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Magazin der Evangelischen Akademie Bad Boll ISSN 1613-3714 64670 Einzelpreis 3.- September 2010 3 Schwerpunktthema Kirchlicher Dienst in der Arbeitswelt (KDA) Arbeit zwischen Flexibilität und Sicherheit Blitzlicht Mobbing Burnout – eine neue Volkskrankheit? KDA – wichtiger denn je Denkblockaden überwinden Gespräche müssen mit allen Konfliktparteien im Nahen Osten geführt werden Tagungsvorschau Energie- und Industriepolitik in Russland und Deutschland Progressives Judentum in Deutschland Familienbilder in Politik, Wirt- schaft, Justiz und Gesellschaft Rückblende, Onlinetexte Publikationen Service Kirchlicher Dienst in der Arbeitswelt

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Magazin der Evangelischen Akademie Bad Boll

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Magazin der Evangelischen Akademie Bad Boll

ISSN 1613-3714 64670 Einzelpreis € 3.-

September 20103

Schwerpunktthema Kirchlicher Dienstin der Arbeitswelt (KDA)

Arbeit zwischen Flexibilitätund Sicherheit

Blitzlicht Mobbing

Burnout – eine neueVolkskrankheit?

KDA – wichtiger denn je

Denkblockaden überwinden

Gespräche müssen mit allenKonfliktparteien im NahenOsten geführt werden

Tagungsvorschau

Energie- und Industriepolitik in Russland und Deutschland

Progressives Judentum inDeutschland

Familienbilder in Politik, Wirt-schaft, Justiz und Gesellschaft

Rückblende, Onlinetexte

Publikationen

Service

Kirchlicher Dienst in der Arbeitswelt

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Mit dem Schiff Bad Boll dieDenkblockade überwindenAn Gesprächen mit allen Konflikt-parteien im Nahen Osten führt kein Weg vorbei 14

Was kommt ... 15Vorschau auf Tagungen in der Zeit vom 17. September bis EndeDezember 2010

Aus der Akademie 21

Publikationen 22

Schatten der Vergangenheit –Akademiegeschichte 23

Impressum 24

Meditation 25

i n h a l t

Saskia Schultz, »Inszenierung«, 185 x 95 cm,Pastell- und Buntstifte auf eingefärbtenScherenschnitten

TitelbildDemonstration am 12. Juni in Stutt-gart mit DGB, ver.di, Die Grünen, SPD,KDA u. a. gegen die unsozialen Aus-wirkungen des Sparpakets der Bun-desregierung »Das nennt ihr gerecht?Gerecht geht anders«. Vorne links:Esther Kuhn-Luz, KDA Stuttgart(s. a. S. 11). Von Joe Röttgers

aktuell ... 2Kirche vor dem Rückzug ins Private?Erneute Kürzungen in der Evangeli-schen Akademie Bad Boll Aktionsbündnis Kirche mit WeitblickPreis für Wirtschaftsethik verliehenGeschenk für die EvangelischeAkademie Bad Boll: Heuss-Porträt von Gerhard Marcks

Rückblende – Onlinedokumente 3Rückblick auf vergangene Tagun-gen sowie Links zu interessantenBeiträgen

Ausstellung 8»endlich« – Bilder von Saskia SchultzAusstellungseröffnung am Boller Buß-tag der Künste, 17. November 2010

Schwerpunkt: Kirchlicher Dienst in derArbeitswelt (KDA) 9Arbeit zwischen Flexibilität undSicherheitBlitzlicht Mobbing –Intrigenspielenehmen krisenbedingt zuBurnout – eine neue Volkskrankheit?KDA – Der Kirchliche Dienst in der Arbeitswelt in Geschichte undGegenwart

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Liebe Leserin, Lieber Leser,

»Gehet hin in alle Welt …« – der Missionsbefehl ausdem Matthäus-Evangelium bringt Christinnen undChristen in Bewegung. Hinein in den Alltag, zuMenschen in ihrer Arbeitswelt, in ihren sozialenBezügen und im gesellschaftlichen Zusammenleben.Mitten in der Welt wird erkennbar, dass sich dasEvangelium und ein christliches Leben nicht redu-zieren lässt auf die private, persönliche Frömmig-keit. Die Kirche hat eine öffentliche Verantwortung!Oder wie es Wolfgang Huber formuliert: »Die vonSachzwängen geprägte Lebenswirklichkeit brauchtKräfte, die in Freiheit und Unabhängigkeit am ge-sellschaftlichen Willensbildungsprozess mitwirken und dabei den Sprach-losen eine Stimme verleihen. … Gesellschaft und Staat sind darauf ange-wiesen, dass an dem Dialog zwischen den gesellschaftlichen Gruppenauch solche beteiligt sind, die nicht nur ihr Eigeninteresse vertreten, son-dern sich mit bewusster Klarheit am gemeinsamen Besten orientieren.«Für mich ist dies der politische Impetus des Reiches Gottes, der Botschaftvon der Befreiung des Menschen. In der gesellschaftsgestaltenden Kraftund im Alltag der Welt zeigt sich das Christsein.

Martin Luther hat den Beruf als das Bewährungsfeld des Glaubens be-schrieben. In dieser Erkenntnis arbeitet die Evangelische Akademie BadBoll mit ihrem Berufsbezug. Hebammen, Richterinnen und Richter, Lehre-rinnen und Lehrer, Offiziere der Bundeswehr und viele andere Berufsgrup-pen sind zu Gast in Bad Boll. In diesem Heft berichten wir über die Arbeiteines der Fachdienste der Landeskirche. Der Kirchliche Dienst in der Ar-beitswelt (KDA) ist vor Ort, dort wo Mobbing oder Bossing Menschen be-droht, Menschen an Burnout leiden, an vergifteter Arbeitsatmosphäreoder drohender Betriebsschließung. Oft ist der KDA in klärenden Gesprä-chen mit Unternehmensleitungen und Gewerkschaften aktiv. Lesen Sie,wie der Missionsbefehl Gestalt gewinnt!

Es ist ein falsches Signal, wenn die Württembergische Landeskirche mas-sive Kürzungen jener Bereiche vorsieht, die öffentlich wirksam sind undgesellschaftsbezogen arbeiten – und damit einer Kirche Vorschub leistet,die sich aus der Öffentlichkeit zurückzieht. Es ist zwar ein weit verbreite-ter Trend, Religion zu »privatisieren«, aber diesen Rückzug in die Inner-lichkeit hat der Zimmermannsohn aus Nazareth kritisiert: Christen sollen»Salz der Erde« und »Licht der Welt« sein – dort, wo sie sich auf die be-ruflichen und gesellschaftlichen Fragestellungen einlassen! Das »Aktions-bündnis Kirche mit Weitblick« (s. S. 2) setzt in diesem Sinn ein tatkräfti-ges Zeichen. Lassen Sie uns weiterhin gemeinsam »Salz« sein, das in Wunden schmerz-haft den Heilungsprozess voranbringt und das Leben erst schmackhaftmacht!

Ihr Joachim L. Beck, Geschäftsführender Direktor

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Kirche vor dem Rückzug ins Private?Erneute Kürzungen an der Evangelischen Akademie Bad Boll

Einschneidende Beschlüsse hat dieWürttembergische Landessynode am17. Juli in Freudenstadt vorbereitet.Der prognostizierte Rückgang vonKirchensteuereinnahmen zwingt dieLandeskirche zu mittelfristiger Re-duktion der dauerhaften Ausgaben.Deshalb beschloss das Kirchenpar-lament ein Einsparvolumen in Höhevon ca. 10,2 Mio Euro. Der Rahmen-beschluss, der in der Herbstsynodekonkretisiert werden soll, muss mit

den theologischen Leitlinien, die Bischof July formulierthat, abgeglichen werden. Die Evangelische Akademie BadBoll soll 732.000 Euro erbringen. Dahinter verbergen sichStrukturveränderungen, aber auch ein massiver Abbau vonStellen. Allein für die klassisch diskursive Tagungsarbeitsollen künftig 400.000 Euro weniger zur Verfügung ste-hen. Dies ist in personalintensiven Arbeitsbereichen nurüber Stellenabbau zu realisieren. Die Ausgliederung vonFachdiensten der Akademie, von Arbeitsbereichen wie z. B.Treffpunkt Senior, STUBE, Gesellschaftsdiakonische Kurse,verändert die Wirkungsweise und Reichweite der gesell-schaftsbezogenen Arbeit von Kirche allgemein. Derzeit werden Prüfaufträge abgearbeitet: Erkennbar ist,dass die gesellschaftspolitische Arbeit von Kirche, die bis-her in der Evangelischen Akademie prominent und auchstrittig wahrgenommen wurde, unter den geändertenRahmenbedingungen so nicht mehr stattfinden kann:Viele drängende Themen können nicht mehr aufgegriffenwerden. Die Evangelische Akademie Bad Boll – und mitihr die Kirche – verabschiedet sich aus gesellschaftlichenFeldern und Milieus, die bisher in der Akademie ihre»Heimat« hatten und »Kirche auf Zeit« erlebten. Ich be-fürchte, dass sich damit weitere gesellschaftlich relevanteGruppen aus der Kirche verabschieden und die Abwärts-spirale, in der sich die Kirche in der Öffentlichkeit befin-det, fortsetzt. Die Zahl der Tagungen wird bei wenigerStudienleitenden – wie in den letzten Jahren als Folge desStellenabbaus mit dem Namen »Bildungskonzeption« –weiter zurückgehen. Wir stehen für eine Kirche, die denöffentlichen Auftrag des Evangeliums gestaltet, die sichgesellschaftlich einmischt, parteilich für die Armen unddie nicht Privilegierten steht. Wir stehen für eine Kirche,die ethisches Bewusstsein schärft und darauf vertraut,dass Frieden und Gerechtigkeit gestaltet werden könnenund dass die Bewahrung der Schöpfung ein Auftrag füruns Christinnen und Christen ist.Diese Kürzungsbeschlüsse, dieser Rahmenbeschluss derSommersynode gefährden die öffentliche Wirksamkeit vonKirche.

Joachim L. Beck

Aktionsbündnis Kirche mit Weitblick

(Ulm) Engagierte Mitarbeitende der Evangelischen Lan-deskirche in Württemberg kämpfen für eine Kirche, die ihregesellschaftliche Verantwortung wahrnimmt und über deneigenen Kirchturm hinaus blickt. Die Diskussion um dieKürzungsmaßnahmen der Landeskirche sieht gewaltigeEinschnitte im gesellschaftspolitischen Bereich vor.Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Evangelischen Aka-demie Bad Boll und anderer Einrichtungen der Landeskir-che sowie kirchenpolitisch Engagierte haben ein Aktions-bündnis gestartet, um diese Diskussion zu führen. Kurznach Veröffentlichung des Aufrufs zur Mitarbeit im Akti-onsbündnis übte die Gruppierung »Evangelium und Kir-che« scharfe Kritik an dem Bündnis und machte den Ver-fassern den Vorwurf des Lobbyismus.

Aus dem Aufruf:Aktionsbündnis Kirche mit Weitblick Welche Kirche wollen Sie? Liegt Ihnen auch eine Kircheam Herzen, die ihre gesellschaftliche Verantwortungwahrnimmt und über den eigenen Kirchturm hinausblickt? In den nächsten Monaten werden entscheidendeWeichen gestellt: 10 Millionen Euro will die EvangelischeLandeskirche in Württemberg bis 2019 einsparen. So hates die Landessynode auf ihrer Sommertagung entschie-den. Auf der Synode im Herbst sollen konkrete Maßnah-men beschlossen werden. Dabei haben die bisher geplan-ten Kürzungen eine klare Tendenz: Die übergemeindlichenund gesellschaftsbezogenen Arbeitsbereiche werden ge-schwächt. Damit verliert die Kirche diejenigen Menschennoch weiter aus dem Blick, die von den Kirchengemeindennicht erreicht werden. Außerdem wird die Kirche ihremAuftrag in der Gesellschaft immer weniger gerecht.

Das Aktionsbündnis Kirche mit Weitblick macht sichdagegen für eine Kirche stark, • die Menschen auch jenseits traditioneller kirchlicher

Milieus anspricht, • die Gesellschaft aktiv mitgestaltet, • die evangelische Positionen im Raum der Gesellschaft

erkennbar zu Gehör bringt, • die verlässliche und sachkundige Partnerin ist in Bil-

dungs- und Arbeitswelt, in Familien-, Umwelt-, Gesell-schafts- und Entwicklungspolitik,

• die sich als weltweite Kirche wahrnimmt und versteht, • die Kirchengemeinden durch gesellschaftsbezogene

Dienste ergänzt.

Schließen Sie sich unserem Aktionsbündnis an! DasAktionsbündnis Kirche mit Weitblick bietet eine Plattformfür Einzelpersonen, Gruppen, Werke, Einrichtungen undOrganisationen aus Kirche und Gesellschaft.

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Am Freitag, 19. November 2010 veranstaltet das Aktions-bündnis ein offenes Podium in Stuttgart. Unmittelbar vorder Herbstsynode muss deutlich werden: Kirche hat eineMission in der Gesellschaft. Übergemeindliche Einrichtun-gen leisten dabei einen unverzichtbaren Dienst. Gesell-schaftliche Institutionen brauchen in der Kirche ein Ge-genüber. Bitte reservieren Sie sich jetzt schon den Termin(Nachmittag und Abend)! Wenn Sie regelmäßige Informationen über die Arbeit desAktionsbündnisses haben möchten, senden Sie uns Ihre E-Mail-Adresse. Wir freuen uns besonders, wenn wir Siein die offizielle Liste der Unterstützenden aufnehmen dür-fen oder Sie mitarbeiten möchten. Jetzt anschließen!

Aktionsbündnis Kirche mit Weitblick, Unterstützende:Cornelia Brox, Dr. Manfred Budzinski, Martin Frank,Jonathan Führer, Jens Junginger, Kathinka Kaden, JobstKraus, Susanne Meyder-Nolte, Prof. Dr. WolfgangMühlich, Prof. Dr. Martin Plümicke, Ulrich Schmitthenner,Martin Schwarz, Michael Seibt, Matthias Wanzeck c/o Martin Schwarz, Wirtschafts- und Sozialpfarramt UlmGrüner Hof 1, 89073 Ulm, [email protected]

Preis für Wirtschaftsethik verliehen

(Bad Boll) Die Wirtschaftsgilde hat im Rahmen der Ta-gung »Heilsame Zukunft Technik« am 16. Juli in der Evan-gelischen Akademie Bad Boll Heike Diener den Preis fürWirtschaftsethik und Sozialgestaltung verliehen. Die Diplom-Handelslehrerin wurde für ihre AbschlussarbeitWirtschaftsethik in wirtschaftskundlichen »Schulbuchtex-ten an allgemein bildenden Gymnasien« ausgezeichnet.Staatssekretär Georg Wacker, MdL und der Vorsitzendeder Wirtschaftsgilde Hans Füller haben den Preis am 16.Juli im Rahmen der Jahrestagung der Wirtschaftsgilde inder Evangelischen Akademie Bad Boll überreicht. Die Aus-zeichnung ist mit 3.500 Euro dotiert.Heike Diener hat an der Universität Mannheim Wirt-schaftspädagogik studiert und im Oktober 2009 die Prü-fung zur Diplom-Handelslehrerin abgelegt. Thema ihrerausgezeichneten Diplomarbeit ist »Wirtschaftsethik inwirtschaftskundlichen Schulbuchtexten an allgemein bil-denden Gymnasien. Anhand von sieben Schulbüchern, diein Baden-Württemberg, Niedersachsen und Sachsen ein-gesetzt werden, untersucht Heike Diener die Bedeutungder Thematik Wirtschaftsethik. Hintergrund der Untersu-chung sind die Diskussion zu den moralisch-ethischenAspekten der aktuellen Finanz- und Wirtschaftskrise unddie bildungspolitische Debatte um die Einführung eineseigenständigen Schulfachs Wirtschaft. Heike Diener zeigt,dass in den untersuchten Schulbuchtexten Wirtschafts-ethik bisher nur eine untergeordnete Rolle spielt. HansFüller, Vorsitzender der Wirtschaftsgilde, sagte vor derPreisverleihung: »Heike Diener beschäftigt sich mit einemProblem, das für den evangelischen Arbeitskreis für Wirt-

schaftsethik und Sozialgestaltung grundlegend ist: Wasmüssen und können wir Schülerinnen und Schülern mit-geben, damit sie sich als Akteure in der Wirtschaft auchder ethischen Aspekte ihres Handels bewusst sind? Waskönnen wir tun, um ihnen gerade in Konfliktsituationenmoralisch reflektiertes Handeln zu ermöglichen? Hierbesteht großer Handlungsbedarf für unsere Bildungspo-litik. Die Wirtschaftsgilde hofft, mit der Preisverleihungeinen Anstoß für eine Verbesserung zu geben.« Der Preis für Wirtschaftsethik wird im Rahmen der Jah-restagung der Wirtschaftsgilde, Evangelischer Arbeitskreisfür Wirtschaftsethik und Sozialgestaltung, alle zwei Jahreverliehen. Die Jahrestagung fand vom 16. bis zum 17. Juli2010 in Kooperation mit der Evangelischen Akademie BadBoll zum Thema ›Heilsame Zukunft Technik‹ statt. DieWirtschaftsgilde wurde 1948 in der Evangelischen Aka-demie Bad Boll mit dem Ziel gegründet, der Diskussionum die ethische Fundierung wirtschaftlichen Handelnseinen Rahmen zu geben.

Geschenk für die Evangelische Akademie Bad Boll:Heuss-Porträt von Gerhard Marcks

Dr. Ulrich Scheufelen, Papierfa-brik Oberlenningen, hat am 28.März, dem »Tag der Offenen Tür«der Evangelischen Akademie BadBoll eine Original-Zeichnung vonGerhard Marcks, einem promi-nenten Künstler der Nachkriegs-zeit, geschenkt. Sie zeigt einPorträt von Theodor Heuss undhängt im Café Heuss. Der dazugehörende Rahmen, der wohl ausdem 19. Jahrhundert stammt,wurde restauriert und die Zeich-nung wurde mit einem Passepar-tout versehen und staubdichtverklebt. Das Porträt zeigt ein insich gekehrtes Gesicht mit ge-schlossenen Augen und ent-spricht damit nicht dem üblichenHeuss-Bild des freundlichen Bun-despräsidenten. In dieser anderenSichtweise liegt der besondere Reiz dieser Zeichnung.

Gerhard Marcks (1889-1981) war in den 1920 Jahren am Bauhaus in Dessau als Künstler tätig, wurde von denNazis als »entartet« eingestuft und galt in der Nach-kriegszeit als einer der wichtigsten Bildhauer Deutsch-lands. In Bremen gibt es ein Zentrum und Museum, dasganz seinem Schaffen gewidmet ist.

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die Residenzpflicht (keine Überschrei-tung der Landkreisgrenzen ohne Er-laubnis der Ausländerbehörde) Kin-dern die Teilnahme an sportlichenWettveranstaltungen in anderen Or-ten und verhindert damit Integration?Warum verbieten Arbeitsagenturendie Annahme von selbst gefundenenArbeitsstellen ohne Begründung?Warum können Familien mit einerDuldungserlaubnis und einer Arbeits-stelle nicht aus einem Wohnheimausziehen? Warum werden Ausländerals »Putze« diskriminiert, wenn sieputzen, um dem Staat nicht auf derTasche zu liegen? Darf man aus Si-cherheitsgründen unter falschemNamen leben? Weswegen wird einerFlüchtlingsfrau aus dem Kongo dieErstattung einer Brille abgelehnt, ob-wohl sie vom Arzt verordnet wurdeund die Frau eine Aufenthaltsgestat-tung hat? Unter Tränen schilderteeine Frau die Problematik ihrer ver-folgten, bedrohten und zurückgelas-senen Familie im Irak.Flüchtlingsfrauen führen ein Leben imExil und versuchen sich in einer ande-ren Kultur und neuen Gesellschaft zuorientieren. Dabei sind rechtliche undpolitische Rahmenbedingungen ein-zuhalten, die in ihrem Alltag zu Stol-persteinen werden, die das Leben be-grenzen und nicht verstanden wer-den. Gesetze und Richtlinien, die zurAbschreckung dienen und mancheerst in Deutschland krank machen.Über lange Verwaltungszeiten, die einzukunftsorientiertes Leben von Kin-dern nicht ermöglichen, klagte eineFrau aus dem Iran. Von der Scham imEinkaufsverhalten mit Gutscheinenberichtete eine junge Türkin: Leute

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20 Jahre Flüchtlingsfrauen inder Evangelischen AkademieBad Boll»Mit Flüchtlingsfrauen eine bessereZukunft schaffen«, Tagung 9.-11.Juli Erzählen, ärgern, den Kummer mittei-len, Erfahrungen und Informationenweitergeben, weinen, zuhören, ver-standen fühlen: Lebendig waren dievielsprachigen Gespräche, bunt derkulturell geprägte Kleidungsstil undspürbar die Stärke von 52 Flüchtlings-frauen, die sich in der EvangelischenAkademie Bad Boll begegneten. Seit20 Jahren besteht nun diese Tagungs-reihe mit ausländischen Flüchtlings-frauen. Einmal im Jahr können siesich hier treffen und austauschen.Es sind interessante Frauen, faszinie-rend in ihrer Unterschiedlichkeit undAusstrahlung, aufrecht in der Hal-tung, stark im Gesichtsausdruck. Eineindrucksvolles Bild, das inneres Leidnicht auf den ersten Blick in ihremÄußeren spiegelt. Sie kommen ausdem Kosovo, Afghanistan, Iran, Irak,Tschetschenien, dem Kongo, Kamerun,Nigeria und Syrien. Schlechte Erleb-nisse der Vergangenheit verbinden sieebenso wie die Flucht nach Deutsch-

land. Ihre individuellen Schicksals-schläge, ihr Kampf mit Richtlinienund Vorschriften im Heute, ihre psy-chische und soziale Situation, sowieihre Empfindungen als Frauen imdeutschen Exil lassen mitunter sogarPolitikerinnen schweigen. Die dreiBundestagsabgeordneten Karin Maag,CDU/CSU, Gabriele Fograscher, SPDund Ingrid Hönlinger, Bündnis 90/DieGrünen stellten sich im Rahmen derTagung vielen Fragen und Anfragen.Was geschieht mit alten und krankenFamilienangehörigen? Können sie inDeutschland mit einem sicheren Auf-enthalt rechnen? Warum verbietet

Einmal jährlich können sich Flüchtlingsfrauen in Bad Boll treffen und austauschen.

»Fußball in Verantwortung«Immer wieder vertritt die Akademie Bad Boll im Bereich des Sports bundesweit die Interes-sen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Unter der Überschrift: »Fußball in Ver-antwortung« führte deshalb die Akademie am 6. August, wenige Tage vor Beginn der neuenFußballbundesligasaison 2010/2011, eine Veranstaltung in den Räumen des FC St. Pauli inHamburg durch. Wieviel Kommerz kann sich ein Verein überhaupt leisten, um nicht Gefahrzu laufen, seine Identität zu verlieren, fragte der Sportbeauftragte Volker Steinbrecher Ver-treter der Deutschen Fußballliga DFL und anderer Fußballinstitutionen. Konzentriert undkonstruktiv wurden Ideen und Handlungsempfehlungen für gesellschaftliche Verantwor-tungsübernahme durch Bundesligaclubs diskutiert und ausgetauscht. (Link zum vollständigen Text und zum Impulsreferat von Christoph Ruf, siehe Seite 6/7)Von links: Bend-Georg Spieß, Vizepräsident FC St. Pauli; Dr. Götz Vollmann, Sprecher desInstituts für Fußball und Gesellschaft, Dr. Thies Gundlach, Oberkirchenrat der EKD; UrsWillmann, DIE ZEIT; Simone Buchholz, Autorin; Thomas Schneider, Koordinator Fanange-legenheiten Deutsche Fußballliga DFL

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mit Taschenrechner bei Lidl seien im-mer als Flüchtlinge erkennbar, dennder Betrag für die 20 und 50 EuroGutscheine müsse beim Einkauf auf-gehen. Letztlich wurde auch die man-gelnde interkulturelle Kompetenz derBehörden angeprangert. Erst langsamrücke die Tatsache ins Bewusstseinder zuständigen Personen, dass siemehr kulturelles Know-how benöti-gen. Fragen, Vorwürfe, Ängste, die 52Flüchtlingsfrauen direkt weitergebenkonnten und sich nun auf langenListen von drei bemühten Politikerin-nen befinden. Alle drei versprachen,sich um individuelle Einzelfälle zubemühen, ebenso wie um die praxis-nahe Umsetzung der vorhandenenGesetze.

Brigitte Scheiffele, Journalistin

Evolutionäre Ethik? Zum Trialog zwischen egoistischenGenen, kooperativen Menschen undethischen IdealenTagung 26.-27. Juni, Bad BollDer Bedarf an Ethik ist immens. Mitder Eingriffstiefe menschlichen Wir-kens in Wirtschaft, Technik, Biowis-senschaften, Medizin werden ethischeFragen virulent, auf die sich die Ant-worten nicht von selbst verstehen.Meist stehen sich begeisterte Befür-worter des Fortschritts und mahnendeWarner und Skeptiker gegenüber.Einer neuen Qualität ethischer Refle-xion bedarf es jedoch angesichts derglobalen Gefahren des vom Menschenverursachten Wandels, der sich nurals neue geologische Epoche charak-terisieren lässt, als »Anthropozän«. Die Auswirkungen der menschlichenZivilisation haben längst globale Aus-maße angenommen – vom Klimawan-del bis hin zur schwindenden Biodi-versität.Das Besondere dieser Tagung bestanddarin, dass aus verschiedenen Wis-senschaften heraus das Potential desMenschen zu ethischem Verhaltenanalysiert wurde: Der Evolutionsöko-loge Michael Taborsky erörterte dieVielfalt von Kooperationsformen be-reits im Tierreich, die sich als evolu-tionär stabile Strategien verstehenlassen. Der Mensch ist durchaus auf

Norwegische Jazzmesse im Innenhof der Akademie Bad Boll»Ohne Liebe stirbst du« – war das Motto der Norwegischen Jazzmesse, die am 18. Juli imInnenhof der Evangelischen Akademie Bad Boll bei schönstem Wetter zur Aufführung kam.Annette Frank, Salto Vocale und die LumberjackBigband unter der Leitung von AlexanderEissele faszinierten die über 330 Besucherinnen und Besucher. Ambiente, Texte, berührendeMusik – alles passte an diesem Sommerabend gut zusammen.

Tanzdialog mit Laura Brückmann bei der FerienwocheIn der Ferienwoche kreativ »Im Aufwind« (1.-7. August) mit rund 140 Teilnehmenden ent-stand innerhalb einer abwechslungsreichen Woche eine schöpferische Gemeinschaft zwi-schen Jung und Alt und zwischen Menschen mit und ohne Behinderungen. In 13 Workshopskonnte man individuellen Interessen nachgehen – das Angebot reichte vom Schweißen,Bogenschießen bis hin zu Malerei, Steinskulpturen und Musik. Angeboten wurde unter anderem ein Workshop der besonderen „Eigen ARTen“ für Men-schen mit Begrenzungen und Begabungen von Rainer Brückmann, Musiktherapeut, und sei-ner 19-jährigen Tochter Laura, Trägerin des Down-Syndroms. Die festliche Ergänzung zudem Workshop wurde ein abendliches Event für alle mit einer eindrücklichen Performanceim Festsaal der Akademie. Vater und Tochter Brückmann gestalteten zusammen mit demTexter und Kabarettisten Peter Grohmann einen künstlerischem Dialog aus Tanz, Musik undText. Der AnStifter Grohmann beschäftigt sich in seiner künstlerischen Arbeit u. a. mitProblemen von Ausgrenzung und Aussonderung.

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Textdokument»Mit wem soll der Dialog im israelisch-palästinensischenKonflikt stattfinden?«war der Titel des Vortrags von Dr.Muriel Asseburg bei der Tagung»Partner für den Frieden. Mit Hamas und Fatah reden«11.-13. Juni 2010, Bad Boll.

Muriel Asseburg ist Leiterin der For-schungsgruppe Naher/Mittlerer Ostenund Afrika in der Stiftung Wissen-schaft und Politik, Berlin. Sie sagteauf der Tagung: »Bei Kontakten undDialogen sollten wir grundsätzlichvon Verboten, ideologischen Heran-gehensweisen und AusgrenzungenAbstand nehmen.« Und: »Grundsätz-lich halte ich es nicht für sinnvoll, nurmit Gleichgesinnten zu reden. Diesgilt umso mehr, wenn wir uns einemKonflikt gegenüber sehen.« Einen Bei-trag über die Tagung und zu MurielAsseburgs Position finden Sie auf S. 14-15 in diesem Heft. Der ganzeVortrag ist auf unserer Internetseiteverfügbar.

Textdokument»Arm und Reich – Gottgewollt oder von Menschen gemacht? Die Perspektive der BibelProf. Dr. René Krüger, Neutestament-ler aus Buenos Aires hat in seinem

Vortrag auf der Sommertagung derSynode der Evangelischen Landeskir-che in Württemberg über die systemi-sche Krise gesprochen, durch die inden letzten 20 Jahren die Armut bishin zur Verelendung weltweit zuge-nommen hat. Was die Bibel zur Wirt-schaftsproblematik sagt und was dieKirchen tun können, erläutert er aus-führlich in seinem Vortrag. Einen Aus-zug finden Sie auf Seite 25 diesesHeftes.

Textdokument»Adoption und Bindung.Die Bedeutung der sicherenBindung für die Entwicklung seelischer Stabilität«lautete der Titel des Beitrags vonChristiane Luz, Psychotherapeutin fürKinder und Jugendliche und Dozentin/ Supervisorin am C.G. Jung-Institut,Stuttgart bei der Tagung Bindungund Adoption: Risiko- und Schutz-faktoren für die Entwicklung vonAdoptivkindern, die am 27./28. Märzin Bad Boll stattfand. Die Psychothe-rapeutin Luz zeichnet die Entwick-lungsphasen eines Kindes von dervorgeburtlichen Zeit bis zur Pubertätnach. Sie zeigt auf, welche Faktorenentscheidend für eine gute Bezie-hungsfähigkeit des sich entwickeln-den Menschen sind. Unter anderemsagt sie: »Nur wenn Empfindungenwie Trauer und Wut, Angst und Ver-trauen, Hilflosigkeit und Zuversichterlebbar und damit auch verbalisier-bar werden, können sie ihrerseits Ein-fühlung entwickeln – der beste Wegzur sozialen Kompetenz.« ChristianeLuz kennt aber auch Zeiten des Miss-erfolgs. Ihr Rezept dazu ist: »Und

Onlinedokumente auf der Internetseite der AkademieText- und Tondokumente von Vorträgen und Diskussionen aus Tagungen derEvangelischen Akademie Bad Boll können Sie herunterladen und zu Hauselesen oder anhören. Alle Onlinedokumente – Texte und Audio-Dateien – finden Sie unter: www.ev-akademie-boll.de/onlinedokumente

Dr. Muriel Asseburg

dieser Linie in der Lage, in vielfältigenAustauschbeziehungen reziprokenAltruismus zu pflegen. Wie ReligionKooperationsbereitschaft und Verläss-lichkeit sozial stabilisieren kann, erör-terte der ReligionswissenschaftlerMichael Blume. Der Psychologe HorstHeidbrink diskutierte die Frage derMoralentwicklung aus entwicklungs-psychologischer Sicht und dabei ins-besondere die Frage des Übergangsvon einer konventionellen und ethno-zentrischen Moral zu einer postkon-ventionellen Moral, die alle Menscheneinbezieht. Schon Darwin meinte,dass den Menschen eigentlich nureine künstliche Schranke daran hin-dern könne, seine Sympathien auf dieMenschen aller Nationen und Rassenauszudehnen, wobei, wie leider dieErfahrung lehre, es desto länger dau-ere, je größer die Verschiedenheit imÄußeren und den Gewohnheiten sei.

»Wohlwollen über die Schranken derMenschheit hinaus, d. h. Menschlich-keit gegen die Tiere, scheint eines deram spätesten erworbenen sittlichenGüter zu sein«, fügt Darwin hinzu. DerTheologe Wolfgang Achtner führte inAlbert Schweitzers Denken ein. Ethikbesteht für Schweitzer darin, dass dasNaturgeschehen im Menschen auf-grund bewusster Überlegung mit sichselbst in Widerspruch tritt. »Ich binLeben inmitten von Leben, das lebenwill.« Zentral sind die Erkenntnis desWillens zum Leben und die darausentspringende Ehrfurcht vor demLeben. »Demütig und mutig zieht derWille so seines Weges durch das end-lose Chaos der Rätsel, seine geheim-nisvolle Bestimmung erfüllend, dasEinswerden mit dem unendlichenWillen verwirklichend.« Offenbar be-sitzt der Mensch das Potential odergar die Tendenz zur Erweiterung sei-nes Mitgefühls und seines Verantwor-tungsbereiches. Wollte man sich die-ser Erweiterung mit Hinweis auf ei-nen naturalistischen Fehlschluss ver-weigern, müsste man möglicherweisedas eigene Menschsein negieren. Kontrovers diskutiert wurde die Frage,ob die ethische Entwicklung undSensibilisierung den zunehmendenBedrohungen gewachsen sein wird.

Dr. Günter Renz, Studienleiter

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wenn es gelegentlich ganz schwerwird, hilft uns der Humor, manchmalein wenig bittersüß, aber er schafftAbstand. ›Trotzdem‹ zu lachen ist eineGabe, die dramatische Situationenentspannt und den Blick wieder öff-net für wirklich Wesentliches.«

TextdokumentFußball in Verantwortung6. August 2010, Bad BollChristoph Ruf, Journalist und Autor,hat bei der Tagung das Impulsreferatzum Thema »Zwischen Wertegemein-schaft und Erfolgstruppe« gehalten.Es ist auf der Website der Evangeli-schen Akademie Bad Boll verfügbar.Der ausführliche Text der Mitteilungauf Seite 4 von Volker Steinbrecher,

dem Sportbeauftragten der Evange-lischen Landeskirche in Württemberg, kann unter folgendem Link gelesenwerden:www.ekd.de/aktuell/71848.html

Audiodokument»Auf dem Weg zu einer menschli-chen Marktwirtschaft. Warum eineUmorientierung des Wirtschaftensnottut«Die Wirtschaft ist aus den Fugen ge-raten! Eine Krise löst die andere ab.Nachdem zuerst private Hausbesitzerin den USA und später Banken undgroße Teile der weltweiten Finanz-wirtschaft staatlich gestützt werdenmussten, sind jetzt schon ganze Staa-ten von Zahlungsunfähigkeit bedroht.Viele sehen darin ein Indiz für eineSystemkrise der Marktwirtschaft. Die-se scheint ihr Versprechen von wach-

Link zu einem weiteren KDA-Dokument (siehe Schwerpunkt desHefts, S. 9-13 und S. 22):»Begleitet aus der Arbeitslosigkeit» Am 28. April wurde im ReutlingerGeneralanzeiger über eine Aktion des KDA Reutlingen berichtet. ImVorspann heißt es. »Hoffnung nachder Krise: Der WerkzeugherstellerWalter hat fast die Hälfte der fünfzigMitarbeiter wieder eingestellt, derenbefristete Arbeitsverträge im Juni2009 krisenbedingt nicht hatten ver-längert werden können. Der evangeli-sche Wirtschafts- und SozialpfarrerJens Junginger vom KirchlichenDienst in der Arbeitswelt (KDA) hattedie vorübergehend Arbeitslosen in derZwischenzeit beraten – gemeinsammit dem Betriebsrat und dem Perso-nalchef.« Wer sich für den Beitraginteressiert, kann ihn hier lesen: www.gea.de/region+reutlingen/ueber+die+alb/begleitet+aus+der+arbeitslosigkeit.1259583.htm

Powerpoint-Präsentationen»Was eine autistenfreundlicheSchule braucht – Reflexion dereigenen Schulzeit« ist eine Power-point-Präsentation von Dr. PeterSchmidt, selbst Autist, die er bei derTagung »Autismus – Kinder undJugendliche mit autistischemVerhalten. Neue Wege durch dieSchule« (5.-6. Juli) präsentiert hat.Die zweite Powerpoint-Präsentationist ein Input für einen Workshop beider Tagung, die Peter Schmidt mitseiner Ehefrau Martina Schmidterstellt hat mit dem Titel »Sensibili-sierung für die Wahrnehmung undBedürfnisse autistischer Menschenan Schulen«. Beide Präsentationenkönnen im Internet als PDF gelesenwerden.

sendem Wohlstand für alle ebensowenig realisieren zu können wie einegrundlegende Verteilungsgerechtig-keit. Und das trotz anhaltender Öko-nomisierung aller Lebensbereiche! Dr.Ulrich Thielemann, Vizedirektor desInstituts für Wirtschaftsethik an derUniversität St. Gallen analysiert dieUrsachen für die Fehlentwicklungunseres Wirtschaftssystems, entlarvtWohlstandsmythen der Ökonomie,zeigt auf, warum eine Umorientierungnottut und stellt die Marktwirtschaftvom Kopf wieder auf die Füße. Inzwei Audiodokumenten können Siesich den Vortrag von Dr. Thielemannanhören, der im Rahmen der Tagung»Ist eine andere Weltwirtschaft mög-lich?« vom 11.-12. Juni in Bad Bollstattfand.

Audiodokument»Das Geheimnis der Berater –Annäherungen an einen Mythos«,war der Vortrag betitelt, den derPolitikwissenschaftler und TV-Jour-nalist Prof. Dr. Thomas Leif bei derTagung »Beraten und verkauft? DasBeratungswesen zwischen Ökono-misierung und Humanität« (7.-9.Mai 2010) in Bad Boll gehalten hat.Leif hatte mit seinem Buch »Beratenund verkauft: Mc Kinsey & Co.« dieKritik am Beratungswesen, das er alsgigantische Bluff-Branche analysiert,angestoßen. Seinen Beitrag könnenSie in 2 Teilen auf unserer Internet-seite anhören.

Dr. UlrichThielemannist Vize-direktor desInstituts fürWirtschafts-ethik an derUniversitätSt. Gallen.

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Vertraute Motive kombiniert die Stuttgarter KünstlerinSaskia Schultz auf ungewöhnliche Weise: Hand undGedärm auf der Vignette sind zum Schöpfungsakt mitTodesanmutung vereint. So wird das Auge in Sicher-heit gewogen, um im nächsten Moment zusammenzu-zucken. Worte und Bilder halten sich in ihren Buchob-jekten gegenseitig in Spannung und tragen zum leisenSchrecken bei. Ob Linolschnitt, Collage, Bild, Scheren-schnitt oder Glasmalerei – Saskia Schultz, die von1998 bis 2005 an der Kunstakademie Stuttgart beiJohannes Hewel, Professor für Glasgestaltung undFreie Malerei studierte, setzt virtuos eine Vielzahl von

Ausdrucksformen ein, umfür nachhaltige Wahrneh-mung zu sorgen. Schönheitund Schrecken liegen nahebeieinander. (Alp-)Traum-welten tun sich auf. Die wiein Trance ruhig gestellteunwirkliche Welt der meistweiblichen Figuren entfal-tet ihren Zauber als Machtder Verstörung. Wundenzeugen von chirurgischenEingriffen. Ob die Behand-lung heilt oder tötet, bleibtoffen.

Der Boller Bußtag derKünste wird eröffnet miteinem Gottesdienst, in demOberkirchenrat Prof. Dr.Ulrich Heckel predigt. AmEnde wird Frau Dr. SylvelynHähner-Rombach (Institutder Geschichte der Medizinder Robert-Bosch-Stiftung)mit ihrem Vortrag zu Sexund Gender in der Medizindes ausgehenden 19. Jahr-

hunderts noch eine weitere Perspektive einbringen.

Boller Bußtag der Künste in Kooperation mit dem Verein für Kirche und Kunst17. November 2010, 16:00 UhrTagungsnummer 530810Tagungsleitung: Susanne Wolf, Lambert AuerInfos: Brigitte Engert, Tel. (07164) 79-342, Fax [email protected]

»endlich« – Ausstellung zum Boller Bußtagder Künste mit Bildern von Saskia Schultz

Das obere undmittlere Bild ent-stammt dem Le-porello »Wenn ichmal tot bin«, einLinolschnitt aufBütten, 2007,aufgeklappt 5,3 x 0,35 m. Bildunten: »Inszenie-rung«, 2010, 1,85x 0,95 m, Pastell-und Buntstifteauf eingefärbtenScherenschnitten

Vernissage Peter Riek »schattenboxen«Sonntag, 19. September, 11:00 Uhr im Café Heuss Die Ausstellung läuft vom 19. September bis 31. Oktober.

Infos und Anmeldung zum Mittagessen (12 Euro):Brigitte Engert, Tel. (07164) 79-342 [email protected]: Susanne Wolf

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Von Martin Schwarz

Die Europäische Kommission hat dasJahr 2010 zum »Europäischen Jahr ge-gen Armut und soziale Ausgrenzung«erklärt. Dabei hängt die Zunahme vonArmut mit Veränderungen in der Ar-beitswelt zusammen. Nur noch knappzwei Drittel der Erwerbstätigen ste-hen in einem klassischen sozialversi-cherungspflichtigen und unbefristetenVollzeitarbeitsverhältnis. Immer mehrMenschen sind »arm trotz Arbeit«.Das Erwerbseinkommen reicht nichtzum Lebensunterhalt, die Beschäfti-gungszeiten ermöglichen keine ange-messene Absicherung mehr für Ar-beitslosigkeit und Ruhestand. In Zu-kunft wird der Anteil der so genann-ten atypischen Beschäftigungsverhält-nisse weiter steigen. Wiederholter Tätigkeitswechsel, Befristungen, Teil-zeit- sowie Leiharbeit werden dieRegel. Ein Beruf hält nicht mehr, waser einmal versprochen hat: Sicherheitfür ein ganzes Leben.

Arbeit ist Teilhabe an der GesellschaftMenschenwürde ist nicht von der Er-werbsarbeit abhängig. Leben mit allseinen Möglichkeiten ist als GeschenkGottes jedoch dazu bestimmt, sich zuentfalten. Dazu gehört auch, dass wirdurch unsere Arbeit einen Beitrag zurGemeinschaft leisten können. Diesegesellschaftliche Teilhabe nicht nurzu ermöglichen, sondern auch zu för-dern, ist darum eine gemeinsame Auf-gabe. Solidarische Lösungen habenVorrang vor bloßer Eigenverantwor-tung. Eine protestantische Grundein-sicht ist, dass Solidarität nicht demindividuellen Gutdünken überlassenwerden kann. Vielmehr bedarf eseines verbindlichen Rahmens. Wasbedeutet dies im Blick auf die not-wendige Flexibilisierung der Arbeit?

Erst Absicherung, dann FlexibilisierungAntworten auf die Herausforderungendes modernen Arbeitsmarktes werdengegenwärtig auf europäischer Ebeneunter dem Begriff »Flexicurity« disku-

tiert. Die Idee: Flexibilität (Flexibility)für Unternehmen wird mit Maßnah-men zur Absicherung (Security) derBeschäftigten verbunden. Dazu gehö-ren flexible Arbeitsverträge, aktivearbeitsmarktpolitische Maßnahmenund hinreichende soziale Sicherung.Unabdingbar ist darüber hinaus dieFörderung von lebenslangem Lernen.Auf den ersten Blick klingt das viel-versprechend. Die Umsetzung ist aberbisher mangelhaft. Ein wesentlicherGrund ist die Reihenfolge der Umset-zung: Zuerst müsste die soziale Si-cherung ausgebaut werden, bevor dasArbeitsrecht liberalisiert werden kann.Aber das Gegenteil ist bisher der Fall:Das deutsche Arbeitsrecht leidetheute nicht mehr an einem Mangelan Flexibilität. Im Zuge der Hartz-Reformen wurden insbesondere dieMöglichkeiten der Arbeitnehmerüber-lassung erheblich erweitert. Darüberhinaus wurde der Druck auf Arbeit-nehmerinnen und Arbeitnehmer er-höht, selbständige, ungesicherte odergering entlohnte Tätigkeiten aufzu-nehmen. Die sozialen Sicherungssys-teme wurden jedoch nicht angepasstoder sogar geschwächt. Neben zuneh-mender Belastung und Verunsiche-rung hat dies weitere Folgen: Der An-teil der sozialversicherungspflichtigBeschäftigten reicht nicht mehr aus,um die soziale Sicherung zu finanzie-ren. Zugleich sind immer mehr Men-schen auf Sozialleistungen angewie-sen, weil ihr Arbeitseinkommen zumLebensunterhalt nicht ausreicht. ImBereich des Handwerks wurde etwadurch die Einschränkung des Meister-Zwangs zwar die Zahl der Betriebeerheblich erhöht, die Zahl der sozial-versicherungspflichtig Beschäftigtennahm jedoch ab. Insgesamt haben dieReformen bislang zur Folge, dass Un-ternehmen von neuer Flexibilität pro-fitieren, während die sozialen Folge-kosten der Allgemeinheit aufgebürdetwerden. Hierin liegt gegenwärtig daswirkliche Problem des Sozialstaates –nicht in Leistungsmissbrauch und De-kadenz.

Innerbetriebliche Flexibilität vorDeregulierungDabei gibt es Alternativen zur Verla-gerung von Risiken auf die Einzelnenoder die Gesellschaft. Viele Unterneh-men haben gezeigt, dass langfristigeArbeitszeitkonten, betriebliche Ver-einbarungen zur Beschäftigungssiche-rung oder auch Kurzarbeit sehr wir-

kungsvolle Mittel sind, um Krisen zubegegnen. Zum Teil wird das geringe-re Arbeitsaufkommen genutzt, umdurch Fortbildungen die interne Flexi-bilität zu erhöhen. Dabei hat sich dieim Betriebsverfassungsgesetz veran-kerte Mitbestimmung bewährt. EinAusgleich zwischen Flexibilität undSicherheit erfordert starke Arbeitneh-merorganisationen, die Verantwor-tung übernehmen. Auf Leiharbeitkann zwar nicht völlig verzichtet wer-den, wenn interne Ausgleichsmög-lichkeiten nicht ausreichen. Sie darfaber nicht missbraucht werden, umdie Stammbelegschaft zu ersetzenund Tarifverträge zu unterlaufen.

Außerdem hat die Krise gezeigt: Zeit-arbeit kann in allgemeinen Krisenzei-ten Arbeitslosigkeit nicht verhindern.Vielmehr reagiert der Leiharbeitssek-tor wesentlich empfindlicher aufwirtschaftliche Schwankungen. InZeiten von wirtschaftlichem Wachs-

Arbeit zwischen Flexibilität und SicherheitDie Erwerbstätigkeit ist in einem tief greifenden Wandel

Demonstration am 12. Juni in Stuttgart mit DGB,ver.di, Die Grünen, SPD, KDA u.a. gegen die unsozialenAuswirkungen des Sparpakets der Bundesregierung»Das nennt ihr gerecht? Gerecht geht anders«

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men werden in allen Bereichen durchdie Auswirkungen auf das Arbeits-und Leistungsverhalten und insbeson-dere durch die krankheitsbedingtenAusfälle ihrer Mitarbeiterinnen undMitarbeiter finanziell erheblich be-lastet.

Im Rahmen des Gesundheitsmanage-ments sollte eine systematisch inein-ander greifende Konfliktbearbeitungund Mobbing-Prävention aufgebautwerden. Mobbing muss an der Quellebekämpft werden. Organisations-strukturen und Arbeitsabläufe, derbetriebliche Informationsfluss, dieKommunikation, die Zusammenarbeitund das Führungsverhalten müssendeshalb auf den Prüfstand. Gefähr-dungsbeurteilungen nach § 5 des Ar-beitsschutzgesetzes können davonausgehende Konfliktpotentiale offenlegen und ermöglichen Gegenmaß-nahmen. Fachleute empfehlen denEinsatz von Konfliktlotsen oder Mob-bing-Beauftragten, sowie den Ab-schluss einer Betriebsvereinbarungzwischen Geschäftsleitung und Be-triebs-/Personalrat mit der Überschrift»Förderung des kollegialen Umgangsund einer fairen Streitkultur«.

Mobbing geschieht, wenn zu vieleKolleginnen und Kollegen sowie Füh-rungskräfte wegsehen, zusehen odermitmachen. Um Mobbing wirkungs-voll zu begegnen, ist es hilfreich, diePflege des Betriebsklimas und derbetrieblichen Streitkultur zur Dauer-aufgabe für alle Beschäftigen, aufallen Ebenen eines Betriebes odereiner Einrichtung zu erklären. Be-triebsklimapflege ist eine täglicheDaueraufgabe.

Von Volker Stücklen

Mobbing kann jeden treffen! In Kri-senzeiten ist das Risiko deutlich hö-her, schikaniert, ausgegrenzt und be-nachteiligt zu werden. Rund 1,5 Mil-lionen Menschen erleben Psychoterroram Arbeitsplatz. Nach neuen Umfra-gen gab jede/jeder Sechste an, schongemobbt worden zu sein. Mobbingentsteht aus ungeklärten und unbear-beiteten Konflikten, die mit der Zeiteskalieren. Weitere Ursachen könnenin unklaren Organisationsstrukturenund starren Hierarchien, in Arbeitsbe-dingungen, der Arbeitsgruppe, bei denTäterinnen und Tätern aber auch beiden Betroffenen selbst liegen. Beson-ders gefährdete Berufzweige sind derDienstleistungs- und Sozialbereich.Mobbing-Berater beobachten Häufun-gen vor allem in kirchlichen, diakoni-schen und karitativen Arbeitsfeldern.

Die Krisenlage in Deutschland hatdazu geführt, dass Mobbing-Attackenauch häufiger in den Firmen auftre-ten, die Insolvenz angemeldet habenoder deren Belegschaft in Kurzarbeitist. Beschäftigte greifen zu Mobbing-Methoden, wenn ihre Existenz durcheinen eventuellen Arbeitsplatzverlustbedroht ist. Dazu wird der Kollegeoder die Kollegin in ein schlechtesLicht gerückt und als untragbar fürden Betrieb hingestellt. Beobachtethaben wir auch, dass ganze Teamsmit Mobbing-Handlungen versuchen,das eigene Team in der Einteilung fürKurzarbeit und Zwangsurlaub als vor-teilhafter und leistungsfähiger hinzu-stellen.

Die Folgen von Mobbing sind gravie-rend: Sie reichen von Leistungs- undDenkblockaden über Rückzugstenden-zen (»innere Kündigung«) bis hin zuKrankheiten, Angststörungen und De-pressionen. Am Ende der Quälereienund Attacken steht oft eine Krank-schreibung, die eigene Kündigungoder die Frührente. Die Betroffenenfühlen sich allein gelassen. Unterneh-

tum schafft er rasch Beschäftigung,jedoch werden Leiharbeitskräfte auchals erste wieder entlassen. Darüberhinaus entsteht durch atypische Be-schäftigungsverhältnisse eine Zwei-Klassen-Gesellschaft in den Betrie-ben: Stammbelegschaften mit siche-rem Arbeitsplatz und Leiharbeitskräf-te, die das Risiko tragen. Damit sindnicht nur persönliche Schicksale ver-bunden. Die Ungleichbehandlungführt auf Dauer auch zu Unfrieden inden Betrieben. Daher muss die inner-betriebliche Flexibilisierung vonArbeitsverhältnissen Vorrang habenvor der weiteren Deregulierung desArbeitsmarktes.

Europa ist gefordertAuf europäischer Ebene erfordert derfreie Austausch von Dienstleistungenund Arbeitskräften dringend verbind-liche soziale Standards. Nur so kannverhindert werden, dass das innereu-ropäische Gefälle von Arbeits- undSozialstandards zu einer Aufweichungder höher entwickelten Sozialverfas-sungen führt. Arbeitnehmerinnen undArbeitnehmer, von denen immer mehrFlexibilität gefordert wird, müssensich auf soziale Sicherungssystemestützen können, die den verändertenErwerbsbiographien Rechnung tragenund nicht an nationale Grenzen sto-ßen. Nach dem Abbau von Schrankenbei Handel, Dienstleistungsaustausch,Kapitalfluss und Freizügigkeit mussdie soziale Integration Europas voran-getrieben werden. Sonst wird sich dieOst-West-Spaltung in Europa vertie-fen. Auch innerhalb der europäischenLänder werden sich die sozialen Brü-che verschärfen. Dabei ist das euro-päische Demokratiemodell eng mitdem Versprechen von allgemeinemWohlstand und sozialer Sicherheitverknüpft. Scheitert die soziale Inte-gration Europas, scheitert die euro-päische Form der Demokratie.

Blitzlicht MobbingIntrigenspiele nehmen krisenbedingt zu

Martin Schwarz istseit März 2010 Wirt-schafts- und Sozial-pfarrer beim Kirchli-chen Dienst in derArbeitswelt in Ulm.

Volker Stücklen istseit 1988 Sozialse-kretär beim Kirch-lichen Dienst in derArbeitswelt in derPrälatur Heilbronn.Seine Spezialgebietesind Mobbing, Perso-nalrat, Betriebsratund MAV.

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Von Esther Kuhn-Luz

Über 80 Teilnehmende aus Betrieben,Banken, kommunalen, städtischen,kirchlichen und diakonischen Einrich-tungen kamen Anfang Juli zu der Tagung »Burnout erkennen – als Füh-rungskraft Verantwortung überneh-men«. Das Interesse war groß, sich mitdem Phänomen »Burnout« ausein-anderzusetzen, um möglichst früh Anzeichen für eine Erschöpfungsde-pression zu erkennen – bei Mitarbei-tenden, aber auch bei sich selbst.Denn ständig über die Leistungs-grenze zu arbeiten macht krank.

Sehr eindrucksvoll berichteten amAnfang Johannes Hauser, Bürgermeis-ter der Stadt Schwaigern und BerndKreuder, Allianz Deutschland AG Köln,über ihre eigene Betroffenheit alsBurnouterkrankte. Wer für seine Auf-gaben »brenne«, sei in Gefahr, auszu-brennen – eine Erfahrung, die daseigene Selbstverständnis massiv inFrage stellen kann. Jahrelang – so be-richteten die Führungskräfte – gab eseine klare Konditionierung: du biststark, du bist gut drauf, du schaffstdas. Erfolgreich zu sein trotz vielerWiderstände, immer das Letzte zu ge-ben – doch dann kam der Zusammen-bruch. »Plötzlich ging nichts mehr.Diagnose: Erschöpfungsdepression.«Beide schilderten ihren Widerstandgegen diese Diagnose – aber sowohldie Panikattacken als auch Selbst-mordgedanken nahmen zu.

»Besonders schlimm war es, kein Em-pfinden mehr für Freude zu haben.Jeder Kontakt wurde für mich zurQual. Alltägliches wie telefonieren,Essen machen, eine Türe öffnen, einFormular ausfüllen, wurde unmög-lich.«, sagte der Bürgermeister. Durcheinen Klinikaufenthalt konnte denMännern geholfen werden. Die Erfah-rungen dort waren für sie sehr wich-tig – ganz viel Zeit zu haben, ganzlangsam eine andere Aufmerksamkeitfür das eigene Leben zu bekommenund der Seele Raum zu geben. Über-haupt zu spüren, dass die Seele eige-

ne Bedürfnisse hat und der Fragenachzugehen: »Wenn alles zusam-menbricht – was macht dann eigent-lich den Sinn meines Lebens aus?« Das Fazit von Bernd Kreuder ist: »Ichbleibe ein Burnoutbetroffener. Ich ar-beite wieder in voller Verantwortung– aber ich weiß, dass die Gefährdungbleibt. Ich muss mir das Gespür fürmeine Belastbarkeitsgrenze erhalten.Und auch für die Belastbarkeitsgren-zen der Mitarbeitenden.« Aus seinerpersönlichen Erfahrung hat Kreuderein Gesundheitsmanagement, daspsychische Gefährdungen im Blickhat, für die eigene Firma entwickelt.

Dr. Werner Geigges, Leitender Arzt derRehaklinik Glotterbad betonte in sei-nen Ausführungen, dass ein ständigzu hoher Arbeitsdruck in eine Erschöp-fungsspirale führen kann. Als eineUrsache für die massiv ansteigendeZahl von psychisch Erkrankten siehter die gewaltigen Veränderungen inder Arbeitswelt. Charakterisieren kannman diese mit den Stichworten »fle-xibel, mobil, dezentral, befristet«. Einejahrzehntelang geltende Arbeitstradi-tion ist verschwunden. Zu ihr gehör-ten: eine langjährige Betriebszugehö-rigkeit, Sicherheit des Arbeitsplatzes,bei guter Ausbildung eine Aussichtauf einen Arbeitsplatz. Dies gilt nurnoch bedingt. Allgemein wächst dieAngst vor dem Arbeitsplatzverlust, voreiner unsicheren Zukunft. Faktoren,die eine große Rolle für den massivenAnstieg der Erschöpfungsdepressionenspielen. Von daher sei es wichtig, soDr. Geigges, dass auch in der Medizinder Zusammenhang zwischen Arbeits-welt, gesellschaftlicher Situation undGesundheit gesehen wird.

Laut Dr. Werner Kissling, Leiter desZentrums »Disease Management«, TUMünchen, wird in den nächsten Jah-ren das Engagement eines Unterneh-mens für die psychische Gesundheitder Mitarbeitenden zu einem Quali-tätsmerkmal werden: »Schon alleinaus Kostengründen. Bereits jetzt führtdie durchschnittliche Dauer einer de-pressiven Erkrankung zu 33 Fehltagen

in den Betrieben.« Laut DAK 2009steht die Depression damit an 3. Stel-le der Betriebskrankheiten in Bezugauf die Fehltage. Aus dem Bericht derWeltgesundheitsorganisation »Globalburden of disease« geht hervor, dassab 2015 die seelische Erschöpfungs-depression an 1. Stelle stehen wird.20 Prozent der Deutschen wären da-von betroffen. Für das 21. Jahrhun-dert gilt die psychische Gesundheitals neue Schlüsselqualifikation. Undweil die Gesundheit der Mitarbeiten-den eine der wichtigsten Ressourceneines Unternehmens ist, sind immermehr Unternehmen bereit, sich mitGefährdungsanalysen auseinanderzu-setzen. Kissling, der Schulungen fürFührungskräfte durchführt, meintedazu: »Führungskräfte müssen befä-higt werden, Symptome von psychi-schen Erkrankungen zu erkennen,Mitarbeitende anzusprechen und mitihnen, dem betriebsärztlichen Dienstund dem Betriebsrat nach Lösungensuchen.« Es gibt eine zunehmend große psy-chosoziale Not in unserer Gesellschaftund in der Arbeitswelt. Die Tagunghat dazu beigetragen, dass diese Notin der Öffentlichkeit benannt wird.

Denn nur so kanngemeinsam anVeränderungengearbeitet werden.

Burnout – eine neue Volkskrankheit?

Esther Kuhn-Luz istWirtschafts- undSozialpfarrerin in derPrälatur Stuttgart.

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darin sehen müssten, »daran zu arbei-ten, die innerbetriebliche Atmosphäreund die überbetrieblichen Sozialbe-ziehungen zu entgiften«. Eine Aufga-benstellung, die angesichts steigenderKonflikte und psychischer Belastun-gen noch drängender ist. Der An-spruch, die Arbeitswelt »entgiften« zukönnen, klingt jedoch überzogen. Zumeinen, weil im Fachdienst in Württem-berg derzeit gerade vier bzw. bald nurnoch drei Mitarbeiterinnen tätig sind.Zum anderen kann der Gegensatzzwischen Arbeit und Kapital von denKirchen nicht harmonisiert werden.Der KDA plädiert für eine Mitbestim-mung auf Augenhöhe und für eine Stärkung der Sozialpartner und ihrerInstrumente.

Das Gefühl für ethische Orientierungund die Notwendigkeit für nachhalti-ges Wirtschaften ist in den mittel-ständischen Unternehmen durch dieGlobalisierung und »die Krise« ge-wachsen. Es besteht ein erhöhter Be-darf an Gespräch und Beratung. Vonder Kirche wird ein Engagement fürsozialen Frieden, Verteilungsgerech-tigkeit und ein Ressourcen schonen-des Wirtschaften erwartet. »Ich findees richtig gut, dass es da jemand vonder Kirche gibt«, äußerte eine Mittel-ständlerin im Rahmen einer Veran-staltung zur Krisenbewältigung.

Weil »Jesus Christus Gottes Zuspruch derVergebung aller unserer Sünden ist, … undmit gleichem Ernst … auch Gottes kräftigerAnspruch auf unser ganzes Leben« ist, ist dieKirche der Barmer Theologischen Erklärunggemäß beauftragt, »in alle Welt« (Mt 28, 19)zu gehen. »Alle« Welt schließt ausdrücklichdie Arbeitswelt ein, die Welt, in der die Men-schen einen wesentlichen Teil ihres Lebens verbringen. Denn »Also hat Gott die Welt

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Von Jens Junginger

Rund 100 Beschäftigte der Früh-schicht haben sich zur Betriebsver-sammlung im Kantinenraum einge-funden. Sie wirken angespannt. DerStandort der weltweit prosperieren-den Firma im Zollernalb-Gebiet sollaufgegeben werden. 130 Entlassun-gen sind angekündigt, trotz schwarzerZahlen und guter geschäftlicher Ent-wicklung. Der Standort arbeite zu we-nig rentabel heißt es. Alle warten aufdie neuesten Informationen. Der Be-triebsratsvorsitzende verurteilt dasVorgehen der Geschäftsleitung scharfund ermutigt die KollegInnen, sich zuwehren. Der IG-Metall-Bevollmächt-igte bläst ins selbe Horn. Nur wenigeder Anwesenden sind Gewerkschafts-mitglieder. Die KollegInnen sind ent-täuscht. Sie fühlen sich vom Gesag-ten und den langen Monologen nichternst genommen und wirken verär-gert. In der Kantine wird es unruhig. Der eingeladene Wirtschafts- und So-zialpfarrer wollte eigentlich eine Soli-daritätsbotschaft überbringen – oftein wichtiges, stärkendes Signal. DieUnterstützung einer Betriebsrätin ineinem anderen Betrieb, die unter Hin-zuziehung aller rechtlichen Mittel ge-kündigt werden sollte, war eines derwichtigsten Beispiele in den vergan-genen Jahren gewesen. In diesem Fallwar jedoch die Aussprache zwischenBetriebsrat und Belegschaft und dasoffene Gespräch mit der Vertretungder Geschäftsleitung überfällig. Die

Unzufriedenheit war spürbar. Der Kes-sel drohte überzukochen. Moderationwar notwendig – eine Rolle, die nurvon einer außen stehenden Personausgefüllt werden konnte. In der Dis-kussion brachte sich die Belegschaftengagiert ein und drängte auf Erklä-rungen und konkrete Informationen.Mit den Worten »Du hast die Be-triebsversammlung gerettet!« bedank-ten sich der Betriebsratsvorsitzendeund der IG-Metall-Bevollmächtigtebeim Vertreter der Kirche. Es war nicht sein erster Besuch in derFirma. Begegnungen und Gesprächehatte es schon vor der Krise gegeben.Solche Beziehungen sind nicht selbst-verständlich. Vertrauen muss langsamwachsen. Die anfängliche Überra-schung wich mit der Zeit der Freudedarüber, dass man sich von »der Kir-che« ernstgenommen fühlte. Qualifi-zierte Unterstützung in Betrieben,persönliche Beratung, spirituelle Stär-kung, sozialethische Vergewisserung,politische Bewusstseinsbildung bishin zur Moderation – darin liegen diespezifischen Aufgaben des KirchlichenDienstes in der Arbeitswelt. Ziel istdas konstruktive betriebliche Mitein-ander, die Wahrnehmung der sozialenVerantwortung, im Sinne eines »Menschlich geht’s besser«.

Die Betriebe, so stellten bereits imJahre 1953 die einstigen Wegbereiterdes KDA in der WürttembergischenLandeskirche fest, sind »weiße Fleckenauf der kirchlichen Landschaft«. Ein»wesentlicher Teil des Lebens … – be-sonders der Arbeiter« spielt sich anOrten ab, die »vom kirchlichen Dienstunberührt sind«. Es wurde damals ge-fragt, ob nicht Christen eine Aufgabe

KDA - wichtiger denn jeDer Kirchliche Dienst in der Arbeitswelt in Gegenwart und Geschichte

Anlässlich der baden-württembergischen Erwerbslo-sentage in Markelfingen (19.-23. Juli) haben die Teil-nehmenden gemeinsam ihre Erfahrungen, Ängste undHoffnungen in einer eindrücklichen bildlichen Dar-stellung zum Ausdruck gebracht.

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geliebt«. So erschließt sich »die Wirklichkeit Gottes … nicht anders, als indem sie michganz in die Weltwirklichkeit hineinstellt«(Dietrich Bonhoeffer) und indem wir diefrohe Botschaft aus dem sozial- und wirt-schaftlichen Kontext der Bibel heraus für die Menschen in unsere soziale, Wirtschafts-und Arbeitswelt heute hinein übersetzen.

Die Evangelische Landeskirche vonWürttemberg hat diese Aufgabe imJahr 1953 klar erkannt. Jörg Simpfen-dörfer war »der erste Arbeiterpfarrer«,für den die Evangelische Landeskirchevon Württemberg eine Stelle an derEvangelischen Akademie Bad Boll ge-schaffen hat. Es war der erste Versucheiner westdeutschen Landeskirche,»Gemeinde institutionell auf Berufs-gemeinschaft zu gründen« und stelltedamit einen »entscheidenden Vorstoßin die moderne Arbeitswelt« dar. Mar-tin Koller bewertete es damals als ein»kirchengeschichtliches Ereignis ers-ten Ranges«. Gott schafft »mitten inder Welt der Arbeit seine neue Welt«,formulierte zwei Jahre später die EKDSynode in Espelkamp und unterstrichdie Notwendigkeit, »die Mauern« derkirchlichen Tradition zu überwinden,um die Menschen »in der heutigenArbeitswelt zu suchen«. Mit deutlichweniger Personal als etwa in den70er, 80er und 90er Jahren knüpft derKDA heute mit seinen Arbeitsformenan die Tradition der ersten Jahre an.Allerdings sind Tagungen für ganzeBetriebe, Arbeiterwochen und die Bil-dung so genannter christlicher Be-triebskerne heute in dieser Dimensionnicht mehr leistbar. Tagungen undVeranstaltungen in den Regionen undan der Akademie gibt es zu einzelnenFragen und Zielgruppen weiterhin. Diehohe Zahl an (Langzeit-) Erwerbslo-sen ist ein neues Feld für das KDA-Engagement geworden, ebenso wiedie sich stets verändernde Arbeits-marktpolitik im Hartz-Zeitalter. Daspersönliche, spirituelle und politische

Empowerment von Betriebs-und Personalräten, von Er-werbslosen, prekär Beschäf-tigten, die Vermittlung vonKnow how zu Mobbing,Burnout und Solidarität ste-hen neben Grundsatzfragenwie etwa das Wachstums-prinzip, Europa und Alter-

nativen zum neoliberalen Wirtschafts-system auf der Agenda der Aktivitä-ten. Deutlich verstärkt hat der Fach-dienst sein Engagement im Sinne der»Gehstruktur«, wie sie einst HorstSymanowski von der Gossner Missionim Gegensatz zum Bad Boller Konzeptvertreten hat. Damit wird einer überdie Jahre hinweg gestiegenen Ent-fremdung zwischen Kirche, Arbeits-welt und Wirtschaftswelt begegnet.Wichtig ist dabei die Beheimatungder Mitarbeitenden des KDA im Netz-werk der Studienleitenden der Evan-gelischen Akademie und ihrem Knowhow. Hier findet ein gegenseitiges,Horizont erweiterndes und Kontaktvermittelndes Geben und Nehmenstatt. Die Akademie ist das Zentrumdes gesellschaftspolitischen Engage-ments und Dialogs in der Württem-bergischen Landeskirche. Der KDA istein kirchlicher Dienst in der Arbeits-welt und das muss und sollte er, umder Menschen willen, die gerade dortdas Engagement der Kirche begrüßen,auch bleiben. Der Chef einer Perso-nalabteilung drückte das so aus:»Mich mit Ihnen auszutauschen, IhrenBlick auf die Dinge zu hören und IhreBeratung zu nutzen, das ist für micheine Bereicherung.« Der Betriebsrats-vorsitzende der von der Schließungbedrohten Firma im Zollernalb-Gebiet,meinte mehrere Wochen nach der Be-triebsversammlung: »Der Zusammen-halt unter der Belegschaft ist gestie-gen, unsere Verhandlungsposition istgestärkt. Mit dem gewonnenen star-ken Rückhalt kommen wir in den Ver-handlungen um den Sozialplan vor-an. Das macht Mut. Gut, dass Du dawarst.« Je kontinuierlicher die Landeskirche inder Arbeits- und Wirtschaftswelt, wieim Kontakt zur Politik und den Ver-bänden präsent ist, umso näher sindwir als Kirche bei den Menschen unddamit relevanter in der Gesellschaft.

KDA Buch-Tipp: JahrbuchGerechtigkeit IV. Armes reichesEuropa. Die neue Spaltung von Ost und West überwinden256 Seiten, 14,90 Euro

Zum »Europäischen Jahr gegen Ar-mut und soziale Ausgrenzung 2010«hat der kirchliche Herausgeberkreisdes Jahrbuchs Gerechtigkeit seinenvierten Band der zunehmendensozialen Spaltung in Europa gewid-met. Bereits vor der globalen Finanz-und Wirtschaftkrise hat sich die Eu-ropäische Union seit ihrer Ost-Erwei-terung in einen weitgehend reichenWest- und einen überwiegend armenOstteil gespalten. Jedoch auch inner-halb der meisten osteuropäischenStaaten hat sich das Armutsproblemverschärft. Von einem gemeinsamenHaus Europa kann bislang keine Redesein. Die Vorstellung, einzelne pros-perierende Zentren würden sich posi-tiv auf die Entwicklung des Umlan-des auswirken, hat sich als Illusionerwiesen. Mit zahlreichen Schaubil-dern, Karten und fundierten Analysenbeleuchten namhafte Autorinnenund Autoren die sozialpolitischenHerausforderungen. Es wird deutlich, dass Armut nurdann nachhaltig bekämpft werdenkann, wenn die soziale IntegrationEuropas vorangetrieben wird. Denneine neue europäische Arbeitsteilungnutzt das West-Ost-Gefälle von Ar-beits- und Sozialstandards. Sie setztdamit zugleich die Arbeits- undSozialverfassungen in den alten EU-Mitgliedsländern unter Druck. NachAnsicht der 35 kirchlichen Heraus-geber des Jahrbuchs Gerechtigkeit IVsind für eine Überwindung der neuenSpaltung zwischen Ost und Westintegrationspolitische Initiativen zurArmutsbekämpfung notwenig. Daseuropäische Recht muss demnachum sozialpolitische Standards erwei-tert werden. Dabei spiegeln dieBeiträge auch die unterschiedlichengeschichtlichen Erfahrungen derMitwirkenden in neuen und altenEU-Mitgliedsländern wider.

Martin Schwarz Hinweise auf aktuelle KDA-Broschüren

finden Sie auf S. 22.

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Jens Junginger(Vorsitzender desKDA Württemberg)ist Wirtschafts- undSozialpfarrer in derPrälatur Reutlingen.Siehe auch Linkhin-weis auf S. 7.

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n a h o s t t a g u n g

Mit dem Schiff Bad Boll dieDenkblockade überwindenAn Gesprächen mit allen Konfliktparteien imNahostkonflikt führt kein Weg vorbei

Die in Kooperation mit Pax Christi ge-plante Tagung »Partner für den Frie-den – Mit Hamas und Fatah reden«(11.-13. Juni) war schon im Vorfeldzum Gegenstand einer heftigen Kon-troverse geworden. Den Veranstalternwurde vorgeworfen, einen Referenteneingeladen zu haben, der im Blick auf

Israel extremistische Positionen ver-trete und sie wurden aufgefordert, dieTagung abzusagen. Alle Referieren-den, samt dreier Bundestagsabgeord-neter von CDU, SPD und FDP, ließensich nicht von einer Teilnahme abhal-ten. Oberbürgermeister Dr. AlbrechtSchröter aus Jena, das eine Städte-partnerschaft mit der palästinensi-schen Stadt Beit Jala pflegt, sagte zuBeginn der Tagung: »Ich bin hier, ummit dem Schiff Bad Boll die Denkbloc-kade nach Gaza zu durchbrechen.«

Im Rückblick waren die Veranstalterfroh, dass sie sich von den Drohungenund Beschimpfungen schlimmster Artnicht haben beeindrucken lassen. Eskam Anerkennung und Dank für denMut, dieses heiße Thema anzufassen.Das Renomée der Evangelischen Aka-demie Bad Boll als Brücke und Vor-denkerin wurde bestätigt. Bestätigungkam im Nachhinein aber auch vomneuen Präsidenten des LutherischenWeltbundes Munib Younan, der imJuli in seiner Rede in Bezug auf denKonflikt sagte: »... wenn man den Dia-log mit dem ›Feind‹ ausschließt, dannwird sich der Konflikt wahrscheinlichdurch Gewalt ausdrücken«.

»Wir sollten bei Kontakten und Dialo-gen grundsätzlich von Verboten, ideo-logischen Sichtweisen und Ausgren-zungen Abstand nehmen«, erklärte Dr. Muriel Asseburg, Leiterin der For-schungsgruppe Naher/Mittlerer Ostenund Afrika, Stiftung Politik und Wis-senschaft, Berlin, in Bezug auf dasdeutsche und europäische Engage-ment im Nahostkonflikt bei der Ta-gung mit knapp 200 Teilnehmenden inder Evangelischen Akademie Bad Boll.Es bestand Konsens über die Notwen-digkeit der Einbeziehung aller Kon-fliktparteien, also auch der Hamas.Bedauert wurde, dass die Teilnahmedes eingeladenen Gesundheitsminis-ters aus Gaza, Basem Naim, durch einEinreiseverbot der Bundesregierungverhindert wurde und damit nur zweiStimmen aus Nahost, eine israelischeund ein Al Fatah-Vertreter zu Wortkamen.

Avraham Burg, ehemaliger Sprecherder Knesset, wies darauf hin, dass dieOslo-Verhandlungen 1993/95 von bei-den Völkern noch zu 75 Prozentunterstützt worden sind, und dass dieisraelischen Regierungen viele Gele-genheiten, Frieden zu machen, ver-passt hätten. Einen Grund sieht er inden Traumata beider Völker – für dieIsraelis der Holocaust, für die Palästi-nenser Flucht und Vertreibung von1947/48 (Nakba). Um zu einer Versöh-nung zu kommen, müsse jede Seiteerst einmal bereit sein, die Geschichteund das Trauma der anderen Seite zuverstehen und zu akzeptieren. AlsKräfte, die in Israel am stärksten ge-gen eine Einigung sind, nennt er dieSiedler. »Sie lehnen eine Zweistaaten-lösung ab und träumen von einemGroßisrael vom Jordan bis zum Mit-telmeer.« Parallel zu ihnen sieht er diePosition der Fundamentalisten vonHamas. Eine wichtige Rolle sieht Burgin der Zivilgesellschaft: »Das ist derAkteur, der reagieren kann, wenn die

Politik versagt.« Burg beteiligt sichselbst wöchentlich an einer Demon-stration von Israelis und Palästinen-sern gegen Hauszerstörungen im Ost-jerusalemer Stadtteil Scheikh Jarrah.

Abdallah Frangi, Berater von PräsidentAbbas für internationale Angelegen-heiten, erläuterte, dass man an einerAufhebung der palästinensischenSpaltung in Fatah und Hamas arbeite.Er sagte: »Nur wenn die Palästinenser

mit einer Stimme sprechen, werdensie Erfolg haben. Wenn sich die Ha-mas in die PLO eingliedert, ist eine Lö-sung in Sicht.« Die PLO sei weltweitanerkannt als legitime Vertretung derPalästinenser und habe den StaatIsrael in den Grenzen vom 4. Juni1967 (UN-Resolution 242) anerkannt.Ferner betonte Frangi, dass die Bloc-kade von Gaza beendet werden müsseund die Kontrolle der Grenzen nichtweiter in israelischer Hand liegendürfe.

Der Bundestagsabgeordnete HaraldLeibrecht, FDP, hatte sich im Vorfeldfür ein Visum für Basem Naim ausGaza bemüht. Auf der Tagung betonteer, dass es wesentlich sei, »mit allen

Avraham Burg, ehemaliger Knesset-Sprecher

Abdullah Frangi, Berater von Präsident Abbas

Demonstration im Ort Bad Boll gegen dieTagung in der Evangelischen Akademie

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Kräften zu sprechen, auch mit führen-den Vertretern der Hamas – offiziellund inoffiziell.« Sein Kollege von derCDU/CSU, Michael Hennrich, der zurParlamentariergruppe für die arabi-sche Welt gehört, sagte zum Wahlsiegder Hamas 2006 und der Nichtaner-kennung der Hamas als gewählte Re-gierung durch die USA und Europa:»Nach den Wahlen von 2006 hätteman der Hamas ein Zeitfenster ein-räumen müssen, zumal auch innerhalbdieser Organisation über die Ausrich-tung der zukünftigen Politik kontro-vers diskutiert wurde.« Auf die Frage,ob mit Hamas-Vertretern gesprochenwerden könne, antwortete RainerArnold, SPD-Abgeordneter aus Nür-tingen: »Natürlich muss man auch mitden Feinden reden.« Arnold hatteselbst nach den Wahlen 2006 auchmit Abgeordneten der Hamas gespro-chen. Nach seiner Einschätzung wirddie Isolierung der Hamas durch dieeuropäische Politik bereits aufge-weicht. Zur Gaza-Blockade meinte er:»Es ist inakzeptabel, 1,5 MillionenMenschen in Gaza in Sippenhaft zuhalten.«

Die Wissenschaftlerin Dr. Asseburgbetonte hierzu, dass eine Beendigungder Blockade, die vier Jahre ignoriertwurde, jetzt das Wichtigste sei. »EineLockerung der Blockade ist keine Lö-sung für das Problem. Es muss jetztvielmehr darum gehen, auf die Aufhe-bung der Blockade des Gaza-Streifenshinzuwirken.« Im Weiteren sagte sie:»Es geht darum, im Gazastreifen einenumfassenden Wiederaufbau zu er-möglichen, die Bevölkerung aus derAbhängigkeit und Isolation zu befrei-en und die Wirtschaft wieder in Gangzu bringen.« Dies ist nach AsseburgsEinschätzung allerdings nur sinnvoll,wenn zweckgerichtet und offiziell mitder de-facto-Regierung in Gaza kom-muniziert wird. Die immer noch gel-tende Kontaktsperre würde den Deut-schen die Chance nehmen, den Akteurbesser zu verstehen und auszuloten,inwiefern pragmatische Kooperationenmöglich sind.

Martina Waiblingers. a. Onlinedokumente, S. 6

und Buchtipp S. 22

Was kommt?Tagungen vom 17. September bis 31. Dezember 2010

Kirche und Wirtschaft im Gespräch:Zukunftsfähige Mobilität in der Re-gion Stuttgart – liegt in der Elek-tromobilität die ganze Hoffnung?17. September 2010 Stuttgart,Schlosskirche, 17:00 - 19:00 UhrAls Menschen und auch als Kirche inder vom Automobil geprägten RegionStuttgart müssen wir über die Visio-

nen und die Auswirkungen einesStrukturwandels diskutieren, der mit einer veränderten Mobilität undmit veränderten Technologien ver-bunden sein muss.Tagungsnummer: 950610Tagungsleitung: Esther Kuhn-LuzInfos: Simon Lademann, Tel. (0711) 2068-261, Fax [email protected]

»schattenboxen« Zeichnungen von Peter RiekVernissage und Ausstellung19. September 2010, Bad BollTagungsnummer: 936210Tagungsleitung: Susanne WolfInfos: Brigitte Engert, Tel. (07164) 79-342, Fax [email protected]

»Matching« in der KrisePerspektiven auf dem Ausbildungs-markt für chancenarme Jugendliche23.-24. September 2010, Bad BollDie Finanz- und Wirtschaftskrise ver-engt den Rahmen: Ausbildungsplätzesind knapp, es gibt Gewinner undVerlierer. Jugendliche mit schlechten

Startchancen brauchen Unterstüt-zung. Ziel wirkungsvoller Förderungist eine gute Passung zwischen denindividuellen Möglichkeiten, den Aus-bildungsangeboten und wirtschaftli-chen Erfordernissen. Welche neuenEntwicklungen und Perspektivenzeichnen sich ab?Tagungsnummer: 311910Tagungsleitung: Gerald BüchselInfos: Andrea Titzmann, Tel. (07164) 79-307, Fax [email protected]

Der Exodus der »Gebrochenen«Die Religionen in Indien und dieBefreiung der Dalits24.-26. September 2010, Bad BollDie bedrückende Situation der »unbe-rührbaren« Dalits in Indien kann nichtlänger ignoriert werden. Ihre Diskri-minierung hat auch religiöse Wurzeln.Viele wenden sich Buddhismus undChristentum zu, andere besinnen sichauf eine eigene Spiritualität. WelcheAnsätze befreiender Religiosität über-winden jahrhundertealte Unterdrü-ckung? Welche Rolle spielen die Reli-gionen für eine gerechte Entwicklung?Tagungsnummer: 641010Tagungsleitung: Wolfgang Wagner,Walter Hahn, Lutz DrescherInfos: Irmgard Metzger, Tel. (07164) 79-347, Fax 79-5347irmgard.metzger@ev-akademie-boll.dewww.ev-akademie-boll.de/tagungen/details/641010.pdf

Flucht und Migration durchKlimawandelEine globale Herausforderung24.-26. September 2010, Bad BollKlimakriege, die völkerrechtliche Stel-lung von »Klimaflüchtlingen«, Auswir-kungen des Klimawandels: Zu diesenThemen sollen politische Forderungenund Vorschläge für politische Akteu-rinnen und Akteure sowie für Nicht-regierungsorganisationen formuliertwerden. Das Ziel der Tagung ist, Kri-terien für einen menschenwürdigenUmgang mit »Klimaflüchtlingen« undzu ihrem Schutz zu entwickeln.Tagungsnummer: 430610Tagungsleitung: Dr. ManfredBudzinski, Ulrike Duchrow, BerndMesovic, Annette Stepputat, Sophia Wirsching

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Infos: Reinhard Becker, Tel. (07164) 79-217, Fax [email protected]

So macht Lernen SpaßSchätze der Schulentwicklung – Eine Veranstaltungsreihe30. September 2010, Bad BollEs fehlt nicht an Anregungen: Preis-gekrönte Schulen, Unterrichtseinhei-ten, überzeugende Vordenker. In die-ser Reihe können Sie mit anderen engagierten Pädagog/innen in Aus-tausch treten. Der Ansatzpunkt ist:»Was ist alltäglich machbar?«(Weiterer Termin: 26.11.2010)Tagungsnummer: 502010Tagungsleitung: Dr. Thilo FitznerInfos: Brigitte Engert, Tel. (07164) 79-342, Fax 79-5342brigitte.engert@ev-akademie-boll.dewww.ev-akademie-boll.de/tagungen/details/502010.pdf

Sri Lanka: Die neuesten Entwick-lungen – Wie steht es um Rechts-staatlichkeit und Demokratie?1.-3. Oktober 2010, Bad BollDie Verletzung der Minderheiten-rechte war Auslöser für den 30 Jahreandauernden Bürgerkrieg in Sri Lanka.Gibt es heute eine politische Lösungfür diese Frage? Viele demokratischeRechte wurden mit Hinweis auf denKrieg zerschlagen. Wie steht es jetztum die Einhaltung von Rechtsstaat-lichkeit, Menschenrechten, Meinungs-freiheit, Medienfreiheit und die unbe-hinderte Arbeit zivilgesellschaftlicherOrganisationen?Tagungsnummer: 430710Tagungsleitung: Dr. ManfredBudzinski, Hedwig Held, RanjithLochbihlerInfos: Gabriele Barnhill, Tel. (07164) 79-233, Fax [email protected]

Mitmachen EhrensacheFit fürs Botschafteramt1.-3. Oktober 2010, Bad BollDie Aktion »Mitmachen Ehrensache«und die Evangelische Akademie BadBoll laden Schülerinnen und Schüleraus ganz Baden-Württemberg ein, die

sich als ehrenamtliche Botschafterin-nen und Botschafter für diese Initia-tive an Schulen, bei Arbeitgebern undin den Medien einsetzen wollen. DasSeminar bietet Workshops, in denenöffentliches Auftreten und Kommu-nikation geübt werden.Tagungsnummer: 360410Tagungsleitung: Marielisa vonThadden, Gabi Kircher, Sybille MackInfos: Heidi Weiser, Tel. (07164) 79-204, Fax [email protected]

2. Bad Boller Parkinson-Tag2. Oktober 2010, Bad BollMit dem »2. Bad Boller Parkinson-Tag« wollen wir Patientinnen und Pa-tienten, ärztliches Personal, Therapeu-tinnen und Therapeuten sowie Ange-hörige miteinander ins Gespräch brin-gen, zur Zusammenarbeit ermunternund neue Impulse geben. Und das ineiner entspannten Atmosphäre, mitgenügend Pausen, einem extra Ruhe-raum und erfrischenden und aktivie-renden Beispielen aus der Praxis.Tagungsnummer: 411110Tagungsleitung: Dr. Günter RenzInfos: Susanne Heinzmann, Tel. (07164) 79-212, Fax [email protected]

Verantwortungsbewusstes Führenund Entscheiden.Selbst- und Zeitmanagement imBerufs- und Privatleben4.-6. Oktober 2010, Bad BollPraktische Ethik für Menschen in Ent-scheidungssituationen. Dieses Modellwird eingeübt und es wird gezeigt,wie es sich konkret anwenden lässt.Tagungsnummer: 450710Tagungsleitung: Dr. Irmgard EhlersInfos: Wilma Hilsch, Tel. (07164) 79-232, Fax [email protected]

Abschied von der ErwerbsarbeitAufbruch ins Morgen – Weichen stellen6.-9. Oktober 2010, Bad Boll, s. a. S. 19Altersteilzeit, Vorruhe- und Ruhe-stand sind mit dem Abschied aus vie-len Rollen und Beziehungen verbun-den. Den Abschied ernst zu nehmenund die Chancen der neuen Lebens-

phase in Beziehung, Freizeitaktivitä-ten und Engagement für andere zuerkennen, ist Ziel des Seminars.Tagungsnummer: 210510Tagungsleitung: Volker Stücklen,Margit MetzgerInfos: Ingrid Brokelmann, Tel. (07131) 982330, Fax [email protected]

Körper und KultLeibfreundlichkeit in Buddhismusund Christentum8.-10. Oktober 2010, Bad BollKörperkult füllt Lifestyle-Magazineund Talkshows. Viele erkranken aber,weil sie ihren Körper ablehnen. FürChristen ist ihr Körper ein »Tempeldes Heiligen Geistes«, Buddhistenbetrachten den menschlichen Körpertrotz seiner Vergänglichkeit als kost-bares Instrument zur Verwirklichungder Erleuchtung. Was können beideReligionen zur Gesundung von Körperund Geist beitragen?Tagungsnummer: 641110Tagungsleitung: Wolfgang Wagner,Klaus W. Hälbig, Vajramala S. ThielowInfos: Irmgard Metzger, Tel. (07164) 79-347, Fax [email protected]

Demokratie 2.0 – Freiräume für Engagement im Web 2.09. Oktober 2010, Bad BollUngehinderter Zugang zum Netz, frei-er Austausch von Wissen und Infor-mationen, neue Inhalte durch Koope-ration: Trotz Ökonomisierung durchKonzerne und staatliche Eingriffe ver-bindet sich mit dem Web 2.0 die Visi-on neuer Möglichkeiten für bürger-schaftliches Engagement, für geteiltesund dadurch vermehrtes Wissen.Tagungsnummer: 531710Tagungsleitung: Susanne WolfInfos: Brigitte Engert, Tel. (07164) 79-342, Fax [email protected]

Menschenrecht auf TeilhabeZwischen Marginalisierung undInklusionsanspruch14.-15. Oktober 2010, Bad BollDie UN-Konvention über die Rechtevon Menschen mit Behinderung

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heit zum Erfahrungsaustausch.Tagungsnummer: 250310Tagungsleitung: Esther Kuhn-Luz,Christa EngelhardtInfos: Simon Lademann (KDA), Tel. (0711) 2068-261, Fax [email protected]

Entwicklung neu denken Die Zukunft der Entwicklungs-zusammenarbeit22.-24. Oktober 2010, Bad BollNach fünf Dekaden der Entwicklungs-zusammenarbeit wächst das Unbeha-gen an der »Entwicklung«. Die Tagungstellt die bisherigen Leitbilder auf denPrüfstand. Wie können notwendige

Veränderungen auf den Weg gebrachtwerden? Welche neuen Konzepte kom-men zum Verständnis und zur Gestal-tung sozialen Wandels in den Blick? Tagungsnummer: 641310Tagungsleitung: Wolfgang Wagner, Dr. Klaus SeitzInfos: Irmgard Metzger, Tel. (07164) 79-347, Fax [email protected]

Der Streit ums NetzWarum sich Verleger und öffent-lich-rechtlicher Rundfunk imInternet verbünden sollten22.-24. Oktober 2010, Bad BollFrüher galt: Presse und Rundfunk er-gänzen sich ideal. Heute konkurrierensie um die Aufmerksamkeit im Netz,das als Medium für Information,Bildung und Kommunikation immerwichtiger wird. Umstritten ist dieFinanzierung der Angebote. Wie ver-ändert sich die Qualität des Journa-lismus? Lässt sich der Streit zwischenVerlegern und öffentlich-rechtlichemRundfunk (wieder) in einen konstruk-tiven Wettbewerb verwandeln?

bewirkt Fortschritte im Bereich vonInklusion und Teilhabe. Die Tagungreflektiert die Problematik der fakti-schen Ausgrenzung, die Stärken undSchwächen des Diversity-Konzeptsund fragt in einer Gesprächsrunde:Wie viel Sonderwelt muss sein?Tagungsnummer: 410710Tagungsleitung: Dr. Günter Renz,Christa EngelhardtInfos: Susanne Heinzmann, Tel. (07164) 79-212, Fax [email protected]

Solidarisch handeln – solidarischwirtschaften15.-16. Oktober 2010, Bad BollWenn jeder nach seinem eigenen Vor-teil schaut, kommt das allen zu Gute,meinte einst der NationalökonomAdam Smith. Doch mit der Finanz-und Wirtschaftskrise steht die Zu-kunftsfähigkeit dieser Idee erneut inFrage. Für eine Zukunft in Solidaritätund Gerechtigkeit plädieren Kirchenund Gewerkschaften. Wo gibt es Bei-spiele solidarischen Handelns undgenossenschaftlichen Wirtschaftens?Tagungsnummer: 270610Tagungsleitung: Jens Junginger,Reinhard Hauff, Bernhard FrankeInfos: Petra Randecker, Tel. (07121) 161771, Fax [email protected]

Die Zukunftsfähigkeit von Russlandund Deutschland. Perspektiven einerkooperativen klimaverträglichenEnergie- und Industriepolitik15.-17. Oktober 2010, Bad BollDie 3. Bad Boller Russland-Deutsch-land-Konferenz fragt nach den Chan-cen einer nachhaltigen Entwicklungbei der Energienutzung. Thematisiertwerden die knapper werdenden Res-sourcen, die Möglichkeiten beimEnergie-Sparen, die Nutzung erneuer-barer Energiepotenziale in beidenLändern sowie Perspektiven möglicherKooperationen.Tagungsnummer: 520710Tagungsleitung: Kathinka KadenInfos: Gabriele Barnhill, Tel. (07164) 79-233, Fax [email protected]

Veränderung der Bindung in unter-schiedlichen EntwicklungsstufenTagung für Adoptiveltern16.-17. Oktober 2010, Bad BollAdoptivfamilien leben mit einer be-sonderen Dynamik. Die Tagung willWege zu sicherer Bindung aufzeigenund dabei helfen, Potenziale der Bin-dungsfähigkeit immer wieder aufsNeue zu stärken. Wir fragen, wie see-lische Widerstandskraft (Resilienz)gefördert werden kann und wie sichin den verschiedenen Alters- undEntwicklungsstufen Bindung andersgestalten lässt.Tagungsnummer: 400310Tagungsleitung: Christa Engelhardt,Ilse OstertagInfos: Erika Beckert, Tel. (07164) 79-211, Fax [email protected]

Beteiligung neu denken: Das unterschätzte Wissen der Vielen –Jugendliche in freiwilligen Diensten18.-19. Oktober 2010, Bad BollFreiwilligendienste werden vielfälti-ger, die Zivildienstzeiten kürzer, dasPersonal in sozialen und öffentlichenEinrichtungen weniger und älter. Wirbrauchen den Blickwinkel und dasWissen junger Menschen. Wie gelingtihre Einbindung und damit Moderni-sierung? Diskutiert werden innovativeZugänge und handhabbare Verfahrenzur Partizipation junger Menschen infreiwilligen Diensten.Tagungsnummer: 330210Tagungsleitung: Sigrid SchöttleInfos: Ilse Jauß, Tel. (07164) 79-229, Fax [email protected]

All inclusiveInklusion als Leitbild für die Arbeitder Schwerbehinderten-Vertretung20.-22. Oktober 2010, Bad BollSeit März 2009 gilt die UN-Konven-tion zum Schutz der Rechte von Men-schen mit Behinderungen auch inDeutschland. Das Leitbild der Inklu-sion muss nun in allen Arbeits- undLebensbereichen umgesetzt werden,so dass Menschen mit verschiedenenQualifikationen angemessene Unter-stützung und Förderung erhalten. DieTagung bietet Impulse für Schwerbe-hindertenvertretungen und Gelegen-

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hungsrahmen aus, der Zusammen-leben im Nahraum regelt, Aufwach-sen sichert und Orientierung bietet?Familie als Konstrukt muss angesichtsder Vervielfältigung von Lebensfor-men kritisch beleuchtet werden inden Auswirkungen z. B. im Familien-,Steuer- und Sozialrecht, aber auchhinsichtlich Bildung, Erziehung undBetreuung.Tagungsnummer: 311110Tagungsleitung: Gerald Büchsel,Kathinka KadenInfos: Andrea Titzmann, Tel. (07164) 79-307, Fax [email protected]

Kampf in OrganisationenKraftvoll und klug mit Konfliktenumgehen5.-6. November 2010, Bad BollDurch den Einsatz handlungs- underfahrungsorientierter Lernmethodenaus der japanischen Bewegungskunst»Aikido« werden Konflikte nicht nurreflektiert, sondern persönlich erleb-bar gemacht. Dadurch wird die per-sönliche Konfliktfähigkeit der Teilneh-menden systematisch gefordert undgefördert. Darüber hinaus wird aufder Basis der Aikido-Prinzipien dasFühren von Konfliktgesprächen an-hand konkreter persönlicher Konflikt-fälle in Rollenspielen trainiert, um auf diese Weise den Transfer in denberuflichen Alltag zu gewährleisten. Tagungsnummer: 946110Tagungsleitung: Susanne Meyder-NolteInfos: Sybille Kehrer, Tel. (07164) 79-225, Fax [email protected]

Was es bedeutet, gesund zu seinAuf dem Weg zu einem neuenSelbstverständnis der Medizin5.-7. November 2010, Bad Boll

Tagungsnummer: 530610Tagungsleitung: Susanne WolfInfos: Brigitte Engert, Tel. (07164) 79-342, Fax [email protected]

Berufsrisiko aktuell: Ausgebranntund schikaniert – Gesundheitsprä-vention im Betrieb gegen Burnoutund Mobbing26.-28. Oktober 2010, LöwensteinDie Krankheitstage sind im Bundes-durchschnitt auf dem Tiefpunkt. Dochim Bereich der psychischen Erkran-kungen gibt es zweistellige Zuwächse.Da ist Prävention angesagt. Die Ar-beitnehmervertretungen sind gefor-dert, die Gesundheitsprävention stär-ker in den Blick zu nehmen. Die Ta-gung bietet Konzepte und Anregun-gen zur Umsetzung im Arbeitsalltag.Tagungsnummer: 211010Tagungsleitung: Volker Stücklen, Josef KrebsInfos: Ingrid Brokelmann, Tel. (07131) 982330, Fax [email protected]

Who's got the profit?German – South African reflectionson the World Championship28.-29. Oktober 2010, Bad BollWhich effects had the World Cup forsocio-economic development inSouth-Africa? How did it influencethe German-South African relation-ship? Experts from South African andGerman politics, business, NGOs,churches and society evaluate anddiscuss: What is needed now and forthe future? How can a responsibleglobalisation be shaped? (Die Tagungfindet zweisprachig statt.)Tagungsnummer: 270810Tagungsleitung: Jens Junginger, Prof. Dr. Nico Koopman, Dr. GotlindUlshöferInfos: Petra Randecker, Tel. (07121) 161771, Fax [email protected]

FamilieFamilienbilder in Politik, Wirt-schaft, Justiz und Gesellschaft29.-31. Oktober 2010, Bad BollFamilie hat an Selbstverständlichkeitverloren. Wie sieht heute ein Bezie-

Ein Gesundheitswesen, das die Ge-sundheit der Bürgerinnen und Bürgerzum Ziel hat, muss viel stärker dieBedingungen von Gesundheit in denBlick nehmen: gute Arbeitsbedingun-gen, Chancen für ein sinnerfülltesLeben, Bewegung, Ernährung. DieTagung zeigt die Potenziale einesGesundheitswesens auf, das diesenNamen zu Recht trägt.Tagungsnummer: 411010Tagungsleitung: Dr. Günter RenzInfos: Susanne Heinzmann, Tel. (07164) 79-212, Fax [email protected]

Gewaltprävention und ReligionVerschiedenheit als Chance fürsoziales und persönliches Lernen8.-9. November 2010, Bad BollEin Migrationshintergrund gilt in derGewaltprävention meist als Risikofak-tor, was umgekehrt ein Zeichen derUnsicherheit im Umgang mit Fremd-heit sein mag. Die deutsche Einwan-derungsgesellschaft ist noch ungeübtim Umgang mit religiöser und kultu-reller Vielfalt. Sind die darin begrün-deten Werthaltungen Kitt oderSprengstoff? Was verändert sichdurch die Einführung des islamischenReligionsunterrichts?Tagungsnummer: 311010Tagungsleitung: Gerald BüchselInfos: Andrea Titzmann, Tel. (07164) 79-307, Fax [email protected]

Spiritualität im Kampf umGerechtigkeit in LateinamerikaBefreiungstheologie und Ökonomiein Zeiten der Globalisierung12.-14. November 2010, Bad BollDas neoliberale Wirtschaftsmodellproduziert neue Armut in Lateiname-rika: Landflucht, zerstörte Biodiversi-tät und Vertreibungen sind einige derÜbel, gegen die südamerikanischeKirchen kämpfen müssen. Das aktuel-le »Jahrbuch 2010« des EvangelischenMissionswerks in Deutschland (EMW)bietet dazu Informationen, die in die-ser Tagung mit einigen Autoren dis-kutiert werden.Tagungsnummer: 640210Tagungsleitung: Wolfgang Wagner, Dr. Verena Grüter

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Infos: Irmgard Metzger, Tel. (07164) 79-347, Fax [email protected]

Lichtblicke in die Zukunft13. Architektentag15. November 2010, Bad BollViele, zum Teil denkmalgeschützteGebäude der Evangelischen Landes-kirche in Württemberg müssen sa-niert werden. Welche nachhaltigenKonzepte sich trotz knapper Haus-haltsmittel bei Beleuchtung und Hei-zung als zukunftsfähig erweisen, ver-sucht die Tagung mit interessantenBeiträgen und anhand praktischerBeispiele zu klären.Tagungsnummer: 610310Tagungsleitung: Jobst KrausInfos: Romona Böld, Tel. (07164) 79-270, Fax [email protected] Bußtag der KünsteArbeiten von Saskia Schultz17. November 2010, Bad BollSiehe Seite 8

Justiz im Spannungsfeld von Ökonomie, Staat und Medien. Weiterentwicklung der Rechtspflegeunter europäischen Bedingungen17.-19. November 2010, Bad BollDie Medien sorgen für hohe Erwar-tungen an die Justiz. Sie soll fürRechtsgewährung und Rechtssicher-heit sorgen. Einsparwillen oder -zwänge haben aber bewirkt, dass dieGerichtsbarkeit zunehmend unterökonomischen Aspekten betrachtetwird. Rechtsprechung und Rechts-pflege drohen immer mehr nach Eurooder im Minutentakt bemessen zuwerden. Wohin führt die Ökonomisie-rung der Rechtspflege?Tagungsnummer: 520910Tagungsleitung: Kathinka KadenInfos: Gabriele Barnhill, Tel. (07164) 79-233, Fax [email protected]

Abschied von der ErwerbsarbeitText s. S. 16, 6.-9.10.201017.-20. November 2010, Bad BollTagungsnummer: 210610Tagungsleitung: Volker Stücklen,Christiane Gschwend-Lubach

Infos: Ingrid Brokelmann, Tel. (07131) 982330, Fax [email protected]

Bildung eröffnet ChancenAuch für Kinder mitMigrationsgeschichte?19.-21. November 2010, Bad BollIm Mittelpunkt der Tagung steht dieSchul-, Ausbildungs- und Arbeits-marktsituation junger Migrantinnenund Migranten. Werden sie von vor-handenen Angeboten erreicht? Be-steht für junge Menschen mit Migra-tionshintergrund echte Chancen-gleichheit? Brauchen wir neue Hand-lungsstrategien?Tagungsnummer: 430910Tagungsleitung: Dr. ManfredBudzinski, Inge Mugler, Dr. AlekaRapti, Christian StorrInfos: Reinhard Becker, Tel. (07164) 79-217, Fax 79-5217reinhard.becker@ev-akademie-boll.dewww.ev-akademie-boll.de/tagungen/details/430910.pdf

Zukunft auf zwei Rädern?20.-23. November 2010, Bad BollDas Fahrrad berührt viele Aspekteeiner zukunftsorientierten Politik derNachhaltigkeit: Straßenplanung, Ener-gieversorgung, Industrie und Arbeits-plätze, intelligente Verkehrssysteme,Lokalpolitik, nachhaltige Bildung inder Schule und die damit verbundeneElternarbeit. Zu der »Fahrrad-Tagung«sind politisch Engagierte, Verbändeund die Fahrradindustrie eingeladen.Tagungsnummer: 501510Tagungsleitung: Dr. Thilo FitznerInfos: Brigitte Engert, Tel. (07164) 79-342, Fax [email protected]

Wind of ChangeAuf dem Weg zu einem zukunfs-fähigen Wirtschaften, Arbeiten undZusammenleben25.-26. November 2010, Bad BollKlimaveränderung, globalisierteFinanzmärkte, ständiges Wachstum:So kann es nicht weitergehen! Aufder Tagung werden die Fragen aufge-worfen: Was sind Voraussetzungenund Rahmenbedingungen für ein zu-friedenes, gerechtes Leben auf unse-rem Globus? Was muss sich ändern in

den Köpfen, Herzen und Systemen?Welche Visionen gibt es und wie las-sen sie sich »erden«?Tagungsnummer: 270410Tagungsleitung: Jens Junginger,Esther Kuhn-Luz, Martin Huhn,Christoph KatzInfos: Petra Randecker, Tel. (07121) 161771, Fax [email protected]

Progressives Judentum in Deutsch-land – Eine sich entwickelndedynamisch-lebendige Religion26.-28. November 2010, Bad BollDie Wurzeln des Progressiven Juden-tums liegen in Deutschland. RabbinerAbraham Geiger begründete 1870 dieBerliner Hochschule für die Wissen-schaft des Judentums. Was durch dieNazis zerstört wurde, blühte vor allemin den USA auf. Progressive Juden inDeutschland gründen jetzt wieder ei-gene Gemeinden, engagieren sich vorallem in ethischen Fragen und beteili-gen sich an interreligiösen Dialogen.Tagungsnummer: 641510Tagungsleitung: Wolfgang Wagner, Dr. Michael VolkmannInfos: Irmgard Metzger, Tel. (07164) 79-347, Fax [email protected]

Manchmal brauchst du einen EngelAdventliche Tage für jedes Alter26.-28. November 2010, Bad BollWir machen uns auf die Spurensucheder Engelsgeschichte.Tagungsnummer: 210810Tagungsleitung: Volker Stücklen, Ines RömppInfos: Ingrid Brokelmann, Tel. (07131) 982330, Fax [email protected]

Musizieren und philosophieren – die heilende Kraft der MusikSelbstheilungskräfte aktivieren und neue Lebensqualität finden26.-28. November 2010, Bad BollIm Dialog mit unseren eigenen Klän-gen kann sich die Ursprache der Seeleentfalten und unserem innersten We-sen Gehör verschaffen. Darin liegt dieheilende Kraft der Musik und ihr phi-losophischer Zauber. Die Tagung sucht

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Vorschau Dezember:

Die Kunst des Sterbens3.-5. Dezember 2010, Bad BollInfos: Wilma Hilsch, Tel. (07164) 79-232, Fax [email protected]

Selbstheilungskräfte aktivieren undneue Lebensqualität finden. MitElementen aus Feldenkrais und Yoga4.-5. Dezember 2010, Bad BollInfos: Erika Beckert, Tel. (07164) 79-211, Fax [email protected]

Die Folgen einer AlkoholfahrtVerkehrssicherheitsstagung6.-7. Dezember 2010, Bad BollInfos: Gabriele Barnhill, Tel. (07164) 79-233, Fax [email protected]

Mit Zielen zum Ziel. Die eigeneVision des Lebens entwickeln undverwirklichen6.-7. Dezember 2010, Bad BollInfos: Wilma Hilsch, Tel. (07164) 79-232, Fax [email protected]

Kurdische Kinder und JugendlicheIdentitätskrisen, Kulturbrüche undPerspektiven in Kurdistan undDeutschland10.-12. Dezember 2010, Bad BollInfos: Reinhard Becker, Tel. (07164) 79-217, Fax [email protected]

Reformpädagogik12.-14. Dezember 2010, Bad BollInfos: Brigitte Engert, Tel. (07164) 79-342, Fax [email protected]

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nach der Bedeutung der Musik für eingelingendes Leben und möchte sich indie Melodie des Lebens einschwingen.Tagungsnummer: 401110Tagungsleitung: Christa EngelhardtInfos: Erika Beckert, Tel. (07164) 79-211, Fax [email protected]

Das Anti-Mobbing-KonzeptSchätze der Schulentwicklung –Eine Veranstaltungsreihe26. November 2010, Bad BollEs fehlt nicht an Anregungen: Preis-gekrönte Schulen, Unterrichtseinhei-ten, überzeugende Vordenker. In die-ser Reihe können Sie mit anderen en-gagierten Pädagog/innen in Aus-tausch treten. Der Ansatzpunkt ist:»Was ist alltäglich machbar?«Tagungsnummer: 502110Tagungsleitung: Dr. Thilo FitznerInfos: Brigitte Engert, Tel. (07164) 79-342, Fax 79-5342brigitte.engert@ev-akademie-boll.dewww.ev-akademie-boll.de/tagungen/details/502110.pdf

Good Old Europe. Aktives Altern –Arbeitsbeziehungen und demo-grafischer Wandel29.-30. November 2010, Bad BollBelegschaften werden älter. In alleneuropäischen Ländern stehen Unter-nehmen, Sozialpartner, Politik undGesellschaft vor neuen Herausforde-rungen: Beschäftigungsfähigkeit älte-rer Menschen, altersgerechte Arbeit,Übergänge von Arbeit in Rente, dieSituation älterer Migranten und Mi-grantinnen. Ein Austausch im euro-päischen Netzwerk über Erfahrungen,Strategien, Modelle.Tagungsnummer: 240310Tagungsleitung: Dagmar BürkardtInfos: Sybille Kehrer, Tel. (07164) 79-225, Fax [email protected]

Migration in Deutschland undÖsterreich. Sozialarbeit am Beispieldes Ballungsraums Stuttgart29.11.-3.12.10, Stuttgart-HohenheimDie Tagung richtet sich an Studieren-de aus dem Bereich der sozialen Ar-beit, die sich mit Migration, und in

diesem Zusammenhang mit Bildungs-politik, Migrationsrecht und demZusammenleben von Menschen ver-schiedener Kulturen und Religionenim deutschsprachigen Raum befassen.Tagungsnummer: 361010Tagungsleitung: Marielisa vonThadden, Klaus BarwigInfos: Heidi Weiser, Tel. (07164) 79-204, Fax [email protected]

200 Jahre SynagogenorgelGeachtet und geächtet15. Dezember 2010, Bad BollInfos: Brigitte Engert, Tel. (07164) 79-342, Fax [email protected]

25 Jahre Bad Boller Lesben-tagungen: Blick zurück nach vorn16.-19. Dezember 2010, Bad BollInfos: Brigitte Engert, Telefon und E-Mail siehe oben

Feine Blattsalate mit frischen Feigen, Parmesanund fruchtigem Dressing

4 PersonenZutaten geputzt gewogen

Zutaten:200 g feine Blattsalate wie Ruc-

cola, Feldsalat, Radicchio u. a.

75 g Feigenmarmelade (alterna-tiv: Aprikosenmarmelade)

30 gr Senf6 EL Zitronensaft3 EL Olivenöl1 TL Kräutersalz

Pfeffer aus der Mühlefrisches Basilikum in Streifen

Zubereitung:Alle Zutaten für das Dressing mixen.Die Blattsalate kurz vor dem Ser-vieren mit dem Dressing vorsichtigmischen.Auf eine Platte oder Portionstellerverteilen.Feigen in Scheiben schneiden, auf-legen. Parmesan hobeln und über-streuen.

Der Salat kann als leichtes Abend-essen oder als Vorspeise mit Ba-guette serviert werden und passtnatürlich jederzeit auf ein Büffet.

Guten Appetit!

Ihre Ingrid Hess

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Aus der Akademie

Neu ab September 2010:Pfarrer Dr. Dieter Heidtmann, Be-auftragter für Ethik und Europapolitikder Gemeinschaft Evangelischer Kir-chen in Europa GEKE, wurde zum 1. September 2010 von der Evangeli-schen Landeskirche in Württembergzum Studienleiter für Wirtschaftspoli-tik und Wirtschaftsethik in der Evan-gelischen Akademie Bad Boll berufen.Ein Schwerpunkt Heidtmanns wird dieEuropäische Wirtschafts- und Sozial-politik sein. Mit Alison Jackson ausEngland ist er Koordinator des CALL-Netzwerkes (CALL = Church Action onLabour and Life), einem europäischenNetzwerk zu Beschäftigungs- undWirtschaftspolitik. Diese europäischeVernetzung wird er in die Akademie-arbeit einbringen. Die Zusammenar-beit mit den Wirtschaftsverbänden(BdA/BdI) und Zusammenschlüssen inder Wirtschaft wie dem ArbeitskreisEvangelischer Unternehmer, der Wirt-schaftsgilde oder dem DeutschenNetzwerk Wirtschaftsethik wird einweiterer Schwerpunkt sein. In Zusam-menarbeit mit Unternehmen und Ge-werkschaften möchte Dieter Heidt-mann sich auch mit dem Thema»Menschenrechte und Wirtschaft«auseinandersetzen.

Seit 2004 ist Heidtmann verantwort-lich für die Vertretung der GEKE (Ge-meinschaft Evangelischer Kirchen inEuropa - Leuenberger Kirchengemein-schaft) in der Kommission Kirche undGesellschaft der KEK in Brüssel, wel-che die gemeinsame Stimme dereuropäischen Kirchen gegenüber deneuropäischen Institutionen vertritt. Im Rahmen seines KEK-Mandats hatHeidtmann für die Kirchen wichtigeGesetzgebungen der Europäischen

Union begleitet, unter anderem denneuen EU-Vertrag, die Dienstleis-tungsrichtlinie oder die neue EU-Wirtschaftsstrategie »EU 2020«. Fürdie GEKE hat er darüber hinaus eineReihe europäischer Denkschriften be-treut, unter anderem zum interkultu-rellen Dialog und zur Verantwortungder Kirchen gegenüber den Men-schenrechten.

Im Ruhestand ab September 2010:Brigitte Furche

Nach über 20 Jahren Akademiearbeitgeht Brigitte Furche, Studienleiterinauf einer halben Stelle für Symbole,Werte, Märchen im Bereich Theologie,Kultur und Bildung, Ende August inden Ruhestand. Angefangen hatte sieam 1. Februar 1990 beim Referat Pä-dagogik im Regionalbüro Heilbronn.Bei ihrer Vorstellung in den »aktuellengesprächen« steht, dass ihr Schwer-punkt »auf der Entdeckung und Er-probung von Chancen und Schwierig-keiten interkulturellen Lernens« liegeund dass sie ihre Doktorarbeit überitalienische Volksmärchen geschrie-ben habe. Beides sind Elemente, diesich wie ein roter Faden durch dievielfältige Tagungsarbeit von BrigitteFurche ziehen. Dazu meint sie: »Mirlag das interkulturelle Lernen immersehr am Herzen. Eine Antwort auf dieFrage, über welche Methoden manandere Kulturen wertschätzen lernenkann, war für mich die Beschäftigungmit Märchen, Mythen und biblischenGeschichten. Über die ihnen zugrundeliegenden Werte können Menschenverschiedener Kulturen ins Gespräch

kommen, sich wahrnehmen und sichgegenseitig bereichern.« In den Ta-gungen zum Thema »Märchen undMenschenrechte« und Theaterprojek-ten zu biblischen Themen unter Lei-tung von Dr. Sénouvo-Agbota Zinsouaus Togo konnte der kreative Umgangmit politischen, ethnischen und reli-giösen Verschiedenheiten auch in derPraxis erprobt werden. Weil BrigitteFurche auch den Humor als wichtigeMethode ansah, erweiterte sie ihrRepertoire mit der Zeit durch denClown, weil es »durch die Distanz desClowns und des Humors einfacher ist,die fremden Anteile wertzuschätzen.«Die den ganzen Menschen einbezie-hende Auffassung des Politischen kamauch in anderen Tagungsprojektenzum Ausdruck, etwa zu den AutorenRainer Maria Rilke, Dante Alighieriund Erich Fried sowie die Auseinan-dersetzung mit Leid im Zusammen-hang mit dem biblischen Hiob. Ausdieser Arbeit ist nicht nur eine Reisenach Venedig auf Rilkes Spuren indiesem Jahr erwachsen, es ist aucheine Publikation der edition akademieentstanden: »Aber weil Hier-sein vielist« – die Dichtung Rainer MariaRilkes in Tagungen der EvangelischenAkademie Bad Boll 1996–2005. Bezüglich des Tagungsstils wurde fürBrigitte Furche im Laufe ihrer Arbeitimmer wichtiger, »nicht Referate an-einanderzureihen, sondern in einemoffenen und künstlerisch anregendenRahmen den Teilnehmenden Raum zubieten, damit sie ihre Erfahrungeneinbringen, ihre Schätze ausbreitenund austauschen können.« Und dakamen wirklich viele Schätze ansLicht. Der Abschied von Brigitte Furche fälltum so schwerer, als klar ist, dass ihreStelle nicht mehr besetzt wird unddamit eine wichtige Auseinanderset-zung nicht mehr stattfinden kann.

Aus der Aufführungmit Dr. Sénouvo-

Agbota Zinsou

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k o m m e n t a r – b ü c h e r – k d a - t i p p s

Neue Publikationender Akademieedition akademie 28 Traumatherapie und gesellschaft-liches UmfeldHrsg. Dr. Manfred Budzinski 13,00 Euro, Bad Boll, ca. 140 Seiten, ISBN 978-3-936369-36-6

Viele Flüchtlinge lei-den an den Folgen vonFolter, Krieg und Ver-treibung. Therapeuti-sche Begleitung undInterventionen könnennur dann Erfolge ver-buchen, wenn die ge-sellschaftlichen Rah-menbedingungen ge-nügend Sicherheit und

Stabilität bieten. Eine Tagung derEvangelischen Akademie Bad Boll,deren Beiträge der vorliegende Banddokumentiert, richtete die Aufmerk-samkeit auf die Fragen: Welche be-freiungspsychologischen Ansätze gibtes im Rahmen politischer Traumaar-beit? Inwieweit stellen die Neurowis-senschaften bisherige Erkenntnisseüber Traumaverarbeitung infrage?Wie ist die Lebenswirklichkeit vonFlüchtlingen zu berücksichtigen, umzu verhindern, dass sich der traumati-sierende Prozess fortsetzt? WelchenEinfluss haben Fluchtursachen undorganisierte Gewalt gegen Flücht-linge an den Grenzen der EU?

Weitere Buchtipps Avraham Burg, »Hitler besiegen.Warum Israel sich endlich vomHolocaust lösen muss«Campus Verlag, Frankfurt a. M. /New York 2009, 280 S., 22,90 EuroZahlreicher werden die Menschen, dieals Deutsche nicht länger an die Ju-denvernichtung erinnert werden wol-len. Es ist wahrscheinlich, dass Täterund ihre Nachkommen ein kurzesGedächtnis haben. Diese sollten sichnicht auf dieses Buch berufen. Burghat Vorfahren, die im Holocaust um-gebracht wurden. Gleichwohl meinter, dass die Fixierung des heutigen

Israel auf die Shoa den Weg in einefriedlichere Zukunft verbaut. Wer sichimmer nur als Opfer versteht, hat keinVerständnis für seine Gegner und un-terschätzt die Chancen von Verstän-digung. So erklärt Burg die zuneh-mende Militarisierung des israeli-schen Staates und die Blindheit fürdas Leiden anderer. Das Buch faszi-niert weniger durch seine oft gewag-ten Thesen, sondern vor allem durchdie Mischung von Analyse und per-sönlicher Biografie. So schildert Burgdie Politik seines Vaters Josef Burg,der Minister in mehreren Regierungenwar. Die Auseinandersetzung mit die-sem Vertreter einer nationalreligiösenPartei ist für seinen Lebensweg be-stimmend. Der Sohn Avraham hinge-gen engagiert sich in der israelischenFriedensbewegung »Peace Now!«, warBerater von Shimon Peres, Abgeord-neter der Arbeiterpartei und Sprecherder Knesset, des israelischen Parla-ments. 2004 zog er sich aus der akti-ven Politik zurück. In diesem nichtsehr systematischen Buch, das asso-ziativ von einem Thema zum nächs-ten springt, fällt neben den politi-schen und persönlichen Einsichten diereligiöse Frage auf. Burg sucht nacheinem Judentum, das sich von derLast der Geschichte befreit und uni-versell statt »genetisch« ausgerichtetist. Insgesamt bietet Burg einen ein-drucksvollen Einblick in innerisraeli-sche Debatten, die wir Deutsche nurmit viel Einfühlungsvermögen undweniger Besserwisserei betrachtensollten.

Wolfgang Wagner

KDA-TippsLinks zu KDA-Aktivitäten »Impulsefür Arbeit, Wirtschaft und Kirche« So ist die Broschüre überschrieben,mit der der KDA zu einer Orientierungund zu einer Verständigung über ein»zukunftsfähiges Arbeiten, Wirtschaf-ten und Zusammenleben« einlädt. MitThemen wie »Verantwortlich wirt-schaften«, »Erwerbsarbeit fair teilen«,

»Tätigkeitsgesellschaft«, »Sonntag/Oasentag«, »Ökonomie des genug«,und »Politik mit dem Einkaufskorb«wird dem/der Leser/in ein sozialethi-scher Perspektivenwechsel ermöglicht.Das Thema Mobbing wird in einemGottesdienstentwurf aufgenommen.Situationsbezogene Gebete, Anregun-gen für die Gestaltung von Betriebs-besuchen und ein Bericht über einenBesuch an die Orte, wo Menschen ausder Gemeinde arbeiten, das bietet das28 Seiten umfassende handliche Heft.Hinweise auf weiterführende undandere inhaltlich verwandte Institu-tionen sowie die »10 Gebote für guteArbeit« runden die Broschüre ab, diemit kurzweiligen Artikeln und ein-drücklichen Bildern Anregungen fürhaupt- und ehrenamtliche kirchlicheMitarbeiterInnen sowie für Gesprächs-partner aus Wirtschafts- und Arbeits-welt bietet.

Arm trotz ArbeitIn einer ersten Ausgabe der KDA-Per-spektiven wird das Thema der stei-genden Zahl von »Working poor« auf-gezeigt, reflektiert und aus sozialethi-scher Sicht bewertet. Das sechsseitigeFaltblatt zeigt an Hand von Zahlen,Daten und Fakten die Entwicklungauf und erklärt die Hintergründe. Es kommen die Erfahrungen von pre-kär Beschäftigten vor und die Sicht-weise der Gewerkschaften wird be-leuchtet. Ferner werden Handlungs-möglichkeiten aufgezeigt.

Zukunft der Arbeit.Menschenwürdig, ökologisch, nachhaltigDas 35-seitige, vom KDA/EKD heraus-gegebene, Materialheft für Gottes-dienst und Gemeinde zur Gestaltungeines sozialpolitischen Buß- und Bet-tages beinhaltet thematische Abhand-lungen im Blick auf eine Umkehr zueiner veränderten fairen Arbeitswelt.Es gibt einen Gottesdienstbaukastenmit Predigtvorschlägen, Kurzbeschrei-bungen biblischer Texte, liturgischeAnregungen, eine sozialethische Be-trachtung zum »Ganzen der Arbeit«und eine Reihe von good-practice-Beispielen aus Unternehmen übergutes Betriebsklima und nachhaltigeArbeit. Im letzten Teil werden Ideen

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Ein Blick in die eigene Geschichtelohnt – auch um Verklärung oder Ein-seitigkeit zu vermeiden. Daran hatUwe Walter immer wieder gearbeitetund hat aus dem Archiv der Evangeli-schen Akademie immer wieder Nach-denkenswertes hervorgeholt. So auchin einem seiner letzten Texte, in demer eine Facette der Gründerpersönlich-keit Eberhard Müller aufgreift und inden Kontext der Zeitgeschichte stellt.Es lohnt sich, genau hinzuschauen!

Von Uwe Walter

Zu fokussieren heißt auch auszublen-den. Eberhard Müller ist durch seinfürchterlich fehlgeleitetes Engage-ment für den Kriegsverbrecher Sand-berger, seinen leidenschaftlichen Anti-kommunismus, seinen ungestümenDrang, im Milieu der Adenauerrepublikmitzumischen, nicht umfassend cha-rakterisiert. Aber es sind Mosaiksteineim Bild seiner Persönlichkeit und auchim Geschichtsbild der Akademie, vondenen der Spiegel-Artikel nach langerZeit einmal mehr den Staub des Ver-gessens fegte.

Martin Sandberger war einer derHauptverantwortlichen für die Mas-senexekutionen von Juden, Kommu-nisten, Sinti und Roma im Baltikum.In Italien organisierte er die Deporta-tion der Juden ins KZ Auschwitz. BeimEinsatzgruppen-Prozess in Nürnbergwurde er zum Tode verurteilt, späterbegnadigt und 1958 aus der Haft ent-lassen. Danach führte er eine unauf-fällige Existenz als Geschäftsführereines schwäbischen Unternehmens.Ende März starb er im Alter von 98Jahren im Stuttgarter Senioren-StiftAugustinum. Dort hatte ihn Anfang2010 der Spiegel-Redakteur WalterMayr ausfindig gemacht und darübermit gehörigem Enthüllungs-Aplombberichtet. Eine wirkliche Entdeckungwar es nicht: Bis zu seinem Umzugins Augustinum stand Sandberger mitvollem Namen im Stuttgarter Telefon-

buch. Und dort haben ihn Mitbewoh-ner erkannt. Schon zwei Jahre zuvorberichtete der Tübinger JournalistHans-Joachim Lang über Sandbergersfriedvolle Senioren-Existenz. Im Inter-net ist auch Sandbergers SS-Biografierecherchierbar: Das Ur-teil des Nürnberger Ge-richts ist da abrufbar,das ihn als Kriegsver-brecher kennzeichnet,der sich »bereitwillig und enthusiastisch« demFührerbefehl unterwor-fen habe. In NorbertFreis Standardwerk»Vergangenheitspolitik«,wird das Begnadigungs-verfahren Sandbergersminutiös nachgezeich-net. Die HistorikerinRuth Bettina Birn doku-mentiert in ihrem Buch »Die Sicher-heitspolizei in Estland 1941–1944«ausführlich den aktuellen Kenntnis-stand über Sandbergers dortige Ver-brechen.

Der Verdienst des Spiegel ist, Auf-merksamkeit herzustellen. Der Skan-dal, an den er rührt, ist nicht, dassSandberger unentdeckt, sondern dasser von der Justiz unbehelligt blieb. EinSkandal ist die Vertuschung von NS-Verbrechen in den 50er Jahren, dieInteresselosigkeit und das mangelndeGeschichtsbewusstsein, das heute be-wirkt, was sich Schluss-strich-Befürworter kaumje zu wünschen wagten.So war es auch nichtvöllig überraschend, wasder Spiegel zu Sandber-gers Übergang von derHaft in die bürgerlicheExistenz eines Justiziarsder Firma Lechler berich-tete: »Er fiel weich, insNachkriegsdeutschland.Zwei Brüder fingen ihnauf: der Theologe Eber-hard Müller, Leiter der

Eberhard Müller

Martin Sandberger

Schatten der VergangenheitEin SPIEGEL-Artikel streift ein dunkles Kapitel derAkademie-Geschichte

zum Ausstieg aus dem »Hamsterrad«,zur Einübung von Achtsamkeit undzur Bewältigung von Erschöpfungs-und Stresssymptomen vorgestellt. Ander Erstellung des Heftes haben auchKollegInnen aus dem KDA Württem-berg mitgewirkt.

Jens JungingerAlle drei Broschüren können bestellt wer-den bei: KDA Reutlingen, Federnseestr. 4,72764 Reutlingen, Tel. 07121 / 161771,[email protected]

Kommentar zueinem Geschenk derLandeskircheIm Zeichen der Elsbeere: worauf darf die Akademie hoffen?

Als ein »Zeichen der Hoffnung« wurdeder Akademie im Rahmen der Arten-schutzaktion der WürttembergischenLandeskirche eine Elsbeere geschenkt.Auf einen feierlichen Pflanzungsaktwurde jedoch bisher verzichtet. Zuviel dreht sich derzeit in der Akade-mie um Kürzungsdebatten und Stel-lenreduktion. Solch ein seltenes Ge-

wächs lädt in diesem Kontext zu ei-genwilligen Assoziationen ein. Diesewaren gewiss vom landeskirchlichenSynodalausschuss für Kirche, Gesell-schaft und Öffentlichkeit nicht beab-sichtigt, als er die Elsbeere der Aka-demie übertrug. Wer sich näher überdie Elsbeere informiert, stellt fest,dass diese über 100 Jahre alt werdenkann – vielleicht ist dies symbolischund als Zeichen der Hoffung für einlanges Leben der Akademie zu verste-hen.

Joachim Schmid

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Evangelischen Akademie; und dessenBruder Bernhard, CDU-Landtagsab-geordneter, später Verbindungsmannder Christkonservativen zur NPD, vorallem aber: Generalbevollmächtigterder Unternehmensgruppe Lechler.«Tatsächlich hatte der Akademie-Grün-der Eberhard Müller im Umgang mitehemaligen Nazis keine Berührungs-ängste. Zu den von ihm veranstalte-ten »Soldatentagungen« zu Beginnder 50er Jahre kamen verurteilteNazi-Aktivisten wie Hans Hagen, derals Führungsoffizier im Wachregiment»Großdeutschland« das »verräterische«Hitlerattentat vom 20. Juli an Propa-gandaminister Goeb-bels gemeldethatte. Am Rednerpult in Bad Bollstanden General a. D. Adolf Kunzen,ehemals Leiter der Personalabteilungim Reichkriegsministerium, oder Gott-fried Griesmayr, weltanschaulicherSchulungsleiter der Reichsführung der HJ.

Im Akademiearchiv befindet sich einBrief Sandbergers an Eberhard Müller.Nach Recherchen des Akademie-Stu-dienleiters Michael Scherrmann standMüller zu Sandberger schon währenddessen Haftzeit in Briefkontakt. DieAkademie-Zeitschrift »aktuelle ge-spräche« gehörte zur Lektüre des Ver-urteilten. Einzelne Artikel hat er inBriefen an Müller ausführlich kom-mentiert. Man kann viel darüber spe-kulieren, warum sich Müller für ihneinsetzte. Vermutlich hätte er seineUnterstützung als seelsorgerlicheMaßnahme, als Hilfe zur Resozialisie-rung deklariert. Diese Unterschieds-losigkeit lässt sich allerdings nichtbelegen. Vielmehr war Müller Mit-glied der berüchtigten »Stillen Hilfefür Kriegsgefangene und Internierte«,die sich der »Opfer der Siegerjustiz«annahm und sich besonders um diezum Tode Verurteilten im LandsbergerKriegsverbrechergefängnis kümmerte.Eberhard Müller und sein Bruderwaren nicht die einzigen FürsprecherSandbergers. Altbischof TheophilWurm gehörte zum Gründungsvor-stand der »Stillen Hilfe«. Auch der da-malige Landesbischof Martin Haug,

selbst Theodor Heuss und CarloSchmid intervenierten zu GunstenSandbergers. Erkennbar ist jedenfalls:In der schwäbisch-protestantischenElite jener Jahre, mit der Martin Sand-berger gut vernetzt war, herrschte einKorpsgeist eigener Art: Eine Verläss-lichkeit, die über namenlose Verbre-chen hinweg für Unterstützung sorgte.Wichtig ist zu verstehen, warum die-ses Netzwerk damals so gut funktio-nierte. Einen Hinweis gibt ein State-ment des damaligen LandesbischofsMartin Haug aus dem Jahre 1955, dasauch die Presse vielfach zitierte. Aufeiner Tagung der Akademie zum The-ma »Kirche und Wiederbewaffnung«sagte er: »Der Kommunismus ist eintotalitäres System, das seine Heils-lehre über die ganze Welt ausbreitenwill ... Man mag es tief bedauern,dass uns keine Zeit bleibt zur Aufar-beitung unserer Vergangenheit, aberwir müssen uns beteiligen an der Auf-richtung eines Dammes gegen die Flutaus dem Osten.«

Erst nach der Studentenrebellion derspäten 60er Jahre konnte sich die Ge-sellschaft den Mühen der »Aufarbei-tung« zuwenden. Dieser Kulturbruchwar – nach der Ära Müller – auch inder Akademie wirksam. Wo sich einstSS-Leute rechtfertigten, sie seien anden Eid auf den Führer gebunden ge-wesen, standen später Staatsanwälteder Ludwigsburger Behörde am Red-nerpult, polnische KZ-Überlebende,wurde über die Vernichtungsaktionenvon NS-Ärzten und die Rolle der Jus-tiz im »Dritten Reich« aufgeklärt. –Auch dies gehört zur Geschichte dervon Eberhard Müller gegründetenAkademie.

Uwe Walter

Walter Mayr: Nazi-Verbrecher Sandber-ger: Blutspur ins Altersheim. Der Spiegel,14/2010. http//einestages.spiegel.de/static/topicalbumbackground/6901/1/blutspur_ins_altersheim.htmlThe Einsatzgruppen. MILITARY TRIBUNALII, SITTING IN THE PALACE OF JUSTICE,NUREMBERG, GERMANY, Martin Sand-berger. www.einsatzgruppenarchives.com/trials/sandberger.htmlNorbert Frei: Vergangenheitspolitik. Die

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ImpressumSYMMagazin der Evangelischen Akademie Bad Boll7. Jahrgang 2010, Heft 3/2010ISSN: 1613-3714

Herausgeber: Evangelische Akademie Bad Boll(Joachim L. Beck)

Verantwortlich im Sinne desPresserechts: Martina Waiblinger

Redaktion und Gestaltung:Martina Waiblinger

Fotonachweis:Reinhard Becker: S., 5; Wolfgang Brach:S. 12; Brot für die Welt: S. 15; StefanBrückner: S. 14; Fotolia: S. 11, 18; UweHedrich: S. 5; privat: S. 11, S. 21 (1), S.25; Pressestelle der Evang. Landeskirchein Württemberg: S. 2; Joe Röttgers: S. 9; Brigitte Scheiffele: S. 4 (1); SelimSudheimer, Inside-Picture Bildagentur:S. 4; Martina Waiblinger: S. 10, 13, 14(2), 15, 21 (1); Uwe Walter: S. 10; 21(1), 23 (1)

SYM erscheint vierteljährlich.Bezugspreis: 3,00 €Jahresabonnement: 10,00 €

Anschrift des Herausgebers:Evangelische Akademie Bad BollAkademieweg 11, 73087 Bad BollTel. 07164 79-0E-Mail: [email protected]: [email protected] Tel. 07164 79-302www.ev-akademie-boll.de

Das Papier wurde chlorfrei und säurefrei gebleicht.

Druckerei: Mediendesign Späth GmbH,73102 Birenbach

Anfänge der Bundesrepublik und die NS-Vergangenheit. 2. Auflage 1997Ruth Bettina Birn: Die Sicherheitspolizeiin Estland 1941–1944. Eine Studie zurKollaboration im Zweiten Weltkrieg. Fer-dinand Schöningh Verlag Paderborn, 2006Uwe Walter: Welt in Sünde – Welt inWaffen. Der Streit um die Wiederbewaff-nung der Bundesrepublik und die Evan-gelische Akademie Bad Boll. Onlinedoku-mente der Evangelischen Akademie BadBoll. www.ev-akademie-boll.de/fileadmin/res/otg/06-11-Walter.pdf

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m e d i t a t i o n

Arm und Reich – Gottgewollt oder von Menschen gemacht?Die Perspektive der Bibel (Auszug)

Prof. René Krüger, Neutestamentleraus Buenos Aires hielt während derSommertagung der Synode der Evan-gelischen Landeskirche in Württem-berg (15.-17. Juli 2010) einen Vortragzum Thema dieser Seite, aus dem wirhier einen kleinen Teil zitieren.

Ihnen brauche ich nicht sagen, dasses im weltweiten Wirtschaftssystemkracht. Die Krise ist auch im Nordennicht mehr wegzuleugnen. Die tiefenRisse, die sich jetzt auch quer durchEuropa und die USA ziehen und nichtnur wie seit fünfhundert Jahren zwi-schen der Ersten und Dritten Welt,die fortschreitende soziale Spaltungim armen reichen Deutschland, diekontinuierlichen Eingriffe des Staates,sind genug Anzeichen, dass es nichtum ein paar Fehler im System geht,sondern um eine systemische Krise. In den vergangenen zwanzig Jahrenhat die Armut bis hin zur Verelendungweltweit zugenommen. Es gab zwarin vielen Ländern ein wirtschaftlichesWachstum, aber die Verteilung hatnicht funktioniert. Das war auch über-haupt nicht bezweckt. Das neolibera-le, globalisierte Wirtschaftssystemwurde nicht mit dem Ziel einer ge-rechteren Verteilung der Güter undDienstleistungen und der Überwin-dung der Armut entworfen, sondernhatte das Ziel, die Anhäufung desReichtums zu vergrößern und zu ver-stärken. Schuld hat eindeutig diePolitik, die den neoliberalen Parolengeglaubt und sie aufgenommen hat.Schuld hat auch die Bevölkerung, diedie gleichen Programme immer wie-der durch ihre Wahl unterstützt hat.

Deshalb ist eine breite Bewegungnotwendig, die kritische Fragen stellt,Hinweise auf mögliche Lösungen un-ter allen Akteuren austauscht und aufallen möglichen Ebenen mit der Pra-xis der Solidarität beginnt. Die Kriseist natürlich auch eine globale Anfra-ge an unseren Lebensstil. Ein radika-les Umdenken und ein einfacher Le-bensstil müssen mit der Systemände-rung einhergehen. Auch auf dieser

Die Perspektive derOpfer und Schwa-chen aufnehmen, dieBibel mit diesen Au-gen neu lesen, dieProblematik der Ge-genwart begreifen,Solidarität praktizie-ren und die prophe-tische Stimme erhe-ben. An der bibli-schen Interpretationder Welt aus der Sicht der Schwachenführt kein Weg vorbei. Auf der Seiteder Schwachen zu stehen, bleibt umChristi willen auch ein ständiger Maß-stab für die Glaubwürdigkeit derchristlichen Kirche vor der Welt. DieAufnahme der biblischen Perspektiveder Schwachen vermittelt zudemnicht nur ein besseres Verstehen derEinzeltexte und der gesamten Bibel,sondern zugleich ein Herangehen andie heutige Problematik. Konkret be-deutet das heute: 1. Dass das neoliberale Wirtschafts-system aus der Sicht der Schwachenund der Opfer radikal hinterfragt werden muss und dass wir an seinerÜberwindung zu arbeiten haben. 2. Dass ebenso die an die Grenzen desPlaneten stoßende Wachstumsideo-logie radikal in Frage gestellt werdenmuss, da die kosmetische Gestaltungder neoliberalen Globalisierung sinn-los ist und bisher überhaupt nichtsgebracht hat. 3. Dass der Lebensstil der Reichenund warum nicht auch der Mittel-schicht, im Süden wie im Norden, imWesten wie im Osten, hinterfragtwerden muss, denn ohne einen einfa-chen Lebensstil gibt es keine sinnvolleSystemänderung und kein Aufhaltender ökologischen Katastrophe. Alle drei Dimensionen sind eng mit-einander verbunden. An ihnen zuarbeiten, auch wenn es vorerst malkleine Schritte sind, ist durchausetwas, was wir alle tun können.

Prof. René Krüger; der ganze Beitrag mitvielen Beispielen aus der Bibel ist im

Internet verfügbar. Siehe S. 6/7

Ebene geht uns die Problematik allean. Als evangelischer Christ bin ichdavon überzeugt, dass ein neuerLebensstil, eine neue Wirtschaft, einneues System nicht ohne ein geistli-ches Fundament auskommen.

Was sagt die Bibel zurWirtschaftsproblematik? Ein Blick in die biblischen Schriftenzeigt uns, dass sie zahlreiche Texte zu wirtschaftlichen und sozialen Fra-gen enthalten. Wir stellen dabei dreiDinge fest:1. Die biblischen Texte sehen und be-handeln die wirtschaftliche und sozi-ale Problematik immer im Kontext desVerhältnisses von Arm und Reich, Ar-mut und Reichtum. 2. Bei der Behandlung dieser Themengehen die biblischen Autoren von denschwachen Gliedern der Gesellschaftaus. Also nicht von den Reichen, Sat-ten und Starken; sondern von den Ar-men, Hungernden, Abhängigen, Kran-ken und Ausgegrenzten. 3. Die Bibel stellt dieses Grundprob-lem in den Rahmen einer Entschei-dungsfrage, die zugespitzt bei Jesus»Gott dienen« oder »dem Mammondienen« lautet. Damit sind zwei Wirt-schaften aufgezeigt, die des Genugfür alle und die der Reichtumsakku-mulation für Wenige. Eine Gesell-schaft, die in Reich und Arm aufge-spalten ist, ist also nicht gottgewollt,sondern von Menschen gemacht.

Können die Kirchen in der tiefenKrise überhaupt etwas tun? Das ist höchstwahrscheinlich die Fra-ge, die wir uns alle stellen, wenn wiranfangen, die Dramatik der heutigenLage zu sehen; und wenn wir von derBibel so angeredet werden, wie sie esin sozialen und ökonomischen Belan-gen tut. Das Kleine oder Große, daseine Gemeinde oder eine Kirche tunkann, lässt sich in drei Stichwortenfesthalten, die ein komplettes Pro-gramm beinhalten: Sehen – Urteilen– Handeln. Auf die uns hier interes-sierende Thematik bezogen, kann dasim Klartext heißen:

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Evangelische Akademie Bad BollAkademieweg 1173087 Bad BollPostvertriebsstück 64670Entgelt bezahlt

Die Arbeitswelt einer Gemeinde durch die Augen ihres Pfarrers

Matthias Kohler ist Pfarrer der Evangelischen Kirchengemeinde Rietheim im Kirchenbezirk Tuttlingen.Weil er die Lebenskontexte der Menschen in der Gemeinde näher kennenlernen wollte, hat er sich aufden Weg gemacht, um die Menschen wahrzunehmen, wo sie arbeiten. Dort hat er sie fotografiert.Zunächst haben sich die Gemeindemitglieder gewundert. Größer war jedoch die Freude: »Ach, Sie in-teressieren sich für uns?!«, hieß es. Für Matthias Kohler war es eine wichtige Erfahrung. Er hat vielgehört und gelernt: über die Arbeitsinhalte, die große Kompetenz, die Probleme, über den Stolz unddie hohe Identifikation der Menschen mit ihrer Arbeit. Den Anstoß zu den Besuchen und zum Foto-grafieren gab die Bemerkung eines örtlichen Unternehmers, der beim Anblick eines Bildkalenders überdie Kirchengemeinde gesagt hatte: »Etwas Wesentliches der Kirchengemeinde haben Sie noch nichtgezeigt – nämlich, wo die Menschen hier arbeiten.«