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Kocks, J.

Die normale und pathologische Lage undGestalt des Uterus sowie deren Mechanik

Cohen1880

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MECHANIK.

ANÄTOMISCH-GYNÄKOLOGISCHE STUDIE• : . *

DR- J. KOCKS;PRIVATDOOENT FÜR GYNÄKOLOGIE AN DER UNIVERSITÄT BONN.

MIT SECHS LITHOGRAPHIRTEN TAFELN UND EINEM HOLZSCHNITT.

BONN, 1880.VERLAGr VON MAX COHEN & SOHN (FR. COHEN).

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Ib unserm Vorläge ersoheiot:

. Dr. H. Buhle, •■_;■. Und. ''>i:ito.;msmä&&F*-y:trofosso* nna pireotor der medtot* »rivatdooent nad.ABglitetit »n <Jer

K l i n i k I n B o n a « m a d t o l u . S l i n u I d B o n n . . '

'•.':. Wöchentlich eine Nimmer gr. 8°.IPrels pro Jahrgang 18 Starki.

Trotz der: kürzen Ze?C^mes Bestehens hat sich dasCentralbl^zahlreiche F*eimdeerworben. Es brfngt wöchentlich Re-vferate; über diögesammte Klmische Wissenscli^ so daises wie keitie ändere Zeitschrift g^eigriet ist, jedeft ArztschneÜstens mit der eirischiägigeö ^itemtür bekannt zumachen.

Das Cehttälblätt kann durch jede Buchhandlung' wiedurch jede Postahstaltbezogeir wenden.

Die Verlagshandlung Max Cohen (St Sohn (Fr. Cohen) in Bonn.

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NORMALE UND PATHOLOGISCHE

L A G E U N D G E S TA LTDES

UTERUSSOWIE DEREN

MECHANIK.

ANATOMISCH-GYNÄKOLOGISCHE STUDIE

VON

D* J. KOCKS,PRIVATDOOENT FÜR GYNÄKOLOGIE AN DER UNIVERSITÄT BONN.

MIT SECHS LITHOGRAPHIRTEN TAFELN UND EINEM HOLZSCHNITT.

B O N N , 1 8 8 0 .

VERLAG VON MAX COHEN & SOHN (FR. COHEN).

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V o r w o r t ,

Im Jahre 1875 legte ich der Bonner MedicinischenFacultät zur Erlangung der Venia legendi den Theildieser Arbeit, der über die normale Lage des Uterushandelt, vor. Später war ich bemüht, diese Frage anLeichen eingehender zu studirön und stellte mir HerrProfessor von La Valette St. George sein Leichenmaterial in der freigiebigsten Weise zur Verfügung.Herr Prof, Zuntz war mir bei den Versuchen undUntersuchungen mit Rath und That, in der ihm eignen,freundlichen Weise behülflich.

Diesen Herren den schuldigen Dank hier auszusprechen, ist mir eine angenehme Pflicht.

Für meine Zwecke brauchbare Leichen waren jedochleider solche Seltenheiten, dass an eine Bearbeitung wieich sie mir vorgenommen, nicht gedacht werden konnte,und da keine Aussicht vorhanden durch längeres Abwarten viel mehr zu erreichen, übergebe ich, in derHoffnung, einiges zur Klärung der wichtigen Fragenbeizutragen, die Resultate meiner Studien der geneigtenBeurtheilung der Fachgenossen.

V I

Die an Leichen gemachten Untersuchungen undVersuche und die Paragraphen, welche über Lage- undGestaltsanomalien handeln, fügte ich hinzu; eine Berücksichtigung der inzwischen erschienenen Literatur fandnicht statt.

Die Tafeln sind unter Zugrundelegung eines schönennaturgetreuen Braune'schen Durchschnittes von uns angefertigt, und können als Wandtafeln zu Unterrichtszwecken benutzt werden.

Bonn, den 15. Juni 1880.

Der Verfasser.

Inhaltsangabe.

SeiteV o r w o r t I I I

Erster Abschnitt.

Allgemeines über die normale Lage des Uterus.

§ i. Giebt es überhaupt eine normale Lage? Indifferenz desU t e r u s ; M o b i l i t ä t d e s s e l b e n i

§ 2. Welcher Zustand der Beckenorgane ist der gewöhnlicheund bei welchem sollte die Topographie des Uterusstudirt werden? — Die schematischen Abbildungen. —Enthält der Douglas'sche Raum Dünndarmschlingen? . 5

§ 3. Wesshalb muss zwischen der Lage des Uterus bei derLebenden und der Leiche, wesshalb bei Nulliparen undFrauen die geboren haben, unterschieden werden? . . 7

§ 4. Die vorherrschende Anschauung über die normale Lagedes Uterus. — Die Lage in oder annähernd in derLevret'schen Beckenaxe. — Anatomen und Gynaeko-l o g e n 1 0

§ 5. Andere Anschauungen mit Ausnahme derjenigen, dassdie sogenannte Anteversio die normale Uteruslage sei.— D i e R e t r o v e r s i o a l s n o r m a l e L a g e 1 3

VI

Zweiter Abschnitt.

Die sogenannte Anteversio als normale Uteruslage.Seite

§ i. Welche Stimmen haben sich für die Normalität der sogenannten Anteversion erhoben? — Boullard. — Ver-neuil. — Follin. — Panas. — Cred6. — Schulze ... 15

§ 2. Der Befestigungsapparat. — Anatomie und Experimente.— Die Ligamenta sacro-uterina. — Die Ligamenta lataals Alae vespertilionis und die Bases derselben als Axedes Uterus seine Anteversion bedingend durch ihre Torsion, bei der Elevation des Fundus uteri durch dieBlase. — Ligamenta cardinalia. — Ligamenta rotunda.— Plicae vesico-uterinae. — Damm und Scheide. —D e r B e c k e n b o d e n 1 7

§ 3. Bestrebungen die normale Lage des Uterus festzustellen.M e t h o d e n 2 2

§ 4. Untersuchungen an der Lebenden. Methode der Messung. Untersuchung von Wöchnerinnen. Halbschemat i s c h e A b b i l d u n g 2 7

§ 5. Untersuchungen und Experimente an Leichen. Bes c h r e i b u n g d e r s e l b e n 3 4

§ 6. Auffassung der anatomischen Befunde. Beschreibungd e r s e l b e n 4 9

§ 7. Mechanik der normalen Uteruslage. Die normale Lageb e i v e r s c h i e d e n e n K ö r p e r s t e l l u n g e n 5 3

Dritter Abschnitt.

Die Lage- und Gestaltsanomalien.

§ 1. Die Lage- und Gestaltsanomalien im Allgemeinen. Wiedefiniren wir die Lage- und Gestaltsanomalien und wiebegrenzen wir die uns gestellte Aufgabe? Wie wird dieLage- und Fonnveränderung im Allgemeinen rein mechanisch bedingt? Welche ist die daraus folgende natur-

VI I

Seite

gemässe Eintheilung der in Frage stehenden Anom a l i e n ? 6 1

§ 2. Anomalien der Lage und der Form, die dislocirendwirkenden Kräften ihre Entstehung verdanken, also Pressions- und Tractionsdislocationen, Dehnungsdislocatio-nen. — Erste Gruppe. — Druck. Gesteigerter Intraab-dominaldruck; durch die Bauchpresse; durch Respirationsanomalien, Circulationsanomalien; durch die Schwerebei Hydrops, Vergrösserung von Organen, Hyperaemie,Hypertrophie; durch Neubildungen. Zug. Schrumpfungszug. Schrumpfung der wahren Ligamente. Schrumpfungder Scheide» Schrumpfung von Pseudomembranen.Schrumpfung der Blase. Zug durch die Schwere desUterus selbst, als Ganzes und in einzelnen Abschnitten.Zug durch Neubildungen. Mechanische Ursachen undF o l g e n 6 5

§ 3. Anomalien der Lage und der Form, die einer Abnahmeder Widerstände ihre Entstehung verdanken oder Re-laxationsdislocationen. Erschlaffungsdislocationen. —Zweite Gruppe. — Verminderung der Zahl der Widerstände. Darmruptur, incomplete, complete. Relaxationeinzelner Partien des Stützapparates. Dehnung derScheide und des Dammes. Vesicovaginalhernie. Erschlaffung der Sacro-uterina durch Constipationen. Erschlaffungen der Pubo-vesico-uterina, der Ligg. rotunda undder Flügel der Ligg. lata. Relaxation aller Gewebe,auch der Stützapparate durch hochgradige Ernährungsstörungen, nach Typhen, schweren Geburten, Aborten,nach Anaemien, Chlorosen. Relaxation derselben nachGeburten durch mangelhafte Rückbildung, ohne allgemeine Ernährungsstörung. Partielle Relaxation des Uter u s g e w e b e s 7 5

§ 4. Anomalien der Lage und Gestalt, die beiden Ursachengleichzeitig ihre Entstehung verdanken, also gleichzeitigeDehnungs- und Erschlaffungsanomalien.—Dritte Gruppe.—

vniSeite

Die häufigste Entstehungsweise der Dislocationen undMalformationen. Schlechte Ernährung und schwerekörperliche Arbeit. Geburten und schwere Arbeit.Anaemie und Chlorosen. Schlechte Nahrung. Mechanik. 79

§ 5. Therapeutische Bemerkungen. Mechanik der Hodge'schenHebelpessarien. Hebelwirkung bei Retroversionen, beiRetroversio-flexio, bei Retroversio anteflexa, bei Anteflexior e t r o p o s i t a , b e i A n t e fl e x i o c o l l i 8 1

Erster Abschnitt.

Allgemeines über die normale Lagedes Uterns.

§ l.Giebt es überhaupt eine normale Lage desUterus? — Indifferenz des Uterus. — Mobilitätdesselben.

Bevor man an die Besprechung der Frage der normalenLage des Uterus gehen kann, sind einige andere zu erledigen,so diejenige, ob der Uterus überhaupt eine normaleLage hat, oder ob eine so hochgradige Beweglichkeit unternormalen Verhältnissen vorhanden ist, dass er den Gesetzen der Gravitat ion bei Veränderungen in derKorperstel lung folgt.

Giebt es eine „position indifferente", wie Aran diesefragliche Eigenschaft kurz bezeichnet, giebt es eine „Indifferenz" des Uterus? Die Frage also formulirt, lässt uns nichtden Fehler begehen, sie mit derjenigen nach der norntalen Beweglichkeit der „Mobilität" zu verwechseln. Cruveilhier1),der sich vielfach mit unserem Thema befasste, drückt sichnur unrichtig aus, wenn er fragt: „L'ut6rus dans un 6tat

i) Gazette mSdicale de Paris. Academic de m£decine du 7. FSvrier 1854vergl. Herrgott. Consideration sur la Situation normale de l'uterus 1864. page 13.

K o c k s , U t e r u B . T

— 2 —

de vacuity a-t-il un axe?" Natürlich hat der Uterus eineAxe und dies willCruveilhier durchaus nicht in Frage stellen,er spricht vielmehr von der relativen Lage der Uterusaxe zurBecken axe. Er glaubt jedoch, dass eine normale Lage nur beiJungfrauen und Frauen, die nicht geboren haben, vorkomme,während sie bei solchen, die geboren haben, fehle.

Der Widerspruch, den Cruveilhier fand, führte ihnspäter zu noch absoluterer Behauptung! „Je suis en core-plus absolu aujourd'hui et je crois 6tre fond6 ä 6tablird'une mani&re g£n6rale que si l'uterus dans l'£tat degrossesse a des axes determines, dans T£tat devacuite il n'a pas d'axe proprement dit.'*

Dass Cruveilhier1) übrigens von der Lage und nichtvon der Gestalt des Uterus spricht, geht aus dem Zusammenhange und einzelnen Sätzen deutlich hervor. Er sagt z. B. :,,L' observation clinique nous montre en effet tous lesjours, par le toucher vaginal associe au toucherrectal, soit l 'ant£version, soit la retroversion, soitTinclinaison laterale de l'uterus chez les femmes quin'£prouvent aucun symptöme morbide du c6t£ decet organe".

Der Schluss, dass die Dislocationen mithin keine krankhaften Zustände darstellen, darf nicht daraus gezogen werden.Wie würde z. B. darüber geurtheilt werden, wenn ein Chirurgedie Hernien für nicht krankhaft erklären wollte, weil sie oftohne Beschwerden zu verursachen gefunden werden?

Es erhoben sich denn auch sehr bald zahlreiche Stimmengegen Cruveilhier s Behauptung. So z. B.: Gue rin2). Er sagt,dass der Uterus, wenn auch mobil, dennoch eine bestimmteLage habe und vergleicht ihn passend mit dem Auge, welchesebenfalls beweglich sei. Es giebt allerdings für ein und dasselbeAuge viele normale relative Lagen, ebenso für den Uterus.

Bec^querel3) unterschied schon sehr richtig zwischen

i) l. c2) Gazette mädicale de Paris 7. Fevrier 1854 page 79. Traitement des

deviations de l'uterus, danger des sondes utennes a demeure. Vergl. Herrgott L fi.

3) Traite* clinique des maladies de Tut6rus et de ses annexes pag. 96. 1859.

- 3 —

einer „direction absolue" und einer „direction relat ive".

Avrard widerspricht Cruveilhier ebenfalls, ohne sichcorrecter auszudrücken, da auch er von der relativen Lagespricht und nur die Axe des Uterus nennt. Sowohl bei gesunden Multiparen wie bei Jungfrauen besitze der Uterus einenormale (relative) Lage.

Herrgott1) machtobige Autoren darauf aufmerksam, dassCruveilhier nicht von der Uterusaxe spreche, obgleich dieselben das Wort Axe imSinne Cruveilhiers verstehen und Avrardbraucht es, wie oben bemerkt, sogar selbst ebenso. Dagegensind die Einwände, welche dieselben gegen die Cruveilhie r'sehenBehauptungen gelten machen, nach meinem Dafürhalten auchdann gerechtfertigt, wenn Cruveilhier, wie Herrgott fürrichtiger hält, behauptet haben würde: „L'utörus n'a pasd'axe relativement au bassin".

Aran2) will bei der Lebenden und zwar auch bei nochsehr jungen Frauen beobachtet haben, dass der Uterus eineindifferente Lage habe. Er sagt jedoch, sie sei dasResultat einer Erschaffung der Befestigungsmittel des Uterus.Ich selbst habe sie beobachtet bei Frauen, die geborenhatten, jedoch muss ich hinzufügen, dass in der Rückenlagez. B. der Uterus nie bis unter das Promontorium sank, sondernsich nur gegen dasselbe hinneigte oder höchstens an dasselbe oder an die Linea innominata anlehnte, während in deraufrechten Stellung sie sich wieder mehr nach der Symphysebegab. Diese Excursionen waren aber sehr gering und beziehen sich auf massige, schwere Organe mit starker Hyper-aemie.

Für gewöhnlich ändert der Uterus seine Lagebeim Wechsel der Körperstellung in der Lebendennicht oder doch nahezu nicht. Man kann sich davonleicht durch das Experiment überzeugen.

Aran (1. c.) beobachte bei fünf Leichen, dass derUterus, wenn die Eingeweide entfernt worden waren, in die

i) Herrgott 1. c. pag. 17.2) Lecons cliniques sur les maladies des l'ute*rus et de ses annexes. Paris

1858—1860.

— 4 —m

Kreuzbeinhöhlung sank, ein Phänomen, welches wir bei inder Rückenlage geöffneten Leichen von Frauen, die geborenhatten, fast immer constatiren konnten.

Es kommt hierbei sehr in Betracht, dass in geöffnetenLeichen der Uterus mobiler wird, weil die Ligamente nachDurchschneidung des Bauchfell an Spannung verlieren undder Intraabdominaldruck fehlt

Eine grosse Beweglichkeit auch bei Lebenden ist jedoch ein besonders bei Multiparen sehr leicht zu beobachtender Befund. Der Uterus ist mobil, nicht aber indifferentin seiner Lage. Es ist denn auch diese Eigenschaft desselbenpassend „Mobilität" zum Unterschiede von der „Indifferenz"zu nennen.

Eigene Beobachtungen ergaben mir, wie oben bemerkt,dass bei allen Nulliparen und den meisten Frauen, die geborenhatten, der Uterus mit dem Wechsel der Körperstellung seineLage nicht veränderte, wenigstens nicht so bedeutend, dassirgend ein Punkt desselben um mehr als 0,5 Centimeter seinevorher eingenommene Stelle verlassen hätte. Geringe Verschiebungen sind, wie wir später sehen werden, auch schonaus theoretischen Gründen anzunehmen.

Bei Frauen von schlaffem Körperbau und solchen, dieoft geboren haben, kommt eine, wenn auch geringe, so dochdurch die digitale Messung feststellbare Bewegung derPortio viginalis häufiger vor. In der Knieellenbogenlage entfernt sich auch bei Nulliparen die Portio vaginalis vom Introi-tus vaginae, selbst wenn kein Speculum eingeführt wird.

Die Mobilität als Eig*enschaft des Uterus durch äussere Einflüsse (Blase, Rectum etc.) in seiner Lage bestimmtzu werden, ist allgemein anerkannt. Zahlreiche Experimente an Leichen und Lebenden von Seyfert, Saex-inger, Breisky, Meyer haben sie bewiesen und könntenwir noch viele von uns gemachte Versuche als Belege anführen.

DienormaleLage ist also keine absolute,sonderneine relative. Becquerel spricht ganz richtig von einer„position relative", einer relativen Normallage. Jedeabsolute immobile Lage ist dagegen als pathologisch zu betrachten und abgesehen von dem Einfluss von Tumoren,

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meistens auf Adhaerenzen oder Schrumpfungen im Ligamentapparate zurückzufuhren.

§ 2.Welcher Zustand der Beckenorgane ist der gewöhnliche und bei welchem sollte die Topographie des Uterus studirt werden? — Dieschematischen Abbildungen. — Enthält derDouglas'sche Raum Dünndarmschlingen?

Für die Beantwortung der Frage, welches die normaleUteruslage sei, ist es nothwendig, einen bestimmten Zustandseiner Nachbarorgane zu postuliren. Es kann keine Ueber-einstimmung stattfinden, wenn dabei nach Belieben verfahrenwird. Selbstredend ist der Einfluss der verschiedenen Ausdehnungsgrade dieser Organe auf die Lage des Uterus inBeträcht zu ziehen, wie dies schon oben geschehen bei Besprechung der Mobilität. Dem Frauenarzt kommen die Fälle meistbei leerem Rectum und fast leerer Harnblase der Krankenzur Untersuchung, und sollte eine grössere Menge Flüssigkeitin der Blase vorhanden sein, so muss er dieselbe entleeren,um eine genaue Untersuchung anzustellen.

Es scheint daher praktischen Nutzen zu haben,unter Normallage des Uterus die Lage bei leerenNachbarorganen unter normalen Bedingungen zuverstehen und also abzubilden; nicht bei mittlererFüllung der Blase und des Rectum.

Die schematischen Zeichnungen der Uteruslage stellenmeistens den Uterus, den geläufigen Anschauungen entsprechend, in der Axe des Beckeneinganges liegend dar. Wird jetztdie Blase und der Mastdarm im leeren Zustande hinzuskizzirt,so schwebt der Uterus in einer halb nach vorn geneigtenStellung. Man fühlt gleichsam beim Anblick einer solchenZeichnung, dass das Organ in dieser Stellung nicht verweilenkann, sondern unbedingt nach vorne fallen muss, es sei denndass man sich die Ligg. lata auch im obern Abschnitt derselbenstraff gespannt denkt, was sie eben normaler Weise nur ander Basis sind. Etwa vor dem Uterus gelegene Dünndarm-

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schlingen können ihn wegen ihrer Schlüpfrigkeit, grossen Beweglichkeit, auch nicht genügend stützen. Damit er nun denerforderlichen Ruhepunkt nach vorne findet, musste die Blasestark ausgedehnt abgebildet werden, wie man dies meistenssieht.

Soll ferner der Douglas'sche Raum keine Dünndarmschlingen aufnehmen, wie Claudius1) und Hueter2) annehmen, so muss der Mastdarm ad maximum dilatirt gezeichnet werden.

Am meisten ist die Art und Weise auffallend, wie dieScheide in schematischen Durchschnitten öfter abgebildet wird.Die Darstellung ist nämlich die eines mit Luft prall ausgedehnten Schlauches, — augenscheinlich, um dem Uterus die ihmvindicirte Elevation zukommen zu lassen.

In dem Hodge'sehen Buche8) kommt endlich noch einelückenbüssende nach Bedürfniss grösser oder kleiner gezeichnete Schicht hinzu, die zwischen Scheide, Harnblase undUterus liegt und sehr danach angethan ist, falsche Vorstellungen über die Topographie dieser Gegend zu erwecken.

In den nach Durchschnitten an gefrorenen Leichen angefertigten Abbildungen .finden wir diese Füllungsgrade vonBlase und Mastdarm oder eines von beiden wieder, weil manbestrebt war, den Einfluss, den diese Organe im ausgedehntenZustande auf den Uterus ausüben, zu studiren, da die Richtigkeit der gang und geben Anschauung über die normaleUteruslage nicht bezweifelt wurde. Man vergleiche die Abbildungen von Le Gendre und Pirogoff.

Die Frage, ob sich im Douglas'schen Raum Dünndarmschlingen befinden, muss ich bejahen, weil ich sie dortbei der Lebenden angetroffen. Leere Dünndarmschlingen sinddurch den Tastsinn nicht zu erkennen, wohl aber solche, diefeste Massen enthalten. Bei einer Kranken, die an Obstructionlitt, konnte ich zuerst im vorderen Beckenraum, vor dem re-trovertirt liegenden Uterus deutlich eine dünne beweglichesich wachsartig anfühlende quer verlaufende Schlinge palpiren

i) Allgem. med. Centralzeitung. 1864. Nr. 82.2) Die Flexionen des Uterus. 1870.3) On diseases peculiar to women. Philadelphia 1868.

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und fand, nachdem der Uterus durch combinirte Griffe aufgerichtet und antevertirt war, eine solche, wahrscheinlich dieselbe, im Douglas'schen Räume liegen. Die Patientin hatteeinen etwas voluminösen Uterus. Ich vermisste die Schlinge beiden Untersuchungen, nachdem der Stuhlgang geregelt worden war.

Es kommen wohl nicht nur in den Leichen marastischerIndividuen allein Dünndarmschlingen im Douglas'schen Räumevor (Israel), und kann die Ansicht, dass derselbe keine enthalte, nicht als unangefochten gelten (Hueter).

Schon Pirogoff bildet Dünndarmschlingen im Dou-glas'schen Räume ab und Hodge stellt den Situs normalisebenso dar.

Dass bei einer Lagerung des Uterus nach hinten Dünndarmschlingen vor demselben und bei einer Lagerung nachvorne solche hinter ihm befindlich sind, ist schon deshalb anzunehmen, weil ein normaler Uterus den Beckenraum nichtvollständig ausfüllt, und nichts anderes als Dünndarmschlingenin den noch freien Theil desselben bei leeren Nachbarorganen gelangen können, um den Raum, der kein Vacuum ist,auszufüllen. Läge der Uterus in der Beckenaxe, so müsstensich solche Schlingen sowohl vor als hinter demselben befinden, da sie vermöge ihrer Schwere diesen Platz einnehmenwürden.

§ 3."Wesshalb muss zwischen der Lage des Uterusbei der Lebenden und der Leiche, wesshalbbei Nulliparen und Frauen die geboren haben,unterschieden werden?

Die Verschiedenheit der Verhältnisse, welche bei derLebenden obwalten und diejenigen, die wir bei der mit geöffnetem Abdomen in der Rückenlage ruhenden Leiche vorfinden, ist so gross, dass nothwendig genau zwischen der normalen Lage bei Lebenden und Leichen unterschiedenwerden muss, um Irrthümer und Missverständnisse zu vermeiden.

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Bei der Lebenden steht der Uterus meistens unter einempositiven intraabdominalen Druck, der bei den Inspirationensteigt und bei den Exspirationen fällt. Die Beckenorgane mitihrem ligamentösen Apparate und dem Beckenbindegewebebesitzen intra vitam einen gewissen Grad von Turgescenz, derpost mortem verschwindet. Auch wirken die muskulösen Elemente in den Ligamenten bei der Lebenden zeitweilig mitbestimmend auf die Lage des Uterus ein.

Nach Entfernung der Baucheingeweide bei der Leiche istder auf den Uterus einwirkende Druck der Atmosphärendruck.Dieser sowie die Schwere der übrigen Baucheingeweide,welche auf denselben einen Druck ausüben können, kommenhier in Betracht. Werden die Darmschlingen wie gewöhnlichnach oben zurückgeschlagen, so steht der Uterus nur unterdem Drucke von einer Atmosphäre. Ausserdem sind nochdie Einflüsse der Todtenstarre oder der Verwesung zu berücksichtigen .

Man kann im Allgemeinen annehmen, dass da der intraabdominale Druck in der horizontalen Rückenlage bei Lebenden ein positiver ist, diejenige Lage, die der Uterus postmortem zeigt, intra vitam eine in gleichem Sinne ausgeprägtere gewesen. Mit andern Worten, es muss wenn einesogenannte Anteversio vorgefunden wird, diese währenddes Lebens stärker gewesen sein. Ebenso verhält es sichmit der Retroversio, falls sie während des Lebens bestand.Ich sage, falls sie während des Lebens bestand, weil die Retroversion an der Leiche beim Entfernen der Baucheingeweideerst auftreten kann, wie oben erwähnt wurde. Es ist diesdann der Fall, wenn bei schlaffen Ligamenten der Schwerpunkt des Uterus kreuzbeinwärts von der Basis der Ligamentalata, dem Drehpunkte, gelegen ist. Werden alsdann bei dersich in der Rückenlage befindlichen Leiche die Eingeweidevom Uterus ab und aus dem Douglas'schen Raum herausgehoben, so sinkt derselbe, nach den Gesetzen der Gravitation, dem Os sacrum zu, soweit es ihm der ligamentöseApparat erlaubt.

Bei der Lebenden kann dies, abgesehen von etwaigenfremdartigen Einflüssen, nur in einem Augenblick geschehen,wo die nöthige „Mobilität" vorausgesetzt der intraabdominale

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Druck, der die hintere (obere) Fläche trifft, kleiner wäreals das Gewicht, mit welchem der Fundus uteri nachder Kreuzbeinfläche hinstrebt.

Goupil1) macht darauf aufmerksam, dass die Retroversionen bei Leichen das alleinige Resultat der Lagewelche die Leiche einnehme, sein könne und solche Befundekeinen Werth bezüglich der Frequenz dieser Art der Deviationen bei der Lebenden habe.

Dass bei einer Person, die geboren hat, durch die starkeDehnung und Auflockerung der Theile während der Schwangerschaft der an und für sich vergrösserte und daher schwerergebliebene Uterus, eine andere Stelle im Becken einnehmenmuss, als im jungfräulichen Zustande, ist natürlich.

Es werden also die normalen Lagen des Uterusbei Jungfrauen und Frauen, die geboren haben, etwasverschieden sein. Die Hauptursache der Verschiedenheit l iegt aber in der Volumsdifferenz der beidenKörper, da die Längenaxe des voluminöseren weiternach hinten und oben rückt.

Compensirt wird dieses Nachhinten- und Nach-obenrücken des Uterus jedoch oft durch Erschlaffungder Gewebe und die Gewichtszunahme des Organes,wodurch eine leichte Senkung desselben nach demIntroitus vaginae entsteht.

Die Abnahme der Elasticitätsvollkommenheit der Gewebeim Becken bei Frauen, die geboren haben, muss daher ebenfalls eine stärkere Aeusserung des intraabdominalen Druckesauf den Stand des Uterus zur Folge haben. Die grosse Verschiedenheit im Verschluss des kleinen Beckens nach vorausgegangenen Geburten ist bekannt. Sie besteht sowohl in denäusseren als in den inneren Gewebstheilen. Man findet nur beisehr straffen muskulösen Individuen einige Zeit nach der Geburt eine fast vollkommene Restitutio ad integrum.

Wir können also nicht den Leichenbefund aufdie Lebende ohne weiteres übertragen, und müssenferner für Frauen, die geboren haben, einen etwas

i) Clinique mSdicale sur les maladies des femmes. B. II, pag. 526.

I O

tiefer liegenden und weniger gegen den Horizont geneigten Uterus als bei Jungfrauen und Nulliparis normal nennen.

§4.Die vorherrschende Anschauung über die normale Lage des Uterus. — Die Lage in oderannähernd in der Levret'scheu Beckenaxe. —Anatomen und Gynaekologen.

Wir sahen vorher, der Uterus habe eine normale relative Lage. Fast allgemein galt die Ansicht, dass der Uterusnormaliter in oder nahezu in der Beckenaxe liege. Wirmachten darauf aufmerksam, dass es nicht statthaft, dieBefunde, wie sie gewöhnlich bei den Obductionen erhobenund wie sie naturgemäss den Anatomen zur Grundlageihrer Beschreibungen gedient haben, einfach auf die Lebende zu übertragen. Dass dies dennoch geschehen, istnicht zu bezweifeln. Wären jedoch nur solche Lagen, welchebei den Leichen zur Beobachtung kommen, genau beschriebenworden, so würden der Wirklichkeit entsprechendere Bilderentstanden sein und man hätte bloss darüber streiten können,ob der Uterus nach vorne oder hinten, nach rechts oderlinks von der Beckenaxe normaler Weise liege, aber nieangenommen, er liege in derselben, wo er gewiss noch niegesehen wurde.

Die Lage in der Beckenaxe ist jedoch gleichsam dasgeometrische Mittel aus allen möglichen Lagen und wurdedaher als Norm hingestellt, beschrieben und abgebildet undgalt leider den Gynaekologen als Richtschnur für ihre Therapie.Die Lage in der Levret'schen Axe bildet in der That dasjuste milieu aller Lagen, entspricht aber dafür auch niemals der Wirklichkeit vollkommen. Auf das Ungetreueder schematischen Abbildungen habe ich schon oben hingedeutet.

Die Abbildung von Kohlrausch, welche auch Meyer1)

i) Lehrbuch der Anatomie des Menschen. Leipzig 1861.

— I I —

im topographischen Theile seines Lehrbuches der Anatomiewiedergiebt, entspricht einer in Wirklichkeit zwar vorkommenden Lage, kann aber deshalb nicht als Normallage gelten,weil jeder mobile Uterus so von Blase und Rectum in dieMitte genommen, diese Stellung nothgedrungen einnehmenmuss und sogar ein geknicktes aber leicht flexibles Organdurch dieselben gestreckt werden könnte. Die Scheide ist hiernicht im ausgedehnten Zustande, das Rectum oben rechts undunten nach links im Becken liegend abgebildet.

Eine Beschreibung, welche dieser am meisten verbreitetenAnschauungsweise entspricht, ist diejenige von Hennig1).„Der Uterus schwebt zwischen seinen Befestigungspunkten mit dem Grunde nach vorne geneigt so im Eingange des kleinen Beckens, dass sein Grund die Con-jugata vera kaum erreicht, seine vordere Lippe 2 bis3 cm höher als die Ausgangs con jugata des knöchernenBeckens und 1 cm über der auf den obersten Punkt derSymphysis ossium pubis gelegten Horizontalebenesteht — und dass die Längsaxe des Uterus etwasnäher der hintern als der vordem Beckenwand (beimassig gefüllter Harnblase) l iegt". Ferner pag. 8:„Wenn die Frau steht, so geht die Längsaxe ihresKörpers zum hintern Theile des Grundes der Gebärmutter hinein, schneidet die Höhle wenige Millimeteroberhalb ihrer Halbirungslinie und geht genau amvordem Beugungswinkel des Organes, also zwischenKörper und Hals wieder heraus. Der Hals stehtgenau parallel der erwähnten Längsaxe". AehnlicheBeschreibungen finden wir bei Holst2) und L. Meyer3).

L. Meyer legte der Gesellschaft für Geburtshülfe inBerlin eine schematische Zeichnung des weiblichen Beckendurchschnittes in der Längsaxe des Körpers von hinten nachvorne geführt vor. Von dieser Zeichnung heisst es: „DiesemBilde hatte Herr L. Meyer theils von ihm selbst nachder Natur gefert igte Zeichnungen, thei ls ähnl iche

1) Der Katarrh der innern weiblichen Geschlechtstheile. 1870 pag. 7.2) Beiträge fur Gynaekologie und Geburtskunde. I. Heft, pag. 151. 1865.3) Monatsschrift für Geburtskunde. Bd. 21, pag, 427. 1863.

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von Kiwisch, LeGendre und Kohlrausch mit Berücksichtigung der Resultate, welche sich ihm durch dieUntersuchungen an Lebenden ergaben, zu Grundegelegt. Die Hauptmomente der Lagerung des UterusHessen sich in Kürze dahin zusammenfassen, dassder Fundus des gesunden nicht schwangeren Uterusim normalen Becken unter der Ebene des Beckeneinganges die Längenaxe der Gebärmutter in dem gra-den Theile der Führungslinie des Beckens liege unddass die Port io vaginalis in der mitt lem Beckenapertur stehe".

In dieser Zeichnung war das normale Lagerungsverhältnissder Beckenorgane ebenfalls bei mittlerer Füllung des Rectumund der Blase dargestellt. Das Rectum ist jedoch normalerweiseleer bei der Lebenden. Nur kurz vor den Defacationen hates sich gefüllt und bedingt so das Bedürfniss seiner Entleerung.Unter diesen Umständen, also bei massig gefüllter Blase undgefülltem Rectum, wird der Uterus allerdings praeter propterin die Levret'sche Axe gehoben.

Von denselben Grundideen gehen ferner Klob *), Hueter2),Herrgott8) und die meisten Autoren von Hand- und Lehrbüchern aus, von denen sich andere einer genauem Definitionder normalen Uteruslage bei gesunden Frauen enthalten.

Nach Hyrtl4) steht die lange Axe des Uterus nahezusenkrecht zur Conjugata mit geringer Abweichung nach rechts.

Herrgott war so sehr von der Richtigkeit dieser anatomischen Anschauungsweise durchdrungen, dass er glaubte,die normale Lage des ganzen Organs construiren zu können,nachdem er die Lage der Portio vaginalis bestimmt hatte.

Umgekehrt verfuhr Holst5). Er construirt die normaleLage des Uterus, indem er von einem gegebenen Punkte derConjugata ausgeht und nur die Lage der Portio vaginalishinzu bestimmt Wir werden später auf diese Untersuchungen

i) Path. Anatomie der weiblichen Sexualorgane. Wien 1864.2) 1. c.3) 1. c4) Lehrbuch der Anatomie. 9. Auflage. 1866.5) 1. c

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und Bestrebungen, die normale Uteruslage festzustellen, zurückkommen.

§ 5.Andere Anschauungen mit Ausnahme derjenigen, dass die sogenannte Anteversio die normale Uteruslage sei. — Die Retroversio alsnormale Lage.

So zahlreich die eben besprochenen Stimmen für die Normallage in der Beckenaxe sind, so finden wir doch einzelneVertreter einer andern Ansicht, nämlich derjenigen, dass dieNormallage des Uterus die Anteversio auctorum sei, undzwar ist in neuester Zeit die Zahl ihrer Anhänger gewachsen.

Wir wollen dieselbe im nächsten Paragraphen besprechenund hier nur noch verweilen, um solche,, welche sich fürdie dritte der Möglichkeiten, nämlich für die Normalitätder Retroversionen erhoben haben, anzuführen.

Für die Retroversio als normale Lage in derSchwangerschaft, wo der Uterus von vorne und rechts nachhinten und links, während er im normalen leeren Zustande vonhinten nach vorne gerichtet liege, trat Blandin !) 1838 ein,und 1864 Claudius2) auf der neun und dreissigsten Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte in Giessen fürdie Retroversio als Normallage überhaupt, also auch ausserder Schwangerschaft.

Luschka3) hält sich nicht für berechtigt, diese Lage alsdie normale hinzustellen, trotzdem der Uterus in Taf. V seinesWerkes, nach einem Durchschnitt am gefrorenen Cadaverretrovertirt liegt.

Wir haben schon früher darauf aufmerksam gemacht,dass, wenn die Normallage bestimmt werden soll, die Lagen

1) Nouveaux elements d'anat. descrip. 1838 T. 2 p. 825. vergl. Herrgottpag. 10.

2) Henle-Pfeufer'sche Zeitschrift für rationelle Medicin. 1865. Bd. 23,pag. 249. — Vergl. Archiv für klinische Medicin von Ziemssen und Zenker.

3) Die Lage der Bauchorgane des Menschen, mit 5 Tafeln. Karlsruhe 1873.

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bei Jungfrauen und Frauen, die nicht geboren haben, zunächstins Auge zu fassen sind.

Lala1) will bei fast allen weiblichen Leichen neugeborener Kinder die Gebärmutter in Retroversionsstellunggefunden haben; bei 13 mannbaren Jungfrauen fand er vierMal den Uterus etwas nach hinten geneigt, und bei 42 Multiparen 23 Retroversionen.

Die meisten Beobachter haben die Form des Uterusbei Kinderleichen als Anteflexion bezeichnet, selbst wenn dieLage eine leicht retrovertirte gewesen und erklärt sich hierausdiese Verschiedenheit der Angaben Lala's leicht.

Was die Ansicht Claudius' betrifft, so basirt sie aufLeichenbefunde und haben wir oben schon die Richtigkeit derThatsache constatirt, dass bei Leichen von Frauen, die Geburten überstanden, allerdings die Retroversio die Normbildet, und solche Leichen sind die meistens untersuchten.Wir hoben jedoch ebenfalls hervor, dass dieser Befund fürdie Lage bei Lebenden nicht geltend gemacht werden darf,da sie in der Leiche auch dann entstehen kann, wenn intravitam keine solche Abnormität vorhanden gewesen.

Luschka wagt aus seinen Befunden mit Recht keinenSchluss zu ziehen, da sie nicht zahlreich und jedenfalls auchdann nur für die Leiche Geltung haben würden.

1) These de Paris. 1837, Nr« 253» PaS- 20-

Zweiter Abschnitt.Die sogenannte Anteversio als normale

Uteruslage.

§1.Welche Stimmen haben sich für die Normalitätder sogenannten Anteversion erhoben? —Boullard. — Verneuil. — Follin. — Panas. —Crede". — Schultze.

In neuerer Zeit wurde von B. Schultze in gebührenderWeise die Ansicht hervorgehoben, dass der Uterus unter nor*malen Verhältnissen nicht nur ein wenig gegen die Blase hinneige, sondern sogar ganz nach vorne gelegen sei. Betrachten wir die Vertreter dieser Ansicht in chronologischerReihenfolge, so finden wir ihrer zuerst von Boullard Erwähnung geschehen.

i. Boullard1). Er erklärte sich schon im Jahre 1853 ausdrücklich für die Normalität der Anteversion und giebt an,dass der Uterusgrund die hintere Wand der Harnblase berühre, seine vordere Fläche nach abwärts gebogen, die hintere sehr convexe nach oben gerichtetsei. Obwohl gestützt auf 107 Beobachtungen an Leichen,haben diese Befunde dennoch Werth, weil sie, trotzdem der

1) Revue med. chir. Juin 1853 und Schmidt's Jahrbücher Bd. 80.

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intraabdominale Druck aufgehoben und die Schwere des Uterusder Anteversionsstellung in der gebräuchlichen Sectionslageentgegenwirkt, dennoch Ante Versionen ergaben, wie nichtbereits secirte Leichen, auch nach unseren Erfahrungen, oftaufweisen.

2. und 3. Verneuil und Follin. Sie treten für die Normalität der sogenannten Anteversion allerdings nur bei Kindern, Jungfrauen und Frauen, die nicht geboren haben,ein. (Vergleiche Goupil und Panas.)

4. Panas1). Er basirt auf 114 Beobachtungen die Ansicht, dass man mit Unrecht die nicht gebeugte ganzsenkrecht gegen den Beckenboden gestellte Gebärmutter alsdie allein physiologische angesehen habe.

5. Cred62)sagt: ,,Auch die Lageabweichung;en desOrganes mit dem Fundus nach vorne sind physiologische Zustände".

6. Schulze3): „Die normale Lage des Uterus beileerer Blase ist Anteversion oder Anteflexion. In deraufrecht stehendenFrau sieht bei leerer Blase die sogenannte hintere Fläche der Gebärmutter ziemlichgenau nach oben".

Die Betrachtung der anatomischen Verhältnisse, derunter normalen Bedingungen zu Stande kommenden Mechanik und ganz besonders die directe Beobachtung veranlassten uns, ebenfalls seit längerer Zeit die sogenannte Anteversiofür die normale Uteruslage anzusehen. Es wäre also die Lagedes Organes mit dem Fundus nach vorne nicht mit Cred6(sieh oben) eine „Lageabweichung", wohl aber mit ihmein physiologischer Zustand zu nennen, da eine Lageabweichung kein physiologischer Zustand sein kann.

Schultze drückt sich ebenfalls nicht correct aus, wenn er(sieh oben) sagt: „Die normale Lage des Uterus beileerer Blase ist Anteversion oder Anteflexion". DieBezeichnung Anteflexion bezieht sich nicht auf die Lage

1) Recherches cliniques sur la direction de l'uteras chez la femme adulte.Arch. g6n. m6d. vol. I. 1869.

2) Arch, für Gynaekologie Bd. I, pag. 121. 1870.3) Arch, für Gynaekologie Bd. IV. und Vorträge von Volkmann Nr. 50.

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(situs, positio), sondern auf die Gestalt oder Form (forma,formatio) des Uterus.

Auf die Wichtigkeit, diese beiden so grundverschiedenenBegriffe genau auseinander zu halten, haben wir schon aufmerksam gemacht.

Die Untersuchungen von Wöchnerinnen von Schroeder,Winkel und Ab egg liefern ebenfalls Beiträge für die Richtigkeit dieser Anschauungsweise, wir werden später daraufzurückkommen.

Wir sehen, dass sich stets Stimmen für die Normalitätder sogenannten Anteversion erhoben haben und nocherheben.

§2.Der Befestigungsapparat. — Anatomie und Experimente. — Die Ligamenta sacro-uterina. —Die Ligamenta lata als Alae vespertilionis unddie Bases derselben als Axe des Uterus seineAnteversion bedingend, durch ihre Torsion beider Elevation des Fundus uteri durch die volleBlase. — Ligamenta cardinalia; — Ligamenta rotunda. — Plicae vesico-uterinae. — Damm undScheide. — Der Beckenboden.

Die beiden von Mad. Boivin und Dugäs als Ligamenta sacralia beschriebenen Bänder möchte ich in ihrerganzen Wichtigkeit für das Bedingen der Anteversioals Normallage hervorheben. Sie bilden zwar nichtdie Hauptstütze des Uterus, welche im Beckenboden dieBases d$r ligament a lata, worauf wir gleich zurückkommen werden, bieten, aber sie bedingen die sogenannteAnteversionslage des Uterus sehr wesentlich mit.

Savage *) sagt, dass die Ligamente den Uterus in seinernormalen Höhe erhalten. Bei einem Zuge mit der Kornzange an der Portio vaginalis spannen sich dieselben undzerreissen, wenn letztere bis vor die Vulva gezerrt wird.

Rieh et hält die Ligamenta sacro-uterina für das bedeu-

i) On the female pelvic organs. Third edition. London 1876. Vergl.Hueter 1. c. pag. 13, 20.

B o o k s , U t e r o a . 2

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tendste Hinderniss des Prolapsus uteri und der vollständigen Retroversion. Diese soll erst nach Durchschneidungder genannten Ligamente an der Leiche zu Stande kommen.

Aran (1. c.) giebt an, dass die Ligamenta utero-sacraliaerschlaffen, wenn man das Collum uteri nach hintendrängt oder den Fundus nach vorne senkt und sichspannen bei Tractionen nach oben und vorne so wienach unten und vorne. Sie entspringen nach ihm in einer Höhe von 4 bis 8 cm von der Mitte der Kreuzbeinhöhlung an bis zum letzten oder vorletzten Lendenwirbel, und inseriren sich auch ausnahmsweise an den Mastdarm.

Klob1) sagt: „Sie verhindern zunächst ein zu bedeutendes Vorwärtsbewegen des Uteruscervix unddamit ein bedeutendes Ausweichen des Uterusgrundes nach rückwärts und es bestimmt mich der Umstand, dass sich dieselben bei Anfüllung des Rec-tums stärker spannen, zu der Annahme, dass beiletzterem Zustande ein sonst unabweislicher Druckdes Cervix auf den Blasenhals unmöglich gemacht,und dass das in jener Gegend schon immer median gelagerte Rectum zugleich an einer viel bedeutenderenAusdehnung verhindert und gezwungen wird, sichmehr in die Breite zu entwickeln, weil eben der herangezogene Cervix der Ausdehnung nach vorne sodanneinen festen Widerstand entgegenstellt."

Herrgott2) giebt eine vortreffliche Beschreibung derWirkungsweise des Beckenbodens und der Ligamente. Sielautet ins Deutsche übertragen: „Wenn man bei der Leicheversucht, den Uterus mit der Museux'schen Zangegegen die Vulva herabzuziehen, sieht man, wie sichalsbald derBeckenboden als Ganzes senkt. Prüfen wir,was von Seiten des Abdomen vor sich geht, so sehenwir, dass sich zuerst die Ligamenta utero-sacraliaspannen, darauf, wenn die Tract ionen fortgesetztwerden, die beiden Mutterbänder. Was die Ligamenta

1) Path. Anatomie der weiblichen Sexualorgane pag. 51.2) L. c. pag. 34.

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rotunda betrifft, so erfahren sie keine Spannung, essei denn, dass die Tractionen sehr kräftig seien; indiesem Falle steigt das ganze Peritonaeum an denBeckenwänden herab."

Die grosse Wichtigkeit der Ligamenta sacro-uterinaist nach diesen Experimenten einleuchtend; neben demBeckenboden sind sie es, welche die Lage des Uteruswesentlich bestimmen dadurch, dass sie die Portiovaginal is nach hinten und oben fixi ren. Die vonLusohka in diesen Ligamenten entdeckten Muskelfasern könnenihre active Verkürzung bewirken und dadurch ein Heben desUterus nach hinten und oben zu Stande bringen.

Ich habe die von Savage und Herrgott gemachtenExperimente an Leichen wiederholt und kann ihre Angabenbestätigen. Zieht man nämlich die Portio vaginalis mit derMuseux'sehen Zange nach dem Introitus hin, so dreht sichder Uterus um die beiden Bases der Ligamenta lata,und hierbei spannen sich die Ligg. sacro-uterina,während sich das Gewebe an der Basis der Ligg. latatorquirt, aufrollt, entgegen der Elasticität, so dassdiese beiden Kräfte den, etwa durch die Blasenfüllung nach hinten gedrängten, Uterus wiederum zuantevertiren bestrebt sind. Wie massig diese Partien derLigamenta lata sind, weiss jeder, der sie behufs der Uterus-exstirpation unterbinden musste, und lässt sich am exstirpirtenUterus sowie an jeder Leiche und sogar an der Lebendenleicht constatiren. Sie bilden die Hauptmasse für dieBefestigung des Uterus im Becken und werden inder Anteversionserhaltung desselben von den Ligg.sacro-uterinis unterstützt. Ihre Function und Beschreibung vergleiche gleich unten.

Die Ligamenta lata können nach Mannel durchschnittenwerden, ohne dass dadurch die Lage des Uterus beeinflusstwird und erst an dritter Stelle werden sie angespannt,wenn man, wie wir oben sahen, mit der Museux'schen Zangeden Uterus gegen die Vulva zerrt. Die nöthige Beweglichkeit des Uterus nach vorne und hinten erfordert diese Beschaffenheit der Alae vespertilionis, und die sind hier gemeint, wie gewöhnlich, wenn von Ligg. latis die Rede ist.

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Die Bases der Ligamenta lata hingegen spieleneine so wichtige Rolle in der Frage der Befestigungdes Uterus, dass man sie mit mehr Recht als besondere Ligamente benennen darf als die Ligg. rotunda.Sie bilden die Axe des Uterus und könnten ihrer Wichtigkeit halber Ligamenta cardinalia genannt werden.Sie bilden nach meiner Meinung das materielle Substrat der Aran1 sehen Axe und bedingen die normalesog. Anteversionslage an erster Stelle.

Wir fanden die Alae vespertilionis bei Leichen ebenfallsstets schlaff rechts und links vom Uterus liegend, sodass ihnen jeder Einfluss auf die Lage des Uterus abgesprochen werden musste. Obgleich die Schlaffheit beider geöffneten Leiche durch die Entspannung des Peritonaeumwohl noch vermehrt sein mag, so gelingt es doch auch beimAnziehen des Peritonaeum nicht, ihnen eine straffe Beschaffenheit zu geben.

Diese Beobachtungen, sowie die Palpation an der Lebenden widersprechen daher unbedingt der Anschauung, es seider Uterus durch diese Ligamenta gleichsam in aufrechterSchwebe gehalten, und können auch die von Luschka inihnen entdeckten Muskelfasern solches Schweben nicht bewirken, während, wie erwähnt, ihre Bases den Uterus tragen, und hierzu die nöthige Kraft besitzen.

Die Ligamenta rotunda enthalten Muskelfasern beiderGattungen. (Lieberkühn vergl. Martin1).)

Bei einem Experimente von Spiegelberg an der Leicheeiner erst kurze Zeit vorher Hingerichteten führte ihre Contraction den Uterus der Symphyse zu. Diese Ligamente bewirken also, wenn activ contrahirt, dasselbe wie die Ligg. cardinalia und die erwähnten Ligg. sacro-uterina; sie thun diessowohl durch ihre activen Contractionen, als durch ihren, Widerstand bei Jungfrauen, sobald der Uterus sehr weit nachhinten gebracht wird.

Bei den Versuchen, an Leichen von Jungfrauenden Uterus nach hinten in complete Retroversionoder Retroflexion zu bringen, sah ich sie sich straff

i) Die Neigungen und Beugungen der Gebärmutter. 1870.

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anspannen. Sie halten den Uterus besonders fest ander sich ausdehnenden Blase, weil hier die Blase eineQuerspannung derselben bedingt. Bei Frauen, die geboren hatten, fand ich dasselbe wie Seyfert, Sae-xinger und Brei sky.

Saexinger J) giebt an, dass bei seinen gemeinschaftlichmit Breisky und früher schon von Seyfert angestellten Experimenten, bei normaler Länge der runden Mutterbänderselbst bei der grössten Ausdehnung der Harnblase,der Grund des Uterus durch die Ligamenta rotunda nachvorn nicht gezerrt wird. Auch hier ist jedoch die Entspannung bei der geöffneten Leiche zu berücksichtigen.

Die Plicae vesico-uterinae oder die Ligamenta pubo-vesico-uterina (Hyrtl) enthalten nach Luschka wie dieandern Muskelfasern, empfangen Fasern der Beckenbinde(Klob) und treten, wie dies für die Ligamenta sacro-uterina(Virchow) ebenfalls gilt, dicht unter der Uebergangsstelle desKörpers in die Cervix an den Uterus. Ihre Contraction würdedie Cervix anteponiren, wie die Contraction der ihnen vis-ä-vis inserirten Ligamenta sacro-uterinae die Cervix retro-ponirt; sie sind sonach in dieser Beziehung Antagonisten.Ihre geringe Entwickelung lässt sie jedoch nur als schwacheVerstärkung des Beckenbodens erscheinen.

Damm und Scheide wurden von Hohl (vergl. Aran1. c. p. 980) bei der Leiche entfernt, ohne dass der Uterusseine Stelle verliess, sie sind also für die Befestigung desUterus von keinem directen Werth; wohl von einer indirectengrossen Bedeutung, insofern sie das über ihnen befindlicheZelt des Beckenbodens stützen und so vor Erschlaffungenschützen, wie wir denn nach Perinealrissen häufig Dislo-cationen, Descensus und Prolaps entstehen sehen.

Der obere Beckenboden, — d. h. die vom Peritonaeumbedeckte Gewebeschicht, welche die Bases der Ligamenta lata,die uterinen Enden der Ligg. sacra-uterina, die Vesico-uterinae,die hintere Blasen- und vordere Mastdarmwand, alle unter sichverbunden durch Bindegewebsfasern und das Peritonaeum,welches letztere sich als ein nicht zu unterschätzender Factor

1) Prager Vierteljahrsschrift. Bd. in j866. pag. 66.

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in diesem Stützapparate zeigt, enthält, — umfasst den Uterusin der Gegend des innern Muttermundes und trägt ihn, wesentlich durch die beiden oben erwähnten festen bis fingerdicken Bases der Ligamenta lata (Ligg. cardinalia),welche die wirkl ichen Drehpunkte für die Uterusmechanik bilden.

Aus diesen anatomischen Daten und den erwähnten Exper imenten geht hervor, dass der Uteruskörper von der Höhe des innern Muttermundes ab,oder besser etwas unterhalb desselben, nicht gestützt wird, dadieAlae vespertilionis schlaff und dieLigg. retunda als deren oberer Rand ebenfalls schlaffneben demselben l iegen, also der Körper seinerSchwere in der geöffneten Leiche folgen könnte,wenn er am innern Muttermund sehr beweglich, flexibel wäre.

§3.Bestrebungen die normale Lage des Uterusfestzustellen. — Methoden. — Herrgott. — Holst.— Goupil. — Le Gendre. — Wir.

Bestrebungen, durch genaue Untersuchungsmethoden dieLage einzelner Punkte des Uteruskörpers zu bestimmen,finden wir nur spärlich in der Litteratur verzeichnet. Punkte,welche naturgemäss gewählt wurden, waren die beiden Endpunkte des Organs, die Portio vaginalis und der Fundusuteri. Die Lage der Portio vaginalis suchten Herrgott1) undHolst2) genauer festzustellen und von den Franzosen, Goupil3).

Schöne Experimente über die Lage des Uterus sindvon Sappey4) angestellt worden. Von grösster Wichtigkeit

i) l. c2) Ueber den Stand des Scheidentheils im Becken. Beiträge zur Gynae

kologie und Geburtskunde. Heft I, pag. 150.3) Clinique me'd. sur les maladies des femmes. Bernutz et Goupil»4) Traitä d'Anat. descript. T. III, 3me et derniere fascicule. 1864. pag, 662.

Vergl. Herrgott 1. c. pag. 28 u. 30.

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zur Bestimmung der Lage des Fundus ist ferner eine Abbildung von Le Gendre1), worauf wir später zurückkommenwerden.

Herrgott (1. c.) war bemüht, die normale Lage der Portiovaginalis durch Untersuchungen bei der Lebenden und derLeiche festzustellen. Nachdem er vorausgeschickt, dass derUterus normaler Weise nicht in der Mitte der Beckenhöhle,nicht in der Axe des Beckens gelegen sei, dass sein Fundussich tiefer unter der Ebene der oberen Beckenapertur befinde,als man gewöhnlich anzunehmen pflege, sagt er: „Bei unsernUntersuchungen haben wir fast constant den Uterusnach hinten von der Beckenaxe gefunden, den Halsim Niveau der Verbindung des letzten Sacralwirbelsmit dem Steissbein aufruhend, etwas nach rechtsabgewichen und etwa ein bis zwei Ctm. von der hintern Beckenwand entfernt."

Er erwähnt an dieser Stelle einer Abbildung Hünters2),welche die Lage des Halses so wiedergiebt, wie sie von ihmbeschrieben wurde und widerlegt die Einwände, welche sichmachen Hessen, da Hünter die Uteruslage einer kurz vorherEntbundenen wiedergiebt.

Der Fehler, den Herrgott beging, war, dass er sichmit der genauen Bestimmung der Lage der Portio vaginalis,welche sehr richtig war, begnügte und daraus diejenige desganzen Organes construirte, während zwei Punkte zur Bestimmung einer graden Linie erforderlich sind.

Holst3) erwähnt zunächst, dass sich durch anatomischeUntersuchungen der Stand der Portio vaginalis nicht ermittelnlasse, weil bei der Eröffnung von oben oder unten oder vonder Seite her der Scheidentheil aus seiner Lage gebracht werde.

Am skelettirten Becken oder durch Zeichnungen lassesich die Lage dieses Theiles recht gut ermitteln und con-struiren.

Leider betrachtete nun Holst (1. c.) es ebenfalls als Axiom,dass der Uteruskörper in der Beckenaxe oder etwas hinter

i) Taf. X seines homolographischen Werkes, siehe Herrgott 1. c. pag.23.2) Anat. uteri humani gravidi tabulis illustrata. 1774.3) 1. c. pag. 150.

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derselben gelegen sei und giebt daher folgende Beschreibungseines Verfahrens, die normale Lage zu finden: „Zeichnenwir uns einen Beckendurchschnitt, der das Beckenin zwei seitliche Hälften spaltet, ziehen die Conjugata, fä l len auf den Mi t te lpunkt oder e in wenighinter denselben von der Beckenhöhle her ein Lothund bezeichnen an dieser Linie die Länge des Organs, die nach Schhepf1) bei Jungfrauen zwischen 16und 40 Jahren im Mittel 0,052 M., bei Frauen, die geboren haben, im Mittel 0,075 M. beträgt, so muss dieStelle des äussern Muttermundes hiermit wenigstensannähernd genau bezeichnet sein, und stimmt genaumit der Stelle wie wir sie uns an skelettirten Beckennach den folgenden Angaben construiren können."

Wie wahr es ist, dass die hierbei gefundene Stelle für denäussern Muttermund annähernd die normale ist, so beweistdies dennoch nichts für die Lage des Körpers, da wir ihn,wenn seine Portio vaginalis den Mittelpunkt bildet, als Radius um diesen gefundenen Punkt bewegen und soeinen Kreisbogen beschreiben können, der einemmehr als 900 messenden Winkel entspricht, eine Ex-cursionsbreite, die dem Uterus normaler Weise zukommt, welche jedoch, wenn wir jedesmal den Uterusum einen ganzen Grad eleviren, schon 90 verschiedeneLagen umfasst, die alle die von Holst gefundenenBedingungen bezüglich der Portio vag. erfüllen.

Holst kennzeichnet mit Recht die gewöhnliche Bestimmungsweise des hohen oder tiefen Standes der Portio vaginalis als ungenügend. Er wählt daher an der hintern Beckenwand bestimmbare Punkte behufs genauer Feststellung derLage der Portio vaginalis. Von diesen sind die wichtigstendie Spinae ischii, die allerdings meist leicht palpabel, während die andern schwieriger genau zu erkennen sind.

Die Höhe der Portio vaginalis ist in der Rückenlage derFrauen nicht so schwer zu bestimmen, wie Holst glaubt, daman von dem untern Rande der Symphyse den gestrecktenFinger dicht unter der Vaginalportion weg bis zum Kreuz-

1) Arch. gen. de m£d. 1854. I, 1, pag. 549.

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bein durchfuhren kann, eine Methode, die wir zur Bestimmung der Lage benutzt haben. Man braucht alsdann blossden Punkt des Kreuzbeins, auf welchen die Fingerspitze stösst,festzustellen, um genau die Beckenebene angeben zu können,in welcher der Scheidentheil liegt.

Die ungünstigen Ansichten Hoist's bezüglich dieser Methode, den Abstand der Portio vaginalis vom Scheideneingangzu bestimmen, können wir daher nicht theilen. Sie ist die einfachste und gehörig ausgeführt sehr zuverlässig.

In den Resultaten stimmen die Beobachtungen von Holstmit denen Herrgotts genau überein: „Der Hals ruht imNiveau der Verbindung des letzten Sacralwirbels mitdem Steissbein, etwas nach rechts abgewichen, etwaein bis zwei Ctm. von der hintern Beckenwand entfernt", sagt Herrgott , und Holst: „Wir f inden diePortio vaginalis in normaler Lage ganz entsprechendder obigen neben der Spina ischii oft noch etwashinter und über derselben."

Sappey1) suchte die Lage des Uterus dadurch zu bestimmen, dass er einen graden spitzen Schaft bei aufgerichteter Leiche dicht über der Symphyse horizontaldurchführte. Bei sechs Leichen ging der Schaft einMal über den Uterus weg, durchbohrte zwei Mal inder obern Hälfte das Corpus, zwei Mal in der Mitteund ein Mal in seiner untern Hälfte.

Diese Versuche sind leider nicht genau genug beschrieben,um feststellen zu können, in welcher Weise die Leiche aufrechtgestellt und ob dieselben bei secirten oder intacten Leichenausgeführt wurden; auch ist nicht ausfindig zu machen, inwelcher Lage sich die Uteri bei den Leichen befanden.

Wir haben bei unsern später anzuführenden Versuchen die Leichen am Halse oder unter den Armengefasst, aufgehängt, so dass die Füsse den Fussbodennicht berührten. Auf diese Weise glaubten wir eineder normalen Lage in der stehenden Frau möglichstgleichkommende Lage des Uterus zu bedingen undwerthvolle Resultate erzielen zu können.

i ) l .

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Bei Frauen, .die geboren haben, sind sie sehr oft retro-vertirt. Auch hebt der Schaft leicht den Uterus an, wenn erseine vordere Fläche erreicht, falls die Leichen, wie es hierder Fall war, vorher nicht zum gefrieren gebracht wurden.

Immerhin aber geht aus diesen Experimenten hervor, dassder Uterus grösstentheils oder sogar ganz unter der durchden Schaft bestimmten Ebene gelegen war.

Diese Ebene, welche auch in der Tafel von LeGendre1)zur Sprache kommt und Malgaigne als stets viel vom Uterusüberragt angab, nennen wir im Folgenden kurz, die „Sappey-sche Ebene".

LeGendre3) legte einen Schnitt einen Ctm. über der Symphyse bei der gefrorenen Leiche vertical an und dabei wurdenur eben der Fundus uteri tangirt. Hier liegt also derUterus ebenfalls fast ganz unter dieser Sappey'schen Ebene.

Die übrigen von Andern ausgeführten Durchschnittean gefrorenen Leichen liefern sehr werthvolle Beiträge zurTopographie der Beckenorgane, aber leider wurden sie wenigerzur Bestimmung der normalen Lage als zum Zweck, die Einwirkungen der Nachbarorgane im gefüllten Zustande festzustellen, angefertigt.

Bei Wöchnerinnen die Lage und Gestalt des Uterus zuermitteln, wurde von Schröder, Winkel, Cred6 undAbeggu. A. versucht. Zahlreiche von uns vorgenommene Untersuchungen ergaben, dass Anteversionen fast constant beiWöchnerinnen vorhanden sind.

Der Uterus liegt mit seiner Portio vaginalis alsonach hinten gerichtet vor der Verbindung des Kreuz-und Steissbeines (Herrgott und Holst) und mit seinemFundus unter oder in der Sappey'schen Ebene. (Sappeyund Le Gendre.)

Die Untersuchungen, welche wir an aufgehängtenLeichen anstellten und gleiche Resultate ergaben, werdenspäter mitgetheilt, ebenso die oben erwähnte von Goupil bereits befolgte Messungsmethode.

1) 1. c. Taf. X.2) 1. c.

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§4.Untersuchungen an der Lebenden. — Methodeder Messung. — Untersuchung von Wöchnerinnen. — Halbschematische Abbildung.

Einige von den vielen an Lebenden gemachten Untersuchungen, welche mich in der Ansicht, die sogenannte Anteversion sei die normale Lage des Uterus, besonders bestärkt haben,sei mir erlaubt, kurz anzuführen. Sie sind desshalb von Interesse,weil sie Befunde bei Frauen, die an keinerlei Anomaliender innern Generationsorgane litten, betreffen. Solcheganz normale Frauen zu untersuchen bietet sich selten Gelegenheit, da die den Frauenarzt zu Rathe ziehenden Krankeneben meist durch Leiden der innern Geschlechtsorgane dazuveranlasst werden. Sie sind werthvoller als diejenigen Befunde,welche von Panas an mit Syphilis behafteten, meist Ex-cessen in Venere ergebenen Frauen erhoben worden sind.Zur Bestimmung der normalen Lage und Form behalten zwardie von Panas untersuchten Fälle immer einen sehr grossenWerth. Sie ergaben die Anteversio als normale Lage und eineleichte Biegung über die vordere Fläche „Antecurvatio"(Antecourbure der Franzosen) als normale Form, eine Biegung,die geringer ist als die bei der sogenannten retortenförmigenAnteflexion.

Die erwähnten Frauen waren durchaus schmerzfrei men-struirt, ein Postulat für ganz normale Fälle. Damit soll nichtgesagt sein, dass nun alle Inhaberinnen vollkommen normalgelagerter Generationsorgane ohne jegliche Beschwerde men-struirt sein müssen. Es kann im Gegentheil nicht auffallen,dass schon die normale menstruale Hyperaemie die Rexis ander innern Oberfläche, die Stauung vor reichlicher Blutabsonderung Unbehagen bei diesen Vorgängen verursachen, wieauch umgekehrt bei vorhandener Dislocation und Malformationund spärlicher blutiger und schleimiger Secretion keine Beschwerden aufzutreten brauchen. Die Thatsache, dass einegrosse Anzahl von Frauen von der menstrualen Blutung wörtlich überrascht wird und während 5—6 Tagen ohne jeglicheG£ne menstruirt bleiben, muss einen solchen Menstruationsverlauf als den Typus des physiologischen Vorganges gelten

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lassen, selbst wenn nur eine geringe Anzahl der Frauen sicheines solchen Verlaufes erfreuen können.

Der erste Fall betrifft ein junges achtzehnjähriges Mädchen.Dieses kam, weil es für schwanger gehalten wurde, zur Untersuchung. Es stellte sieh heraus, dass keine Schwangerschaftvorlag. Der Hymen war verletzt, die Menstruation regelmässigeingetreten und zuletzt vor 14 Tagen dagewesen, ganz normal,ohne alle Beschwerden verlaufen. Der jungfräuliche Uterusbefand sich in vollständiger Anteversionslage, d. h.er lag bei leerer Harnblase und leerem Rectum so,dass sein Fundus gegen den obern Theil der Symphyseund seine Portio vaginalis gegen den untern des Ossacrum gerichtet war. Die Untersuchung wurde in derRückenlage vorgenommen. Die Form des Uterus war einesolche, dass derselbe sehr wenig über die vordereFläche gekrümmt, die hintere Fläche leicht convexwar. Die Sonde glitt ohne anzustossen bis zum Knopfin das Cavum uteri hinauf.

Ein anderer betraf eine junge Frau, welche nie geboren hatte, an Vaginismus litt, vollkommen gesund undohne Schmerz menstruirt war. Der Uterus befand sich incompleter Anteversionsstellung genau wie im obigen,die Gebärmutter zeigte die normale Grösse. Seine Formwar ebenfalls dieselbe wie oben beschrieben, leicht über dievordere Fläche gebogen, die hintere leicht convex. Die Sondeglitt ebenso leicht in das Uterincavum hinein. Die Schleimhaut der Cervix ganz normal, ebenso die der Portio vaginalisund der Scheide, nur die Vulva war hyperämisch und beiBerührungen schmerzhaft.

Ein dritter Fall, den ich eingehend untersuchte und beiwelchem ich die Lage sehr genau bestimmte, ist dieser:Eine 22 Jahre alte, seit zwei Jahren verheirathete Frau,gross, gesund, litt bei den Cohabitationsversuchen an heftigenSchmerzen. Sie concipirte nie, eine Immissio hatte nie stattgefunden, der Hymen war intact. An Menstruationsbeschwerdenlitt sie nie, ebensowenig an Blasen- und Mastdarmbeschwerden. Ich hatte also allen Grund, eine ganz normaleLage und Form des Uterus bei ihr zu vermuthen, da die Patientin nur über die gesteigerte Sensibilität der Vulva klagte.

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Die Untersuchung ergab, was erwartet: Der Uterus lagmi t dem Fundus h in te r der Symphyse , m i t de rPortio vaginalis vollständig nach hinten gerichtet,während er nur sehr wenig über die vordere Flächegebogen und nach oben eine leicht convexe Oberflächeaufwies.

Da ich diesen Fall als ein Prototyp der normalen Lageund Form des Uterus betrachtete, legte ich ihn der angefügtenTafel I, welche die normale Lage darstellt, zu Grunde. Siegiebt also bildlich den hier beschriebenen Fall wieder.

Solche Fälle, wo Vaginismus das einzige Krankheitssymptom bildete, boten mir oft Gelegenheit, genau den ebenbeschriebenen Befund der Lage des Uterus zu erheben.

Bei den vorgenommenen Messungen wurde in folgenderWeise verfahren: Zunächst ward der Abstand der vordemMuttermundslippe und des vordem Scheidengewölbes von demArcus pubis, genauer, von dem untern scharfen Randedes Ligamentum arcuatum pubis rechts von der Urethragemessen. Dann der Abstand des Frenulum labiorum bis zurvordem Lippe und zum hintern Scheidengewölbe. Leiderhabe ich früher nicht die Tiefe des hintern Cul de sac auchvon dem eben genannten festen Punkte rechts von der Urethraaus gemessen, welches Verfahren schon Goupill) eingeschlagen hat. Er giebt zwar den vordem Messpunkt nicht genaueran und spricht nur vom „orifice vaginal''. Aus den geliefertenZeichnungen geht jedoch hervor, dass er einen Punkt amvordem Umfange des Orificum vaginae benutzte, und so istes denn sehr wahrscheinlich, dass er denselben Punkt zuseinen Messungen wählte.

Zum Zwecke genauer Maassbestimmung halte ich ihndenn auch für den geeignetsten. Es wurde wie beim Messender Conjugata diagonalis des Beckens mit dem Zeigefinger derrechten Hand nach der Vorschrift von Michaelis eine Marke,in den sanft eingeführten und ohne Druck an den Punkt,dessen Abstand vom Rande des Arcus gemessen werdensollte, gelegten Zeigefinger der linken Hand geschnitten.

i) 1. c. Tom. II, pag. 595.

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Ausserdem wurden die Messungen mittelst der Valle ix'sehenSonde controlirt.

Man kann auf diese Art ebenfalls, wie schon oben bemerkt, leicht die Beckenebene bestimmen, in welcher diePortio vaginalis liegt.

Die Resultate, welche Holst und Herrgott (siehe oben)bezüglich der Lage der Portio vaginalis erzielten, stimmengenau mit den unseligen überein. Die Verbindungslinie derSpinae ischii geht nämlich in einer Entfernung von etwa3 Centimeter vor der hintern Beckenwand weg und da Holstangiebt, dass die Portio vaginalis oft noch etwas hinter dieserLinie liegt, so finden wir den Abstand des Scheidentheils vonder hinteren Beckenwand wie bei Herrgott1) etwa gleich2 Centimeter. Bei der normalen Beckenneigung nun liegt dieoben erwähnte Linie in einer Horizontalebene, die ungefährdie Articulatio sacro-coccygea, oder doch die Verbindungzwischen dem ersten und zweiten Steissbeinknochen schneidet.Da auch Holst oft die Portio vaginalis noch etwas überdieser Linie gelegen fand, so muss der Scheidentheil gegenden letzten Kreuzbeinwirbel oder doch nicht tiefer als gegenden ersten Steissbeinknochen resp. etwas nach rechts oder linksvon demselben gerichtet sein.

Genau zu demselben Resultate führten unsereBeobachtungen an der Lebenden, die Portio vaginaliswar nach hinten gegen den letzten Kreuz- oder erstenSteisswirbel gerichtet und wurde dieser Stand wiefolgt best immt:

Bei den in der Rückenlage befindlichen Frauenwurde der Zeigefinger der linken Hand in die Vaginaeingeführt und ohne die Lage der Theile zu beeinflussen, die Spitze desselben an die vordere (untere)Lippe des Uterus gelegt und ihr Abstand vom unternRande der Symphyse rechts von der Urethra, wieoben angegeben, gemessen. In derselben Weise wurdeder Abstand des vordem Cul de sac vom Schambeinbogen bestimmt und im Uebrigen wie beschriebenverfahren. Um die Beckenebene oder vielmehr den-

i ) l .

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jenigen Theil der hintern Beckenwand, welchem dieVaginalport ion gegenüberlag, festzustel len, wurdeder Zeigefinger so unter dieselbe weggeführt, dassder Uterus seine obere radiale Seite eben berührteund aus seiner Lage nicht verdrängt wurde. Es lagalsdann der vordere Rand der vorderen Muttermundslippe auf dem eingeführten Finger auf, undbeim weitern Durchführen desselben konnte nun ohnedas hintere Cul de sac so sehr, dass dadurch dieLage des Organes beeinflusst worden wäre, auszudehnen, die hintere Beckenwand erreicht werden.Gegen den einmal erreichten Punkt wurde alsdannder Finger fest angedrückt und durch die combinirteinnere und äussere Palpation, das Zählen der Steiss-und Kreuzbeinwirbel etc. die Stelle, welche er berührte, bestimmt. Es war entweder der letzte Kreuzoder der erste Steissbeinwirbel in allen Fällen, wowie in den drei erwähnten eine normale Lage mitgrösster Wahrschein l ichkei t angenommen werdenmusste.

Man kann auf diese Art auch den Abstand des Scheidentheils von der hintern Beckenwand ziemlich genau messen, wenn man sich nach dem Gefühle merkt, auf welcherPhalanx und auf welchem Theil derselben die Portiovaginalis ruht, oder mit der Sonde diesen Punkt feststellt.Es war bei normal gelagertem Uterus etwa die Mitte derzweiten Fingerphalange, also praeter propter drei Centimetervon der Fingerspitze entfernt, entsprechend den Resultatenvon Herrgott und Holst. Die gefundenen Maasse warenin allen untersuchten Fällen, mit nur geringen Abweichungen,dieselben, wie in dem unserer Abbildung des Situs normalisTafel I zu Grunde gelegten folgende:

vom Arcus pubis zum vordem Cul de sac 8V2 Ctm.„ „ „ z u r „ L i p p e 9„ F r e n u l u m z u r v o r d e m L i p p e 7 „„ „ z u m h i n t e r n C u l d e s a c 1 1 „

Es war mithin die vordere Scheidenwand in situ 8V2 Centimeter, die hintere 11 Centimeter lang.

In der aufrechten Stellung der Untersuchten änderten sich

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die Maasse nicht, wenigstens nicht so, dass bei wiederholtenMessungen ein Schwanken derselben von mehr als 0,5 Ctm.hätte constatirt werden können. Eine geringe Abnahme obigerZahlen für die aufrechte Körperstellung schien mir aus theoretischen Gründen wahrscheinlich, da beim Stehen der Untersuchten der Intraabdominaldruck auf dem Beckenboden grösserwird.

Es war jedoch nicht im erwarteten Maasse der Fall.Wesshalb, ergiebt sich aus später näher zu erörternden Gründen, nach denen eine Hebelwirkung beim aufrechten Stehenden Fundus des normal gelagerten Uterus nach abwärts, dafüraber die Portio vaginalis etwas nach aufwärts treten macht,wodurch die Wirkung des Druckes auf die Portio compen-sirt wird.

Dieser Effect kann bei nach hinten dislocirtem Corpusuteri nicht eintreten; hier sinkt denn auch, wie wir uns oftdavon überzeugten, die Portio vaginalis tiefer im Scheidenkanal herab, wenn die Frauen sich aufrichten.

Im Uebrigen ist der Uterus in unserer Tafel wie unternormalen Bedingungen nicht geknickt, er liegt auf dem vorderen Scheidengewölbe auf, die vordere und hintere Scheidenwand berühren sich überall innig, die Portio vaginalis ruhtnach hinten gerichtet mit der vorderen Lippe auf der hinteren Scheidenwand auf, diese Lippe wird zuerst vom eingeführten Finger erreicht. Bei aufrechter Stellung des Körperswürde ein durch die Analöffnung errichtetes Perpendikel etwadie Mitte der untern Uterusfläche treffen. Der Scheidenkanalsteigt bei dieser Körperhaltung von vorne und unten sehrstark nach hinten und oben. Es will mir sogar scheinen,dass der Fundus in der aufrechten Stellung der Nullipara etwas tiefer liegt, als die Portio vaginalis; jedenfalls aber liegt er nie höher. Das vordere Scheidengewölbe ist nur angedeutet und nicht so weit vom arcus entfernt, wie die vordere Lippe (8V2 u. 9 cm siehe oben).

Den Untersuchungen von Schroeder, Winkel, Cr6d6und Abb egg über die Lage des Uterus bei Wöchnerinnenkönnen wir Erfahrungen über die Lage des Uterus inden ersten Wochen nach der Entbindung hinzufügen.Untersuchungen von mehreren Hundert Wöchnerinnen, welche

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vor dem 13. Tage des Wochenbettes vorgenommen wurden,ergaben, dass Anteversio-flexionen fast constant anzutreffen sind. Da wir den Sitz der Placenta jedesmal feststellten, so wurden die Anteflexionswinkel durch den in dasUterincavum eingeführten Finger direct palpirt und musstemeist der anteflectirte Körper durch die aussen cooperirendeHand nach hinten gehoben werden, um die Wände des Cavumuteri genau betasten zu können. Es war die Anteflexio colli beivergrössertem Organ. Man kann bei diesen Lagen auch imhintern Cul de sac den vergrösserten Uteruskörper durchfühlen, nicht minder rechts und links in der Scheide, alleines verläuft die Axe der Höhle des Körpers bei denWöchnerinnen der dritten Woche schon so, dass sievor der Axe des Beckens gelegen ist und dass ihreVerlängerung, wenn nicht den obern Theil der Symphyse, so doch dicht über derselben die Linea albaresp. eine etwas seitlich von ihr gelegene Linie kreuzt.

Waren erkrankte Wöchnerinnen genöthigt, mehrereWochen hindurch die Rückenlage beizubehalten, so bildetensich sehr häufig Retroversionen aus, eine Wirkung der Schweredes vergrösserten Organes.

In der angefügten Tafel I war ich bestrebt, die normaleLage des Uterus bei ganz leeren Nachbarorganen wiederzugeben und gleichzeitig die Wirkungsweise des Ligamentum sacro-uterinum zu illustriren. Dieser halbschemati-schen Zeichnung diente der Durchschnitt Tafel III des Supplementbandes zum topographischen Atlas von Braune als Grundlage. Das Ligamentum sacro-uterinum liegt nicht in derhier abgebildeten Medianebene und wurde deshalb punktirtdargestellt.

Naturgemäss schwankt die Lage des Uterus zum Horizonte in etwa mit dem Grade der Beckenneigung.

Bezüglich der Form des Uterus in dieser Abbildung istnoch zu bemerken, dass sie die physiologische Biegung einesjungfräulichen normalen Uterus wiedergiebt, wie wir ihn obenbeschrieben. Die Abbildung giebt die einzelnen Theile inihrer natürlichen Grösse wieder.

Für d ie Prax is dar f man h iernach im Al lgemeinen annehmen, dass, wo die vordere Lippe we-

K o c k s , U t e r u s . 2

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niger als 6—7 Centimeter vom untern Rande desArcus entfernt liegt, wir es mit einer abnormen Lagezu thun haben (Anteflexio colli, Retroversio, Retro-flexio, Descensues), ebenso da, wo die Entfernungdieses Maass sehr überschreitet oder die Portio beträchtlich über oder unter der erwähnten Ebene liegt(Anteflexio retroposita).

Es ist deshalb wichtig, auf diesen Umstand von vorneherein bei den Untersuchungen sein Augenmerk zu richten,weil man sonst leicht bei Vornahme der gebräuchlichen com-binirten Untersuchung mit dem eingeführten Finger den Uterusnach hinten und oben drängt, dadurch die Lage des ganzenOrganes im Beckenraume ändert und so zwar die Gestaltsveränderung diagnosticirt, aber die ebenso wichtige Abweichung des Organes als Ganzes von der normalen Lageübersieht. Die so werthvolle bimanuelle Untersuchung hat alsoden Nachtheil, dass man geneigt wird, dem Stande der Portiovaginalis in der Scheide weniger Aufmerksamkeit zu schenken,als dies wünschenswerth. Man sollte es sich daher zur Regelmachen, nicht eher die combinirte Palpation vorzunehmen,bis man die Entfernung der vorderen Lippe vom Arcus pubisgemessen hat.

§ 5.Untersuchungen und Experimente an Leichen. —Beschreibung derselben.

Im Folgenden theilen wir die Leichenbefunde und Experimente, welche mit besonderer Rücksicht auf die uns beschäftigende Frage erhoben und angestellt wurden, mit. Leidereigneten sich nur sehr wenig Leichen zu Versuchen, und vonden Untersuchten boten viele, die in sonstiger Beziehung fürden Gynaekologen manches aufwiesen, gar nichts für die Aufklärung det uns gestellten Aufgabe.

Leiche A. Der Cadaver gehörte einer 17jährigen Virgound war theilweise präparirt, die Eingeweide entfernt. DieKörperentwickelung war eine normale, ebenso die der äussern

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Genitalien und der innern Generationsorgane. Die Bauchdecken waren bis zur Symphyse abgetragen, so dass dasBecken vollkommen frei lag. An der linken Seite war derLeistenring von aussen her zerstört und dadurch das Ligamentum rotundum abgelöst. Rechts war es noch adhärent.Ein grosses Stück des leeren Mastdarmes war erhalten. DieBlase war leer. Die übrigen Beckenorgane sind vollkommenintact. Hob man den leeren Mastdarm am obern Ende anund entleerte so den Beckenraum, so blieb der Uterus inseiner Lage unverändert liegen und es entstand nurein retrouteriner freier Raum. Von einer Excavatio konntebei dieser Betrachtung der Theile in situ nicht die Rede sein,sie bestand nicht, obgleich die Leiche auf dem Rücken lagund ein Ligamentum rotundum abgelöst war.

Man sah jetzt die ganze obere (hintere) Fläche des Uterusdurch das ihn bedeckende Peritonaeum deutlich markirt vorsich. Derjenige Theil derselben, welcher hinter (unterhalb)der Insertionsstelle der Ligamenta sacro-uterina lag, wurdebis zur hintern Lippe durch den Tastsinn leicht erkannt. Diesehintere (obere) Fläche bildete mit der Fläche des Secirtisches,auf welchem die Leiche vollkommen horizontal aufruhte, einenWinkel, der etwas grösser als ein rechter war. Von dervorderen Fläche des Uterus sah man nichts aussereinem etwa i Centimeter breiten Streifen der vorderenAbrundung des Fundus, sie lag der leeren Blase dichtund innig an. Die Blase überragte den Fundus nur etwa um2 Centimeter und etwas den obern Rand der Symphyse, sodass der Fundus p. p. 2 Centimeter tiefer als die obere Beckenapertur gelegen war. Der Uterus lag schräg und mit demFundus etwas nach links von der Mittellinie; noch stärkernach links ragte die Portio vaginalis hinüber, während die Blaseein wenig nach rechts mit dem Sehr deutlich entwickeltenGrunde hinüberreichte. Der Mastdarm trat oben links nebender Articulatio sacro - iliaca in das kleine Becken hinein,krümmte sich alsdann nach der Mitte des Kreuzbeines hinund im weitern Verlauf etwas nach rechts, jedoch wenig, sodass hierdurch links vor dem Steissbeine neben dem Mastdarme eine kleine Tasche entstand, nach welcher hin diePortio vaginalis gerichtet ist, diese gleichsam aufnimmt. Mit

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der vorderen Fläche ihrer vorderen Lippe, natürlich mittelbardurch die hintere Scheidenwand, ruhte die Vaginalportion aufdem hier wieder median gelegenen Mastdarme auf.

Uebereinstimmend mit Befunden, welche ich ander Lebenden häuf ig erheben konnte, l iegt obenerwähnte kleine Tasche nach links von der Mittellinie des Steissbeines, also vor diesem und dem linkenLigamentum spinoso-sacrum. Die Plicae semilunares umfassten einen Douglas'schen Raum, der entsprechend der linkenLage des Mastdarmes seine halbkreisförmige Oeffnung nachlinks hin gelegen zeigte. Unter das rechte Horn des Ligamentum sacro-uterinum hinein begab sich der Mastdarm nachrechts. Die Falten der Sacro-uterina waren deutlich an derLeiche ausgebildet, ohne dass dieselbe berührt wurde. Beistärkerem Spannen des Peritoneum durch Zug an seinem vorderen Abschnitte, wie es später vorgenommen wurde, um annähernd die intra vitam vorhandene Spannung dieser Partieherzustellen, streckten sich diese Falten sehr scharf, ebensowenn das Peritonaeum der hinteren Beckenwand durch Zugüber der Lendenwirbelsäule stärker nach oben gezerrtwurde. Sehr deutlich traten diese Spannungsverhältnissezu Tage, wenn gleichzeitig vorne und hinten dieser Zug ausgeübt wurde und eine Ausdehnung des Abdomens angestrebtwurde, wie sie im Leben bestanden haben musste. Die PlicaeDouglasi bildeten die nach hinten und oben gerichtetenRänder beider Ligamenta lata, welche dabei rechts und linksflache Bänder darstellen, deren sogenannte vordere Fläche ebensowenig bei dieser Lage zu sehen war, wie die vordere Flächedes Uterus selbst, sondern schlaff rechts und links von diesemim Becken lagen. Das rechte bedeutend breitere trug überdem in ihm eingebetteten Ureter eine auffallende Vertiefung, Tasche, welche den Eierstock aufnahm und welcheauf der linken Seite fehlte (Eierstocktasche). Den vorderenschrägen Rand beider Ligamenta lata bilden die Ligamentarotunda, und diese befestigen sich am obern Beckenrand vornerechts und links in der Gegend des Tuberculum ileo-pubicum.Die Ligamenta lata l iegen also schlaff zu beidenSeiten des Uterus auf der hinteren Blasen- resp. vorderen Beckenwand auf. Der vordere Rand des Ligamen-

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tum latum, die Ligamenta rotunda waren schlaff, und selbstwenn das abgelöste rechte runde Mutterband an seine frühere Insertionsstelle gebracht und mit dem Peritonaeum angezogen wurde, so blieben dieselben dennoch so wenig angespannt, dass man ihnen bei leerer Blase keine fixirendeWirkung zuerkennen konnte. Man hätte diese sowie die Ligamenta lata in der Mitte durchschneiden können, ohne dassder Uterus seine Lage dabei verändert haben würde.

Den Uteruskörper konnte man mit der grössten Leichtigkeit nach hinten legen, ohne dass diese Ligamente sich spannten, wenn sie gleich folgten. Die Portio cervicaüs behielt dabei ihre Lage bei, bewegte sich also nicht nach vorne, sodass eine Retroversio corporis ohne Anteversio colli entstand.Bei Lebenden kommen Retroflexionen, bei welchen die Portiovaginalis ihre normale nach hinten gerichtete Lage beibehält,äusserst selten vor; gewöhnlich sieht sie gerade nach vorne,liegt in der Axe der Scheide und ist descendirt. Führte manden Zeigefinger in die Scheide, so gelangte man nicht sofortzur Portio vaginalis, sie lag vielmehr weit nach hinten mitnach rückwärts gerichtetem Orificium externum.

Wollte man die Portio vaginalis nach vorne ziehen, sogehörte dazu ein stärkerer Zug. Ein bedeutendes nach vorneFühren derselben bewirkte eine Spannung in den Ligamentissacro uterinis, wie solche von Savage beschrieben wurde.Ob ante mortem die grosse Schlaffheit an der Grenze zwischenKörper und Cervicaltheil bestanden habe, ist schwer zu entscheiden, wenn sie gleich bei Lebenden vorkommt. DieseStelle des Halses war sehr schmal und dünnwandig. Dasganze Organ von vorne nach hinten deutlich abgeplattet undan der dünnen Stelle etwas nach vorne gebogen, jedoch nichtgeknickt.

Die Blase hatte von oben gesehen im leeren Zustandeeine konische Gestalt, welche sie auch bei ihrer Anfüllung mitWasser beibehielt. Bei dieser Ausdehnung gewann dieselbedie Form einer Herzspitze und behielt sie auch bei strafferAnspannung nach Injection von Wasser bei. Im leeren Zustande bildete das Peritonaeum eine quer über die hintereBlasenwand weglaufende Falte, welche sich beim Anfüllenausglich. Das Peritonaeum, welches sich von der Blase zum

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Uterus hinüberschlägt, tritt an denselben ohne Faltenbildunghinan und setzt dem nach hinten tretenden Corpus uterikeinen Widerstand entgegen, da es sich unterhalb der obenerwähnten schlaffen Stelle inserirt. Augenscheinlich wurde diePortio supravaginal uteri nach vorne fixirt, nicht so sehrdurch das schlaffe, die Blase faltig überziehende Peritonaeum,sondern durch ihre bindegewebige Verbindung nach vornemit der hintern Blasenwand. Seitlich wurde die Lage durchdie straffen dicken Bases der Ligamenta lata und hintendurch die Sacro-uterina fixirt.

Das Anfüllen der Harnblase geschah durch einfachesHineinleiten von Wasser durch ein elastisches Rohr aus einemetwa einen Meter hoch gehaltenen Gefässe. Die Blase dehntesich bis etwa zum Umfange eines mittelgrossen Apfels; danngenügte auch ein Heben des Gefässes nicht mehr, eine weitereAusdehnung hervorzurufen.

Nach dem Entfernen der Canule begann der Inhalt abzu-fliessen, wurde jedoch durch Compression der Harnröhre daranverhindert. Darauf wurde unter stärkerem Drucke mittelsteiner grossen Injectionsspritze die Blase bis zum Umfangeeiner starken Faust ausgedehnt, wobei der Uterus beständigin engem Contacte mit der Blase bleibend, nach rückwärts wich. Die Ligamenta rotunda und der vordereRand der Ligamenta lata legten sich rechts und linksum die Blase herum. Die Ligamenta lata werden entfaltet ; die Eierstöcke und Tuben nach hinten und untennach dem Boden des Beckens verdrängt. Der Uterussitzt dabei auf der Blase, wie die Milz auf dem Fundus des Magens. Seine Form wurde nicht wesentlichbeeinflusst.

Nachdem die Canule entfernt war, floss trotz der starkenAusdehnung kein Tropfen durch die Urethra ab, wesshalbcatheterisirt wurde. Es entleerte sich jedoch erst der Inhaltdurch Druck auf die Blase. Der Uterus lagerte sich nachvorne und nahm dieselbe Gestalt an wie früher. Bei der Ausdehnung der Blase wurde die oben erwähnte quere Falte imPeritonaeum ausgeglichen und jetzt mag ein Einfluss dieserMembran auf die Fixation des Fundus durch Heranziehendesselben von allen Seiten behufs Deckung der Blasenober-

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fläche eingetreten sein. Wahrscheinlich ist bei dieser starkenAusdehnung der Blase eine Einwirkung der Ligamenta rotundaund des vorderen Randes der Alae vespertilionis auf die Anheftung des Fundus an den Blasenrücken anzunehmen, da ebenhier, wo der Isthmus uteri so ungemein schlaff war, keineRetroversio corporis nach "dem Gesetze der Schwere entstand.

Bei straffem Halse der Gebärmutter braucht unter diesenUmständen eine solche Retroversio corporis, auch abgesehenvon Intraabdominaldruck nicht aufzutreten und verhindert dieserDruck die Formveränderung auch bei schlaffem Halse in derLebenden, während die Bases der Ligamenta lata, wieoben beschrieben, schon allein genügen, einen straffen Uterus aus der Retroversionsstellung vermögeder Ausgleichung der Torsion ihrer Fasern wiederzu antevertiren.

Leiche B. Die Leiche einer Frau mittleren Alters, diegeboren hatte, war obducirt. Die Eingeweide, schon früherabgetrennt, lagen durcheinander in der Bauchhöhle und Brusthöhle. Nachdem diese entfernt waren, ruhte der Uterus retro-vertirt hinten im Beckenraum. Die leeren Darmschlingen bedeckten mithin seine vordere (untere) Fläche. Der Mastdarmsenkt sich links in den Beckenraum hinein und die Ligamentautero-sacralia, die hintern Ränder der Ligamenta lata, umfassenden Douglas'schen Raum, der nach links von der Mittellinieund vor dem Mastdarm gelegen ist. Bei dieser Lagerung sinddie Ligamenta rotunda und lata an ihren Beckeninsertionen sonach hinten gezerrt, dass sie, wenn auch nicht ganz, so dochbeinahe je in der Mitte der Linea innominata ihre scheinbareInsertionsstelle haben. Bei massiger Anspannung des vordemAbschnittes des Peritonaeum legt sich der Uterus in die Mittellinie schräge von vorne nach hinten. Bei dieser Anspannunginseriren sich die Ligamenta rotunda mit ihren Beckenendenan der vorderen Wand und der Uterus liegt hinten auf derHarnblase auf. Lässt die Spannung nach, so biegt sich derKörper massig nach hinten, so dass seine Längsaxe mit derCervix einen Winkel von etwa 135 Grade bildet und alsdannsenkt sich das Organ als Ganzes. Also ist auch hier dieSchlaffheit in der Gegend des innern Muttermundeszu const at iren. Der Isthmus ist jedoch straff genug, dass eine

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stärkere Flexion nach hinten nicht zu Stande kommen kann.Füllt man hingegen den hinteren Beckenraum, nachdem derUterus wieder nach vorne gebracht ist, mit Dick- oder Dünndarmschlingen an, so verweilt er in dieser zum Secirtischeannähernd verticalen Stellung. Werden darauf vorsichtig dieDarmschlingen entfernt, so sinkt der Uterus in derselbenWeise, wie oben beschrieben, nach hinten, wie bei den Versuchen Aran's.

Die Blase zeigt auf ihrer hinteren Fläche auch eine querverlaufende Peritonaealfalte. Bei ihrer Anfüllung mit Wasser,ebenfalls aus einem Gefässe, welches etwas über einen Metergehoben war, dehnte sie sich in der Weise aus, dass zuerstein Breiterwerden derselben am Beckenboden undhinter der Symphyse Statt fand, und darauf bauschtesich ihre hintere Wand so auf, dass auch hier eineForm entstand, welche der conischen Spitze des Menschenherzens sehr ähnelte. Das Anfüllen gelang nicht,so lange die Darmschlingen hinten auf den Uterus drückten,sondern erst, nachdem diese entfernt waren, dann aber flossder Inhalt auch nicht ab nach Entfernung der Canule.

Ligamenta vesico - uterina sind nicht vorhanden, es seidenn, man zerre den Uterus nach hinten, wobei drei Faltengebildet werden, welche den Punkten der stärksten Spannung entsprechen, nämlich eine mittlere und zwei seitliche.Sinkt der Uterus einfach seiner Schwere folgend nach hinten,so ist von diesen Ligamenten nichts zu sehen, und es ist nurder verdickte vordere Rand der breiten Mutterbänder, dieLigamenta rotunda, welche einen mehr gestreckten Verlaufannehmen und sich in etwa dem Nachhintenweichen widersetzen, wenn sie auch nicht im Stande sind, es zu verhindern. Die hintere Fläche der breiten Bänder zeigt keineTasche, ähnlich derjenigen, welche wir bei der vorhin beschriebenen Leiche beobachteten. Die Ligamenta rotunda sindhier etwas kräftiger entwickelt und der Uterus grösser unddemgemäss schwerer, an seinem Isthmus straffer, so dass dasCorpus bei Veränderungen in der Unterstützung seines Schwerpunktes nicht so leicht hin und her fällt.

Die eben beschriebene Leiche wird vertical suspen-dirt, nachdem die Eingeweide aus Brust- und Bauchhöhle bis

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auf ein kurzes Stück des Mastdarmes, welches mittelst einesPfrieinens, jedoch ohne Spannung, an der Lendenwirbelsäulezurückgehalten wird, damit es nicht ins kleine Becken hineinsinkt. Die Schlinge, an welcher die Leiche befestigt ist, wurdeum den Hals gelegt und an der Sprösse einer schräg gegendie Wand gelehnten Leiter so befestigt, dass die Füssedes Cadaver den Boden nicht berühren.

Bei dieser Stellung der Leiche sieht die obereBeckenapertur nach vorne und oben. Jetzt liegt derUterus auf der hintern Wand der leeren Harnblasevollkommen horizontal mit dem Fundus nach vorneund der Portio vaginalis nach hinten gerichtet auf.Die Ligamenta utero-sacralia spannen sich als wahreLigamente von der vorderen Fläche des Kreuzbeinesund der Lendenwirbel nach abwärts und nehmeneinen gerade von oben nach unten steigenden Verlaufan, während sie sich gleichzeitig bis auf etwa 3 cmeinander nähern. Richtet man den Uterus auf, so fällter gleich wieder in diese vollkommenste Antever-sionsstellung herab und füllt mit den ganz schlaffrechts und links neben ihm liegenden Alae vesper-tilionis den tiefsten Abschnitt des Beckens, auf seinemBoden aufliegend, aus. Die Portio sieht dabei nachhinten gegen das Steissbein. Legte man die Hand flachoben auf denselben, so berührte die Spitze des Mittelfingers die obere Hälfte des Steissbeines. Ein leichterDruck spannte die Ligamenta sacro-uterina noch stärker an. Die Alae vespertilionis hätten mit denRotun-dis abgetragen werden können, ohne dass der Uterusdabei* auch nur um ein Haar breit seine Lage geändert haben würde. Er ruht auf dem Beckenboden aufund wird nur hinten von den Ligamentis sacro-uteri-nis nach oben gehalten. Ihre Durchschneidung würdeein etwas festeres Aufruhen des hinteren Abschnittesdes Uterus, der Portio vaginalis, auf dem Beckenboden veranlasst haben. Dicht hinter der Symphyseund mit ihrem höchsten Punkt die horizontale Ebenekaum erreichend, welche den oberen Rand derselbenschneidet (Sappey'sche Ebene), liegt der Blasengrund

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in einer Ausdehnung von etwa 6cm Länge und 3cmBreite, frei. Dieser Abschnitt der Blase wird nachvorne von der Symphyse, nach hinten von dem vorderen Rande der beiden Ligamenta lata, also denL igament is ro tund is und dem Fundus u te r i begrenzt. Der höchste Punkt der oberen Fläche desUterus reicht eben bis zur genannten Ebene. DerFundus liegt etwa 3cm hinter der Symphyse und dieInsertionsstelle der Ligamenta sacro-uterina 9 bis10cm hinter derselben. Es liegen also der höchstePunkt der oberen Fläche des Corpus und der Portiocervic&lis in derselben Ebene, also die Uterusaxehorizontal. Die hintere Lippe erreicht diese Ebenenahezu ebenfalls.

Man muss sich einmal vor einer vertical aufgehängtengeöffneten weiblichen Leiche befunden haben, um von dieserAuffassung so durchdrungen zu sein, wie es für den Gynaekologen wünschenswerth ist. Was die Form des Uterus anlangt, so war er in seinem Isthmus viel schmäler als an irgendeiner andern Stelle und war daher an der Leiche sowohl seinehintere als vordere Fläche an dieser Stelle concav. Die Krümmung der oberen Fläche wird intra vitam durch denlntraab-dominaldruck natürlich zu Gunsten der untern vermindert, ausgeglichen oder sogar in eine convexe umgewandelt werden.

Ein in die Vagina eingefügtes Hodge'sches Hebel-Pes-sarium illustrirte die Wirkung dieses Instrumentes in sehrinstructiver Weise. Die hintere Partie des Uterus wurde nachoben gegen das Promontorium gehoben, während sich hinterden Insertionsstellen der Ligamenta sacro-uterina die Stelle,wo der hintere Bügel des Hebels auf die Scheide einwirkt,durch Bildung eines querovalen Hügels markirte. Der hintereAbschnitt des Uterus wurde dadurch über die eben erwähnteSappey'sche Ebene erhoben und lag also höher als der Fundus.Es entstand eine Elevation der Portio vaginalis, keine Retro-position derselben. Bei der Lebenden ist dieser Effect desHebels sehr werthvoll, sowohl bei der einfachen Retroversionund Retroflexion als bei den verschiedenen Arten der mobilenAnteflexionen, besonders bei der einfachen Anteflexio colli,nicht minder aber bei der Retroversio anteflexa, falls sie nicht

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fixirt ist. Diese Leichenexperimente sind so lehrreich, dass sienicht genug für den Unterricht der wahren Topographie empfohlen werden können, da wir die normale Lage wie bei deraufrecht stehenden Frau, ohne Intraabdominaldruck allerdings,vor uns haben. Das Hangen der Leiche entspricht zwar nichtganz genau dem Stehen bei der Lebenden, aber ist dochannähernd dieselbe Beckenneigung dabei vorhanden. BeimStehen wölbt sich die Lendenwirbelsäule mehr bogenförmigüber das Becken hinweg, im Hangen ist die Columna ver-tebrarum ganz gerade gestreckt. Dieser Versuch bestätigt alsodie Sappey'schen, da er zeigt, dass der Uterus in der Thatunter der von seinem Schafte markirten Ebene liegt. Nur ister in sofern von grösserem practischem Werthe, als man sieht,wie der Uterus liegt, besonders wenn man ein spitzes gradesInstrument, wie dies bei unseren Versuchen geschah, z. B. einegrosse grade Packnadel, horizontal über die Symphyse nachhinten führt und in die vordere Kreuzbeinfläche treibt. Beiden Sappey'schen Versuchen ist nicht ersichtlich, ob der Uterusante- oder retrovertirt lag und lässt sich nicht bestreiten, dassbei denselben der Uterus, bevor das, wenn auch noch soscharfe Instrument ihn durchdrang, sich soweit aus seiner Lageverschob, bis er entweder an der hintern Beckenwand angelangt war oder doch den nöthigen Halt fand, um dem Druckdesselben zu widerstehen.

Leiche C. Die Leiche eines etwa 8 Jahre alten Mädchens,bei welchem die Baucheingeweide bei der Obduction nichtentfernt worden sind. Die Gefässe sind injicirt. Ein Aufhebendes Rumpfes, so dass eine halb sitzende, halb liegende Stellung entstand, genügte jedoch, wie wir gleich sehen werden,den Uterus auf die hintere Blasenwand zu bringen und die inder Rückenlage vorhandene und sich beim Zurückbringender Leiche in diese Lage wieder herstellende Excavatio vesico-uterina aufzuheben. In dem Maasse die Eingeweide vom Fundusentfernt wurden, lehnte sich derselbe nach rückwärts bis zueinem Punkte, wo die Ligamenta lata mit ihren Subligamenten,den Ligamentis rotundis Einhalt geboten und ein weiteres nachrückwärts Weichen nicht gestatteten. Es bildete sich also eineExcavatio vesico-uterina. Dieser Raum war aber schmäler alsdie Excavatio recto-uterina, welche in einen tiefen mittleren

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und zwei seichte seitliche zerfiel. Also bei dieser Kindesleichebegiebt sich der Uterus, sobald seine hintere (obere) Flächeentlastet wird, in Retroflexsionsstellung in der Rückenlage.Nicht so in der Leiche A, wo es keines Druckes von hinten(oben) bedurfte, die Anteversionslage des Uterus in der Rückenlage der Leiche zu erhalten. Der mittlere Raum der Excavatiorecto-uterina wird von den Ligamentis sacro-uterinis nachbeiden Seiten hin begrenzt und sieht mit seinem hintern Abschnitt nach links entsprechend der vollkommenen Linkslagedes Rectum.

Es gestatten also die Ligamenta lata dem Uteruskörper,sich auf die hintere Blasenwand zulegen, wenn die Schwereoder andere äussere Momente, wie der Druck der Eingeweideselbst in der Rückenlage und der Schwere entgegen, auf ihneinwirken.

Die beiden seitlichen Abschnitte der Excavatio recto-uterina trugen auf ihren Oberflächen, die im Bogen nach derLinea innominata hinauf ragen, in einer Entfernung von etwa3 Centimeter vom Uterus und den seitlichen Beckenwändengleichsam angeheftet die beiden Ovarien, welche mit ihrenLigamentis internis et externis mehr zur Bildung des vorderen(oberen) Bandes der Ligamenta lata beitrugen, als die wenigentwickelten Ligamenta rotunda, welche als schwache rundeBündel unter dem Peritonaeum liegen. Die Eierstöcke sindvon dem Franzenende der Tuben bedeckt, etwa 2 cm langund an ihrer breitesten Stelle nicht ganz 1 cm breite, walzenförmige Körper. Sie sind im Vergleich zum Uterus, dessenFundus etwa 1,5 cm breit ist, stark entwickelt. Die Portiocervicalis sitzt auf dem nur wenig ausgedehnten Mastdarmeauf und ist der Jugend der Inhaberin entsprechend, etwa doppelt so lang als das Corpus und in allen Durchmessernziemlich gleichmässig entwickelt. Ihre Durchmesser sind ungefähr nach allen Richtungen gleich dem grössten queren desFundus. Die Grenze der Cervicalportion am Corpus wird aufder hinteren Fläche durch die Insertion des Ligamentum sacro-uterinum bezeichnet, welches Ligament sich rechts neben demPromontorium und links an der Linea innominata neben demRectum, nach aussen von der Articulatio sacro-iliaca inserirt.Die Ligamente gestatten nicht, den Uterus als Ganzes gegen

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die vordere Beckenwand fest anzudrücken, nur der Funduskann bis dorthin geführt werden, wobei sie sich sehr straffspannen. Die leere Blase zeigt auf ihrer hinteren Fläche eineDelle, in welche der Uterus sich legt, wenn der Rumpfder Leiche am Kopfende angehoben wird. Der Uterus,als ganzes Organ, ist etwas nach rechts gedrängt. Das Rectum bildet in der Beckenweite eine Krümmung nach rechtshinüber. Es zeigt sich also, wie die Portio cervicalis relativstärker entwickelt ist, als das Corpus uteri und die Lig.rotunda, wie die Eierstöcke gleichsam im Descensus nach demhinteren Beckenraum begriffen sind, während die Ligg. rot.mit dem Corpus uteri erst in der Zeit der Entwickelung derGeschlechtsreife an Masse zunehmen und diese stärkere Entwickelung des Corpus und der Bases der Ligg. lata wie beider Leiche A einer 17jährigen Virgo, die Anteversion auch inder in Rückenlage sich befindlichen Leiche sichert.

Leiche D. Nicht secirte Leiche einer jugendlichen Nullipara. Bauchdeckenhaut entfernt, die Muskeln und Fascien sinderhalten. Die bimanuelle Digitaluntersuchung ergab eine Retroversio des nicht geknickten Uterus; das Organ etwas nachlinks im Becken gelegen. Eine dünne anatomische Sonde glittin der Richtung nach hinten und unten äusserst leicht hinein,die Sonde war ganz gerade, der Canal des Uterus also ebenfalls. Die Eingeweide vor dem Uterus nicht fühlbar. An dergeöffneten Leiche wurde das Omentum majus zurückgeschlagenund lagen jetzt die Dünndarmschlingen vor dem Uterus, daskleine Becken ausfüllend. Diese wurden gleichfalls nach obengelegt und nun sah man den normal grossen Uterus nach hintenvertirt, seine sogenannte vordere Fläche nach oben gekehrt,nicht fltectirt, und nach links von der Mittellinie des Beckensgelegen, so dass das rechte Lig. latum fast doppelt so breitwar als das linke. Die Blase und das Rectum waren ganzleer. Von dieser vordem (untern) Fläche des Uterus erstrecktesich eine etwa 8 cm lange Pseudomembran nach dem Rectum,welches links ins Becken hinabstieg. Die Membran entsprangalso auf der vordem (untern) Fläche des Fundus uteri. DieEierstöcke und Tuben waren nicht sichtbar, sie lagen hinterden Ligg. latis verborgen.

Wir finden also hier, wo eine Retroversio bei der Leiche

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einer nicht obducirten Nullipara gefunden wurde, eine Pseudomembran, also ein pathologisches Product, von dem allerdingsfraglich bleibt, ob es die Retroversionsbildung bedingt hat,oder nur zu ihr hinzugekommen ist. Solche Pseudomembranenmachten diese und die meisten Leichen zu Versuchen überhaupt unbrauchbar.

Leiche E. Nicht obducirte Leiche einer jugendlichenNullipara, jedoch nicht jungfräulich. Der Introitus vaginaeder sich in der Rückenlage befindlichen Leiche ist weit klaffend und zeigt mehrere Defecte, welche auf intravitam bestandene Geschwüre hindeuten, ob diese syphilitischer Artwaren oder nur mechanischen Läsionen ihren Ursprung verdanken, ist nicht zu eruiren. Der Hymen war zerstört. Dievirginale Portio vaginalis etwa 6 cm vom Arcus pubis entfernt. Hinter derselben geht der Uteruskörper nach demKreuzbein hin, ohne Knickung nach vorne noch nach hinten.Er ist nur wenig beweglich. Vor und um denselben befindensich harte bewegliche Scybala. Die Leiche, welche beidieser Untersuchung intact war, wird Mittags injicirt, zuwelchem Zwecke die Brusthöhle geöffnet wurde. Nachmittagswird dieselbe an eine Art Galgen, den Herr Prof. von LaValette St. George zu diesem Behufe freundlichst construi-ren liess, aufgehängt und abermals durch die Palpation dieLage des Uterus festgestellt. Sie blieb dieselbe wie in derRückenlage. Jetzt steht der Uterus mit seiner Längenaxefast vertical, während er in der Rückenlage der Leiche annähernd horizontal gelegen war. Darauf wird das Abdomenin der Linea alba geöffnet. Der Schnitt wird von der Symphyse bis zum Nabel hinauf verlängert. Es quellen einigeTropfen röthlicher Flüssigkeit aus der Wunde hervor, während die Eingeweide ruhig zurückbleiben. In der Schnittwunde ist sichtbar und ragt bis zur Mitte derselben herabder leere und schlaffe Magen unter ihm, das Netz bis zumkleinen Becken hinunter; über dessen Eingang befindet sichdas Colon transversum. Im kleinen Becken befinden sichdie oben erwähnten harten Scybala, hinter diesen fühlt man,durch die Bauch wunde eindringend, den Uterus, vor demKreuzbein so fest stehend, dass es selbst nicht gelingt, ihndurch einen ziemlich starken Zug mit der Hand nach vorn zu

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herüber zu legen. Die Leiche wird darauf wieder in dieRückenlage auf den Sectionstisch gebracht und das Abdomendurch einen Kreuzschnitt eröffnet. Es zeigt sich jetzt derMagen deutlich stark nach abwärts ragend, wenn auch nichtganz so tief wie bei der hangenden Leiche. Das Omentum majusragt mit einem Zipfel in das kleine Becken hinab und nachEntfernung der in demselben sich befindlichen Darmschlingenstellt sich heraus, dass dieser Zipfel mit der vordem Flächedes Uterus verlöthet ist Der Uterus selbst ist förmlich eingepackt in festen Membranen oder Perito-nealfalten, die'ihn mit der hinternBeckenwand dichtunter der Linea innominata und etwas nach links hinverbinden, so dass von einem Douglas'sehen Räume nichtmehr die Rede sein konnte. Es gelang nur das Abheben desFundus auf etwa 3—4 cm. Der Uterus selbst war massig ver-grössert und an seiner Oberfläche nicht glatt, sondern höckerig.Seine Form war eine gestreckte.

Das Rectum lag rechts, ging rechts vom Promontoriumin das kleine Becken hinab und führt mit dem S rpmanum dieharten Scyballa, die das ganze kleine Becken ausfüllen. DieOvarien waren ebenfalls unförmlich durch Einschnürungenhöckerig, von den Ligamenten waren die Sacro-uterina sowiedie Lata und Rotunda als solche nicht mehr zu erkennen; allebildeten mit den echten Peritonealfalten und den neugebildetenMembranen das Convolut von Blättern und Strängen, die mitdem Uterus einerseits unter sich und mit dem Beckenperito-naeum und dem nach rechts gelegenen Rectum andererseitsverwachsen waren.

Die Blase lag schlaff und annähernd leer ausgebreitet vordem Uterus und bildete so eigentlich den Boden des Abdo-minalcavum, auf welchem das S romanum und die Darmschlingenruhten.

Leiche F. Leiche jugendlichen Alters, nicht obducirt.Lippen des Uterus deutlich getrennt. Uterus nicht vergrössert.Ob geboren oder eine billaterale Discision gemacht worden,nicht zu eruiren. Die Leiche wird unter den Armen gebundenim oben erwähnten Gestelle aufgehängt und jetzt eine vonHerrn Prof. Zuntz construirte federkieldicke grade spitzeeiserne Stange, welche dicht hinter der Spitze eine Oese hat,

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durch welche ein fester Hanffaden gelegt ist, in der Sappey-schen Ebene durchgeführt. Zweck dieses Instrumentes ist, denHanffaden durch die Leiche zu führen, um nachher den Weg,welchen dasselbe zurückgelegt hat, auch nach Hervorziehendesselben constatiren zu können. Dieses Instrument wird alsobei der Leiche ganz dicht über der Symphyse eingestochenund durchgeführt.

Da beim Durchführen mit der Hand leicht ein Hebenoder Senken des Instrumentes vorkommt, so wäre es noth-wendig gewesen, dasselbe in einer horizontalen Hülse oderdurch eine horizontale Unterlage gelenkt durchzutreiben, waswir jedoch unterliessen, und so kam es, dass dasselbe inschräger Richtung von vorne und oben nach hinten und untengeführt wurde und dabei etwas nach rechts von der Mittellinieund unter der Steissbeinspitze zum Vorschein kam. Bei geraderFührung würde es die Steissbeinspitze getroffen haben.

Nachdem das Instrument aus der Leiche entfernt war,wurden die beiden Enden des Hanffadens über der Hüfte derLeiche geschnürt und diese ihrem Zwecke, der Präparationtiurch die Studirenden, übergeben. Nach Präparation der Bauchmuskel wurde die Bauchhöhle geöffnet und jetzt zeigte sich,dass der Faden den obern Rand der Symphyse gefasst hatte,hier in die leere Blase eingedrungen war, dann die hintereWand durchbohrte, den Uterus schräg durchdrang und nunan seiner hintern (obern) Fläche hervortretend die hintereBeckenwand, wie eben bemerkt, etwas nach rechts von derMittellinie unterhalb des Niveau, der Steissbeinspitze austrat.

Die schräge Führung des Instrumentes, das etwas tiefeEinstechen desselben erklärt die Abweichungen von den Sappey'schen Resultaten.

Auch glaube ich ist es vorzuziehen, die Leichen, wie wires in den früheren Versuchen gethan, am Halse aufzuhängenund nicht unter den Armen, weil hierdurch eine Zerrungdes Thorax und secundär des Abdomen nach oben möglich scheint. Wäre die Einstichstelle um einen Centimeterhöher gelegen gewesen und das Instrument ganz horizontaldurchgeführt worden, so wäre die Blase nicht tangirt undder Uterus ebensowenig getroffen worden. Auch würde, wieoben bemerkt, die Ausstichöffnung im Steissbein, oder doch

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in dessen Höhe gefunden worden sein. Hiernach lag alsobei dieser Leiche die Steissbeinspitze in der Ebene des obernSymphysenrandes (Sappey'sehe Ebene) oder sogar über derselben.

Die bei dem Durchführen von Instrumenten an nichtgefrorenen Leichen mögliche Verschiebung des Uterus beidiesen Versuchen habe ich oben erwähnt; sie lag hier natürlich ebenfalls vor, und wäre das Durchführen in entgegengesetzter Richtung daher mehr zu empfehlen, wenn der Uterusnicht retrovertirt liegt.

§ 6.Auffassung der anatomischen Befunde. — Beschreibung derselben.

Betrachten wir jetzt im Zusammenhang die Art und Weise,wie der Uterus normaler Weise im kleinen Becken liegt undwie er in seiner Lage erhalten wird, so müssen wir unserebesondere Aufmerksamkeit der Basis des Ligamentum latum,dem Ligamentum cardinale zuwenden, welches, wie ausObigem ersichtlich, im Beckenboden liegt und in ihm dieHaupt- und beim leichtesten Descensus zuerst erschlaffendeStütze bildet, sowie die Axe, um welche die Bewegungendes Uterus sich effectuiren. Sie verdienen mit mehr Rechteinen besondern Namen als die Ligg. sacro-uterina und rotunda, welche ihre Autonomie der grössern Augenfälligkeitverdanken. (Vergl. über diese § 7.)

Aus Obigem geht hervor, dass der Uterus auf dem Bodendes kleinen Beckens mi't seiner sogenannten vordem, alsoseiner untern Fläche aufruht. Diese auf dem Beckenbodenaufruhende Fläche berührt mit ihrem obern dem Corpus uteriangehörigen Abschnitte, die hintere Harnblasenwand mit ihremuntern, der Portio vaginalis angehörigen, die hintere Scheidenwand. (Man vergl. die Tafel I.) Die Portio supravaginalis ruhtebenfalls noch grossentheils auf der hintern Wand der Harnblase, mit welcher sie innig verwachsen ist.

Liegt der Uterus in der angegebenen Weise auf demK o c k ß , U t e r u s . A

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Beckenboden, so folgt er natürlich den Bewegungen, welchedieser elastische Verschluss bei den Schwankungen des intraabdominalen Druckes zu machen gezwungen ist. Seine obereFläche ist in ihrem-dem Corpus angehörigen Abschnitte mitDünndarmschlingen bedeckt, welche in Folge ihrer Schwere,einen Druck (den Intraabdominaldruck) auf den Uterus ausüben und so bewirken, dass er in dieser Lage bei fast jederKörperstellung der Frau verweilt. Die obere Fläche der Portiocervicalis wird nur in ihrer Portio supravaginalis direct vonDünndarmschlingen bedeckt, während die Portio vaginalisnur mittelbar durch das hintere Cul-de-sac vom Inhalte derAbdominalhöhle balastet ist.

An dieser seiner obern Fläche kreuzen sich in der Gegend des innern Muttermundes die Fasern der beiden Ligamenta sacro-uterina, welche bei der Lebenden als straffe,wie die Saiten einer Bassgeige sich anfühlende Stränge sehrdeutlich hinter dem Uterus palpabel sind. Dieser Fixations-punkt liegt normaler Weise etwas mehr nach hintenals die Drehungspunkte der Bases der Ligamentalata und hierauf beruht ihre Wirkung, den Uterusactiv zu antevertiren oder passiv Retroversionen zuverhindern.

Pathologische Veränderungen können diese Wirkung inihr Gegentheil verwandeln. Es tritt diese abnorme Wirkungein, sobald der Insertionspunkt vor denjenigen der beidenBases der Ligamenta lata rückt, also vor der Bewegungsaxedes Uterus zu liegen kommt. Ihre active Contraction - wirdalsdann umgekehrt die Retroversionsbewegung hervorbringenund diese nicht mehr in passiver Weise verhindern.

Durch diese Bänder wird die Excavatio recto-uterina indrei Taschen verwandelt, eine mittlere und zwei seitliche,welche bei leerem RectumDünndarmschlingen aufnehmen,sie sind nächst des Beckenbodens oder vielmehr der Ligamenta cardinalia die wichtigsten Lagebestimmungsmittelfür den Uterus, sie verhindern die geringste Dislocation inder Richtung nach unten, sowie nach vorne und unten.

An die seitlichen Flächen des Corpus uteri und der Portiosupravaginalis cervicis inseriren sich die Ligamenta latauteri richtiger ihre Alae vespertilionis, welche also ebenso

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wie der Uterus eine untere und eine obere Fläche (keinevordere und hintere) besitzen und normaler Weise schlaffeDuplicaturen bilden, welche nicht zur Fixirung des Uterus undseiner normalen Lage direct beitragen, sondern erst an dritterStelle bei excessivem Druck von oben oder Zug nach untenin Betracht kommen, und sich nur einer seitlichen Verschiebung widersetzen.

Die sich vorne an dem gegen die Symphyse gerichtetenFundus seitlich inserirenden oberen Ränder der Alae vesper-tilionis, die beiden Ligamenta rotunda, tragen eben sowenig zur Fixirung des Uterus in der normalen Lage bei, wieerstere selbst. (Säxinger, Seyfert, Breisky und wir.) Nurverhindern beide bei sehr gefüllter Harnblase das Nach-rückwärtsweichen des Corpus uteri und unterstützen die Wirkung des Intraabdominaldruckes bei Entleerung der Blasedurch ihre active (muskuläre und elastische) Thätigkeit, indemsie das Gebärorgan wieder in die normale Lage zurückführen.Dass jedoch schon eine starke Füllung der Blase diese Ligamenta nicht zu spannen vermag, beweisen die von Seyfert,Saexinger und Breisky erwähnten Versuche sowie die von,uns gemachten Erfahrungen.

Die Ligamenta pubo-vesico-uterina befestigen denUterus nach vorne und sind hauptsächlich dem nach hintenund unten Sinken hinderlich. Sie wirken wie die vordere Hälftedes Beckenbodenzeltes.

Das von den Beckenwänden herabsteigende Peritonaeum,welches von allen Seiten her sich zum Uterus begiebt und ihnüberzieht, wirkt in seiner vorderen Hälfte, wie diese Ligamente und die vordere Hälfte des Beckenzeltes, hinten wieseine * hintere Hälfte und die Sacro-uterina, seitlich wie dieAlae vespertilionis, die4 es im wesentlichen bildet. Es istdieser Theil des Peritonealsackes, der beim Zuge mittelst derMuseux'sehen Zange an der Portio vaginalis sich mit demBeckenboden spannt, also auch unmittelbar zu seiner Befestigung beiträgt.

Das Peritonaeum jedoch sowie alle Ligamente tragennur dazu bei, den Uterus in seiner Lage unter gewissenUmständen zu erhalten, während, stets in erster Instanzder Beckenboden mit seinenFascien und hier zunächst die

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Basalstränge der Ligamenta lata wirksam sind; siesind es, die eigentlich den Uterus hindern, sammtseinen andern Ligamenten und den Peritonealfaltendem in t raabdominalen Drucke zu fo lgen und zusinken, sie sind es, die dem oft sehr grossen intraabdominalen Druck den Hauptwiderstand entgegensetzen und (vgl. § 7) die normale Anteversion bedingen.

Das Perineum mit der Scheide kann man an derLeiche wegpräpariren, ohne dass der Uterus seine Lage verlässt.(Hohl vergleiche Aran.) Es bildet der Damm jedoch eine sehrwerthvolle, secundäre Stütze für den Uterus. Bei Erschlaf-fungszuständen nach zahlreichen Entbindungen, Zerreissungendes Dammes, Dehnungen durch starke Körperanstrengungen,auch ohne vorhergegangene Geburten, reicht der obenbeschriebene primäre Tragapparat oft nicht mehr und es entsteht Descensus und Prolapsus uteri. Hier ist der Beckenverschluss seiner Aufgabe nicht mehr gewachsen, der von derFascia hypogastrica gebildete primär in Betracht kommende Theil desselben dehnt sich, weil ihm die Stütze nachunten hin fehlt.

Dass der Damm sammt dem primären Stützapparate bei einer Virgo allein durch übermässige Action derBauchpresse nachgeben können, so dass ein Prolapsus uterihöchsten Grades entstand, hatte ich Gelegenheit zu beobachten bei einer idioten Stallmagd, welche sehrmusculös warund ihr Leben lang schwere Lasten für das Vieh geschleppthatte, wobei ihr allmählich der Uterus und ein Theil der Blasedurch die Scheide nach aussen traten, trotz Damm undVi rg in i tä t .

Diese anatomische Darstellung der normalen Verhältnisseentspricht den exacten Beobachtungen. Die Alae vesper-tilionis der Ligamenta lata liegen stets als schlaffe Dupli-caturen, normaler Weise mit dem Uterus nach vorne, odermit dem retrovertirten, pathologisch nach hinten gerichtet,und üben auf die Befestigung desselben keinerleiEinfluss aus.

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§7.Mechanik der normalen Uteruslage. — Die normale Lage bei verschiedenen Körperstellungen.

Betrachten wir hier zunächst die mechanischen Verhältnisse bei der Annahme, der Uterus liege in oder parallelder Levret'schen Beckenaxe, so finden wir bald, dasseine solche Lage den Gesetzen der Mechanik einfach zuwider ist.

Die Axe des Beckeneinganges, in welcher oder parallelmit welcher der Uteras in oder nahezu in der Mitte desBeckens gelegen sein soll, bildet bei der stehenden Frau mitdem Horizonte einen nach vome offenen Winkel, nehmen wirder Einfachheit halber an, von 45 Graden. Der Uterus müssteunter diesen Verhältnissen, vorerst angenommen, er sei überhaupt in keiner Weise fixirt und vom Intraabdominaldrucknicht beeinflusst, nach den Gesetzen der Gravitation alleinschon nach vorne gegen die Symphyse so lange hinsinken,bis er auf ein für ihn unübersteigbares Hindemiss träfe. Dieses Hinderniss ist erst durch die Blase gegeben, er mussalso bis auf die hintere Blasenwand sinken und notwendigerWeise in dieser Lage nach dem Gesetz der Trägheit bei aufrechter Haltung des Rumpfes verweilen, bis eine andere Kraftihn daraus entfernt. Bei leerer Blase muss er, da die hintereBlasenwand horizontal liegt, also ebenfalls horizontal zuliegen kommen.

Wie gestalten sich nun diese Verhältnisse, immer denUteruskörper als Ganzes und vollkommen beweglich betrachtet, welche grosse Beweglichkeit ihm nach vorne,wie wir oben gesehen haben, unbestritten zukommt,unter dem Einflüsse des Intraabdominaldruckes?

Nehmen wir diesen Druck zunächst als gleich auf dervorderen und hinteren Uterusoberfläche an, immer den Uterusin dem graden Theile der Le vre t'sehen Beckenaxe schwebend gedacht, muss nicht auch jetzt der Uterus nachvorne hinfallen, da von hinten her der Intraabdominaldruck,von vorne jedoch dieser Druck minus der Schwere des Uteruswirkt? Oder mit anderen Worten, muss er nicht nach vorne

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hinfallen, wo der Intraabdominaldruck ihn allein nach hinten,während eine gleich grosse Kraft nämlich derselbe Intraabdominaldruck plus der Schwere des Uterus ihn vereint nachvorne drängen.

Es wird der Uterus aus demselben Grunde nach vornefallen, wie ein Baumstamm, der schief zur Oberfläche derErde steht, durchsägt, nach derjenigen Seite hinstürzt, nachwelcher er hinneigt. Hier vertritt der Atmosphärendruck denIntraabdominaldruck, die Schwere giebt auch hier den Ausschlag.

Liegt der Uterus aber einmal horizontal im Becken,so ändern sich die Verhältnisse dahin, dass jetzt seine hintereFläche allein vom Intraabdominaldrucke belastet ist, währenddie vordere aufruht.

Wie gross ist nun dieser Druck, wenn er nureine Seite trifft? Die Beantwortung dieser Frage giebtuns Aufschluss über die Vis inertiae, mit welcher der Uterusantevertirt liegen bleibt und wie gross die Kraft sein muss,die ihn aus dieser Lage herausbringen soll.

Nehmen wir an, die hintere (obere) Fläche desUterus messe 15 Quadratcentimeter, was ungefährdem Flächeninhalte beim Uterus einer Frau, die geboren hat, entspricht, und der Intraabdominaldruck1)sei gleich einem Wassersäulendruck von 30 cm Höhe,so würde die Säule, welche den Uterus, ohne die Ligamenta lata, trifft, an Gewicht gleich sein dem Gewichte von 45oCubikcm. Wasser, also wenn wir destil-lirtes Wasser annehmen, gleich 450 Gramm. Betrügedas Gewicht des Uterus selbst nur 40 Gramm (Sappeyfand im Mittel 42 Gramm), so würde diese Kraft alleinschon bei aufrechter Stellung und leerer Harnblaseder Frau 450 + 40 = 490 Gramm betragen, .währendsie durch den Druck auf die Ligamenta lata (sieheunten) auf p. p. 1400 Gramm steigt.

Um nicht vorzugreifen, will ich nicht darauf eingehen,wie sich bei der oben beschriebenen Befestigungsweise des

1) Vergl. Schatz Beiträge zur physiologischenGreburtskun.de, Archiv fürGynaekologie Bd. m und IV.

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Uterus die Verhältnisse bezüglich der Anomalien in derLage gestalten und nicht nur die normale Lage, sondern auchdie normale Form, die leichte Biegung über die vordereFläche (Antecurvatio) etc. hierauf beruht. Hier soll nur bewiesen werden, dass der Uterus mit seiner Vorderfläche auf dem Beckenboden nach physikalischen Gesetzen aufruhen, ja aus der Beckenaxe dorthin sinkenund daselbst verweilen muss, nachdem die exactenBeobachtungen gezeigt, dass weder die Flügel derLigamenta lata, noch andere Ligamente ihn daranhindern, selbst abgesehen davon, dass die Bases derLigg. lata (sieh unten) und die Sacro-uterina in demselben Sinne wirken.

In der Rückenlage vermindert sich der Druck und kannin der Knieellenbogenlage kleiner als der Atmosphärendruckwerden. Nichtsdestoweniger bleibt bei der Lebenden der Druckauch in der Rückenlage gross genug, den Uterus mit dervordem Beckenbodenfläche in Contact zu halten. In derKnieellenbogenlage hebt er sich, so lange diese Stellungdes Rumpfes besteht, von ihr ab, um jedoch beim Aufrichtendes Körpers wieder auf dieselbe zurück zu kehren.

Wird in der Rückenlage der Uterus nicht rückwärts sinken, eine Retroversion entstehen? Unterwelchen Be dingungen wäre eine Indifferenz denkbar?

Angenommen, in der Rückenlage sinke der Intraabdominaldruck im Becken bis auf i 2 cm Wassersäulendruck*), kannhierbei der Uterus nach rückwärts sinken?

Nein, — der Druck lastet nämlich immer auf derhintern Fläche des Uterus und so lange derselbe nichtgeringer wird, als das absolute Gewicht des Uterus,wird dieser in seiner Lage verweilen, nur wird ernicht mit derselben Kraft wie früher in diese Lagegleichsam hineingedrückt, nicht mit derselben Trägheit (vis inertiae) darin verharren.

Gestalten sich die mechanischen Verhältnisse schon unterobiger ungünstiger Annahme also, so widersetzen sich that-sächlich ausser der Basis der Ligg. lata und neben den Sacro-

l) Vergl. Schatz 1. c.

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uterinis noch die hintere Scheidenwand und indirect derdarunter liegende Damm einem Nachvomeweichen der Portiovaginalis des normal gelagerten Uterus, so dass in derRückenlage ein jungfräulicher oder gehörig zurückgebildeter Uterus einer Frau, die geboren hat, nichtnach hinten fallen kann.

Damm und Vagina bieten also erhebliche Unterstützungen für die normale Lage, wenn sie einmal besteht, thuendasselbe jedoch für abnorme Lagen ebenso und bedingen dienormale Anteversion nicht direct.

Uebersteigt das absolute Gewicht des Uterus nicht 120Gramm, so genügt ein intraabdominaler Druck, der einer 8 cmhohen Wassersäule das Gleichgewicht hält, allein, um die normale Lage zu erhalten. Ist der Uterus vergrössert durchstarke Blutstauung, seröse Durchtränkung oder eine Neubildung, so ist in der Rückenlage eine Abweichung nach hintendenkbar, falls wir nur die intraabdominalen Kräfte, die alsdurchaus vorhandene zu betrachten sind, in Rechnung ziehenund alle andern, wie die oben erwähnte Wirkung der Dammmuskulatur, der Vagina, der Ligamenta sacro-uterina, des aufden beiden Ligamentis latis lastenden Intraabdominaldruckesund die Wirkung der straffen Angelbänder nicht mit berücksichtigen, also nur die die normale Lage bildenden, nicht auchdie diese er halt enden Factoren in Rechnung ziehen.

Der Intraabdominaldruck allein, der die Ligamentalata rechts und links vom Uteras trifft, vermehrt die Kraft,welche die Constanz, die Trägheit der Uteruslage bedingt,und die oben bezeichnet wurde, gewiss um das Doppelte, sodass die belastete Fläche nicht 15, sondern 45 Quadratcm.beträgt, also in aufrechter Stellung 45 x 30 = 1350 Grammbetragen. Die andern oben erwähnten Factoren sind zu variabelund entziehen sich überhaupt noch der Berechnung, obgleichsie nicht als gering anzuschlagen sind.

Retroversionen durch Volumszunahme, ohne damit andeuten zu wollen, dass bei den Retroversionen undFlexionen die Volumszunahme oft das primäre sei, könnenhiernach unter bestimmten Bedingungen entstehen.

Nach den Gesetzen des hydrostatischen Druckes, welchefür den Intraabdominaldruck ebenfalls zur Geltung kommen,

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ist der auf einem Flächenabschnitt der Seitenwandung einesGefässes lastende Flüssigkeitsdruck gleich dem Gewichteeiner Flüssigkeitssäule, die zur Grundfläche den fraglichenAbschnitt und zur Höhe den Abstand vom Schwerpunkte dieserFläche zur Libelle besitzt. Es wird also der in der Rückenlage die obere (hintere) Fläche des Uterus belastende Druckin der Richtung von der Cervix zum Fundus hin abnehmen.Ob jedoch die Zunahme der Oberfläche des Uterus nach demFundus hin vermöge der ihr entsprechenden Zunahme desbelastenden Druckes und der Zunahme des absoluten Gewichtes diese Differenz compensiren, ist eine Frage, die ichnicht zu entscheiden vermag.

Der Uterus wird dnrch die Insertionsweise der Basesder Ligamenta lata (Ligg. cardinalia) bei a (sieh Fig.) in zwei

Abschnitte getheilt, einen vordem längern und massigem undeinen hintern kleinern und weniger voluminösen. Wir haben esalso mit einem zweiarmigen Hebel zu thun, dessen längerer Arm

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in unserer Figur ab, dessen kürzerer ac ist. Es wird also diegeringere Kraft d der grössern e unter gewissen Umständendas Gleichgewicht halten können.

Was die andern Factoren betrifft, die die normale Lagedes Uterus mit erhalten, so sei darüber noch folgendes angeführt. Die Richtung der Scheide ist eine solche, dass sie inder Rückenlage von vorne und oben nach hinten und untensehr abfällt. Sie hat die Gestalt eines umgekehrten schlankenS, so dass der Beckenboden die Portio vaginalis daran verhindert, nach vorne zu weichen. Bei Frauen, die häufig geboren haben und bei Chlorotischen ist der Widerstand wegender Schlaffheit der Gewebe selbstredend kleiner als bei voll-saftigen und muskulösen Individuen. Bei letzteren haben wiralso einen bieträchtlichen Widerstand, welcher in der Richtung des Pfeiles / wirkt. Diese verhindert wohl schon allein,jeden für den Tastsinn erkennbaren Lagewechsel der Portiovaginalis beim Einnehmen der Rückenlage bei Jungfrauen undbei Frauen mit straffen Geweben.

In der Knieellenbogenlage und schon in der amerikanischen Seitenlage wird der Intraabdominaldruck negativ, wie schon der Gebrauch des Sims'sehen Speculum indieser Lage beweist. Es sind dies physikalische Gesetze, dievon älteren Aerzten bereits richtig gewürdigt wurden, wennsie bei Retroversio uteri gravidi z. B. die Patientinnen solagerten, dass der Oberkörper nach vorne hinüber, sogar ausdem Bette gegen den Fussboden hing, während das Beckenhoch blieb. Die oben erwähnten Phaenomene am Uterus beidieser Lage der Frauen sind daher leicht zu erklären.

In der Seitenlage ist der Druck, der den Uterus belastet,geringer als bei aufrechter Stellung und grösser als bei derKnieschulterlage. Die Schwere des Organs wird daher eineAbweichung des Fundus nach der untern Seite bewirken, jedoch ist diese nur gering, da das Ligamentum latum undsacro-uterinum der oberen Seite, der Intraabdominaldruck,sowie der auf die Portio vaginalis von der entgegengesetztenSeite einwirkende Druck ein grösseres Abweichen nicht gestatten. Darnach besteht der ganze Effect in einer Spannungder Bandmassen der obem und einer grösseren Erschlaffungderjenigen der untern Seite.

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Je nach der stärkern Neigung der vordem oder hinternKörperfläche gegen die Unterstützungsebene kommen hierleicht abzuleitende Combinationen zu Stande.

Zum Schluss dieses Paragraphen hebe ich nochmals besonders hervor, dass der ganze Mechanismusder normalen sowohl wie der später zu erörterndenabnormen Uteruslagen sich um das materielle Substratder theoretischen Aran'schen Axe abspielt, um dievon mir oben Ligamenta cardinalia (Angelligamente),genannten Bases der Ligamenta lata und zwar so,dass dieselben nicht allein die passiven Drehpunktebilden, sondern auch activ in den Mechanismus eingreifen. Während nämlich die im Centrum derselbengelegenen Fasern den passiven Drehpunkt abgeben,grei fen die fundus- und cervixalwärts gelegenenMuskel- und Bindegewebsfasern activ, bestimmendfür die Uteruslage, ein. Die Anordnung der Fasern,die Angriffsfläche am Uterus ist eine ovale und zwareine solche, dass die lange Axe dieses Ovals parallel mit der langen Axe des Uterus verläuft. Con-trahiren sich die funduswärts gelegenen Muskelfasern, so wird die Portio supravaginalis nach vorngegen die Blase bewegt, also die Anteversion beistraffem Uterus erzwungen. Contrahiren sich die Muskelfasern der cervicalwärts gelegenen Part ie derAngelligamente, so wird die Portio vaginalis nachhinten und oben gehoben, also ebenfalls die Anteversio des straffen ganzen Uterus bedingt. BeideAbschnitte bewirken also dasselbe für den Mechanismus nur auf verschiedenen Wegen, nämlich dienormale Lage, die Anteversion, so dass die normaleLage, bei completer Erschlaffung der Ligamentasacro-uterina, die in derselben Weise wirken, alleindurch die Angelbänder bedingt werden kann, undsie vielleicht noch mehr, als die immerhin schwachenUtero-sacralia, die normale Anteversio herbeiführen.Eine Durchschneidung der Ligamenta utero-sacralia,bei einer aufzuhängenden Leiche würde wohl keineAufklärung über diese Frage bringen, da der Uterus

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schon seiner Schwere nach bei suspendirten Leichenantevertirt wird.

Die elastischen Fasern, die in den beiden erwähnten Abschnitten der Angelligamente neben denMuskelfasern enthalten sind, bewirken dasselbe, wiedie sie begleitenden Muskelfasern durch die ihneneigene elastische Kraft. Die funduswärts gelegenenwerden nach der Torsion bei Retroversion die Portiosupravaginalis und mithin den ganzen straffen Uterusdurch ihre Elasticitätsvollkommenheit blasenwärtsbewegen; die cervicalwärts gelegenen elastischenBindewebsfasern durch dieselbe Kraft der Elasticitätdie Portio nach hinten und oben bewegen, also dasselbe auf andere Weise bedingen, nämlich die sog.Anteversion, die normale Lage.

Es sind hiernach die Ligamenta cardinalia nichtnur die wichtigsten Träger des Uterus, sie bildengleichzeitig das anatomische Substrat für die Aran'-sche Axe und die wichtigsten Factoren für die Con-stanz der normalen Lage des Uterus, für die sog. Anteversio uteri.

Dritter Abschnitt.Die Lage- und Gestaltsanomalien.

i LDie Lage- und Gestaltsanomalien im Allgemeinen. — Wie definiren wir die Lage- undGestaltsanomalien und wie begrenzen wir dieuns gestellte Aufgabe? — Wie wird die Lage-und Formveränderung im Allgemeinen rein mechanisch bedingt? — Welche ist die daraus folgende naturgemässe Einteilung der in Fragestehenden Anomalien?

Lage- und Gestaltsanomalien sind nach der hier zu Grundeliegenden Auffassung alle Abweichungen von der oben beschriebenen normalen Lage und der als normal beschriebenenGestalt. Diese Abweichungen mögen nun Störungen erheblicher oder unerheblicher Art veranlassen oder auch zu keinerlei Klagen Grund geben, immerhin sind sie pathologischeZustände wie etwa keine'Beschwerden veranlassende Hernienpathologische Zustände bilden, die gelegentlich ebenso wie dieuns beschäftigenden zu den gefahrlichsten Zufällen Veranlassung werden können. Wir begrenzen unsere Aufgabe dahin, die Arten der Lage- und Formveränderungen vom reinmechanischen Standpunkte aus zu betrachten, wie derChirurge die Mechanik der Hernien, Luxationen etc., vomallein mechanischen Standpunkte behandeln kann.

Diese Aufgabe, deren Schwierigkeiten ich nicht verkenne,

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soll an der Hand der in den beiden vorhergehenden Abschnitten niedergelegten Betrachtungen hier zu lösen versuchtwerden.

Da wir unserem Gegenstand seit mehreren Jahren einebesondere Auftnerksamkeit geschenkt, so liegen den folgendenBetrachtungen zahlreiche klinische und in der Privatpraxisgesammelte Untersuchungen und Erfahrungen zu Grunde.

Wie wird die Lage- und Formanomalie mechanisch bedingt?

Anomalien kommen, allgemein gesprochen, vor, wennAbweichungen von den normalen oben beschriebenen Bedingungen plötzlich und vorübergehend oder allmälig unddauernd einwirken.

Solche Abweichungen entstehen erstens: durch Veränderungen in den die Lage und Form bedingendenKräften, durch Ausfall derselben oder durch Hinzutreten neuer bei normalem Uterus.

Abweichungen entstehen zweitens: durch Veränderungen in der Beschaffenhe i t des bee influss tenUterus bei normalen Kräften.

Sie entstehen drittens: wenn beide Ursachen gleichzeitig wirken, also die Kräfte und die Widerständeabnorme sind.

Werden also die intraabdominalen Druckverhältnisseabnorme, so kann bei sonst normaler Beschaffenheit des Uterusund seiner Adnexa (normalen Widerständen) eine Lage undFormveränderung eintreten; oder, werden die Widerständeabnorme, so kann bei sonst normalen intraabdominalen Druckverhältnissen ebenso eine Lage und Formveränderung bedingtwerden; sind beide, also die Kräfte, welche einwirken und dieKräfte, welche Widerstand zu leisten haben, also die intraabdominalen Druckverhältnisse und die diesen entgegenstehendenWiderstände des Uterus und die Befestigungsmittel abnorm,so können aus beiden Gründen Lage und Form Veränderungen die Folge sein.

So kann durch einfache Vermehrung des intraabdominalen Druckes, durch starke Einwirkung der Bauchpresse eine normal beschaffene und normal befestigte Gebärmutter bei einem straffen Individuum dislocirt und gebeugt,

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ja sogar bis vor die Genitalien getrieben werden, währendbei schlaffen Individuen auch ohne abnormen Intraabdominaldruck, also der normale Druck allein, ausreichen kann denUterus zu Abweichungen von seiner normalen Lage und Gestalt zu zwingen; es kann endlich bei gleichzeitig schwerkörperlich arbeitenden und schlecht genährten Frauen solcheErscheinung ungemein häufig beobachtet werden, — hierwirken beide Ursachen gleichzeitig.

Die erste Art ist also allein durch Vermehrungdes intraabdominalen Druckes entstanden; die zweitedurch Verminderung der Widerstandsfähigkeit derGewebe (der elastischen Kräfte) veranlasst; die drittedurch beide gleichzeitig bedingt.

Hiernach werden wir alle entstehenden Dislocationen undMalformationen, vom Standpunkte der Mechanik betrachtet,eintheilen können in drei grosse Gruppen.

Erstens in solche, die einer Steigerung disloci-rend wirkender Kräfte ihre Entstehung verdanken.(Pressions- und Tractionsdislocationen und Malformationen.)

Zweitens in solche, die einer Schwächung derWiderstände zuzuschreiben sind. (Relaxationsdislo-cationen und Malformationen.)

Drittens in solche, welche Folgezustände dieserbeiden gleichzeitig bestehenden Ursachen bilden.

Die erste Gruppe kann nun wiederum zweierlei sein,je nachdem Druck oder Zug als Causa agens auftritt.

Der Druck entsteht durch Zunahme des Intraabdominal-druckes: erstens in Folge von Steigerung der Bauchpresse;zweitens in Folge von Vermehrung des absoluten Gewichtesdes Abdominalinhaltes,•■ so durch Flüssigkeiten, Tumoren,Faecalmassen oder einfache Hypertrophie und Hyperämie derOrgane des Abdomen inclusive des Uterus selbst; drittensdurch Verkleinerung des Abdominalraumes (Emphysem derLungen, Schnüren etc.).

Der Zug entsteht: erstens durch Schrumpfung, vonwahren oder Pseudoligamenten, der Scheide, der Blase;zweitens durch die Schwere von Tumoren, die in der Scheideliegen oder aus derselben nach Aussen treten, u. s. w. .

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Hiernach würde man die erste Gruppe als dieder Druck- und Zuganomalien bezeichnen können.

Beide bewirken eine Erschlaffung der Gewebe des Uterusselbst, der Ligamente, des ganzen Stützapparates, des Dammes,des Introitus vaginae, der Vagina, der Blase, etc.; allein dieseErschlaffung ist secundär nicht primär, Folge nicht Ursache, wie in den der zweiten Gruppe angehörigen Anomalien.

Die zweite Gruppe umfasst alle solche Abnormitätender Lage und Gestalt, die einer Verminderung, Schwächung der Widerstände ihre Entstehung verdanken. Einesolche Schwächung kann nun durch eine Verminderungder Zahl der Widerstände oder durch eine Erschlaffungaller oder einzelner, entstehen. So wird z. B. durch Dammruptur die Zahl vermindert, während hochgradige Ernährungsstörungen, Anaemie etc. eine Erschlaffung aller Gewebe unddaher auch aller Stützapparate des Uterus aller Widerständezur Folge haben. Partielle Erschlaffungen werden dagegenseltener vorkommen, da eine partielle Ernährungsstörung odereine partielle Atrophie dazu erforderlich wäre. So könnenz. B. die Ligg. sacro-uterina durch Darminhalt gedehnt werdenund eine partielle Erschlaffung zu Stande kommen.

Die dritte Gruppe, welche die combinirten Entstehungsarten umfasst, weist beide Entstehungsursachen auf.Die hierher gehörigen Fälle sind sehr zahlreich, ihre Ein-theilung ergiebt sich von selbst aus dem vorher gefundenen.Es bewirken wie oben erwähnt z. B. schlechte Ernährungszustände nach einem eben überstandenen Wochenbette, Typhusetc. die Erschlaffung, während schwere körperliche Arbeit denIntraabdominaldruck steigert; beide Ursachen vereint bedingen eine Dislocation oder Malformation, einen Descensusoder selbst den completen Prolaps des Uterus.

In obige drei Gruppen lassen sich also alle Befunde beider Lebenden, vom aetiologischen Standpunkte aus betrachtet,naturgemäss unterbringen, und geben so die Directive für dieBetrachtung der Mechanik, die in der dritten Gruppe zwaram complicirtesten sein wird, sich jedoch aus derjenigen derbeiden vorhergegangenen von selbst ergiebt.

Die Mechanik, welche wir im Folgenden betrachten

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werden, ergiebt natürlich Gesetze die mutatis mutandis auchfür die Entstehung der angeborenen Anomalien Geltunghaben, obgleich hier noch Bildungsfehler auf embryologischenGesetzen beruhend, hinzukommen mögen.

Die Lateroversionen, Lateroflexionen (Tiedemann'-sche Schiefheit) und Elevationen werden, weil feste, fixirteAnomalien und von geringerem gynaekologischen Interesse, imNachfolgenden weniger detailirt behandelt werden als dieVersionen und Flexionen nach hinten resp. nach vome,welche von höherem Interesse für uns sind.

§2.Anomalien der Lage und der Form, die disloci-rend wirkenden Kräften ihre Entstehung verdanken, also Pressions- und Tractionsdisloca-tionen, Dehnungdislocationen. —Erste Gruppe. —Druck.— Gesteigerter Intraabdominaldruck: durchdie Bauchpresse; — durch Respirationsanomalien; — Circulationsanomalien; — durch dieSchwere bei Hydrops, — Vergrößerung vonOrganen, — Hyperaemie, — Hypertrophie; —durch Neubildungen. — Zug, — Schrumpfungszug. — Schrumpfung der wahren Ligamente. —Schrumpfung der Scheide. — Schrumpfung vonPseudomembranen. — Schrumpfung der Blase. —Zug durch die Schwere des Uterus selbst, alsGanzes und in einzelnen Abschnitten. — Zugdurch Neubildungen. — Mechanische Ursachenund Folgen.

Die angeborenen Gestaltsanomalien ausgeschlossen undeine geringe individuelle Verschiedenheit in der Form wienaturgemäss angenommen, kann man die Lage- und Gestaltsanomalien gemeinschaftlich betrachten, weil sie, wieaus dem Folgenden hervorgeht, auf gemeinsame Ursachen zurück zu führen sind und sehr oft auseinanderhervorgehen, ja sehr oft nur Stadien eines fortlaufendenProcesses bilden, dessen Endresultat die höchsten Stadien derRetroversio-flexio resp. des Descensus und Prolapsus com-pletus bilden.

K o c k s , U t e r u s . c

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Wir werden also bei der Betrachtung der mechanischenUrsachen diese Folgeerscheinungen, in sofern sie sich auf dieLage oder die Gestalt des Uterus beziehen, nicht zu unterscheiden brauchen und die hier in Betracht kommenden verschiedenen Formen der Effecte erst bei den mechanischenFolgen zu betrachten haben.

Dass der Druck allein im Standeist den Uterus mechanisch zu beeinflussen, bedarf keiner näheren Auseinandersetzung.Es ist genügend bekannt, wie durch Druck von Seiten dergefüllten Blase des gefüllten Darmes die Lage des Uterusverändert wird, wie die Respiration durch die Inspiration denDruck im Abdomen steigert und ihren Einfluss auf den Uterusgeltend macht, wie die Bauchpresse unter normalen Umständenin derselben Weise wirkt. Pathologisch wirkt der intraabdominale Druck durch abnorme Steigerung der Bauchpresse oderdurch zu grosse Frequenz ihrer Einwirkungen; so bei langwierigen Constipationen, Husten- und Brechanfallen, zu grossenkörperlichen Anstrengungen, welche, wie oben angeführt, imStande sind, bei einer Nullipara einen completen Prolaps vorund nach, zu Stande zu bringen. Die gesteigerte Bauchpressebewirkt einen vermehrten intraabdominalen Druck; auf denUterus sehen wir daher eine pathologische Steigerung dernormalen Wirkung dieses Druckes, welche seine pathologischeLage und Form bedingen kann, plötzlich oder gradatim sichäussern.

Unter den Ursachen, welche diese Steigerung der Bauchpresse bedingen, sind übermässige Anstrengungen als häufigebei arbeitenden Frauen zu beobachtende Veranlassungen zubetrachten, und ebenso hartnäckige Constipationen zu verzeichnen.

Complexe Actionen der gesteigerten Bauchpresse, welcheplötzlich Lage und Gestaltsanomalien bedingen, werden öfterdurch tanzen, reiten, turnen, durch stürzen und reichenbedingt, wie wir öfter zu constatiren Gelegenheit hatten, sodass eine normal gelegene (antevertirte) Gebärmutter plötzlichcomplet retrovertirt wurde u. s. w.

Wie die abnorm gesteigerte Bauchpresse eine einfacheZunahme des Intraabdominaldrucks bedingt, so auch entstehteine constante Steigerung dieses Drucks bei Anomalien der

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Respirationsorgane, wie bei Emphysem, wo eine Beengung desAbdominalraums mit gleichzeitiger Steigerung der Bauchpressebei der In- und Exspiration in Betracht kommen; ähnlich beiHerzfehlern, wenn sie zu Athembeschwerden Veranlassunggeworden sind.

Wie der allgemein gesteigerte Intraabdominaldruck wirktder Hydrops der Bauchhöhle besonders bei aufrechter Stellung der Frau. Die hierbei oft seichten Inspirationen sind beidescendirtem oder prolabirtem Uterus meist deutlich sichtbar.Die Flüssigkeit drängt vermöge ihrer Schwere den Uterusdem Ausgang zu.

Hierher gehört die Wirkung, welche von Neubildungenund Hypertrophien im Abdomen herrührt, wie bei Ovarien-und andern Cysten, bei Hypertrophien und festen Neubildungen in den Organen des Abdomen und dem Uterus selbst,wobei noch eine Einwirkung durch die Stelle ihres Sitzes,ihre Form etc. in Betracht kommt, so dass die grössteMannigfaltigkeit der mechanischen Beeinflussung entsteht. Diejeweiligen, nothwendigen Arten der Beeinflussung ergeben sichaus der einfachen Betrachtung der verschiedenen mechanischenMomente, wenn diese bei der Kranken zu eruiren gleich nichtimmer gelingt. So wird ein rechts sich entwickelnder Ovarien-tumor den Uterus nach links drängen, kann aber auch nachlinks vom Uterus zu liegen kommen, hier peritonitisch anwachsenund so den umgekehrten Einfluss auf den Uterus geltendmachen, was bezüglich der Mechanik natürlich, für die Diagnostik aber nicht immer zu ermitteln ist. So wird ein vorneam Corpus sitzendes Fibroid den Uterus anfangs vermögeseiner Schwere einfach in seiner normalen Lage mit erhalten,bei einer gewissen Grösse aber den rectificirenden Kräftenunüberwindlich und schliesslich den Uteruskörper direct nachhinten drängen. Tumoren an der hinteren Wand des Corpuswerden den Uterus noch mehr als normal nach vorne drücken,an der hinteren Wand der Portio cervicalis aber die Portionach vorne und secundär den Körper zu retrovertiren bestrebt sein. Tumoren der Leber, der Milz, der Nieren u. s. w.beengen zunächst den Raum des Abdomen und wirken soindirect auf den Uterus durch Steigerung des Intraabdominal-druckes; bei grossem Umfange derselben können natürlichauch directe Einwirkungen vorkommen.

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Ausser den erwähnten Neubildungen des Uterus selbstkönnen auch Hyperaemien und Hypertrophien desselben nachden Gesetzen der Schwere dislocirend und disformirend wirken.Alle diese verschiedenen Arten der Effectäusserungen könnenwir unter den gemeinsamen Begriff als durch Druck hervorgebrachte betrachten und die dadurch entstandenen Veränderungen als „Druckdislocationen" und „Druckmalformationen" bezeichnen.

Der Zug unterscheidet sich in seiner Wirkung nicht vomDruck, da nur der Angriffspunkt für die Schwere unter demObject, dem Uterus liegt, sofern es sich um Tumoren, Hypertrophien etc. handelt.

Es tritt hier jedoch eine andere Kraft als Zug in Thätig-keit, nämlich die Schrumpfung.

Die Schrumpfung der Gewebe, welche den Uterusin seiner Lage befestigen und welche seine Gestaltbedingen, äussert sich als Zug. Es handelt sich hier imWesentlichen um die Schrumpfungen der Ligamente, welchedurch abgelaufene Entzündungen bedingt sind. Wie der Intraabdominaldruck pathologisch eine gesteigerte Wirkung seinernormalen Thätigkeit äussert, so äussert die Schrumpfung derLigamente eine pathologisch gesteigerte Wirkung ihrer normalen Functionen.

Die Schrumpfung der Ligamenta sacro-uterina hebtden Uterus an seiner Portio supra-vaginalis oder als Ganzesnach hinten und oben, retroponirt ihn, und die Bauchpressegiebt ihm alsdann eine abnorme Knickung über die vordereFläche, entsprechend dem Angriffspunkte dieser Ligamente.

Die Schrumpfung der Ligamenta vesico-uterina würdedie entgegengesetzte Wirkung äussern, wird aber selten beobachtet.

Das Schrumpfen der Alae vespertilionis wird, je nachdem der rechte oder der linke Flügel allein schrumpft, denUteruskörper nach rechts oder links zerren (Lateroversio) odereine Tiedemann'sche Schiefheit (Lateroflexio) bedingen.Schrumpfungen beider gleichzeitig werden den Uteruskörpernach vorne zerren vermöge der Schrumpfung der oberen Theilederselben, besonders der Ligamenta rotunda; nach hintendurch die Schrumpfung der tiefer gelegenen Abschnitte.

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Schrumpfung des untersten Abschnittes dieser Ligamente,auf dessen gesonderte und wichtigste Wirkung zur Befestigungund zur Erklärung der Dislocationsmechanik ich oben aufmerksam gemacht habe, also Schrumpfung der Ligamentacardinalia einzelnen wird, den hintern Abschnitt des Uterusnach der entsprechenden Seite des Beckens hin führen, insofern es das Band der entgegengesetzten Seite erlaubt.

Die Verkürzung beider Ligamenta cardinalia, alsodie Schrumpfung derselben würde eine leichte Elevation undgeringe Retroponirung bedingen, da eine Verkürzung beigleichzeitiger Schrumpfung beider nur insofern möglich, alsdadurch die Elasticität verloren gehen kann, die durch denIntraabdominaldruck zum Ausweichen nach abwärts in Anspruch genommen und bedingt wird.

Schrumpfung der Vagina als Ganzes wird Anteflexiocolli, Retroversio und schliesslich Descensus des Uterusbedingen, ebenso Schrumpfung der vordem oder hintern Scheidenwand allein. Bei partieller Schrumpfung seitlicher Theileder Vagina wird noch eine entsprechende Annäherung desUterus an die betreffende Seite die Folge sein. Am häufigstenbegegnen. wir Schrumpfungen der vordem Wand, meistensFolgen von Verletzungen mittelst der Zange nachvorausgegangenen Geburten.

Schrumpfungen des Beckenbodens, derBeckenfascienwerden öfter partielle sein nach parametrischen Entzündungen;sie zerren den Uterus als Ganzes oder geknickt, je nachdemdie übrigen Befestigungsmittel nachgeben oder nicht, nachder entsprechenden Seite und bedingen so Lage- und Gestaltsanomalien. Ein Schrumpfen des ganzen Beckenbodens würdeeine' Elevation des Organes bedingen.

In wiefern nun diese Schrumpfungen allein die hiererwähnten oder noch andere Lage- und Formveränderungenmit bedingen, hängt jedes Mal davon ab, ob die übrigen Befestigungsmittel nachgeben oder nicht, das Uterusparenchymwidersteht oder nicht, also ob die Bedingungen für die Anomalien der zweiten Gruppe gleichzeitig gegeben sind oderfehlen. In ersterem Falle hätten wir die combinirten Veränderungen der in der dritten Gruppe zu betrachtenden Fällevor uns.

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Ausser der Schrumpfung der wahren Bänder kommt nochdie der Pseudoligamente, der Pseudomembranen inBetracht, welche häufiger vorhanden sind, als sie sich bei derLebenden constatiren lassen. Sie lassen sich bei der Lebendenoft palpiren, öfter aus der Art der Beweglichkeit des Uterusdiagnosticiren. Sie beeinflussen durch Schrumpfen in derselbenWeise Lage und Gestalt des Uterus, wie das Schrumpfen derwahren Ligamente. Die Art ihrer Wirkung ergiebt sich ausder Lage ihrer Insertionspunkte. Die beiden Punkte werdeneinander genähert wie Ursprungs- und Insertionspunkt bei derMuskelwirkung; der Uterus bildet dabei meist das Punctummobile, oft aber auch der Darm, der Ureter u. s. w.

Die Blase kann in seltenen Fällen ebenfalls durchSchrumpfung die Lage und Gestalt des Uterus beeinflussen,besonders beim Bestehen von Vesicovaginalfisteln, jedochebenso bei chronischen Blasenkatarrhen, wobei die Blase festcontractirt und secundär geschrumpft sein kann.

Die Zugwirkung äussert sich ausser durch Schrumpfungnoch durch die Schwere in den untern intravaginalen Abschnitten; sie sei nun eine Folge einfacher Hypertrophie oderwirklicher Neubildungen; letztere können auch aus dem Cavumentspringen und in ähnlicher Weise ihren Einfluss geltendmachen, sogar hier durch Druck eine Elevation oder Dislocation bedingen.

Ganz besonders stark äussert sich die Zugwirkung dort,wo Tumoren bereits die Vagina verlassen haben, also nachAussen getreten sind.

Nachdem wir die mechanischen Ursachen und die Wirkungen angeführt haben, sei specieller die Art, wie die letzterenbeim al lgemein gesteigerten Intraabdominaldruck,also bei Steigerung der Bauchpresse, Ansammlung von Flüssigkeit im Abdomen, Respirations- und Circulationsanoma-lien etc. entstehen, als die häufigere und nicht für jeden einzelnen Fall verschiedene, wie bei den Schrumpfungsanomalien,betrachtet. Auch ergiebt sich daraus die Mechanik für dieSchrumpfungsanomalien, in ihren Endproducten oben angedeutet, mehr oder weniger von selbst.

Wirkt ein abnorm gesteigerter Intraabdominaldruck auf den normal (antevertirt) gelegenen und normal ge-

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bildeten Uterus bei leerer Blase und leerem Rectum ein, soist der erste Effect ein Descensus des ganzen Beckenbodens sammt dem Uterus bei noch immer normaler Lage.

Die nächste Veränderung wird ein sich nach vorneBiegen der Portio vaginalis sein, weil diese als nichtbefestigter Theil dem Drucke, der von oben her wirkt,weicht. (Anteflexio colli. Tafel II).

Darauf tritt allmälich eine Dehnung der Angelbänderdes Uterus ein, weil diese dem Drucke nachgeben, also denUterus weiter in die Vagina hinabtreten lassen, ein beginnenderDescensus (Descensus uteri incipiens).

Dieser Descensus steigert sich unter Nachgeben der Ligamenta sacro-uterina an zweiter (nicht an erster) Stelle, undwährend der Uterus als Ganzes nur wenig tiefer tritt, wirddie Anteflexio colli allmälich zur retortenförmigen Anteflexion.

Jetzt tritt der Uterus noch tiefer, seine feste Axe giebtnach, während die Anteflexion immer spitzwinkliger wird, derFundus uteri wandert mehr von der Symphyse ab nach hinten,berührt aber immer noch innig die hintere Blasenwand, esentsteht eine spitzwinklige Anteflexion, jedoch ohne Re-troposition, wie etwa bei Schrumpfung der Sacro-uterina.

Bei Schrumpfung der Sacro-uterina tritt hingegen derUterus als ganzes Organ und besonders die Portio vaginalisnach hinten und oben, gezerrt durch die Verkürzung der Ligamenta sacro-uterina und etwa der Basis der Ligamenta lataoder auch durch Schrumpfen von Pseudomembranen, wodurchder Winkel spitzer und die Mobilität vermindert wird. (Anteflexio retroposita Taf. III.)

•Bis jetzt hat der Intraabdominaldruck immer nur diehintere Fläche des Uterus getroffen; es wandert die Portiovaginalis jedoch immer mehr nach vorne auf der schiefenEbene der hinteren Beckenwand, während das Corpus demintraabdominalen Drucke zuerst den Fundus, späterdie vordere Fläche bietet, so dass der Fundus sich mehrund mehr von der hinteren Blasenwand abhebt. Der Uterussitzt mit der Portio vaginalis auf der hinteren Beckenwandauf, wird am Fundus noch durch die Ligamenta rotunda etwasgehalten oder die straffe Beschaffenheit seiner Fasern gestattet

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ihm vorübergehend noch anteflectirt zu bleiben, bis ihnder vorne stets zunehmende Intraabdominaldruck allmälichstreckt. Dieses Stadium, die Retroversion mit Anteflexion(Retroversio anteflexa Tafel IV) dauert meist nur kurzeZeit und geht bald in das folgende, die Retroversio, über.

Wird nun das Corpus vom Intraabdominaldruck vornelängere Zeit gefasst, wodurch der Uterus, der anteflectirt war,allmälich gestreckt wird, so wird aus der Retroversio anteflexa jetzt eine einfache Retroversio, indem sich dasCorpus bis hinten auf das Rectum begeben hat. (Retroversiosimplex. Tafel V.)

Wirkt der Intraabdominaldruck noch weiter, so tritt beinoch festen Ligamentis cardinalibus eine Biegung des Uterus über die hintere Fläche ein. (Retroversio-flexio.Tafel VI.)

Darauf wird der Descensus immer stärker, endlich einsolcher dritten Grades.

Die Portio vaginalis verlässt schliesslich die Vulva (Prolapsus ersten Grades), dann folgt das Collum bis zum Corpus (Prolapsus zweiten Grades) und endlich tritt dasganze Organ in das Endstadium aller Dislocationen und con-secutiven Malformationen in das Stadium des gänzlichen Vorfalles. (Prolapsus uteri completus.)

Wir sind hiermit dem Uterus auf seiner Wanderungaus der normalen Lage bis zum völligen Vorfall desselben gefolgt und haben die einzelnen Stadien, die erdurchmacht, betrachtet; den Entwickelungsgangbei reinenDruckdislocationen, wo die Bänder durch den Druckerschlaffen, also bei allseitiger Drucksteigerung, inder ersten Gruppe.

Derselbe Process tritt ein, wenn die Erschlaffungdas primäre und der Intraabdominaldruck normal ist,be i den Erschlaffungsdis locat ionen (Relaxat ions-dislocationen), also bei der später zu betrachtendenzweiten Gruppe, während er in der dritten (combi-nirten Erschlaffungs- und Druckdislocationen) ausbeiden gleichzeitig vorhandenen Ursachen ebenso,nur um so rascher sich abwickelt.

In der Praxis finden wir den Uterus in einem der obigen

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Stadien der Wan de rung und falls die Ursachen stark genugweiter wirken, können wir den ferneren Verlauf vorhersagen,wie wir den vorhergegangenen, den zurückgelegten Weggenau kennen. Meistens bleibt die Wanderung bei der Retroversio oder Retroversio-flexio bei Frauen, die geborenhaben, stationär, bei Jungfrauen auf einem früheren Stadium.

Durch Hinzutreten von Entzündungsprocessen kommen noch oft die bei Schrumpfungsdislocationen beschriebenenmechanischen Einflüsse zu den durch primäre oder secundäreRelaxation bedingten hinzu, so dass die geschaffenen Lageanomalien fixirt und oft verstärkt oder auch modificirt werden.

Die Mechanik der Schrumpfungsanomalien wurdeoben bei Betrachtung der einzelnen Ligamente bereits angedeutet. Es liegt hier nur noch die Aufgabe vor, über dasjenigeLigament oder diejenigen Ligamente, welche bei diesen Schrumpfungen eine Hauptrolle spielen, nämlich die Sacro-uterinaeiniges hinzu zu fugen. Die Sacro-uterina ziehen den Uterusnach rück- und aufwärts und falls sich das Organ nicht bögewürde es also einfach als Ganzes retroponirt, was jedoch seltenvorkommt. Gewöhnlich biegt sich der Uterus, dem Intraabdomi-naldrucke nach vorne ausweichend und es entsteht eine Anteflexio bei Retroposition.

In welcher Weise die Ligamenta sacro-uterina die normale Lage des Uterus wesentlich unterstützen (nicht bedingen), haben wir oben gesehen; sie sind nämlich mehrvaginalwärts inserirt als die beiden Angelligamente des Uterusund stülpen in Folge dessen, am hinteren Hebelarme die Portiocervicalis des Uterus hebend den vorderen, das Corpus uterinach vorne und bedingen so die normale Lage, die sog. Anteversio wesentlich mit. Auch wenn sie in derselben Höhe wiedie Angelbänder inserirt sind, was ebenso oft der Fall, wirkensie in derselben Weise, weil sie alsdann an der Peripheriedes Kreises oder am peripheren Ende des Radius heben, denman sich von ihrer Insertion bis zur Axe der Drehungen gelegt zu denken hat.

Tritt aber eine Relaxation primärer oder secundärer Artein, so wandert die Portio vaginalis nach der Vulva hin undgleichzeitig rückt die Insertionsstelle der Ligg. sacro-uterina höher am Uterus hinauf, weiter nach vorne,

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funduswärts, wie wir solches durch Messungen con-stat i r ten.

Die beiden saitenartig anzufühlenden Ligamentefanden sich bis 3,5 cm über dem hintern untern Randeder hintern Lippe, während bei ganz normalen Lagendiese oft nur 1 bis 1,5 cm über diesem Rande gefühltwerden.

Wandert diese Insertionsstelle so hoch hinauf,so wirkt das Ligament bei seiner Contraction oderSchrumpfung nicht mehr antevertirend (corrigirend)auf die Uteruslage, sondern es zieht das Corpus nachhinten, wirkt also retrovertirend oder bei Schrumpfung retroponirend, sobald seine Insertion über derAran'schen Axe liegt, also über der Insertionsstelleder beiden Basen der Ligg. lata, der Ligg. cardinalia.

So kommt es, dass lange retrovertirt gewesene Uterisich auch ohne Pseudomembranen oft nicht oder nur sehrallmälich wieder reponiren lassen.

Es inserirt sich hier der Luschka'sche Retractor uteriam vordem Hebelarme über dem Drehpunkte statt amhintern unterhalb dieses Punktes.

Für die Fixirung des Uterus nach hinten nach chronischen Retroversionen kommen jedoch auch noch die Alaevespertilionis mit in Betracht, da sie in der Retroversions-stellung geschrumpft diese Lage befestigen.

Was die Schrumpfung anderer Bänder betrifft, sosind diese selten, weil die sich immer wieder füllende Blasesie ausdehnt und selbst massiges Schrumpfen mechanischverhindert, auch ihnen entsprechend wirkende Pseudoligamentedehnt und unschädlich macht. Anders ist es mit den Sacro-uterinis, diese werden nicht nur nicht gedehnt durch die Blasenfüllung, sondern verkürzt, so dass sie leicht schrumpfen könnenund Pseudomembranen sich hier unbehindert entwickeln undschrumpfen können.

Alle etwaige sonstige Möglichkeiten lassen sich aus dieserBetrachtung der Mechanik mit Leichtigkeit deduciren, undbrauchen daher nicht besonders hier erwähnt zu werden.

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§ 3.Anomalien der Lage und der Form, die einerAbnahme der Widerstände ihre Entstehung verdanken oder Relaxationsdislocationen, Erschlaf-fungsdislocationen. — Zweite Gruppe. — Verminderung der Zahl der Widerstände. — Dammruptur,incomplete, complete. — Relaxation einzelnerPartien des Stützapparates. — Dehnung der Scheide und des Dammes. — Vesicovaginalhernie. —Erschlaffungen der Sacro-uterina durch Constipationen. — Erschlaffung der Pubo-vesico-uterina,der Ligg. rotunda und der Flügel der Ligg. lata. —Relaxation aller Gewebe, also auch der Stützapparate durch hochgradige Ernährungsstörungen,nach Typhus, schweren Geburten, Aborten, nachAnaemien, Chlorosen. — Relaxation derselbennach Geburten durch mangelhafte Rückbildungohne allgemeine Ernährungsstörung. — PartielleRelaxation des Uterusgewebes.

Die hier zu betrachtenden Anomalien, welche entwederauf einer quantitativen oder qualitativen Verminderungder Widerstände beruhen, sind in ihrer Mechanik leicht ausdem im vorigen Paragraphen Gesagten zu deduciren, ja beiallgemeiner gleichmässiger Verminderung der Widerständeist der Mechanismus derselbe, wie wir ihn bei allgemeiner gleichmässiger Steigerung des Intraabdominal druckes soeben betrachtet haben.

Die durch numerische Verminderung der Widerständegegebenen Entstehungsursachen für die Dislocationen undMalformationen sind meistens durch die complete Dammruptur repräsentirt. Wird durch eine kleinere Ruptur derDamm als Stützapparat geschwächt, so übt diese gewöhnlichnoch keinen directen Einfluss auf die Bestimmung der Lageoder Gestalt des Uterus aus, da der übrig gebliebene Theil beisonst straffen Geweben noch genügt. Ja sogar bei completerRuptur, d. h. bei einer Ruptur, die durch den Sphincter ani externum geht, kann dieser Ausfall durch Straffheit des Gewebescompensirt werden, selbst so, dass weder Incontinenz fürflüssige noch für gasige Contenta besteht, wie wir zu beob-

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achten Gelegenheit hatten. Hier vicariirte der Lavator anifür den fehlenden Damm. Diese Fälle bilden jedoch Ausnahmen und finden wir meist bei completen Rupturen, auchbei im übrigen normalen Stützapparaten, diese nachgiebiggegen den Intraabdominaldruck und in Folge dessen Anomalien in der Lage und secundär in der Form entstehen.Der Uterus tritt tiefer, dem Ausgange näher, die Portio biegtsich nach vorne, die Ligamenta sacro-uterina geben nach.Später dehnen sich ebenfalls secundär die Bases der Ligg.lata, der Descensus, die Retroversio und Retroversio-flexio,der Prolapsus endlich entsteht in derselben Weise wie obengeschildert; nur kann hier der Druck ein normaler bleibenund der Effect doch derselbe, der Mechanismus genau wieoben beschrieben, sein.

In derselben Weise entstehen Deviationen und secundäreMalformationen durch Relaxation der Scheide und desDammes, wie wir solches nach wiederholten Geburten beobachten. Es erschlaffen hier ebenfalls in Folge der grösserenAufgabe, die sie zu erfüllen haben, die Sacro-uterina und dieAngelbänder, die Bases der Ligg. lata allmälich und so trittdie Portio vaginalis nach vorne (Anteflexio colli), späterfallt das Corpus nach hinten (Retroversio simplex), woraufdie Retroversio-flexio eintreten kann oder sie bildet sichnicht aus, weil der Uterus bereits zu sehr dem Scheideneingangesich genähert hat und, die hintere Scheidenwand voran,tritt er aus dem Beckenraum heraus.

Hiervon muss die Form unterschieden werden, in der dievordere Scheidenwand dem Uterus voran geht und beiwelcher wir zunächst eine echte Hernie der Blase, in die Scheideund nach Aussen vor uns haben, welche Hernie erst, wennüberhaupt, den Uterus an zweiter Stelle nach sich zieht, wobeialsdann der Mechanismus dem oben beschriebenen ähnlich ist, indem ein Zug auf die vordere Lippe des Uteruseinwirkt.

Von den Bändern, die wohl am ehesten noch unabhängigvom Allgemeinbefinden erschlaffen, sind die Sacro-uterina zu nennen, die des öftern in Folge lang anhaltender Con-stirpationen ihre Elasticität einbüssen, sich dehnen und also demUterus gestatten, mit einem Theil seines Gewebes, nämlich mit

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der Portio vaginalis nach vorne zu treten, also eine Anteflexio colli entstehen zu lassen.

Lang andauernde Ausdehnungen der Blase können inanaloger Weise die. Pubo-vesico-uterina, die Flügel derLigg. lata und die Ligamenta rotunda beeinflussen. Hierbei wird keine Anteflexio colli, sondern bei normal straffemUterusparenchym direkt eine Retroversio entstehen, diesich dann wiederum zur Retroversio-flexio und weiter biszum Prolaps, gestalten kann.

Bei dieser Form kann die vordere Wand der Scheidemit der Blase als Hernie (Vesicovaginalhernie) voran aus demGenitaltractus austreten und der Uterus folgen, weil gewöhnlich obiger Dehnung der Ligamente eine solche der ganzenBlasen- und Vaginalwand zur Seite läuft, die, wenn auch inanderer Weise als eben erwähnt entstanden, dasselbe Bild beimProlapsus darbietet.

Nach Schwangerschaften bleiben diese Ligamentenicht selten erschlafft zurück, während sich die Angelligamente neu organisiren. Es erklärt sich dadurch, dass erstereden Uterus, der oft durch mangelhafte Resorption einer verfetteten Musculatur zu massig bleibt, heben müssen, um biszu ihrer Norm sich verkürzen zu können, was ihnen nichtimmer gelingt, und sie also lang und schlaff bleiben, währenddas Angelband sich in situ befindet, nicht gedehnt wird, weilder Damm mit dem Beckenboden den selbst vergrössertenUterus längere Zeit tragen können, ohne nachzugeben.

Die allgemeinen Erschlaffungszustände, welche nachschweren Krankheiten, nach Typhen, Entbindungen, Aborten, ferner bei Anaemien und Chlorosen zurückbleibenrespective bestehen, also auf Ernährungsmangel der Gewebeberuhen, müssen natürlich zur Folge haben, dass der Stützapparat nicht so geeignet ist dem intraabdominalen Druck zuwiderstehen als bei straffer normaler Ernährung der Gewebe.

Die Folge dieser allgemeinen Nutritionsstörung isteine Erschlaffung des Uterusparenchyms selbst und einegrössere Neigung zu Form Veränderungen, als wir das bisjetzt gefunden haben, während gleichzeitig eine nicht mindermangelhafte Widerstandsfähigkeit des Bandapparates besteht.

Hier kann der Uteruskörper bei so flexiblem Or-

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gan, selbst bei normaler Lage, etwas in die Blasehineingedrückt werden, da auch die hintere Blasenwand und die vordere Vaginalwand zum Nachgebengeneigt sind, wenn auch eine stärkere Knickung indieser Weise nicht entsteht, da die Erschlaffung eineallgemeine und also bald einen stärkeren Descensusund schliesslich die Retroversionsstellung des Uterusim Gefolge haben wird.

Es wird das schlaffe Organ alsbald den Gesetzender successiven Formveränderungen (wie im vorigenParagraphen beschrieben) folgen und zuerst, genau wie beinormalem Uterusparenchym, normalem Bandapparate, jedochstark vermehrtem Intraabdominaldrucke, das Band nachgeben,welches dem stärksten Druck ausgesetzt ist, das Ligamentumsacro-uterinum und so die Portio des hier schlaffen Uterus nachvorne treten (Anteflexio colli); darauf wird das geknickteOrgan retrovertirt (Retroversio anteflexa), die Flexionjedoch gleich wiederum durch den jetzt vorne einwirkendenIntraabdominaldruck ausgeglichen, so dass eine einfacheRetroversio, oder, wenn das Corpus noch mehr nach hintengedrängt wird, eine Retroversio-flexio entsteht.

Ist der Damm, die Vagina, der L evator ani, derBeckenboden sehr erschlafft, so kann sogar bei normalemIntraabdominaldruck unter den gewöhnlichen Steigerungen,wie wir sie bei der Defaecation und andern gewöhnlichen Veranlassungen finden, ein Descensus, ja sogar ein Prolapsusentstehen. Hierbei hat der Uterus alle Form- und Lageanomalien der Reihe nach durchwandert, die er überhauptdarbieten kann und die wir unter anderen Bedingungen alsmehr stabile Stadien dieser Wanderung des Uterus vonvome nach hinten, unten und aussen bei Frauen antreffen. Beidieser allgemeinen Erschlaffung fehlen die einzelnen Ruhe-puncte auf dieser Wanderung, die uns bei den Dehnungs-dislocationen, beschäftigt haben.

Erschlaffungsdeviationen können ferner noch in genauderselben Weise entstehen, wenn nach vorausgegangenerGeburt die Involution des Uterus und seiner Ligamente keinenormale ist, sondern diese Theile schlaff bleiben. Hierbeikönnen die übrigen Gewebe des Körpers normal ernährt sein,

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und werden, da Damm und Scheide oft nicht Theil an dermangelhaften Rückbildung nehmen, die letzten Stadien obenerwähnter Wanderung ausbleiben, der Uterus also schliesslichin Retroversio oder Retroversio-flexio verweilen.

Bilden sich die Ligamente in normaler Weise zurückund bleibt die mangelhafte Involution auf den Uterusbeschränkt, so ergiebt sich daraus eine Schlaffheit desselben,die man öfter zu palpiren Gelegenheit findet und welche, ohneeine Atrophie des Organs darzustellen, den oft massigenUterus als schlaffes Organ erkennen lässt, wobei esleicht ist, den normal (antevertirt) liegenden Uterus zwischenden Fingern der combinirt palpirenden Hände zu fassen, seineteigige Beschaffenheit zu constatiren und den aufgehobenenUterus in der Beckenmitte nach Belieben zu anteflectiren oderzu retroflectiren. Sich selbst überlassen, legt er sich jedochnach vorne und die hintere Blasenwand lässt ihn nichtanteflectiren. Auch wird die Portio cervicalis nicht nachvorne gedrängt, weil die Ligamenta sacro-uterina gut zurückgebildet sind und die hintere Vaginalwand mit dem Beckenboden, dem Levator ani und dem Damm dieser Abweichungentgegenwirken.

Der schlaffe Uterus kann seine Form nicht verändern,weil er in allen Puncten seiner vorderen Fläche im Beckengestützt aufruht.

§ 4.Anomalien der Lage und Gestalt, die beidenUrsachen gleichzeitig ihre Entstehung verdanken,also gleichzeitige Dehnungs- und Erschlaffungsanomal ie n. — Dritte Gruppe. —Die häufigste Entstehungsweise der Dislocationen undMalformationen. — Schlechte Ernährung undschwere körperliche Arbeit. — Geburten undschwere Arbeit. — Anaemie und Chlorose. —Schlechte Nahrung. — Mechanik.

Die Anomalien der Lage und Gestalt, die beiden Ursachen gleichzeitig ihre Entstehung verdanken, also gleichzeitig Dehnungs- und Erschlaffungsanomalien dar-

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stellen, sind die häufigsten. Diese dritte Gruppe umfasst nämlich die zahlreichen Fälle, wo bei schlechter Ernährung desKörpers schwere Arbeiten verrichtet werden, und sind daher in der körperlich arbeitenden Bevölkerung sehr vertreten,in der wohlhabenden Classe, da wo gewisse Excesse dieschädlichen körperlichen Arbeiten vertreten, so bei excessivemTanzen, Schnüren, Reiten.

Die Bauchpresse wird angespannt und. der Druck pflanztsich auf den noch oft von der kurz überstandenen Entbindungher vergrösserten Uterus fort, er wird nach abwärts in dieBeckenweite gedrängt, fällt bei der Rückenlage, seiner Schwerefolgend, von keinen straffen Ligamenten beeinflusst, nach hintenund geräth in die Kreuzbeinhöhlung. Der Intraabdominaldruck trifft jetzt die untere (vordere) Fläche, statt die obere(hintere). Der Uterus wird also gezwungen, in Retroversions-stellung zu bleiben, während die Ligg. rotunda und die Flügelder Ligg. lata sich nicht genügend contrahiren können, bildensich die Bases der Ligg. lata so zurück, dass die obernFasern derselben abnorm gedehnt und die untern abnorm verkürzt bleiben, da der Uterus, retrovertirt liegend, solche abnorme Involution für die Muskel- und elastischen Fasern bedingt. Die Ligamenta sacro-uterina sind durchdiese Lage des Uterus, ebenso wie die vorne und seitlich sichinserirenden Bänder nicht im Stande, sich zurück zu bildenund bleiben zu lang. Auch atrophiren dieselben, weil ihre Functionen aufgehoben sind.

Die sonst die obere Fläche des Uterus belastenden Darmschlingen mit ihrem Inhalte ruhen jetzt auf der untern (vordem), den Intraabdominaldruclc bildend und übermittelnd verhindern sie eine Aufrichtung des Uterus aus seiner einmalabnormen Stellung, in welcher er in Folge der sich des öfternhinzugesellenden peritonitischen, peri- und parametrischen Entzündungen, fixirt und sogar immobilisirt wird, so dass dieseFäl le jeder Or thopaedie w iders tehen. ,

Wie nach Geburten bei Frauen, so entstehen die uns beschäftigenden combinirten Formen der Lage- und Gestaltsanomalie bei Unverheiratheten und Kinderlosen in Folgevon schlechter Nahrung oder aus Ursache bestehender chro-

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nischer Anaemien und Chlorosen bei gesteigerter Bauchpresse, vermehrtem Intraabdominaldruck.

Hier sehen wir wiederum die Anteflexio colli zuerstauftreten, wir finden sie daher auch meist bei jungen anae-mischen und chlorotischen Mädchen, während bei älterenUnverheiratheten die retrovertirt liegenden anteflectirten, gestreckten oder retroflectirten Uteri nicht so selten sind.

Dass nun alle Stadien der Erschlaffung der Gewebe mitallen Abstufungen der activen Dehnung sich combiniren undso die Effecte sich sehr mannigfaltig, wenn auch immer nachden oben besprochenen Gesetzen gestalten, will ichnur erwähnen und im Vorliegenden keine erschöpfende Besprechung* geben, sondern nur die Gesetze der Mechanik,nach welchen diese abnormen Lagen und Gestalten zu Standekommen, in für die Erklärung aller Erscheinungen ander Lebenden und der Leiche ausreichender Weiseangedeutet haben.

Die Gesetze der ersten und zweiten Gruppe geltenvereint für die dritte, wie für diese Gruppe auch beide Ca-tegorien aetiologischer Momente zusammen thätig sind.

§ 5.Therapeutische Bemerkungen. — Mechanik derHodge'schen Hebelpessarien.—Hebelwirkung beiRetroversio, bei Retroversio-flexio, bei Retroversio anteflexa, bei Anteflexio retroposita undbei Anteflexio colli.

iWenn ich zum Schluss einige Worte über die Therapie

der Lage anomalien anfüge, so geschieht es, um die Aufmerksamkeit darauf zu lenken, wie dasselbe mechanischeMittel, welches den mobilen retrovertirten Uterus, wenn erein Mal normal gelegt § wurde, in normaler Lage zu erhaltenim Stande ist, die Retroversio und Retroversio-flexiocorrigirt, auch, um Anteflexionen zu bekämpfen, dasgeeignetste vaginale Mittel ist.

Das angedeutete Instrument ist der Hodge'scheK o c f e s , U t e r u s . f .

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Hebel, dessen doppelt gekrümmte Form ich im Augehabe.

Wie wirkt dieses Instrument mit einem convexen Bogennach oben gerichtet, in der von Hodge angegebenen Arteingelegt?

Der hintere Bügel hebt die am Uterus angeheftete Scheide nach hinten und oben, es wirkt wiedie Ligamenta sacro-uterina.

Der Effect muss der sein, dass die Portio retroponirt undgehoben wird, bei straffem und gestrecktem Uterus in retro-vertirter Lage der Uterus sich um die Aran'sche Axedreht, der Fundus nach vorne und unten gebracht wird, aufdie Blase zu liegen kommt, also genügende Elevations- undRetropositionswirkung vorausgesetzt, normal liegt.

Das Instrument ist also im Stande, den künstlich ein Malantevertirten Uterus bei completer Mobilität desselben in dieserLage zu erhalten, ihm seine durch die Blasenfüllung nöthigenExcursionen erlaubend und aus dem Maximum dieser Excursion mit Hülfe des Intraabdominaldruckes zurück zu führen,da der Hebel dasselbe leistet wie passive Ligamenta sacro-uteri, als deren Ersatz er zu betrachten ist.

Sind die Ligamenta sacro-uterina nämlich übermässig gedehnt, wie bei vollkommen mobilen Retroversionen, so genügtein Hodge'scher Hebel zur Correction.

Der Hebel corrigirt also Retroversionen.Liegt der Uterus retrovertirt vollkommen mobil und ist

er über die hintere Fläche gekrümmt, so wird der Hebel demIntraabdominaldruck die obere (hintere) Fläche des Uterusnach bimanueller Aufrichtung entgegen stellen und also derintraabdominale Druck den nach oben gerichteten Knickungswinkel ausgleichen, wenn der Uterus nicht durchPseudomembranen etwa an dieser Stelle unbeweglich geworden ist.

Der Hebel corrigirt nicht nur die Retroversio,sondern auch die einzige Form, in welcher die Retro-flexio vorkommt, nämlich die Retroversio-flexio.

Liegt der vollkommen mobile anteflectirte Uterus retrovertirt, so wird er als ganzes Organ aus denselben Gründen antevertirt. Jetzt wirkt der Intraabdominaldruck auf die

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obere (hintere) Fläche des Uterus ein und er wird allmäliggestreckt, falls der Winkel mobil ist. Hier sind die Ligamentasacro-uterina verlängert und der Hebel vertritt ihreStelle.

Der Hebel corrigirt folglich ebenfalls die Retroversio anteflexa.

Ist der Uterus durch die Schrumpfung der Sacro-uterinaretroponirt (Anteflexio retroposita), so kann bei geringen Graden der Retroposition noch eine Correction derForm durch den Hebel in der Weise erzielt werden, dass diePortio noch weiter nach hinten und oben gehoben wird. Istjedoch die Schrumpfung eine hochgradige, so ist ein stärkeresRetroponiren durch den Hebel nicht mehr möglich und verhindern die geschrumpften Ligamenta sacro-uterina das Nach-vorneweichen des Corpus uteri.

Bei completer Schrumpfung der Sacro-uterina,corrigirt der Hodge'sche Hebel nicht; bei massigerSchrumpfung die Form.

Ist dagegen der Uterus nicht durch Schrumpfung derLigg. sacro-uterina retroponirt, sondern ist dieses Ligamentetwas verlängert, erschlafft, so haben wir im Hebel dasbeste Instrument. In Fällen der Anteflexio colli, um die essich hier handelt, wird die Portio durch den Hebel retroponirt und gehoben; in Folge dessen wird die Portio amCorpus gestreckt, und dadurch die Gestalt normal.

Das ganze Organ nimmt eine normale Lage an, welchedas Corpus noch inne hatte, die Portio cervicalis aber verliess.

Bei der mobilen Anteflexio colli ist der Hebeldie Form zu corrigiren im Stande.

Mehrjährige Erfahrungen über die Wirkung des Hebels bei Anteflexi.pnen veranlassten mich zu diesen Bemerkungen. Die Wirkung bei Retroversionen und Retro-flexionen ist das Bewirken einer completen sogenanntenAntevers ionsstel lung, a lso nach obigem der normalen Lage, und eine solche normale Lage bewirkt erauch bei mobilen Anteflexionen; bei der Anteflexiocolli, und bei nicht sehr straffem Flexionswinkel, wird durchden Intraabdominaldruck der Winkel sogar nachträglich gestreckt.

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Ich bediene mich der Hebel aus Hartgummi und legesie meistens mit dem breiteren Bogen .nach der Symphyse,weil ich ein besseres Halten des Instrumentes und geringere G§ne für die Trägerinnen dabei beobachtete. Hartgummihebel sind aber reinlicher und können nie durch ausgetretene Drähte schaden, während sie erwärmt leichtzu biegen sind.

Prophylactisch lege ich die Hebel am achtenTage im Wochenbett ein.

Was die Fälle betrifft, in denen der Flexionswinkelmehr oder weniger straff gefunden wird, so habe ich durchbimanuelles Strecken des Uterus bei einiger Ausdauermeist noch eine Streckung erzielt und kann ich diese Methode, wie sie bei ankylotischen Gelenken gebräuchlich,empfehlen.

Bei sehr schlaffen Uteris war die Massage des Organes von bestem Erfolg, mehr als die Anwendung desconstanten und Inductionsstromes, Die Ernährung desschlaffen Uterus wurde rascher gehoben.

Was die Adhaerenzen anlangt, so war mir oft dasallmälige Dehnen derselben von grossem Werth. Da derVersuch des Zerreissens der Stränge unter Anwendung einigerGewalt wegen der möglichen Anreissung einer Darmschlingemir stets zu gefährlich schien, so zog ich vor durch all-mäliges Dehnen den Uterus zu mobilisiren.

In Fällen, wo eine Verengerung des Darmes durchSchrumpfung der Sacro-uterina oder von Pseudomembranendas Leben gefährdet, ist ihre Trennung vom hinterenCul-de-sac aus erlaubt, und zeigten mir Versuche an derLeiche, dass sie leicht ausführbar ist

Tafel I. Situs uteri normalis.„ II. Anteflexio colli.„ III. Anteflexio retroposita.„ IV. Retroversio anteflexa.„ V. Retroversio simplex.„ VI. Retroversio-flexio.

Cniveraitäts-Bucndruckerei von Carl Georgi in Bonn.

Tafel I. J.Kocks.

Tafeil J Koch.

Tafel M J. Kochs.Antbflexio retrorvosita.

X \ ^

Litfi.Anst.Tj,GBadi,Leipzi§.

Tafel If J.Kocks.Retroversio anteflema.

Lith-Anst.vJ.OtBach., Leipzig.

Tafel K J.Kochs.ßetrorersio - fJexio.

Anst.vJ.üiWlt.Leipzig.

Verlag von Max Cohen & Sohn (Fr. Cohen) in Bonn.

Lehrbuch der Geburtshülfemit Einschluss der

Pathologie der Schwangerschaft und des Wochenbettesvon

I>r. Karl Schroetter,ordentl. öffeutl. Professor der Geburtshülfe hi Berlin, Direktor der Universitäts-Entbindungsanstalt, dirigirender Arzt am Charite*Krankenhause und Mitglied der wissenschaftlichen

Deputation für das Mediclnalwesen.Mit 118 in den Text gedruckten Holzschnitten.

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