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Page 1: Rechtliche Anforderungen an die Vermarktung von Wearables ... · Wearables und Gesundheitsapps Delia Fehr-Bosshard, ... Bereits verbreitet sind mobile Geräte und Softwareapplikationen

Rechtliche Anforderungen an die Vermarktung von

Wearables und Gesundheitsapps

Delia Fehr-Bosshard, Associate Elias Mühlemann, Associate

Das "Internet der Dinge" ("Internet of

Things", "IoT"), d.h. die Ergänzung des Com-

puters um netzwerk- und kommunikationsfä-

hige, "intelligente" Gegenstände, hat die

Lifestyle- und Gesundheitsbranche erreicht:

Bereits verbreitet sind mobile Geräte und

Softwareapplikationen welche die Fitness des

Nutzers, seine Anzahl Schritte, die Intensität

der Bewegungen, den Schlafrhythmus, den

Herzschlag und den Puls, seinen Blutdruck,

Blutzucker oder andere Werte zur körperli-

chen Aktivität und gesundheitlichen Verfas-

sung messen, auswerten und mit Drittgerä-

ten kommunizieren. "Wearables", d.h. trag-

bare Kleinstcomputer, die in der Regel lose

befestigt sind am menschlichen Körper (z.B.

smart watches wie die "Apple Watch", Fit-

nesstracker etc.) und die entsprechende

Software (z.B. "Apple Health") richten sich

als Angebote der "Mobile Health" längst nicht

mehr nur an medizinische Fachpersonen,

sondern zunehmend auch an den privaten

Anwender und interessierte Drittanbieter.

Bei der Vermarktung von Wearables und

Apps stellen sich unter Schweizer Recht ins-

besondere folgende Herausforderungen:

1. Hard- und Software können an der

Grenze zwischen Fitness und Medizin

je nach Zweckbestimmung und Be-

werbung als Medizinprodukte der

Heilmittelregulierung unterstehen –

mit Folgen für das Inverkehrbringen

und die Bewerbung.

2. Die Geräte und Programme sammeln

und übermitteln regelmässig Perso-

nendaten und insbesondere beson-

ders sensitive Gesundheitsdaten, was

der Datenschutzregulierung unter-

liegt.

Wearables und Gesundheitsapps als Me-

dizinprodukte

Als Medizinprodukt gelten unter Schweizer

Recht z.B. Instrumente, Apparate, Vorrich-

tungen, Software und andere Geräte, die für

die medizinische Verwendung beim Menschen

bestimmt sind oder entsprechend angeprie-

sen werden, welche aber die Hauptwirkung

nicht durch ein Arzneimittel erzielen (Art. 4

Abs. 1 lit. b Heilmittelgesetz, HMG; Art. 1

Abs. 1 Medizinprodukteverordnung, MepV).

Medizinprodukte können dazu dienen Krank-

heiten, Verletzungen oder Behinderungen zu

erkennen, zu überwachen, zu behandeln oder

zu lindern. Sie können auch die Prävention

von Krankheiten bezwecken. Andere Medi-

zinprodukte untersuchen oder verändern den

anatomischen Aufbau, ersetzen Teile davon

oder einen physiologischen Vorgang. Auch

Produkte zur Empfängnisregelung oder für

Diagnosen zur Empfängnis gelten als Medi-

zinprodukte (z.B. Art. 1 Abs. 1 lit. c MepV).

Wearables und Apps müssen dabei auch in

ihrer Einheit betrachtet werden: Software

kann zwar als eigenständiges Medizinprodukt

gelten (Art. 4 Abs. 1 lit. a MepV i.V.m. An-

hang IX, Ziff. I.1.4 Richtlinie 93/42/EWG).

Wenn die Software ein Produkt steuert oder

dessen Anwendung beeinflusst, folgt sie in

der Klassifizierung aber diesem Hauptprodukt

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(Art. 4 Abs. 1 lit. a MepV i.V.m. Anhang IX,

Ziff. I.2.3 Richtlinie 93/42/EWG). Die Zweck-

bestimmungen und Einordnung von Wearab-

les und Apps können sich damit gegenseitig

beeinflussen. Mögliche Einteilungskriterien

und Beispiele hat unser Kollege Christian

Wyss zusammengestellt.

Die Qualifikation als Medizinprodukt hat Fol-

gen für das Inverkehrbringen und die Bewer-

bung: Für das erstmalige Inverkehrbringen

eines Medizinproduktes sind Konformitätsbe-

wertungsverfahren und allenfalls eine Mel-

dung an das Schweizerische Heilmittelinstitut

"Swissmedic" notwendig (Art. 6 und 8 MepV).

Der Inverkehrbringer muss Massnahmen der

Selbstkontrolle ergreifen (Art. 14 ff. MepV).

Weiter gelten für Medizinprodukte besondere

Anforderungen (z.B. Spracherfordernisse) an

die Produktinformation (Art. 7 MepV) und die

Werbung (Art. 21 MepV): Hinweise zur An-

wendung, Leistungsfähigkeit und Wirksam-

keit auf dem Produkt oder in der Werbung

sind auf die in der Produktinformation enthal-

tenen Angaben beschränkt (Art. 21 Abs. 1

Mepv). Für gewisse Medizinprodukte – wohl

kaum je die populären Fitnesstracker und

ähnliche Wearables oder Apps – ist die Publi-

kumswerbung unzulässig (Art. 21 Abs. 3

MepV).

Der Hersteller hat ein weites Ermessen, ob er

seinem Produkt eine Zweckbestimmung als

Medizinprodukt verleihen möchte oder nicht.

Da viele Wearables und Apps mehreren Zwe-

cken dienen, ist eine abstrakte Einteilung in

Lifestyle- bzw. Fitnessapps oder Medizinpro-

dukt oft nicht eindeutig. Umso wichtiger ist

die Art und Weise der Vermarktung und Be-

werbung. Nur Medizinprodukte dürfen näm-

lich mit dem medizinischen Zweck werben.

Umgekehrt deutet eine Bewerbung des medi-

zinischen Effekts oder Nutzens darauf hin,

dass der Hersteller für die entsprechenden

Wearables oder Apps den medizinischen

Zweck als vorherrschend erachtet und sein

Produkt daher selbst als Medizinprodukt an-

sieht. Die Swissmedic stützt sich vor allem

bei Grenzfällen darauf ab, ob der Hersteller

oder Inverkehrbringer das Produkt mit einer

medizinischen Zweckbestimmung anpreist

oder nicht. Die Bewerbung einer App in einer

besonderen "Medical"-Abteilung oder die Be-

zeichnung von Wearables als "Diagnostic De-

vice" etc. erhöhen damit das Risiko einer un-

beabsichtigten Qualifikation als Medizinpro-

dukt. Dem Hersteller und Inverkehrbringer

empfehlen wir daher, frühzeitig zu entschei-

den, ob das eigene Produkt einen medizini-

schen oder nur fitnessbezogenen Nutzen stif-

ten soll. Die Produkteinformation und Werbe-

anpreisungen sind in der Folge entsprechend

auf diese Vermarktungsstrategie als Medizin-

oder Lifestyle-/Fitnessprodukt auszurichten.

Datenschutz und Datensicherheit bei

Wearables und Gesundheitsapps

Das Schweizer Datenschutzrecht und andere

anwendbare nationale und regionale Daten-

schutzregulierungen greifen dann, wenn Per-

sonendaten erhoben oder bearbeitet werden,

d.h. Daten, die sich auf eine bestimmte oder

bestimmbare Person beziehen (Art. 3 lit. a

Datenschutzgesetz, DSG). Bestimmbar

meint, dass die Daten zumindest theoretisch

mit verhältnismässigem Aufwand einer Per-

son zugeordnet werden können, was z.B.

auch bei pseudonymisierten Daten weiterhin

möglich ist, solange ein Zuordnungsschlüssel

existiert. Nicht jedes IoT-Gerät übermittelt

Nutzerdaten, zumindest nicht in personali-

sierter Form. Das Sammeln und Auswerten

von identifizierbaren Nutzerdaten (z.B. ver-

knüpft mit Name, E-Mail-Adresse, Wohnort

etc.) ist aber regelmässig zentrale Voraus-

setzung, um die Vernetzung und Funktionali-

tät der Wearables oder jeder anderen ge-

sundheitsfokussierten IoT-Anwendung si-

cherzustellen. Vor allem wenn das Gerät oder

die App auf den Nutzer zugeschnittene Aus-

wertungen erstellen und unter Umständen

auch Dritten (z.B. einem Arzt, einer Physio-

therapeutin, einem Ernährungsberater, ei-

nem Personal Trainer) überliefen soll, ist die

Sammlung und Bearbeitung von identifizier-

baren Personendaten unumgänglich.

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Die gesammelten Fitness- und medizinischen

Daten sind regelmässig auch von enormem

kommerziellem Interesse für Dritte. Daten

zur Gesundheit gelten in der Schweiz als be-

sonders schützenswerte Daten (Art. 3 lit. c

DSG). Für die Bearbeitung und die Weiterga-

be solcher Daten ist eine ausdrückliche Ein-

willigung zwingend (Art. 4 Abs. 5 DSG). Die

rechtsgültige Einwilligung des Nutzers setzt

voraus, dass er vorab umfassend über den

Zweck der Datenverarbeitung und den Emp-

fängerkreis informiert wurde (Art. 4 DSG).

Der Nutzer stellt die Daten in der Regel

selbst zur Verfügung. In der Praxis sind sich

jedoch die wenigsten Nutzer bewusst, wohin

die Daten aus ihrer Gesundheitsapp fliessen

und welche zusätzlichen Bearbeitungen erfol-

gen können. Eine seitenlange Datenschutzer-

klärung liest kaum jemand, schon gar nicht

auf einem mobilen Gerät mit entsprechend

kleinem Bildschirm. Auch wenn dabei an die

Eigenverantwortung der Nutzer zu appellie-

ren ist, sind auch die Anbieter zunehmend

gefordert, ihre Datenschutzkommunikation

ähnlich attraktiv wie ihre Werbung zu gestal-

ten und die Wahrnehmung der Kontrollme-

chanismen für die Nutzer zu vereinfachen.

Vielfach sind die Nutzerdaten nicht nur auf

dem Gerät selbst gespeichert, sondern wer-

den von der App in eine Cloud oder einen ex-

ternen Dienst übertragen. Diese Drittspei-

cherorte liegen oft nicht nur ausserhalb des

Einflussbereichs des Nutzers, die Server sind

zudem physisch meist nicht in der Schweiz

angesiedelt. Für einen Transfer von Perso-

nendaten ins Ausland gelten nach Schweizer

Datenschutzrecht besondere Voraussetzun-

gen, sofern das Ausland kein vergleichbares

Datenschutzniveau kennt. Gemäss gelten-

dem Recht sind z.B. vertragliche Garantien

oder eine explizite Einwilligung des Nutzers

notwendig.

Auch ist der Bearbeiter gehalten, geeignete

organisatorische und technische Massnahmen

zu ergreifen, um die sensiblen Gesundheits-

daten – und generell alle Personendaten –

vor unberechtigtem Zugriff und Verwendung

zu schützen (Art. 7 DSG). Geräte- und Soft-

wareanbieter sowie Bearbeiter von Gesund-

heitsdaten müssen sich bewusst sein, dass

der Missbrauch dieser Daten für die Betroffe-

nen enormes Schädigungspotenzial haben

kann. Da auch Spitäler, Ärzte und Versiche-

rungen involviert sein können, drohen neben

hohen Reputationsrisiken auch finanzielle

Schäden (z.B. aufgrund vertraglicher Zusi-

cherungen) im Falle von Datenlecks und Da-

tenmissbrauch ("Data Breaches").

Die regulatorischen Anforderungen an die In-

formation, Transparenz und Einwilligung der

Nutzer sowie die Datensicherheit (inklusive

Meldung von Datenlecks und Datenschutz-

verletzungen) steigen in absehbarer Zeit so-

wohl in der EU als auch in der Schweiz. Neue

regulatorische Vorstösse bezwecken auch

den besonderen Schutz von Gesundheitsda-

ten. Anbieter von Fitness- und Gesundheits-

apps und Wearables sind gut beraten, ihre

Datenströme und Schutzmassnahmen proak-

tiv zu überdenken sowie kreative Lösungen

für eine wirksame Information der Nutzer zu

finden.

Wearables und Apps unterliegen steigenden

regulatorischen Anforderungen. VISCHER AG

unterstützt Sie bei Ihrer Strategie der Ver-

marktung von Hard- und Software im Fit-

ness- und Gesundheitsbereich.