Über das wesen der cholesterinolyse

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Aus dem Pharmakologischen Institut der Universität Hamburg. Über das Wesen der Cholesterinolyse. Von ED. KEESER. (Einyeqangen am 27. April 1944.) In Ergänzung unserer bereits veröffentlichten Befunde über den Chole- sterinstoffwechseP untersuchten wir noch eine Reihe weiterer Substanzen auf ihren Einfluß auf die Cholesterinolyse des Blutes. Von den hierbei erhaltenen Ergebnissen seien nur die nachfolgenden ihres praktischen Interesses wegen mitgeteilt: Cholesterinolyse in 5 ccm Hundeserum (in vitro). Zugesetzte Substanz 0,5 g Kaliumjodid .......... 25 mg Dijodtyrosin .......... 25 mg Dijodtyrosin .......... 0,5 ccm Elityran ........... 0,5 mg Thyroxin ............ 5,0 mg Natriumnitrit ........ 1 Tropfen Nikotin .......... 1000 M.-E. Radiumemanation . .... . Cholesterinolysc in mg-% nach 48 Std. bei 370 C ohnc Zusatz mit Zusatz 0,0 ~- 11,64 0,0 -- 5,82 -- 8,73 -- 11,6 -- 8,73 ~- 11,64 ÷ 23,28 ~- 29,10 - - 11,64 -- 46,56 - - 11,64 -- 23,28 0,0 + 17,46 Da es nun nicht nur bei der Arteriosklerose, sondern auch bei der Entstehung von Gallensteinen zu einer Ablagerung vori Cholesterin bzw. Konkrementbildung kommt, lag es nahe zu prüfen, oB auch die Galle ein eholesterolytisehes Vermögen besitzt und dieses beeinflußbar ist. Die von U•BACg, BOnN und BICKENBACH 2 zur Bestimmung des Cholesterins im Serum angegebene Methode wurde für die Bestimmung des Cholesterins in der Galle von uns in folgender ]¥eise angewandt: 10 ccm durch SEITz-Filter sterilisierte Galle w~rden mit 0,2 g fein zermörsertem Cholesterin versetzt, 48 (oder 72) Stunden im Brutschrank gelassen und während dieser Zeit mehrmals kräftig Umgeschüttelt. Hierbei ist sorgfältig darauf zu achten, daß alle Ansätze gleichmäßig stark und lang (Stoppuhr) geschüttelt werden. Darauf ~drd die Galle durch ein i KEESER, ED.: Naunyn-Schmiedebergs Arch. 198, 536, 638 (1941). -- Dtsch. Z. Verdgs.- u. Stoffw.krkh. 8, I-I. 1 (1944). -- 2 URBACH, BOH~ u. BIC~:ENB),CH: :Klinische Kolorimetrie mit dem PuL~'mc~-Photometer.

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Aus dem Pharmakologischen Institut der Universität Hamburg.

Über das Wesen der Cholesterinolyse. Von

ED. KEESER.

(Einyeqangen am 27. April 1944.)

I n E rgänzung unserer berei ts veröffent l ichten Befunde über den Chole- sterinstoffwechseP un te r such ten wir noch eine Reihe weiterer Subs tanzen auf ihren Einf luß auf die Cholesterinolyse des Blutes. Von den hierbei e rha l tenen Ergebnissen seien n u r die nachfolgenden ihres prakt ischen Interesses wegen mi tge te i l t :

Cholesterinolyse in 5 ccm Hundeserum (in vitro).

Zugesetzte Substanz

0,5 g Kaliumjodid . . . . . . . . . . 25 mg Dijodtyrosin . . . . . . . . . . 25 mg Dijodtyrosin . . . . . . . . . . 0,5 ccm Elityran . . . . . . . . . . . 0,5 mg Thyroxin . . . . . . . . . . . . 5,0 mg Natriumnitrit . . . . . . . . 1 Tropfen Nikotin . . . . . . . . . . 1000 M.-E. Radiumemanation . . . . . .

Cholesterinolysc in mg-% nach 48 Std. bei 370 C

ohnc Zusatz mit Zusatz

0,0 ~- 11,64 0,0 - - 5,82

- - 8,73 - - 11,6 - - 8,73 ~- 11,64 ÷ 23,28 ~- 29,10

- - 11,64 - - 46,56 - - 11,64 - - 23,28

0,0 + 17,46

Da es n u n n ich t n u r bei der Arteriosklerose, sondern auch bei der E n t s t e h u n g von Gal lenste inen zu einer Ablagerung vori Cholesterin bzw. K o n k r e m e n t b i l d u n g kommt , lag es nahe zu prüfen, oB auch die Galle ein eholesterolytisehes Vermögen besi tzt u n d dieses beeinf lußbar ist. Die von U•BACg, BOnN u n d B I C K E N B A C H 2 z u r Bes t immung des Cholesterins im Serum angegebene Methode wurde für die Bes t immung des Cholesterins in der Galle von uns in folgender ]¥eise angewandt :

10 ccm durch SEITz-Filter sterilisierte Galle w~rden mi t 0,2 g fein zermörser tem Cholesterin versetzt , 48 (oder 72) S tunden im Bru t schrank gelassen u n d während dieser Zeit mehrmals kräft ig Umgeschüttelt . Hierbei ist sorgfältig darauf zu achten, daß alle Ansätze gleichmäßig s tark u n d lang (Stoppuhr) geschüttel t werden. Darauf ~drd die Galle durch ein

i KEESER, ED.: Naunyn-Schmiedebergs Arch. 198, 536, 638 (1941). - - Dtsch. Z. Verdgs.- u. Stoffw.krkh. 8, I-I. 1 (1944). - - 2 URBACH, BOH~ u. BIC~:ENB),CH: :Klinische Kolorimetrie mit dem PuL~'mc~-Photometer.

["ber das Wesen der Cholesterinolyse. 37

trockenes Filter filtriert. :Nunmehr werden 2 ccm Galle in einem Scheide- trichter 6mal mit je 15 ccm Chloroform ausgeschüttelt. Auch dieses Ausschütteln muß genau nach der Stoppuhr erfolgen (2Min.). Dann wurde nach der Originalmethode weitergearbeitet. Die genaue Einhaltüng dieser Methodik ist erforderlich, da andernfalls - - vermutlich bedingt durch die unterschiedliche Viskosität der Galle - - voneinander abweichende und nicht vergleichbare Ergebnisse erhalten werden.

Fügten wir je zu 10 ccm Galle die nachstehend genannten Substanzen in den angegebenen Mengen, so ergab sich folgendes:

Zugesetzte Substanz

l mg KCN . . . . . . . . . . . . . 1 mg Na2S . . . . . . . . . . . . . 10 mg Atophan . . . . . . . . . . . 50 mg CaCI~ . . . . . . . . . . . . . 50 mg MgCI~ . . . . . . . . . . . . 10 mg Chlorophyll . . . . . . . . . . 50 mg Theobromin . . . . . . . . . . 1000 M.-E. Radiumem~nation . . . . . 2,5 ccm Chophytol (5%ige Lösung) . .

Cholesterinolyse in mg-% nach 48 Std. bei 37 o C

ohne Zusatz

+263,06 +263,06 +263,06 +221,16 +221,16 ~-221,16 +335,65 ~-180,42 B180,42

mit Zusatz

B214,75 +213,59 B.242,70 +212,43 +238,62 ~210,68 +361,84 4-190,90 + 186,24

Die untersuchten Substanzen beeinflußten somit die Cholesterinolyse in der Galle in derselben Weise wie im Blute; besonders auffallend ist der auch hier wieder zu beobachtende Antagonismus von Calcium und Mag. nesium.

Weiter wurde gefunden, daß das cholesterolytische Vermögen der Galle durch Kochen nicht zerstört wird. Somit kann es sich bei der Chole- sterinolyse nicht um einen fermentativen Prozeß handeln. Daher prüften wir weiter, ob sie von der Viskosität der Galle abhängt. Zu diesem Zweck wurden zu je 50 ccm Galle 2,5 g MgCle bzw. CaC12 zugesetzt und mit dem Viskosimeter nach HÖFPLER untersucht, ob durch diesen Zusatz von Sub- stanzen, die die Cholesterinolyse 'in entgegengesetztem Sinn beeinflussen, auch die Viskosit~t unterschiedlich geßndert würde. Letztere zeigte jedoch keinen Unterschied gegenüber Galle, der nichts zugesetzt worden war. Desgleichen konnte stalagmometrisch unter den genannten Versuchs- bedingungen eine Änderung der Oberflächenspanmmg nicht festgestellt werden.

Aus diesen Versuchsergebnissen schlossen wir, daß bei der Cholesterino. lyse physikochemische Prozesse eine Rolle spielen. Um dies zu prüfen, stellten wir zunächst ein 50 mg %iges Cholesteiinsol in RI~o~R-Lösung her, gaben zu je 9 ccm dieses Sols 1 ccm der nachstehend genannten m/10- Salzlösungen und erhielten bei der 24 Stunden spä, ter vorgenommenen :Bestimmung des Cholesterins folgendes:

3 8 ED. KEESER :

Natr ium, Magnesium und Calcium fällten unter den angegebenen Versuchsbedingungen Cholesterin zunehmend stark, eine Cholesterinolyse, d. h. Lösung von Cholesterin, das als ]~odenkörper den Ansi~tzen zugesetzt ~~urde, erfolgte nicht. Zudem kann die fällende Wirkung der genannten

Kationen deswegen nicht die Ursache für

NaCI . . . . . MgCl e . . . . CaC1 s . . . .

Zugesetzte Cholesterin Substanz in mg- %

11,06 9,31 5,82

die unterschiedliche Löslichkeit des Chole- sterins im Blute Sein, weil bei Zusatz von 50 mg Theobromin. Narr. salicylic., 30 mg Eupaverin oder 1 ccm Chophytol, also Stoffen, die nach unseren bereits mitge-

teilten Versuchen das cholesterolytische Vermögen erhöhen, zu einem Cholesterinsol nach 24 Stunden der Cholesteringehalt in allen Aflsätzen derselbe war.

Da nach BENNHOLD 3 Cholesterin mit dem Globulin eine Bindung ein- geht, wurde weiter ein 0,25 %iges Globulinsol in RInGER-Lösung hergestellt, das außerdem, als Sol gelöst, 25 mg-% Cholesterin enthielt. Je 9,5 ccm dieses Sols wurden je 0,5 ccm einer m/10-Lösung von NaC1, MgC12 oder CaCl~ zugesetzt. Bei ihrer 24 Stunden später erfolgenden Untersuchung zeigten diese Ansi~tze keinerlei Unterschied in ihrem Gehalt an Cholesterin sowie kein cholesterolytisches Vermögen.

Wurden dagegen einem etwa 0,25 %igen Albuminsol in RInGER-Lösung, das außerdem, als Sol gelöst, 50 mg% Cholesterin enthielt, je 0,5 ccm einer m/10-Lösung von /qaC1, MgCI 2 oder CaC12 ohne und mit Cholesterin als Bodenkörper zugefügt, so ergab sich bei der 24 Stunden später erfolgenden Untersuchung regelmäßig ein Befund nachstehend genannter Art:

Zusatz

Aqua dest . . . . . . . . . . . NaC1 . . . . . . . . . . . . MgC12 . . . . . . . . . . . . CaCl~ . . . . . . . . . . . . Aqua dest . . . . . . . . . . . 50 mg Theobromin . . . . . . 30 mg Eupaverin . . . . . . . 50 mg Papaverin . . . . . . .

Cholesterin in mg-%

ohne Cholesterin als Bodenkörper

13,39 14,55 16,88 12,55 12,80 16,30 18,82 12,80

mit Cholesterin als Bodenkörper

13,97 14,55 17,00 12,55 12,80 16,46 18,82 12,80

Die Löslichkeit von Cholesterir~ war somit unter den geschilderten Bedingungen bei Zusatz von Mg größer als bei dem von Ma sowie bei dein ~¢on Ca am kleinsten. Eine Cholesterinolyse fand jedoch bei Zusatz eines dieser Kationen ebensowenig s tat t wie bei dem von Theobromin, Eupaverin oder Papaverin. Bemerkenswert ist indessen, d a ß die Löslichkeit des

3 B E N N H O L D : Die Eiweißkörper des Blutplasmas. Dresden: Theodor Steinkopff.

Über das Wesen der Cholesterinolyse. 39

Cholesterins du rch die genannten Substanzen in diesen l~Iodellversuehen in derselben Weise beeinflußt wird, wie es im Blute der Fall ist.

Wurden je 9,5 ccm 50mg-%iges Lecithinsol in RrSGER-Lösung, das außerdem 25 mg-% Cholesterin, als Sol gelöst, enthielt, je 0,5 ccm einer m/10-Lösung der nachs tehend genannten Salze zugesetzt, so ergab sieh nach Abzug des Cholesterinwertes, den das reine Lecithinsol enthielt, folgendes:

Zusatz

Cholc,~teria in mg- 7o

ohne Cholesterin als Bodenkörper

mi t Cholesterin als Bodenkörper

Aqua dest . . . . . . . . . . . 32,01 NaC1 . . . . . . . . . . . . . 32,01 MgC1 s . . . . . . . . . . . . 25,03 CaC12 . . . . . . . . . . . . 20,37

Die Löslichkeit des Cholesterins nahm sonlit in

32,01 32,01 25,03 11,64

der Reihenfolge i~a > Mg :> Ca ab; eine Cholesterinolyse war nicht zu beobachten; bei Zusatz von Ca und Cholesterin als Bodenkörper erfolgte sogar versti~rktes Ausfallen von Cholesterin.

Das bisher e rha l teneBi ld änderte sich jedoch, wenn ein 50 mg-%iges Cholesterinsol in einer 0,1%igen Lösung von Nat r iumpalmi ta t verwendet wurde. Wurden zu je 9 cem dieses Sols je 1 ccm einer m/10-Lösung der genannten Salze zugesetzt, so wurden bei der 24 Stunden später erfolgenden Bes t immung des Cholesterins z. B. folgende Werte erhal ten:

Zugesetztcs Salz

NaCl . . . . . . . . . . . . MgC12 . . . . . . . . . . . . CaC12 . . . . . . . . . . . .

Aqua dest . . . . . . . . . . . 25 mg Theobromin . . . . . . 7 mg Eupaverin . . . . . . . 1 ccm Chophytol . . . . . . . .

Aqua dest . . . . . . . . . . . 50 mg Cho]säure . . . . . . . 50 mg Theobromin . . . . . . 50 mg Papaverin . . . . . . . 7 mg Eupaverin . . . . . . .

Cholestcri~l in mg-%

ohne Cholesterin rait Cholesterin als Bodenkörper als Bodenkörper

23,28 37,83 34,83 45,40 26,19 41,90

l 1,64 37,S3 29,60 52,38 39,58 43,65 27,94 37,83

9,31 8,73

29,10 9,31 ---

24,44

Bei diesen Modellversuchen wurden somit die gleichen Ergebnisse erhalten, die in den bereits veröffentl ichten Untersuchungen über die Beeini]ussung der Cholesterinolyse im Blute sowohl in vitro wie auch in vivo gefunden wordbn waren: Dieselben Stoffe, die im Blute die Chole- sterinolyse erhöhten, err iedrigten oder nicht beeinflußten, tun dies auch unter den angegebenen Bedingungen der Modellversuche.

40 ED. KEESER: ~'-ber das Wesen der Cholesterinolyse.

Aus diesen Untersuchungen ergibt sich somit, daß die cholestero- lyrische F~higkeit an die Fetts~uren bzw. Seifen gebunden ist. Für die Therapie ergibt sich aus diesen Versuchen folgendes:

1. Soll die Cholesterinolyse des Blutes lediglich mit Hilfe der in ihm bereits vorhandenen Fetts~uren erhöht werden, so müssen Stoffe wie Magnesium, Theobromin, Eupaverin oder Chophytol zugeführt werden.

2. Soll die Cholesterinolyse durch Vermehrung der im Blute vor- handenen Fetts~uren bzw. Seifen verbessert werden, so muß die Cholesterin- esterase gehemmt werden.

Darüber, wie bzw. mit welchem Erfolg dieser letztgenannte Weg beschritten werden kann, sollen weitere Untersuchungen Aufschluß geben.

Von diesen praktisch-therapeutischen Gesichtspunkten abgesehen, be stetigen die mitgeteilten Befunde das Ergebnis der experimentellen Arterio. skleroseforschung, ,daß es sich bei der Ablagerung von Cholesterin und Kalk in der Gef~ßwand nicht um eine Degeneration handeln kann, sondern daß eine Infiltration vorliegt" (ScHöNHOLZER 4), daß es sich also um kolloid. chemische Prozesse handelt. So beachtenswert indessen die Forderung von SCHÖNHOLZER 4 ist, daß bei der Therapie der Arteriosklerose die Kolloide der Gef~ßwand vor Ver'~nderungen bewahrt werden müssen, die zur Anlagerung von Fremdstoffen führen, so ist sie doch nach den vorstehend mitgeteilten Untersuchungen einerseits zu eng, da auch der kolloid- chemische Zustand der im Blute gelösten Stoffe, besonders der Seifen und des Cholesterins, wichtig ist, andererseits anscheinend insofern ab- wegig, als weniger ,die Neigung der Eiweißkolloide zu Adsorption" als vielmehr die Menge und der physikochemische Zustand der Fetts~turen bzw. Seifen im Blute und Gewebe für die Lösliehkeit des Cholesterins von ausschlaggebender Bedeutung sind.

Zusammen]assung. l. Es wurde gefunden, daß die F~higkeit des Organismus, Cholesterin

in Lösung zu halten bzw. zu bringen, physikochemisch zu erklären ist. Die Cholesterinolyse h~ngt von der Anwesenheit und dem Lösungszustand von FettsSuren bzw. Seifen ab.

2. Die Substanzen, die im Blute die Cholesterinolyse erhöhten, er- niedrigten oder nicht beeinflußten, wirkten in den geschilderten Modell- versuchen in der gleichen Weise.

3. Auf die praktisch-therapeutischen Gesichtspunkte dieser Befunde und ihre Bedeutung für die Erforschung der Arteriosklerose wird hin. gewiesen.

4 SCHÖNnOLZER, G.z Erg. inn. Med. 62, 794 (1942).