Über das wesen des „schwarzen dermographismus“

3
(Aus dem Balneologischen Institut, Pjatigorsk.) 1Uber das Wesen des ,,schwarzen I)ermographismus~'1. Von Dr. Alexander Bork (Moskau). (Eingegangen ant 1. Oktober 1929.) In der russischen Literatur ist neuerdings eine Reihe yon Arbeiten erschienen, die fiber sogenanntell ,,schwarzen Dermographismus" be- richten. Zwar ist, soweit mir bekannt, diese Frage in der deutschen Fachliteratur nicht welter diskutiert worden; trotzdem scheint mir, dall es nicht fiberflfissig sein wird, doch hierfiber zu berichten und meine diesbeziiglichen Beobachtungen, durch die dieses ,,Ph~nomen" often- bar eine einleuchtende Erkl~rung bekommt, mitzuteilen. Die Erscheinung besteht nach Breitmann 2 in folgendem: ,,Auf der Haut der Brust, des Gesichts (besonders der Stirn) und weniger auf der Haut des Rtickens erscheint ein schwarzer Streifen beim Bestreichen der Haut mit einem kupfernen Gegenstand, am besten mit dem Rande eines kupfernen Stethoskops, Perkussionshammers oder Plessimeters, weniger mit dem Rande einer kupfernen oder silbernen Miinze oder eines goldenen Gegenstandes (nach P. Emclin auch mit Aluminium, Zinn oder Blei)." Emdin und Kusmjenko 3, die auf diese Erscheinung als erste aufmerk- sam machten, betracllten sie als st~ndiges Symptom bei Hysterie und behaupten, daraufhin (bei gleichzeitigen Hyperkniereflexen) unfehl- bare Diagnose von schwerer ttysterie stellen zu kSnnen. Der ,,schwarze Dermographismus" sei haupts~chlich auf Brust, Hals und Gesicht, und zwar iiberwiegend bei weiblichen Individuen zu beobachten, t Breitmann 4 berichtet, den ,,schwarzen Dermographismus" auch bei Hafenarbeitern nachgewiesen zu haben; er konnte ihn jedoch trotz speziell angestellter Beobachtungen nie mit Hysterie in Zusammenhang bringen. Vielmehr trat derselbe haupts~chlich bei ,,endokrinen St6- rungen, gr611tenteils seitens der Schilddriise (Hyper- sowie Hypothy- reoidismus) sowie bei Stoffwechsel- und Verdauungskrankheiten auf". Nach Breitmann ,,h~ngt diese Erscheinung wahrscheinlich mit dem Entstehen rein disperser Teilchen des Metalls in den oberfl~chlichen i Mitgeteilt am 15.VII. 1929in der Med.Konferenzder PjatigorskerPolyklinik. 2 M. Breitmann, J. Med.-biolog. 5, 29 (1928) (deutsches Referat). :~ P. I. Emdin und A. Kusmjenko, Med. Mysr (russ.) 3, H. 3, 72/74 (1925). ,l M. Breitmann, 1. c.

Upload: alexander-bork

Post on 19-Aug-2016

215 views

Category:

Documents


1 download

TRANSCRIPT

Page 1: Über das Wesen des „schwarzen Dermographismus“

(Aus dem Balneologischen Institut, Pjatigorsk.)

1Uber das Wesen des ,,schwarzen I)ermographismus ~'1. Von

Dr. Alexander Bork (Moskau).

(Eingegangen ant 1. Oktober 1929.)

In der russischen Literatur ist neuerdings eine Reihe yon Arbeiten erschienen, die fiber sogenanntell ,,schwarzen Dermographismus" be- richten. Zwar ist, soweit mir bekannt, diese Frage in der deutschen Fachliteratur nicht welter diskutiert worden; trotzdem scheint mir, dall es nicht fiberflfissig sein wird, doch hierfiber zu berichten und meine diesbeziiglichen Beobachtungen, durch die dieses ,,Ph~nomen" often- bar eine einleuchtende Erkl~rung bekommt, mitzuteilen.

Die Erscheinung besteht nach B r e i t m a n n 2 in folgendem: ,,Auf der Haut der Brust, des Gesichts (besonders der Stirn) und weniger auf der Haut des Rtickens erscheint ein schwarzer Streifen beim Bestreichen der Haut mit einem kupfernen Gegenstand, am besten mit dem Rande eines kupfernen Stethoskops, Perkussionshammers oder Plessimeters, weniger mit dem Rande einer kupfernen oder silbernen Miinze oder eines goldenen Gegenstandes (nach P. E m c l i n auch mit Aluminium, Zinn oder Blei)."

E m d i n und K u s m j e n k o 3, die auf diese Erscheinung als erste aufmerk- sam machten, betracllten sie als st~ndiges Symptom bei Hysterie und behaupten, daraufhin (bei gleichzeitigen Hyperkniereflexen) unfehl- bare Diagnose von schwerer ttysterie stellen zu kSnnen. Der ,,schwarze Dermographismus" sei haupts~chlich auf Brust, Hals und Gesicht, und zwar iiberwiegend bei weiblichen Individuen zu beobachten, t

B r e i t m a n n 4 berichtet, den ,,schwarzen Dermographismus" auch bei Hafenarbeitern nachgewiesen zu haben; er konnte ihn jedoch trotz speziell angestellter Beobachtungen nie mit Hysterie in Zusammenhang bringen. Vielmehr trat derselbe haupts~chlich bei ,,endokrinen St6- rungen, gr611tenteils seitens der Schilddriise (Hyper- sowie Hypothy- reoidismus) sowie bei Stoffwechsel- und Verdauungskrankheiten auf". Nach B r e i t m a n n ,,h~ngt diese Erscheinung wahrscheinlich mit dem Entstehen rein disperser Teilchen des Metalls in den oberfl~chlichen

i Mitgeteilt am 15.VII. 1929 in der Med. Konferenz der Pjatigorsker Polyklinik. 2 M. Breitmann, J. Med.-biolog. 5, 29 (1928) (deutsches Referat). :~ P. I . Emdin und A. Kusmjenko, Med. Mysr (russ.) 3, H. 3, 72/74 (1925). ,l M. Breitmann, 1. c.

Page 2: Über das Wesen des „schwarzen Dermographismus“

A. Bork: Ober das Wesen des ,,sehwarzen Dermographismus". 225

Schichten der Hau t bei noch nicht genau bekannten Ver~nderungen ihres eiweil~lipoiden Stoffwechsels z u s a n n e n " .

J u r j e w 1 fiihrt die Erscheinung auf gewisse Oxydationsprozesse zurfick, die bei Beriihrung der Haut mit dem Metall entstehen sollen. Bei dem yon ihm beschriebenen Falle handelt es sich um Dystrophia adiposo-genitalis.

Leschtschenko 2 schl~tgt vor, sich des ,,schwarzen Dermographismus" nach der H~rteskala der Metalle zur Diagnose verschiedener patholo- gischer Zust~nde der Hau t zu bedienen.

Endlich glauben R u s s i n o w und Sutor ichin 3 einen Fall yon ,,schwarzem Dernographismus" bei chronischer Vergiftung n i t Kupfersalzen beob- achtet zu haben. Infolge dieser Vergiftung habe sich beim Patienten erhShte Empfindlichkeit zu Kupfer und anderen Metallen, ~hnlich der Anaphylaxie zu Eiweil~, ausgearbeitet.

Das Sonderbarste bei diesen Beschreibungen ist, daI~ der ,,schwarze Dermographismus" nach einer grfindlichen Waschung mil~lingt. Auch fMlt es auf, dal~ die verschiedenen Autoren die Erscheinung bei ~ul~erst verschiedenen Erkrankungen beobachtet haben. Es macht den Ein- druck, als wKre eine griindliche Waschung ein radikales Universalmittel gegen s/~mtliche angeffihrte Erkrankungen.

W~hrend neines Sommeraufenthaltes in Pjatigorsk wurde ich als Arzt und Cheniker aufgefordert, diese Frage an der Hand eines Falles zu erSrtern. Bei eingehender Untersuchung stellte es sich heraus, da$ Patientin eine Hau tc rene benutzte, die beim Einreiben in die Hau t die Erscheinung des ,,schwarzen Dernograph i snus" n i t sich brachte. Die weitere Forschung in dieser Richtung ergab, da$ der ,,schwarze Dernograph i snus" bei Anwendung yon Salben, Pasten, Creme, Puder und Pulvern entsteht, welche h~rtere Stoffe enthalten als das ent- sprechende auf der Hau t schreibende Metall 4. Als solche Stoffe sind zu nennen: Zinkoxyd, Kreide u. dgl.5; auch feinstes Glas- oder Sand-

pulver sowie Straflenstaub bringen die Erscheinung mit sich. In trocke- nem Zustande oder n i t Vaseline vermischt und in die Hau t (oder auch in Filtrierpapier) eingerieben geben diese Substanzen beim Durch- ffihren mit einem Metallstab die Erscheinung des ,,schwarzen Dermo-

1 1~" S. J u t # w , Klin. Med. 6, 8 (83), 489 (1928) (russ.). 2 G. D. Leschtschenko, Ber. d. Ukrain. Psicho-neurolog. Instit. 7, I17/119 (1928)

(russ.). 3 A . J . Russ inow und W. N. Sutorichin, Irkutsk. med. Z. 7, 3 (31), 45 (1929) (russ.). 4 H~rteskalen der Metalle sind in Landolt.B6rnstein, Physikalisch-chemische

Tabellen Bd. I, S. 90--91, 1923, zu finden. 5 Genaue Angaben fiber solche Pulver und fiber deren Verwendung zum

Polieren und Putzen von Metallen enthi~lt Ullmanns Enzyklop/~die der technischen Chemie Bd. VIII, S. 51--59, 1920: ,,Metallputzmittel" ; sowie Otto Luegers Lexikon der gesamten Technik Bd. VI, S. 803: ,.Polieren der Metalle."

Z. f. d. g. Neur. u. Psych. l ~ . ]-)

Page 3: Über das Wesen des „schwarzen Dermographismus“

226 A. Bork: Ober das Wesen des ,,schwarzen Dermographismus".

graphismus". Je hi~rter das Pulver, mit um so h~rteren Metallen li~Bt sich der schwarze Strich auf der I-Iautoberfl~che (oder auf dem Papier) erzeugen. Eisen schreibt z .B. bei Anwendung von Zinksalbe nicht, wohl aber beim Einreiben yon Salben, die auf feinstem Sandpulver ver- fertigt sind. Talk, Kartoffelmehl (demnach auch reinster Reispuder) -- folglich weiche Substanzen -- geben die Erscheinung auch mit Silber und Kupfer nicht. Der ,,sehwarze Dermographismus" ist eine rein mechanische Erscheinung, die der beim Schleifen eines Rasiermessers auf einem mit Schleifpasta bestrichenen Riemen oder beim Polieren von Metallen zu beobachtenden gleicht. Im Falle des,,schwarzen Dermo- graphismus" wird ebenfalls das Metall in feinster Sehicht abgeschliffen (poliert) und liiitt feinverteilt den bekannten schwarzen Strich auf der Haut (oder dem Papier) zurfick. Je feiner und harter das Pulver, desto leichter und deutlicher gelingt die Erscheinung; grobk6rnige Pulver kratzen das Metall. Fet te mildern die mechanische Wirkung des reiben- den Pulvers; deshalb li~I~t sich der schwarze Strich bei Anwendung von fetten Salben leichter und dunkler erzeugen als bei Anwendung von trockenen Pulvern. Auch ist der Charakter der Metalloberfliiche von Bedeutung. Das entsprechende Metall li~[~t sich aus mit Zinksalbe be- strichenem Filtrierpapier, mit Salpeters~ure (Silber und Kupfer) in L6sung gebracht, als solches chemisch nachweisen.

Das Vorkommen des ,,schwarzen Dermographismus" bei Frauen auf Brust, Hals und Gesicht sollte also wohl kaum verwundern. DaJt Breitmann die Erscheinung nun auch bei Hafenarbeitern beobachten konnte erkli~rt sich dadurch, dai~ ja gerade diese Kategorie yon Arbeitern es stets mit allerhand Staub zu tun hat. Deshalb blieb ja der ,,sehwarze Dermographismus" auch in allen F~llen aus, sobald sich die entspre- chenden Patienten einer Waschung unterzogen. Es war also durchaus fiberflfissig, zur Erkli~rung Hysterie endokrine St6rungen u. dgl. heranzuziehen, da es sich doch lediglich um die Wechselwirkung exo- gener mechanischer Faktoren handelt. Breitmann sowie Emdin haben nun durchaus recht, wenn sie behaupten, dal~ der ,,schwarze Dermo- graphismus" im Gegenteil zu den bekannten vasomotorischen Erschei- nungen, die man gewOhnlich als Dermographismus bezeichnet, ein wahrer Dermographismus ist, dies berechtigt aber noch nicht zu der Behauptung, dal~ diese Erscheinung ,,eines ganz besonders ernsten Studiums wert ist", da man ja mit Bleistift einen durchaus analogen ,,wahren Dermographismus" erh~lt, niemand aber wohl einen solchen ,,Dermographismus" als Krankheitssymptom deuten und zu diagnosti- schen Zwecken benutzen wird.

Ich glaube daher nun schliel~en zu diirfen, dal~ die Frage fiber die ,,symptomatische" Bedeutung des ,,schwarzen Dermographismus" wohl ftir erschi~pft zu betrachten ist.