichen Abl ufe fördert N hezueinander und zur Natur. Mit dem Vertrauenzueinander w chst auch das Verst ndnis und diegegenseitige Wertsch tzung und die Wertsch tzungder Produkte und ganz nebenbei werden enormeMengen an Verpackungen vermieden und Transportereduziert. um Schluss Beispiele aus der guten landwirt-

schaftlichen Pra is unserer Solawi, der Gemein-

schaft der Schinkeler Höfe. Verbunden sind vierzertifizierte Biobetriebe. Gemüse gibt es vomWurzelhof, Milchprodukte und dazu entsprechendanfallendes Rindfleisch von Hof Rzehak, Kartof-feln, Getreide, Eier und iegenprodukte von HofMevs, sowie Brot und Backwaren von der Kornkraft-b ckerei. Allen ist sehr an einem Ressourcen scho-nenden Umgang mit der Natur gelegen. Sie arbeit-en seit Jahrzehnten nach den Biorichtlinien,also selbstverst ndlich ohne Agrochemie (Pesti-zide und mineralisch-synthetische Düngemittel)und betreiben darüber hinaus noch umfang-reiche Bodenpflege ( wischensaaten mit Klee-gras zur Düngung und gegen Erosion, Mulchengegen Unkraut und Austrocknung). Sie haltenden Boden locker und fruchtbar, benutzensamenfeste Sorten und vermeiden nachMöglichkeit die Irrwege der industriellen Land-wirtschaft wie z.B. genver nderte Pflanzen oderentsprechendes Saatgut. Für Menschen ohne eigenen Hof, die wenig eit zurSelbstversorgung haben bzw. denen das nötigeKnow-how fehlt, ist das Prinzip der solidarischenLandwirtschaft ideal. Hier finden wir als Ver-braucher Antworten auf die genannten Problemeunserer eit und können aktiv gegen den Stromschwimmen. In der Gemeinschaft können wir vielmehr bewirken als allein und so zur Verbesserungunserer Lebensgrundlagen beitragen. Das geht weitüber das Vermeiden von Pestiziden hinaus, was im

ko-Anbau gesetzlich vorgeschrieben ist. Soli-darische Landwirtschaft ist ein Modell mit ukunft- zur Nachahmung empfohlen.

Inga Mahlke

Schinkeler Hö[email protected]

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Pestizide reduzieren

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Ethoxyquin - verbotenes Pestizid in Aquakulturen

Thilo Maack

Fisch ist beliebt: 1,15 Millionen Tonnen konsumierten die Deutschen laut Fisch-Infor-mationszentrum (FIZ) im Jahr 2015. Ganz oben auf der Beliebtheitsskala finden sichZuchtfische wie Lachs und Forelle. Fisch gilt als gesund, doch aus konventionellerAquakultur hat er es in sich: Stichproben weisen bei einer Laboruntersuchung im Auftragvon Greenpeace bedenkliche Mengen an Ethoxyquin auf. Ethoxyquin ist eine Chemikalie,die früher als Pflanzenschutzmittel verwendet wurde. Seit 2011 gilt ein EU-weites Verbot für diesen Einsatz. Nach wie vor wird Ethoxyquin jedoch Tierfutter wie Fischmehlbeigemischt, um dieses haltbar zu machen. Das Fischmehl dient hauptsächlich in kon-ventionellen Fischzuchten, sogenannten Aquakulturen, als Futter. So landet Ethoxyquinin Speisefisch, in Supermärkten und schließlich auf den Tellern der Verbraucher.

Da die Bewertung des Wirkstoffes zu einer Reihevon Bedenken führte, widerrief die EU im Jahr 2011die Zulassung von Ethoxyquin enthaltendenPflanzenschutzmitteln. Für zahlreiche Nahrungs-mittel wie Fleisch oder Gemüse wurden maximalzulässige Höchstmengen festgelegt. Jene fürFleisch liegt bei 50 Mikrogramm pro Kilogramm(50µg/kg). Für Fisch gibt es jedoch bis heute keinenGrenzwert. Welche Wirkung Ethoxyquin auf Menschund Umwelt hat, dazu fehlen bisher ausführlicheDaten. Die Europäische Behörde für Lebensmittel-sicherheit (EFSA) hat bis heute kein abschließendesUrteil zur Toxizität von Ethoxyquin gefällt. Einzelnewissenschaftliche Arbeiten und Studien lassen ver-muten, dass Ethoxyquin die Erbsubstanz schädigt,den Leberstoffwechsel verändern und krebserre-gend sein kann. In Tierversuchen wurden Nieren-funktionsschäden, Schilddrüsenunterfunktionen,Störungen der Reproduktion und DNA-Schädigungenfestgestellt. Eine Expertise des Kieler ToxikologenProf. Dr. Edmund Maser ist hier finden:http://gpurl.de/06kHLAnders als Wildfisch, muss Zuchtfisch gefüttertwerden. Das geschieht mittels Fischmehl oder -ölund darin steckt meist auch Ethoxyquin. Aber wiekommt es dort hinein?Einer der größten Fischmehlhersteller sitzt in Peru.Bis zu fünf Millionen Tonnen Fisch werden werdenhier an der Küste Südamerikas gefangen. DerGroßteil dieses Fisches dient jedoch nicht der men-

schlichen Ernährung, sondern wird verarbeitet, uman Artgenossen verfüttert zu werden – in Form vonFischmehl oder -öl. Bis zu fünf KilogrammFrischfisch wird benötigt, um ein Kilogramm Fischmehl herzustellen. Fischmehl-Produzenten,wie in Peru, verteilen das Fischmehl in der ganzenWelt. Mehr als die Hälfte wird in Fisch-Aquakultur-en eingesetzt, ein weiterer Teil landet in der Tier-mast an Land. Die Verteilung erfolgt über Händler,wie etwa dem größten europäischen Fischmehl-Händler, der Firma Köster Marine Proteins mit Sitzin Bremen und Hamburg. Von hier geht das Fisch-mehl beispielsweise zu Lachs-Aquakulturen in Nor-wegen oder Fischzuchten in Mittelmeerländern. Bis

Verbotenes Pflanzenschutzmittel im Speisefisch

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zu 15.000 Kilometer kann das Fischmehl auf derReise zu seinem Bestimmungsort zurücklegen. Umes für den Transport haltbar zu machen und um zuvermeiden, dass es sich selbst entzündet, wird diechemische Substanz Ethoxyquin zugesetzt. Bis zu150 Milligramm pro Kilogramm Fischmehl dürfenvöllig legal enthalten sein. Dieses Verfahren istkostengünstiger als ein Kühltransporter, dergenauso für Haltbarkeit und Brandschutz sorgenwürde.Fische in konventionellen Aquakulturen fristen eintristes Dasein, eingepfercht mit hundertenArtgenossen schwimmen sie im ewigen Kreis derGehege. Ein regelmäßiger Futterregen sorgt füreine unnatürlich schnelle Gewichtszunahme. Fisch-pellets, aus einer Mischung aus Fischmehl und -öl,Soja- und Maisproteinen sowie Weizen, Bohnen undanderem Gemüse plus diversen Zusatzstoffen wiebeispielsweise Antibiotika oder Herbizide gelangenmittels Futterautomat ins Gehege. DieseZusatzstoffe können sich im Fisch anreichern unddadurch auf den Tellern der Verbraucher landen.Greenpeace hat Ende November / Anfang Dezem-ber 2016 insgesamt 54 Fischprodukte im Labor aufEthoxyquin untersuchen lassen. Die Stichproben,darunter Lachs, Forelle, Dorade und Wolfsbarschstammen aus den bekannten deutschen Supermärk-ten Aldi Nord, Aldi Süd, Edeka, Famila, Kaufland,Lidl, Marktkauf, Netto, Penny, Real und Rewe sowieaus Biomärkten. Untersucht wurden Tiefkühlfisch,sowie geräucherter und frischer Fisch aus Aquakul-turen, Bio-Aquakulturen und Wildfängen.Alle 38 Speisefische aus konventionellen Aquakul-turen enthielten Ethoxyquin. In 32 Proben derAquakultur-Fische lag die Ethoxyquin-Belastung

über der gesetztlich erlaubten Höchstbelastung fürFleisch, das bedeutet der Ethoxyquin-Wert lag über50 Mikrogramm pro Kilogramm. Die höchste Ethoxy-quin-Belastung wies ein Lachsprodukt aus norwegi-scher Aquakultur auf. Der für Fleisch existierendeGrenzwert (50µg/kg) wurde dabei um mehr als das17-fache überschritten. In Fischprodukten, die ausBio-Aquakulturen stammen, wurde Ethoxyquin nurin sehr geringen Mengen nachgewiesen. Dieses istin der Regel nicht im Futter vorhanden, das für dieBio-Zucht eingesetzt wird. Jedoch kann es in ander-en Stoffen vorkommen, die bei der Zucht zugesetztwerden. Nur in einer Bio-Lachs-Probe aus Norwegenwurden erhöhte Ethoxyquin-Werte gefunden. Eineungewöhnliche Ausnahme, über deren Grund sichnur spekulieren lässt. So kann es hier etwa zu einerfalschen Etikettierung oder Vermengung von Futtergekommen sein.Wildlachs ist im Gegensatz zu Lachs aus Aquakulturin der Regel frei von Ethoxyquin, da er nicht gefüt-tert wird. Das haben auch die Laborproben bestätigt. Welche Fische ökologisch vertretbar sind, zeigt der Greenpeace Fischratgeber(www.greenpeace.de/fisch). Alle Ergebnisse unter:http://gpurl.de/vNIJm

Thilo MaackFischerei und FischereipolitikGreenpeace e. V.Hongkongstr. 1020457 HamburgTel. 040 306 [email protected]

Greenpeace fordert:

• EU-Verbot von Ethoxyquin als Futtermittelzusatz

• Verkaufsstopp von Fischprodukten, deren Ethoxyquin-Gehalt über der gesetzlichen Höchstmenge für Fleisch (50 μg/kg) liegt.

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Pestizide reduzieren

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Pestizide in Privatgärten - vollkommen überflüssig

Angelika Elak

In Hausgärten werden bundesweit jährlich rund 5000 Tonnen Pestizide eingesetzt, davon90 Tonnen glyphosathaltige Handelsprodukte. Der jährliche Umsatz beläuft sich auf etwa65,7 Millionen Euro. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL)stellt nach seiner letzten bundesweiten Befragung zur „Anwendung von Pflanzen-schutzmitteln im Haus- und Kleingartenbereich“ 2016 zwar fest, dass die angewendeteMenge Pflanzenschutzmittel in Privatgärten abgenommen hat, die Mehrheit der Klein-und Hausgärtner aber noch immer zu viele Pestizide einsetzt. Dies ist umso bedauer-licher, da der Verzicht hier besonders leicht fällt.

Eigenheimbesitzer, die ihren Garten schnell undgünstig angelegt haben, sind oft wenig informiertund greifen, wenn das Moos im Garten sprießt odersich Schädlinge über die Rosen hermachen, häufigunbedacht zu Pestiziden. Dabei ist der Einsatz vonPestiziden, der auf gärtnerisch genutzten Flächenzulässig ist, durchaus nicht risikolos. Auf befes-tigten oder versiegelten Flächen wie Wegen, Auf-fahrten und Terrassen ist laut Pflanzenschutzgesetzdie Ausbringung chemisch-synthetischer Pflanzen-behandlungsmittel verboten. Die Gefahr ist hierbesonders groß, dass die Mittel schnell in Grund-wasser und Kanalisation gelangen. Berichte desPflanzenschutz-Kontrollprogramms des Bundes-amtes für Verbraucherschutz und Lebensmittel-sicherheit (BVL) zeigen jedoch, dass die Anwendungvon Unkrautvernichtungsmitteln auf diesen Flächentrotz Verbot aus vermeintlicher Bequemlichkeit,

Ignoranz oder Unwissenheit sogar zugenommen hat. In Deutschland ist das BVL für die Zulassung derGifte für den Haus- und Gartenbereich zuständig.Zugelassene Produkte sind mit dem Aufdruck „An-wendung im Haus- und Kleingartenbereich zulässig“gekennzeichnet. Deutliche Gebrauchshinweise z. B.bezüglich der Dosierung müssen angegeben wer-den. Die Produkte sind in Baumärkten, Gartencen-tern und im Internet zu kaufen. Sie können zwarjeweils nur in kleinen Verpackungseinheiten erwor-ben werden, doch wiederholte Käufe sind problem-los möglich. Ganz anders als Landwirte könnenPrivatpersonen sie ohne Sachkundenachweis an-wenden. Fehlanwendungen wie Überdosierung,falsche Produktwahl, zu häufige Anwendungen undungünstige Produktkombinationen sind kaum zukontrollieren. Fatale Folgen für die Umwelt sinddamit nicht ausgeschlossen, denn auch die zuge-

Ein Großteil der im Garten verwendeten Mittelwird gegen Schnecken eingesetzt

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Pestizide reduzieren

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In dieses Beet gelangt keine Schnecke

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lassenen Pestizide sind für Wasser- und Bodenlebe-wesen und Insekten gefährlich und in der Folge fürMensch, Tier und Umwelt. Angesichts dieser Risiken muss die Frage gestelltwerden, ob eine verstärkte Information und Auf-klärung der Anwender ausreichend ist oder regula-tive Maßnahmen seitens der Gesetzgebung ergriffenwerden müssen. Unser Nachbarland Frankreich hatlängst gehandelt. Ein nationales Gesetz („Labbélaw“) verbietet den Einsatz von Pestiziden bereitsseit 2014 auf kommunalen Flächen mit Ausnah-meregelungen für Friedhöfe und Sportplätze bisEnde 2018, ab Januar 2019 wird die Abgabe vonPestiziden an Amateurgärtner und der Einsatz inHaus- und Kleingärten verboten sein („keine Pes-tizide in Laienhand“). Die Franzosen rechnen miteiner Reduzierung des Pestizideinsatzes von insge-samt zehn Prozent. Frankreich fordert von den EU-Mitgliedstaaten ein europaweites Verbot desPestizideinsatzes außerhalb von Agrarflächen.Während die Niederlande, Belgien und Luxemburgbereits ähnliche Ziele verfolgen, konnte sichDeutschland noch nicht für diesen Weg entschei-den. Aber auch bei uns steigt das Bewusstsein fürdie gesundheitlichen und ökologischen Folgen.Immer mehr Gemeinden zeigen, dass es auch ohneGift auf kommunalen Flächen geht. Das ist in dop-pelter Hinsicht wichtig: Zum einen hat der Verzichtauf Pestizide einen erheblichen positiven Einfluss

auf die Umwelt, zum anderen haben die Kommuneneine Vorbildfunktion und können die Akzeptanz fürnaturnahe Flächen im kommunalen, aber auch imprivaten Bereich in der Bevölkerung erhöhen. Auchdie Studie des BMEL zeigt, dass es einen Trend hinzu mehr grün in den Städten gibt. Immer mehr Men-schen in der Stadt schließen sich mit anderenzusammen und nutzen Freiflächen in der Stadt fürden pestizidfreien Anbau von Obst, Gemüse oderKräutern. Urban Gardening–Projekte entstehen inimmer mehr Städten. Kommunen müssen darin un-terstützt werden, die Vorteile solcher Initiativen zuerkennen und zu fördern. Überall in Deutschlandentstehen auch „Essbare Städte“, hinter denen dieIdee steckt, Gemüse und Obst gezielt auf öf-fentlichen Grünflächen ökologisch anzubauen. DieBürger sind eingeladen, beim Anbau zu helfen undzu ernten. Auch in privaten Naturgärten, Thera-piegärten, Schulgärten und interkulturellen Gärtenzeigt sich, dass es ohne Gift geht. In diesen Gärtenstehen das gemeinsame Tun, das Naturerleben unddie Begegnung im Vordergrund, zum Vorteil vonGesundheit und Umwelt. Ein positiver Trend zeigtsich auch bei den Anbietern. „Es geht auch ohneChemie“ heißt es bei der Baumarktkette„Bauhaus“. Diese hat glyphosathaltige Produktefreiwillig aus dem Sortiment genommen und Alter-nativen zur Chemie vorgeschlagen. Erst kürzlich hatdie Baumarktkette toom damit geworben, künftig

Pestizide gehören keinesfalls in das Gemüsebeet

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Pestizide reduzieren

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nur noch Zierpflanzen zu verkaufen, die ohne bien-enschädliche Neonikotinoide produziert werden. ImBereich der chemischen Pflanzenschutzmittelverzichtet toom seit 2015 komplett auf bienen-schädliche Produkte. Tipps, wie man auch ohne Pestizide gärtnern kann,z. B. durch geeignete Standort- und Pflanzenwahl,Mischkultur, Förderung von Nützlingen, vorbeu-gende Pflanzenschutzmaßnahmen und Schnecken-abwehr gibt es ausreichend. Die Verbannung von Pestiziden aus Privatgärten istlängst überfällig. Laut Statistischem Bundesamt

gibt es bundesweit zirka 20 Millionen Haus- und 1,2 Millionen Kleingärten auf einer Fläche von46.000 Hektar, Tendenz steigend. In Schleswig-Hol-stein machen die Privatgärten nach Schätzung derNaturFreunde ungefähr zwei Prozent der Gesamt-fläche aus. Unsere Landschaft unterliegt einemimmer stärkeren Nutzungsdruck. Daher ist die Be-deutung von Privatgärten enorm, denn sie sind einwichtiger Rückzugs- und Lebensraum für vielePflanzen und Tiere und tragen zum Erhalt der bio-logischen Vielfalt bei. Gartenbesitzer stehen somitin einer hohen Verantwortung.

Angelika ElakProjektleitung PestizidprojektNaturFreunde DeutschlandsLandesverband S-HLorentzendamm 1624103 KielTel. 0431 9828 [email protected]

Nicht erwünschte Pflanzen lassen sich auch ohne Chemie entfernen

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Pestizide reduzieren

Stadt Eckernförde - 30 Jahre Herbizidverzicht

Sylvia Bent und Michael Packschies

Die an einer Ostseebucht gelegene Stadt Eckernförde hat 22.000 Einwohner auf einerFestlandsfl che von rund 14 uadratkilometern. Die Lage zwischen Noor und Ostsee isttouristisch hoch attraktiv, wobei es insbesondere Tagestouristen und G ste bei Privatver-mietern sind, die den Großteil der Besucher ausmachen. Dementsprechend ist in dentouristisch relevanten Bereichen die Pflege des öffentlichen Grüns von besonderer Be-deutung. Neben Grünanlagen und dem Kurpark haben die 20 Mitarbeiter der Stadtg rt-nerei aber auch Straßenbegleitgrün, Parkpl tze, Sportpl tze, Spiel- und Bolzpl tze,Kinderg rten und Schulen sowie Naturfl chen und Wanderwege zu unterhalten und denst dtischen Baumbestand zu kontrollieren und erhalten.

Bereits Ende der 80er Jahre war in Eckernförde einVerbot des Einsatzes von Herbiziden auf eigenenFl chen mit Ausnahme von Sportrasen und derPflanzenanzucht im Gew chshaus politischbeschlossen worden. Seitdem erfolgt die Bek mp-fung unerwünschter Wildkr uter zum Teil mit derHand unter Verwendung von Hacke, Fugenkratzerund Besen. Die Pflanzen werden nach alter Weisege tet und zum Vertrocknen liegengelassen bzw.zusammengefegt. Die Mitarbeiter der Stadtg rt-nerei sind eingespielt und motiviert. Das Grün-pflegekonzept baut hierauf auf.Neben der rein h ndischen Arbeit wird auch aufmaschinelle Unterstützung gesetzt. Es kommenhandgeführte Unkrautbürsten zum Einsatz, ebensoTrecker mit Besen, Schlegelm her, Spindelm herund Container für M haufgaben und die Wild-

krautegge für Sportanlagen und Sandwege. us tz-lich werden Lohnunternehmer mit der Heißwasser-dampfbehandlung von Pflasterfl chen beauftragt.Sowohl der Personalbestand als auch die zur Verfü-gung stehenden Geldmittel setzen der Bek mpf-ungsintensit t Grenzen. ber Pressemitteilungen,Handzettel, Vortr ge und persönliche Gespr chewird gelegentlich für mehr Akzeptanz von Wild-kr utern geworben, um die Erwartungshaltung derMenschen etwas zu reduzieren. Die zu pflegendenFl chen werden in drei Klassen eingeteilt: Kern-bereiche mit hoher Pflegeintensit t sind beispiels-weise die Innenstadt und der Kurpark, Rand-bereiche mit geringerer Pflegeintensit t, zu denenParks und Spielpl tze z hlen, und Außenbereicheund naturnahe Fl chen mit minimaler Pflege. In den Kernbereichen wird einmal pro Woche derRasen gem ht. Es gibt viele Beetanlagen mit Wech-selflor, mit Staudenmi kombinierte Rosenbeeteund Fl chen mit höheren Stauden und Str uchern.Die reinen Rosenbeete haben sich als sehr arbeits-aufwendig herausgestellt und werden deshalb nachund nach umgewandelt. Heckenschnitt erfolgtzweimal hrlich. In den hinteren Randbereichender großen Beete treten oft Giersch, uecke oderaunwinde auf. Diese werden im Sommer gem ht

oder gerupft. Giersch wird zwischen den höherenStauden belassen. u zeitaufw ndige Bek mpfun-gen können nicht vorgenommen werden. Wennhöherwertige ierbeete stark befallen sind, werdendie Fl chen umgegraben oder ausgekoffert. An-schließend wird eine neue Staudenmischung

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Ein Pestizideinsatz am Strand w re undenkbar

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gepflanzt und mit Schreddergut oder Vlies abge-deckt. Neu auftretende, ein hrige Wildkr uterwerden von Hand entnommen, Vogelmiere tritt imWechselflor edoch immer wieder auf. Deswegenwerden beim Wechsel zu Sommerbepflanzung imMai Juni die Beete gefr st, und die Vogelmierewird soweit wie möglich entfernt. Bei der an-schließenden Pflege muss die Witterung berück-sichtigt werden: Sobald Trockenheit einsetzt, wirdder Oberboden zwischen den Sommerblumen dreientimeter tief gehackt und somit das Wildkraut

von seinen Wurzeln getrennt, damit es vertrocknet.Die standortgerechte Pflanzenauswahl sowie derPflanzabstand und die Frühzeitigkeit der Maßnah-men sind ganz entscheidend, wenn man die Pflege-intensit t begrenzen möchte. Gute Erfahrungenwurden in üngster eit mit der Umwandlung vonstrand- und straßennahen Rosenbeeten in Kleinst-dünen mit Strandroggen, Natternzunge, Hauhechelund anderen standortgerechten Blütenpflanzengemacht. Hierbei wurde als Substrat neben SandSeegras eingebracht, das ohnehin vom Badestrandabgesammelt und abgefahren wird.In den Randbereichen ist die Toleranz gegenüberWildkr utern größer. Hier wird Giersch eher be-lassen und nur im Sommer mit dem Freischneideroder im uge der Rasenmahd gekürzt und dadurchim Wachstum gebremst. Hier sind die Anlagen freierund mit höherem Strauchanteil angelegt. Für Bienen und Schmetterlinge attraktive Großstauden,blühende Str ucher und Vogeln hrgehölze hebendie ökologische Wertigkeit. Die Mahd beschr nktsich auf Randbereiche von Wegen und Straßen undauf Trampelpfade. Entsprechend werden auch Wie-

sen an Spielpl tzen nur am Rand auf einer Breitevon etwa zwei Metern regelm ßig zwei- bis viermal

hrlich gem ht. In den entfernteren Abschnittenwerden hingegen auch weniger beliebte Arten wieBrennesseln oder Disteln zugelassen.In den Außenbereichen werden ebenso wie in denRandbereichen die Wege durch randliche Mahdfreigehalten, die Naturfl chen selbst hingegenwerden nur gepflegt, wenn dies zum Erhalt deseweiligen Biotoptyps erforderlich ist, so beispiels-

weise im Falle von Trockenrasen oder Orchideen-wiesen. Allerdings gibt es hier auch Abschnitte, indenen die Bek mpfung invasiver Neophyten ange-raten ist. Um den Riesenb renklau in sensiblenBiotopen einzud mmen, war vor einigen Jahrensogar einmal ausnahmsweise der Einsatz vonHerbiziden im Tupfauftrag durch die st dti-schen Gremien wieder zugelassen worden. Nachzwei Jahren wurde aber schon wieder auf manuelleBek mpfung, haupts chlich das Ausgraben mitWurzelstock, umgestellt, da der Herbizideinsatzauch nicht erfolgreicher und in Gew sserrandber-eichen ohnehin nicht möglich war.Alles in allem ist festzustellen, dass mit einer Auf-kl rung über die ökologischen Vorteile ein gewissesVerst ndnis für eingeschr nkte Pflege in Rand- undAußenbereichen erreicht werden kann. Selbst inEckernförde, einer Stadt, die sich dem Erhalt derbiologischen Vielfalt ausdrücklich verschrieben hat,ist es edoch kaum möglich, dies in den Kernbe-reichen durchzusetzen. Deshalb findet dort dieWildkrautbek mpfung weiterhin so gründlich statt,wie es der Personalbestand zul sst. Der Einsatz vonHerbiziden ist auch in ukunft nicht vorgesehen.

NaturFreunde

Pestizide reduzieren

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Michael PackschiesAbteilungsleiter Naturschutzund LandschaftsplanungRathausmarkt 4-624340 EckernfördeTel. 04351 710 670

Sylvia BentLeiterin Stadtg rtnerei

Lützowweg 424340 EckernfördeTel.04351 712 447

[email protected] [email protected]

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Pestizide reduzieren

Stadt Preetz - der Verzicht auf Pestizide fällt leicht

Jan Birk

Preetz ist, gemessen an seiner Einwohnerzahl von 16.500, die größte Stadt im KreisPlön, hat aber nur eine Fläche von 14,5 Quadratkilometern, davon zwei Quadratkilo-meter Wasserfläche. Das stadteigene Grün setzt sich aus 93 Hektar Naturschutzflächen,25 Hektar Wald und 24 Hektar Parks zusammen, hinzu kommen neun Hektar zum Teilsehr kleinteiligen Straßenbegleitgrüns – ein technischer Begriff, der erkennen lässt, dassim Verwaltungsjargon Ökologie nicht unbedingt die erste Geige spielt. Schließlich gibtes noch die Sport- und die Spielplätze, die Grundstücke der Schulen, der Verwaltung,der Bücherei …

Um die Pflege kümmern sich zehn Gärtner. Diesebekommen Aufträge von den für die Flächenzuständigen Verwaltungsmitarbeitern. Jährlichmüssen sie um ihr Budget kämpfen und die soge-nannte „Verkehrssicherungspflicht“ der Bäume hatPriorität. Es bleibt also ein sehr begrenzter Rest anGeld und Arbeitskraft, um die Grünflächen und dieWanderwege zu pflegen. Da wäre es naheliegendHerbizide einzusetzen, um „Unkräuter“ zu be-

kämpfen. Dagegen steht glücklicherweise diegemeinsame Überzeugung von Politik und Verwal-tung und ein alter, sehr klarer Grundsatzbeschluss:Kein Gift auf städtischen Flächen! Warum würde man überhaupt Gifte verwenden?Grundsätzlich gibt es zwei Anwendungsbereiche:Herbizide zur Vernichtung von Pflanzen und Insek-tizide zum Schutz von Pflanzen vor Krankheiten undvon Schädlingen. Herbizide bieten sich an, um ins-besondere Wege „sauber“ zu halten. Wer das nichtwill, muss die Wege hacken, allerdings braucht esdafür mehr Leute als die Stadt hat. Abflammenwäre auch eine Maßnahme. Dass aber ist ineffektivund wegen des hohen Verbrauchs an Gas teuer undzudem klimaschädlich. Besser ist es, sich daraufeinzustellen, dass die Wege heute anders aussehenals früher: es ist doch nicht schlimm, wenn dieWege von den Seiten grün werden. Dort, wo sie in-tensiv begangen werden, sind sie frei, weil diePflanzen totgetrampelt werden. Und wo sie sichbegrünen, laufen offenbar nicht so viele Menschen.Das hinzunehmen fällt um so leichter, da auf einemordnungsgemäß hergestellten Weg kein großerAufwuchs entstehen wird. Stellt man die Lage sodar, findet man auch Akzeptanz bei den Menschen,denen das Thema knapper öffentlicher Kassenbekannt und bewusst ist. Es gibt noch zwei andereAnwendungsbereiche für Herbizide: Wir haben eszunehmend mit invasiven Pflanzenarten zu tun, mitPflanzen also, die neuerdings große Flächen be-wachsen und dort andere Pflanzen verdrängen.Beispiele sind das Jakobskreuzkraut, der Japani-sche Knöterich, das (hübsche) Indische Springkrautund im Wald die Spätblühende Traubenkirsche. Will

Mechanische Bekämpfung der Herkulesstaude

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man sie chemisch bekämpfen, braucht man eineGenehmigung der Pflanzenschutzbehörde unddarum braucht man eine gute Begründung. DieHerkulesstaude (oder Riesenbärenklau) hat einenMilchsaft, der zu schweren Verbrennungen der Hautführen kann. In seltenen Fällen wird in Preetz eineGenehmigung zur chemischen Bekämpfung derHerkulesstaude beantragt. Wir sind der Meinung,dass der Schutz der Kinder dies in Ausnahmefällenrechtfertigt. Dabei gelangt das Gift ausschließlichdahin, wo es wirken soll. Vorrang hat aber hier wiesonst eine mechanische Bekämpfung, also Mähen,Ausreißen, Absägen. Es gibt Pflanzen, die gehen ein, wenn der Menschihnen nicht gegen bestimmte Krankheiten oderSchädlinge hilft. Dazu gehören viele Mehltau anfäl-lige Zuchtrosen oder die Fichten, die sich nichtgegen den Borkenkäfer wehren können. Von denanfälligen Rosenarten hat sich die Stadt Preetz des-halb getrennt. Statt dessen gelangen widerstands-fähige Sorten zum Einsatz. Fichten wachsen außer-halb ihres natürlichen Verbreitungsgebietes, wasauch ihre Anfälligkeit gegen den Käfer erklärt. Siewerden in Preetz gefällt, wenn sie befallen sind,die Lücken füllen dann ohne menschliches Zutunandere Baumarten, die hier natürlicherweisevorkommen und die als Lebensraum für andereArten, besonders Insekten, eine weit höhere Qual-ität aufweisen. Große Probleme hat unsere Stadt inden letzten Jahren mit dem Pilzbefall von Großbäu-men, von der Ulmenkrankheit bis zum Spitzenster-ben der Eschen, daneben als „alte Bekannte“ denHallimasch, den Brandkrustenpilz und dieWeißfäule. Das Ergebnis eines Befalls ist oft traurig,weil schöne alte Bäume sterben und bereits beimBefall aus Sicherheitsgründen gefällt werdenmüssen, obwohl sich der Verfall mit dem Abwurf

von Ästen über Jahre und Jahrzehnte hinziehenkann. Gegen diese Krankheiten gibt es keine wirk-samen chemischen Mittel, auch die mechanischeBekämpfung bringt nichts, weil der Pilz erst zusehen ist, wenn es zu spät ist. So fällt der Verzichtauf den Einsatz von Giften in Preetz leicht. Aberkeine Regel ohne Ausnahme. Ausgerechnet dieheimische Eiche wird nach der Pflanzungregelmäßig vom Eichensplintkäfer befallen, der denJungbäumen den Garaus macht. Auf diesen schö-nen, ökologisch wertvollen und landschaftstypi-schen Baum wollen wir hier aber nicht verzichten.Wenn wir die Eiche als Straßenbaum pflanzen,beantragen und bekommen wir regelmäßig eineGenehmigung zur Behandlung der Bäume. Diesewerden jeweils beim Auftauchen des Käfers imStammbereich eingesprüht, die Behandlung ist nurin den ersten beiden Jahren nach Pflanzung er-forderlich. Wo Eichen allerdings natürlich aufwach-sen, ist eine solche Behandlung überflüssig.

Jan BirkLeiter Umweltamt Stadt PreetzWilhelminenstraße 624211 PreetzTel. 04342 303 [email protected]

Mehr Toleranz braucht es in der Bevölkerung bei”unordentlichen” Wegen.

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Pestizide reduzieren

Naturnahe Forstwirtschaft in Schleswig-Holstein

Johann Böhling

In Schleswig – Holstein gibt es rund 173.000 Hektar Wald. Das sind elf Prozent der Lan-desfläche. Damit ist Schleswig–Holstein das waldärmste Flächenbundesland. PrivatenEigentümern gehören 51,4 Prozent der Wälder, 31 Prozent sind Landeswald. Dierestlichen Flächen befinden sich im Eigentum von kommunalen Körperschaften und desBundes. Unser Land ist von einem überdurchschnittlich hohen Anteil an Laubbäumen(65 Prozent) geprägt. Der Laubwaldanteil hat in den zurückliegenden Jahrzehnten deut-lich zugenommen. Damit ist auch die Naturnähe gestiegen. Der Wirtschaftswald ist dienaturnaheste Wirtschaftsform aller Flächennutzungsarten. Er wird seit jüngster Zeitdurch fünf Prozent der Gesamtwaldfläche ohne jegliche Eingriffe durch menschlicheNutzung (Naturwälder) abgerundet. Was sind die Charakteristika von naturnahenWäldern?

Das Landeswaldgesetz aus dem Jahr2016 legt hierzu gesetzliche Kriterienfest. Der Wald ist danach ordnungs-gemäß, nachhaltig und naturnah nachden Grundsätzen der guten fachlichenPraxis zu bewirtschaften.Das bedeutet:Die forstliche Produktion des nachwach-senden Rohstoffes Holz erfolgt in langenZeiträumen (Gegensatz: Kurzumtriebs-plantagen) und so, dass eine nachhaltigeHolzproduktion dauerhaft gesichert ist.Jegliche Form von „Raubbau“, wie erleider noch in vielen Ländern der Weltbetrieben wird, ist bei uns aus-geschlossen.Der Wald ist zugleich Lebensraum fürviele Tier- und Pflanzenarten. Daraufwird bei der Waldbewirtschaftung Rück-sicht genommen. Der Wald soll sich nachMöglichkeit natürlich verjüngen. SindPflanzungen erforderlich, zum Beispielbei der Neuwaldbildung oder nachKalamitäten, werden standortheimischeBaumarten bevorzugt und geeignetes,genetisch vielfältiges Pflanzenmaterialverwendet. Genetisch veränderteForstpflanzen kommen grundsätzlichnicht zum Einsatz. Der Wald wird nichtmehr als zwingend erforderlich durch

Naturnaher Laubwald

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Johann Böhling1. Stellv. Vorsitzender Schutz-gemeinschaft Deutscher WaldLandesverband Schleswig-HolsteinKathenreihe 225548 RosdorfTel: 04822 363 [email protected]

Wege und Rückegassen erschlossen. Der Waldbodensoll möglichst wenig durch Eingriffe beeinträchtigtwerden. Alle Maßnahmen der Holzernte, insbeson-dere der Einsatz von Forstmaschinen, erfolgen sobodenschonend wie möglich. Auf Pflanzen-schutzmittel wird weitestgehend verzichtet. Ggf.wird auf Mittel des integrierten Pflanzenschutzeszurückgegriffen. Die Wildbestände werden soangepasst, dass die Verbiss- und Schälschäden anden Waldökosystem tolerabel bleiben. Die Wälderder Landesforsten (SHLF) sowie einige Kommunal-forsten sind nach den strengen Regeln der beidenForstzertifizierungssysteme FSC und PEFC zerti-fiziert. Ein Teil der Privatwälder besitzt das PEFC –Siegel. Damit ist jeglicher Pestzideinsatz auf sel-tene Ausnahmefälle beschränkt, für die zuvor hohebürokratische Hürden zu überwinden wären. Die Anwendung von Herbiziden im Wald findet seitJahren praktisch nicht mehr statt. Es sind nur

wenige Fälle denkbar, bei denen der Einsatz von be-hördlich zugelassenen Insektiziden in Frage käme.Dies gilt etwa für Fälle, wenn durch den Befall mitder Eichenwickler – Fraßgesellschaft ganzeBestände in ihrer Existenz bedroht wären. Auch dieBekämpfung von Mäusen in Gradationsjahren aufstark gefährdeten Forstkulturen könnte in Ausnah-mefällen erforderlich werden. Festzustellen istaber, dass es derartige Maßnahmen in den zurück-liegenden Jahren in nennenswertem Umfang nichtgegeben hat. Selbstverständlich finden in denNaturwäldern keinerlei Maßnahmen statt. Dies giltauch für Fälle von Schädlingsbefall. Die Wälder sindwichtige ökologische Ausgleichs- und Rück-zugsräume in unserer intensiv bewirtschaftetenLandschaft. Sie gilt es zu schützen, zu erhalten undzu mehren. Hierfür tritt die SchutzgemeinschaftDeutscher Wald – Landesverband Schleswig – Hol-stein e. V. – seit vielen Jahren ein.

Absterbende Bäume und Totholz sind Lebensgrundlage für viele Arten - bitte nicht entfernen

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Pestizide reduzieren

Offizielle Maßnahmen zum Schutz von Mensch und Umwelt

Dr. Gert Petersen

Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln (PSM) soll Pflanzen, insbesondere Kulturpflanzen,vor Schadorganismen schützen. Dabei dürfen jedoch keine Gefahren für Menschen, Tiereund den Naturhaushalt entstehen. Genau zu diesem Zweck sind im deutschen Pflanzen-schutzgesetz (PflSchG) vom 6. Februar 2012 klare Regelungen zur Vorbeugung und Ab-wendung möglicher Gefahren enthalten. Unter anderem wurden die Einrichtung einesNationalen Aktionsplans (NAP) zur nachhaltigen Anwendung von PSM beschlossen undRegelungen zur Zulassung und Anwendung von PSM sowie zum Handel mit PSM fest-gelegt. Für die Durchführung des PflSchG, einschließlich der Überwachung der Einhal-tung seiner Vorschriften (Kontrollen), ist der Pflanzenschutzdienst zuständig, der inSchleswig-Holstein bei der Landwirtschaftskammer angesiedelt ist.

Der NAP wurde am 10. April 2013 von der Bun-desregierung auf den Weg gebracht. Damit wurdeeine EU-Vorgabe zur Reduktion der mit dem Einsatzvon PSM verbundenen Risiken für Mensch undUmwelt (Richtlinie 2009/128/EG) in nationalesRecht umgesetzt. Der Aktionsplan umfasst die Be-reiche Land- und Forstwirtschaft und berücksichtigtauch die Anwendung von PSM im Haus- und Klein-gartenbereich, in öffentlichen Grünanlagen und aufGleisanlagen. Er weist quantitative Vorgaben, Zie-le, Maßnahmen und Zeitpläne zur Verringerung derRisiken und Auswirkungen auf die menschlicheGesundheit und die Umwelt bei der Anwendung vonPSM aus. Als konkrete Ziele verfolgt der NAP unter anderem,die mit der Anwendung von PSM verbundenenRisiken zu reduzieren, Rückstandshöchstgehalts-überschreitungen in Lebensmitteln zu senken unddie Anwendung von PSM auf das notwendige Maß zubegrenzen. Diese Ziele sollen beispielsweise durcheine Stärkung der amtlichen Pflanzenschutzbera-tung, Managementkonzepten zur Verbesserung desGewässer- und Biodiversitätsschutzes, Anwendungs-kontrollen, Lebensmittelanalysen sowie die Doku-mentation und Auswertung der Pflanzenschutz-mittelanwendungen über ein Netz von Vergleichs-betrieben erreicht werden. Um die Wirksamkeit der ergriffenen Maßnahmenbewerten zu können, werden verschiedene Indika-toren genutzt. Im Bereich des Naturhaushalts er-folgt die Bewertung des mit der Anwendung von

PSM verbundenen Risikos z. B. anhand einer Bewer-tungsmatrix mit dem Indikatorsystem SYNOPS, derz. B. für diverse Nichtzielorganismen (z. B. Algen,Fische, Regenwürmer, Wespen) Risikoindicesausweist. Weitere Indikatoren sind beispielsweiseder Anteil an Gewässern mit dauerhaft bewachsen-en Gewässerrandstreifen an Oberflächengewässernin Agrarlandschaften oder Rückstände von PSM inKleingewässern. Die Ziele und Maßnahmen des NAPsind langfristig angelegt und mit hohem Aufwandverbunden. Die Zielerreichungsgrade der einzelnenMaßnahmen sind dabei sehr unterschiedlich. Beieinigen Maßnahmen ist anhand der Indikatorenbereits ein Trend auszumachen, während sich an-dere erst in der Entwicklung bzw. am Beginn derUmsetzung befinden. Für manche Indikatoren istdie Datengrundlage zum jetzigen Zeitpunkt einfachnoch nicht ausreichend. Auf der Internetseite http://www.nap-pflanzen-schutz.de wird umfassend zum NAP und zumPflanzenschutz allgemein informiert und auf wei-tere relevante Internetseiten verlinkt. Dort werdenauch verschiedene Broschüren und Flyer, einNewsletter sowie Online-Themenportale bereit-gestellt. PSM dürfen nur angewendet werden, wenn siezugelassen sind. Sie unterliegen einem strengen Zu-lassungsverfahren durch das Bundesamt für Ver-braucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL),welches dabei eng mit drei Bewertungsbehördenzusammenarbeitet: dem Bundesinstitut für Ri-

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sikobewertung (BfR), dem Julius Kühn-Institut (JKI)und dem Umweltbundesamt (UBA). Die von den Mit-teln ausgehende Gesundheitsgefährdung wird dabeidurch das BfR untersucht, die Auswirkungen auf denNaturhaushalt durch das UBA. Jedes PSM wird dabeinur für bestimmte Anwendungsgebiete/Kulturenzugelassen und darf auch nur in diesen gegen diebezeichneten Schaderreger oder für die Zweckbe-stimmung angewendet werden. Dabei werden je-weils spezielle Auflagen, Wartezeiten zwischen letzter Anwendung und Ernte und teilweise buß-geldbewährte Anwendungsbestimmungen, die vonden Anwendern einzuhalten sind, vorgeschrieben.Die Vorschriften müssen vom Hersteller auf derPackung abgedruckt werden. Jeder berufliche Anwender von PSM muss übereinen vom Pflanzenschutzdienst ausgestelltenSachkundenachweis verfügen und sich alle dreiJahre fortbilden lassen. Dadurch soll sichergestelltwerden, dass die Anwendung von PSM auf allenlandwirtschaftlich, forstwirtschaftlich oder gärtner-isch genutzten Flächen ordnungsgemäß und bestim-mungsgerecht durchgeführt wird. BeruflicheAnwender sind verpflichtet, Aufzeichnungen überden Pflanzenschutzmitteleinsatz zu führen unddiese drei Jahre aufzubewahren. Lediglich im Haus-und Kleingartenbereich darf eine Anwendung vonPSM durch nicht sachkundige Anwender erfolgen,allerdings nur mit speziell hierfür zugelassenen PSMin sehr kleinen Packungsgrößen. Gemäß dem Pflanzenschutzgesetz darf Pflanzen-schutz nur nach guter fachlicher Praxis durchge-führt werden. Dazu gehört u.a., dass die Ver-wendung von PSM auf das notwendige Maß zu be-schränken ist, Mittel ausgewählt werden, die fürdie jeweilige Situation am besten geeignet sind,keine Anwendungen bei dauerhaften Wind-geschwindigkeiten über fünf Meter pro Sekundedurchgeführt werden, geeignete und funktions-sichere Geräte benutzt und Restbrühen und Reini-gungsflüssigkeiten fachgerecht entsorgt werden.Das Bundesministerium für Ernährung und Land-wirtschaft (BMEL) hat die Grundsätze für die Durch-führung der guten fachlichen Praxis in einerVeröffentlichung auf der Internetseite des Bundes-amt für Verbrauchschutz und Lebensmittelsicher-heit (BVL) zusammengestellt. Zur Verhinderung des Austrags von PSM aus der be-

handelten Fläche in das benachbarte Gewässerdurch Abdrift erhalten PSM bei der Zulassung be-stimmte Auflagen, die einen spezifischen Min-destabstand zu Gewässern und/oder dieAnwendung einer bestimmten, Abdrift minderndenTechnik vorschreiben. Weiterhin werden für jedes PSM Hangnei-gungsauflagen zur Verhinderung der Wasser- oderBodenerosion (Run off) bei plötzlichen Regengüssenfestgesetzt, ggf. ein Verbot der Anwendung aufdrainierten Flächen oder Einschränkungen in Ab-hängigkeit von der Bodenart. Zusätzlich gilt speziellin Schleswig-Holstein an Gewässern, die in der Un-terhaltungspflicht der Wasser- und Bodenverbändesind, ein genereller Mindestabstand von einemMeter ab Böschungsoberkante (Änderung des Lan-deswassergesetzes im Dauergrünlanderhaltungsge-setz vom 7. Oktober 2013). Das Land Schleswig-Holstein wirkt über die Be-ratung durch den Pflanzenschutzdienst der Land-wirtschaftskammer darauf hin, dass möglichstwenig PSM eingesetzt werden und im Zweifelsfallfreiwillig darauf verzichtet wird. Er berät undschult die beruflichen Anwender von PSM, stehtaber auch privaten Nutzern zu allen Fragen desPflanzenschutzes beratend zur Seite. Informations-materialien zum Pflanzenschutz sind auch über dasBundesinformationszentrum Landwirtschaft(früher: aid infodienst) verfügbar. Im Freiland dürfen PSM nur auf landwirtschaftlich,forstwirtschaftlich oder gärtnerisch genutztenFlächen angewendet werden. Verboten ist dagegenz. B. die Anwendung an Straßenrändern, Feld-rainen, Wegrändern, Böschungen, Betriebsflächen,Garagenzufahrten und Stellplätzen. Hierzu wäreeine Ausnahmegenehmigung erforderlich, die beimPflanzenschutzdienst der Landwirtschaftskammerzu beantragen ist. Im öffentlichen Bereich werdenbereits in vielen Städten und Gemeinden keinechemischen PSM mehr eingesetzt, sondern es wirdfreiwillig auf mechanische oder thermische Ver-fahren zurückgegriffen. Solche Verfahren könntenin vielen Fällen auch im Bereich des Haus- undKleingartens angewendet werden, z. B. die Hackeoder die Jätekralle zur Unkrautbekämpfung. Da es bei der Anwendung von PSM durch Abdrift zurBeeinträchtigung von Anwohnern kommen kann,hat das BVL Mindestabstände festgelegt, die zu

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Flächen eingehalten werden müssen, die von un-beteiligten Personen genutzt werden. Gemäß einerBekanntmachung des BVL im Bundesanzeiger betra-gen diese Mindestabstände zwei Meter bei der Be-handlung von Flächenkulturen und fünf Meter beider Behandlung von Raumkulturen. Weitergehende Empfehlungen für Anwender vonPSM in unmittelbarer Nähe zu Wohnbebauungen,Gärten oder Wegen hat das BMEL in dem Faltblatt„Anwendung von Pflanzenschutzmitteln – Verhaltenin unmittelbarer Nähe zu Wohnbebauungen, Gärtenoder Wegen“ veröffentlicht (s. Internetseite desBVL).Im Rahmen des Zulassungsverfahrens werden PSMhinsichtlich ihres Gefährdungspotenzials für Honig-bienen umfassend geprüft und bewertet. Bienenge-fährliche Mittel dürfen an blühenden Pflanzen nichtangewendet werden. Weiterhin dürfen Anwendun-gen im Umkreis von 60 Metern um einen Bienen-stand innerhalb der Zeit des täglichen Bienenflugsnur mit Zustimmung des Imkers erfolgen. Auch fürnicht bienengefährliche Präparate wurde zumSchutz von Wildbienen festgelegt, dass Anwendun-gen in die Blüte vermieden werden oder insbeson-dere in den Abendstunden erfolgen sollen. Fürbesonders bienengefährliche Wirkstoffe, insbeson-dere die Neonicotinoide Clothianidin, Thi-amethoxam und Imidacloprid, gelten darüberhinaus EU-weite Einschränkungen. Die Einhaltung der pflanzenschutzrechtlichenVorschriften wird durch Kontrolleure des Pflanzen-schutzdienstes der Landwirtschaftskammer S-Hüberwacht. Dabei wird sowohl der Handel mit PSM

als auch deren ordnungsmäße Anwendung kontrol-liert. Bei diesen Kontrollen geht es beim Handelvorrangig um die Überprüfung der Sachkunde desAbgebers, die Einhaltung des Selbstbedienungsver-botes oder die vorschriftsmäßige Kennzeichnungder angebotenen PSM sowie darum, dass nur zu-gelassene PSM in den Verkehr gebracht werden. Beiden Kontrollen von Anwendern wird beispielswei-se überprüft, ob Abstände zu Gewässern oderSaumbiotopen eingehalten werden, die Bestim-mungen zum Bienenschutz beachtet werden oderverbotene und entsorgungspflichtige PSM gelagertwerden. Werden Vorschriften nicht beachtet oder wirddagegen verstoßen, erfolgt eine Ahndung nach demOrdnungswidrigkeitenrecht. Die Überwachungpflanzenschutzrechtlicher Vorschriften erfolgt bun-deseinheitlich gemäß dem Pflanzenschutzkontroll-programm.PSM-Anwendungen sind immer mit einem gewissenRisiko verbunden, da es sich um Substanzen han-delt, die gefährliche Auswirkungen haben können.Durch das Pflanzenschutzgesetz, die Umsetzungdes NAP Pflanzenschutz, die im strengen Zulas-sungsverfahren festgelegten Anwendungsbe-stimmungen, die Sachkunde der beruflichen An-wender und die Kontrollmechanismen sind jedocheffektive Regelungen vorhanden, welche dieRisiken bei sachgemäßer Anwendung auf ein Mini-mum reduzieren. Neben den Risiken darf auch derNutzen von Pflanzenschutzmitteln nicht außer Achtgelassen werden, da auch Verbraucher von gesun-den Nahrungsmitteln profitieren.

Dr. Gert PetersenMinisterium für Energiewende, Landwirtschaft,Umwelt, Natur und Digitalisierung Referat Grundsatzangelegenheiten der LandwirtschaftMercatorstraße 3 24106 Kiel Tel. 0431 988 4945gert.petersen@melund.landsh.dewww.melund.schleswig-holstein.de

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Pestizide reduzieren

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Für die landwirtschaftlichen Betriebe hingegenwerden effektive Reduktionsmaßnahmen alsunausweichlich angesehen. Die Politik wirdaufgefordert, dafür die Rahmenbedingungenüber attraktive Fördermaßnahmen und das Ord-nungsrecht hin zu pestizidfreien Bewirtschaf-tungsweisen auf den Betrieben zu schaffen. EineVoraussetzung dafür sei eine grundlegende eu-ropäische Agrarreform. Es solle nicht mehr der

Flächenbesitz gefördert werden, sondern aus-schließlich gesellschaftliche Leistungen, die überdie gesetzlichen Anforderungen hinaus gehen. EinTotalverbot der Pestizidanwendung müsse es inNaturschutzgebieten geben. Die geforderte Ökologisierung der Landwirtschaftmüsse durch eine größere Beachtung von nicht-chemischen Pflanzenschutzverfahren in Forsch-ung, Beratung und in der Praxis begleitet

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Pestizide reduzieren - was getan werden muss

Dr. Ina Walenda und Angelika Elak

Die Autorinnen und Autoren unserer Broschüre benennen Möglichkeiten zur Re-duzierung der Anwendung von chemisch-synthetischen Pflanzenbehandlungsmitteln,die wir hier zusammenfassen. Diese beziehen sich vornehmlich auf die Landwirtschaft.Für Privatanwender steht in den Beiträgen nicht nur die Minderung der Anwendung,sondern die Notwendigkeit eines generellen Verbotes von Gift im Garten außer Frage.Der Weg Frankreichs mit seinem nationalen „Labbé law“ zum Verbot jeglicher Pes-tizidanwendung außerhalb der Landwirtschaft wird zur Nachahmung für ganz Europaempfohlen. Auf den kommunalen Flächen in Schleswig-Holstein sind Pestizide generellverboten, Ausnahmen leider möglich. Gemeindevertreter wünschen sich allerdingsmehr Verständnis in der Bevölkerung für eine eingeschränkte Pflege. In Rand- undAußenbereichen wird diese allein schon aus Kostengründen auf ein Minimumbeschränkt, mehr Aufklärung in der Bevölkerung über die ökologischen Vorteile kleinerWildnisbereiche wäre geboten. Auch die Forstwirtschaft hat den Spritzmitteleinsatzweitestgehend reduziert.

Gemengeanbau auf einem Bio-Betrieb nahe Lauenburg - hier bedarf es keiner Pestizide

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werden. Eine Züchtung robuster und resistenterSorten, die ohne chemisch-synthetischenPflanzenschutz auskomme, sei mit Priorität zuverfolgen. Fusionen großer Agrarkonzerne wie dievon Bayer und Monsanto würden dieMachtkonzentration im Agrarbereich und diezukünftige Sortenwahl noch weiter dramatischeinschränken und werden abgelehnt. Bei der gewünschten Umstellung auf nicht-chemische Verfahren beim Pflanzenschutzdürften Landwirte nicht allein gelassen werden.Sie benötigten fachkundige, allerdings von derAgrarindustrie unabhängige Beratung und Fortbil-dung. Ein Ausbau der Ökolandbau-Förderung undder Forschungsförderung für den ÖkologischenLandbau sollten weitere finanzielle Anreizegeben, um die Bewirtschaftung pestizidfrei unddoch ökonomisch attraktiv zu gestalten. Unbe-dingt zu nutzen seien fiskalische Lenkungsinstru-mente, so eine Pestizidabgabe, um eineBewirtschaftungsumstellung zu fördern. DieUmwelt- und Gesundheitsfolgekosten des Pes-tizideinsatzes sollten nach dem Verursacher-prinzip eingepreist werden.Als überfällig wird eine Reformierung des Zulas-sungsverfahrens angesehen. Konkret benannt

werden Verbesserungen der Risikoprüfung bei derWirkstoffgenehmigung und der Produktzulassung- so eine Verschärfung der Prüfung auf „Bie-nengefährlichkeit“ durch Berücksichtigung chro-nischer Giftigkeit und eine Wirkung auch aufWildbienen. Mittel mit bestimmten gefährlichenEigenschaften wie hormonschädliche Wirkungensind im Zulassungsverfahren konsequent auszu-schließen oder durch ungefährliche zu ersetzten.Aus Sicht des Öko-Landbaus betriebswirt-schaftlich überlebenswichtig sei es, die Fernver-wehung im Zulassungsverfahren zu be-rücksichtigen. Eine Anwendung von Kilometerweit abdriftenden Spritzmitteln wie Pen-dimethalin und Prosulfocarb, aber auchGlyphosat, solle in Flächenkulturen wie Getreidegenerell verboten werden. Zur Verminderung derden Öko-Landbau und sonstige Anlieger schädi-genden Fernverwehungen müsse zudem ein um-fassendes staatliches Monitoring von Pestizid-wirkstoffen in der Luft erfolgen. Zu unterbindensei jegliche Einflussnahme der Pestizidherstellerauf die Zulassungsentscheidungen der Behörden. Um Pestizide aus unseren Lebensmitteln zu ver-bannen, hier bei Fisch, brauche es ein EU-weitesVerbot von Ethoxyquin als Futtermittelzusatz

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Die berufliche Anwendung von Pflanzenschutzmitteln darf nur von sachkundigen Personen und unterBeachtung umfangreicher gesetzlicher Bestimmungen erfolgen

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sowie einen Verkaufsstopp von Fischprodukten,deren Ethoxyquin-Gehalt über der gesetzlichenHöchstmenge für Fleisch (50 µg pro Kilogramm)liegt. Pestizid-Grenzwerte in unseren Lebensmit-teln seien allerdings stets zu hinterfragen. DieAngabe von unschädlichen Rückstandsmengen inder Nahrung sei äußerst problematisch, denn zuviele Einflußgrößen beeinflussten die Herleitungvon Grenzwerten. Folglich müsse das Min-imierungsgebot gelten. Letztlich sei nur eine re-striktive Anwendung von Pflanzenschutzmittelnratsam. Speziell für Glyphosat zu fordern sei, un-verzüglich die Problematik dessen Toxizität unddie seiner Abbauprodukte im menschlichen Or-ganismus sorgfältig zu untersuchen. Darüber hin-aus müssten Anwendungsbeschränkungen bzw.Verbote diskutiert werden, die zur Entlastung derNahrungsmittel führen. Schließlich müssten Be-obachtungen zu Gesundheitsschäden der durchGlyphosat belasteten Menschen, so insbesonderedie Anwender, gewissenhaft bewertet werden. Zuklären sei, ob die Effekte bei Tierexperimentenauch bei betroffenen Menschen gehäuftauftreten (Krebs und Missbildungen). Solangediese Fragen nicht eindeutig beantwortet werden

könnten, sei eine weitere Zulassung vonGlyphosat abzulehnen.Der Pestizideinsatz solle wirkungsvoller kontrol-liert und sanktioniert werden. Dazu müssten dieBundesländer, deren Aufgabe dies ist, ein dichtesKontrollnetz aufbauen. Dem Schmuggel illegalerPestizide müsse weitaus stärkere Aufmerksamkeitgewidmet werden. Dazu wäre die Schaffungeines mehrsprachigen Portals, in dem die länder-spezifischen Gesetze zum Einsatz von Pestizidendokumentiert werden, eine Grundvoraussetzung,um voran zu kommen. Zum Austausch von Infor-mationen solle eine länderübergreifendeMeldestelle eingerichtet werden, über die Behör-den gegenseitig Informationen über Zuliefereroder zurückgesandte Container austauschen können. Durch eine gemeinsame Meldestelle könnten zudem die häufig verschleierten Hanels-routen sichtbar gemacht werden. Um die Ef-fizienz z. B. der afrikanischen Verbände zuerhöhen, wäre ein Know-How-Transfer und aucheine finanzielle Unterstützung beim Aufbau vonInformations- und Prüfstellen, geboten. Die Forderungen in den Beiträgen stehen letztlichfür eine Ökologisierung der gesamten Land-wirtschaft. Ein Totalverbot von Pestiziden in der

Der Runde Tisch “Pestizide reduzieren” tagt regelmäßig in Kiel

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konventionellen Bewirtschaftung würde nichtgenügen, um ausreichend qualitativ hochwertigeLebensmittel unter betriebswirtschaftlichen As-pekten zu erzeugen. Damit dies ohne Spritzmittelgelingen kann, bedarf es einer Rückbesinnung aufbewährte ackerbauliche Strategien. Einechemisch-synthetische Behandlung von Kul-turpflanzen wäre bestenfalls dann erlaubt - undnur dann - sofern tatsächlich sämtliche andereMaßnahmen versagten. Zu diesen altbewährtenMethoden gehören eine vorbeugende Verhin-derung und Reduzierung von Problem-Unkräuternund Ungräsern durch vielfältigere und weitereFruchtfolgen. Desgleichen gehören Bodenbear-beitung und mechanische Unkrautregulierungdazu, andere Aussaattermine und Pflanzenbe-standsführung und auch ein Verzicht aufHalmverkürzungsmittel. Auch die durchausboden- und klimaschonende Minimal-Bodenbear-beitung müsste ohne eine chemische Beseitigungdes Aufwuchses angewendet werden. Ohne diegelb totgespritzten Glyphosat-Flächen in unsererLandschaft würde sich dann auch die vielbeklagte fehlende gesellschaftliche Akzeptanz

für die Landwirtschaft wieder einfinden.Der Stand der Technik bietet zudem ein enormesPotential an Alternativen zur Anwendung von Pes-tiziden – vom gezielten Schlupfwespeneinsatzund Pheromonfallen zur Bestandsregulierung vonSchadinsekten, der Förderung bestimmter Boden-bakterien zur Pflanzenstärkung bis hin zu Robo-terfahrzeugen, die Beikräuter selbstständigerkennen und mechanisch entfernen. Auch dieseBeispiele für vielfältige und innovative technol-ogische Möglichkeiten müssten konsequent fürdie gesamte Landwirtschaft weiterentwickeltwerden, um sie flächendeckend einsetzbar zumachen. Vieles ist im Zusammenhang mit Pestiziden nochnicht ausdiskutiert, nicht alles hier erwähnt. AlsNaturFreunde haben wir deshalb einen RundenTisch “Pestizide reduzieren” ins Leben gerufen. Gemeinsam wollen wir gangbare Wege aufzeigen,wie chemisch-synthetische Pflanzenbehand-lungsmittel in allen Bereichen verringert werdenkönnen - für eine giftfreie Umwelt und mehrArtenvielfalt.

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Haben Sie einen Garten?

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Dann bitten wir Sie um Mithilfe bei unserer Umfrage zu Pestiziden

Gärten haben einen Erholungswert und eine große Bedeutung für die bioVielfalt. Mit dieser Umfrage möchten wir erfahren, wie Sie ihre Pflanzenerhalten, sei es durch herkömmliche gärtnerische Methoden oder durchdung von chemisch-synthetischen Pflanzenbehandlungsmitteln.

Uns geht es darum, gemeinsam mit den vielen tausend schleswig-holsteFreizeitgärtnern Weege aufzuzeigen, die Veerwendung von Pestiziden weitduzieren: Für eine gesunde Ernährung, den Erhalt der Artenvielfalt undtakte Umwelt.

Über unsere Weebseite oder den QR-Code gelangen Sie zum Fragebogen.Die Beantwortung dauert zirka 5 Minuten. Ihre Daten werden anonym be

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Pestizide im Garten?

Bitte mitmachen:online-Umfrage

www.naturfreunde-sh.de

Pestizide reduzieren

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Pestizide reduzieren

NaturFreunde laden ein:

Runder Tisch “Pestizide reduzieren”

Mit über 70 Prozent landwirtschaftlich bewirtschafteter Fl che an der Landesfl che,einem aufgrund hochproduktiver Böden besonders hohen Anteil an Intensiv-Land-wirtschaft und lediglich knapp fünf Prozent ökologisch bewirtschafteter Agrarfla che istSchleswig-Holstein besonders stark vom Pestizid-Einsatz betroffen. In einer breiten Kooperation mit vielen gesellschaftlichen Akteuren so mit kommunalenSpitzenverb nden, Gemeinden, Landwirten, Kleing rtnern, Imkern, Verbraucher-schützern, Wissenschaft und Unternehmen wie Wasserwerken, Baum rkten und Garten-baubetrieben und anderen Natur- und Umweltschutzverb nden - wollen die Natur-Freunde in Schleswig-Holstein Möglichkeiten zur Pestizidverringerung aufzeigen. Mit guten Beispielen, Aktionen und Diskussionen wollen wir die Verantwortlichen in derPolitik davon überzeugen, die Rahmenbedingungen insbesondere für die Landwirtschaftso zu ver ndern, dass Betriebe auf einen Pestizideinsatz so weit wie mö glich verzichtenkönnen, Privatanwender sollten dies müssen. Aber auch Baumschulen, Kommunen und Privatpersonen setzen entsprechende Mittelh ufig zu oft und unnötig ein, auch hier wollen die NaturFreunde berzeugungsarbeitleisten und Alternativen aufzeigen. Der Runde Tisch Pestizide reduzieren soll Anre-gungen aufnehmen, unterschiedliche Informationen, gute Initiativen und Innovationenaufgreifen und ein Forum des Austausches sein.Dazu laden wir alle Interessierten ganz herzlich ein. Die Termine und weitere Informa-tionen finden sich auf unserer Webseite unter www.naturfreunde-sh.de.

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Wer wir sindDie NaturFreunde Deutschlands sind ein mehr als120 Jahre alter Verein für Umwelt- und Naturschutz,Sport und Kultur. Die Wurzeln der NaturFreunde liegenin der Arbeiterbewegung im späten 19. Jahrhundert.Die Suche nach Erholung und Freizeit in der Natur wardas anfängliche Ziel. In dieser Zeit sind die von denVereinsmitgliedern selbst gebauten „NaturFreunde-häuser“ entstanden, von denen es derzeit deutsch-landweit etwa 400 gibt. Hier lässt sich Urlaub in derNatur machen, erschwinglich für jedermann, auch fürGruppen und Schulklassen. In Schleswig-Holstein gibtes das NaturFreundehaus Priwall und das Naturfreun-dehaus Kalifornien, beide am Ostseestrand gelegen. Die NaturFreunde versuchen stets ökologische Ziele mitsozialen Aspekten zu verbinden. Im Unterschied zu an-deren Umweltverbänden gibt es einen weiteren Ver-einsschwerpunkt „Sport in und mit der Natur“. AlleAktivitäten der NaturFreunde sind auf die Ziele desNatur- und Umweltschutzes ausgerichtet. Die Bilder rechts mögen einen Eindruck vom Vereins-leben geben: Zweimal im Jahr erkunden die Natur-Freunde auf Landeswandertagen Natur- und Kulturland-schaften in Schleswig-Holstein (Bild oben). An Infostän-den, wie anlässlich des Naturerlebnistages 2017 inFalshöft (Bild Mitte), informieren wir zu umweltrele-vanten Themen oder führen gemeinschaftlicheNaturschutzaktionen durch, wie die Neuanlage der“Gärten der Vielfalt” in Büdelsdorf (Bild unten). Weltweit haben die NaturFreunde in rund 45 Mitglieds-und Partnerorganisationen 500.000 Mitglieder, sie sinddamit einer der größten Nichtregierungsorganisationen.Deutschlandweit sind es 70.000 Mitglieder in rund 600Ortsgruppen. In Schleswig-Holstein gibt es nebenBüdelsdorf seit einem Jahr eine Landesgeschäftsstellein Kiel mit hauptamtlichen Mitarbeitern.

Page 60: Pestizide reduzieren - aber richtig · 4 Stadt Preetz - der Verzicht auf Pestizide fällt leicht Jan Birk, Stadt Preetz.....45 Naturnahe Forstwirtschaft in Schleswig-Holstein Johann

Besser auf neuen Wegen etwas stolpern als in alten Pfaden

auf der Stelle zu treten.Chinesische Weisheit

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