neue sehproben

39
Neue Sehproben. Von Prof. Dr. W. Koster Gzn. in Leiden. Mit Tar. XIX u. XX und 15 Figuren ira Text. Im folgenden werde ich fiber eine Art Sehproben berichten, wie ich sie jetzt seit l~ngerer Zeit in meiuer Klinik benutze. Aus den- selben Grfinden, aus denen ~iele Ophthalmologen mit den S nell e n schen Optotypen nicht so ganz zufrieden waren, habe auch ich nach einem besseren Systeme gesucht. Dies hat sehr lunge gedauert; zuletzt bin ich zu einer Best.immung der Sehsch~rfe gekommen, welche sich dem Snellensehen Prinzip so viel wie mSglich anschliesst, dabei aber die erkannten Fehler desselben tunlichst ausschaltet und fiberdies be- strebt ist, die guten Vorschl~ge, welche yon verschiedenen Seiten seit l~ngerer Zeit gemacht women sind, in sich auhunehmen. Wenn ich jetzt auf meine Arbeit zurfickblicke~ so ist es mir klar, dass sehr viel yon dem~ was nach meiner Ansicht als das :Beste gewahlt wer- den muss, schon yon anderer Seite empfohlen worden ist; nur ist nicht aUes in einem Systeme vereinigt worden. Und wie ich glaube, habe ieh aueh das Hauptprinzip dieser Sehproben, d. h. die Messung des Minimum separabile, noeh sch~rfer wie bis jetzt geschehen, zur Geltung bringen kSnnen. Als Objekte zur Bestimmung der Sehschfirfe babe aueh ich Buchstaben gew~hlt. Der Arzt muss sieh ohne Assistenz mit seinem Patienten fiber die Form des angesehauten Objektes verst~n- digen kSnnen und dabei seine H~nde vollkommen frei haben zur Pr~ifhng der Refraktion mit Gl~sern. Dazu eignen sieh nur Buehstaben and Ziffern, und da die ersten aus Grfinden, welehe so- fort mitgeteflt werden sollen, wieder den Vorzug verdienen, sind wir auf diese allein ffir genaue Bestimmungen angewiesen. Die einfachen Objekte, wie die Hakenfiguren Snellens, oder die Punktproben Guillerys entsprechen nieht dieser Anforderung: es muss immer 35*

Upload: w-koster-gzn

Post on 17-Aug-2016

215 views

Category:

Documents


0 download

TRANSCRIPT

Page 1: Neue Sehproben

Neue Sehproben. Von

Prof. Dr. W. K o s t e r Gzn. in Leiden.

Mit Tar. XIX u. XX und 15 Figuren ira Text.

Im folgenden werde ich fiber eine Art Sehproben berichten, wie ich sie jetzt seit l~ngerer Zeit in meiuer Klinik benutze. Aus den- selben Grfinden, aus denen ~iele Ophthalmologen mit den S nel l e n schen Optotypen nicht so ganz zufrieden waren, habe auch ich nach einem besseren Systeme gesucht. Dies hat sehr lunge gedauert; zuletzt bin ich zu einer Best.immung der Sehsch~rfe gekommen, welche sich dem Snel lensehen Prinzip so viel wie mSglich anschliesst, dabei aber die erkannten Fehler desselben tunlichst ausschaltet und fiberdies be- strebt ist, die guten Vorschl~ge, welche yon verschiedenen Seiten seit l~ngerer Zeit gemacht women sind, in sich auhunehmen. Wenn ich jetzt auf meine Arbeit zurfickblicke~ so ist es mir klar, dass sehr viel yon dem~ was nach meiner Ansicht als das :Beste gewahlt wer- den muss, schon yon anderer Seite empfohlen worden ist; nur ist nicht aUes in e inem Systeme vereinigt worden. Und wie ich glaube, habe ieh aueh das Hauptprinzip dieser Sehproben, d. h. die Messung des Minimum separabile, noeh sch~rfer wie bis jetzt geschehen, zur Geltung bringen kSnnen.

Als Objekte zur Bestimmung der Sehschfirfe babe aueh ich B u c h s t a b e n gew~hlt. Der Arzt muss sieh ohne A s s i s t e n z mit seinem Patienten fiber die Form des angesehauten Objektes verst~n- digen kSnnen und dabe i se ine H~nde v o l l k o m m e n frei haben zur Pr~ifhng der Refraktion mit Gl~sern. Dazu eignen sieh nur Buehstaben and Ziffern, und da die ersten aus Grfinden, welehe so- fort mitgeteflt werden sollen, wieder den Vorzug verdienen, sind wir auf diese allein ffir genaue Bestimmungen angewiesen. Die einfachen Objekte, wie die Hakenfiguren Sne l l ens , oder die Punktproben G u i l l e r y s entsprechen nieht dieser Anforderung: es muss immer

35*

Page 2: Neue Sehproben

544 W. Koster Gzn.

yon einer dritten Person sine Stelle der Optotypen angezeigt werden, sonst nimmt die Untersuchung viel zu viel Zeit in Anspruch und kann iiberhaupt nicht geniigend genau ausgefiihrt werden. Bei An- alphabeten und Kindern~ fiir welche S n e l l e n seine Hakenfiguren bestimmt hat, kommt es nicht so sehr darauf an~ wenn dis Unter- suchung liinger dauert, denn solche F~lle bilden die Ausnahme; aber fiir den allgemeinen Gebrauch eignen sie sich nicht. Auch die unter- brochenen Itinge Yon L a n d o l t wtirden schon aus diesem Grunde nicht zu empfehlen sein; wie yon mir aber gezeigt wurde, ist alas Prinzip derselben nicht richtigi).

Bei der Zusammenstellung seiner Optotypen hat S ne l len schon eine Auswahl aus den Buchstaben getroffen: er konnte nicht alle Figuren verwerten. Die gew~ihlten Buchstaben sind abet noch nicht ann~ihernd gleichwertig. Absolute Gleichwertigkeit ist natiirlich nicht zu erreichen, aber so grosse Unterschiede in der Erkennbarkeit, wie zwischen dem Snel lenschen L und B, oder dem T und R be- stehen, machen eine genaue Bestimmung unmSglich. Wenn die Skala nicht in so grossen Spriingen abgestuft w~re, wodurch vide Fehler innerhalb der Abstuihng gehalten werden, wiirden diese Optotypen gar nicht brauchbar sein. Far ibine Niianeierungen der Sehschih'fe eignen die Optotypen sich iiberhaupt nicht. Jeder Augenarzt hat wohl kon- statiert, dass manche Patienten aus drei aufeinanderfotgenden tleihen noch Buchstaben lesen kSnnen, und da h~ngt es eigent!ich yon dem Arzt ab, welchen Visus er dem Untersuchten zuerkennen will. Dutch

6 6 den Ausdruek ] - ~ %- f (f = mit Fehlern) oder beinahe usw.,

wird die Skala feiner graduiert; aber wenn bei der Milit~irpriifung oder bei Unf~llen dieser Visus verwertet werden muss, weiss man nicht, was man mit ihm anfangen soll.

Die Ursaehe der Ungleiehwertigkeit der Buehstaben ist deutlieh genug; der Fehler Iiegt darin, dass Sne l l en dem Nebenprinfipe seiner Optotypen, d. h. der Erkennbarkeit der ganzen Buchstaben unter einem Winkel yon 5 Minuten, mehr Gewicht beigelegt hat als dem Hauptprinzip, n~mlich dem Aufbau der Figur aus parallelen schwarzen und weissen Streifen, welche jede unter einem Winkel yon 1 Minute vom normalen Auge gesehen werden miissen. Bei dem E ist das Prinzip schSn durchgefiihrt~ abet beim T oder beim L h~ngt die Erkennbarkeit g~inzlich ab yon der Wahrnehmbarkeit des vertikalen Streifens. Es ist

~) Uber die Bestimmung der Sehschiirfe nach den Methoden yon L andolt und ~'on Guillery. v. Graefe's Arch. f. Ophthalm. Bd. LXIV. 1. 1906.

Page 3: Neue Sehproben

Neue Sehproben. 545

auffallend, dass die Snellensehen Proben in diesem Punkte niemals angegriffen worden sind. Aus demsetben Grunde niimlich, aus dem man die Gui l le ryschen Punktproben verwarf, hiitte man diese Buchstaben verwerfen miissen; denn bet dem einzelnen Streifen h~itte man ebenso wie bet dem einzelnen I)unkte einwerfen sollen, dass nicht das Minimum separabile gemessen werde, sondern dass die Erkennbarkeit yon der Licht- st~rke ablfiingig sein mtisse. Wie ich gezeigt habe ~), war dieser Ein- wand gegen die Gui l lerysehen 1)roben nicht richtig, u n d e r wiiMe also hier aueh nicht am Platze seth; wie ich aber an derselben Stelle hervorgehoben, wird die PuI~ktprobe und noch mehr die einzeine Linie unter einem viel kleineren Winkel erkannt, als die drei pa- rallelen schwarzen Linien, und ebenso also die einzelne Linie in den genannten Buehstaben. Die Erkennungsgrenze liegt bet diesen letz- teren nicht in ether Entfernung, in der sie unter e ther Minute, sondern nahezu zweimal wetter, d. h. wenn sie unter einem Winkel yon un- gefiihr einer halben Minute gesehen werden. In dem Augenblieke wird beim T (siehe Fig. 1) der Abstand ab gerade unter einem Winkel yon ether Minute gesehen, aber da hier ~tktisch eine weisse t Stelle auf dunktem Grunde betrachtet wird, liegt bier nicht die Ursaehe der Unerkennbarkeit, denn bei stiirkerer Beleuchtung wiirde diese Stelle c gesondert sichtbar bleiben, wenn die schwarzen Fi~. ~. Streifen bc und ad nur breiter w~ireni die Streifen ef~ fg, gh, ha und ad verschmelzen natiirlich schon, wenn das normale Auge diese Teile unter einem Winkel yon einer ganzen Minute sieht, abel' dadurch ]eider die Er- kennbarkeit der Buchstabsn verhiiltnism~ssig wenig. Mit dem L ver- h~lt es sich in derselben Weise; es liegt die Sache hier sogar noch giinstiger, da'nicht teilweise Verschmelzung yon Linien vor der Zeit eintritt. Auch bet dem D, dem 0, dem V, dem G und dem C in den Snellenschen Optotypen h~ingt die Erkennbarkeit, ebenso wie bet dem T und dem L, nur yon der Breite der sehwarzen Linie ab; und wie gesagt wird diese noch erkannt, wenn sie nahezu unter einem Winkel yon einer halben Minute gesehen wird; in jenem Augenblicke empfiingt der Zapfen, auf den der schwarze Streifen f~llt, im giinstigsten Falle ungef~hr 0,4, im ungfinstigsten die tti~lfte yon der Liehtmenge yon seinen Nachbarn, und wie der Versueh mit den !Punktproben noeh angibt, wird dann kein Unterschied der Er-

') Loc. cit.

Page 4: Neue Sehproben

546 W. Koster Gzn.

regung mehr empfunden. Natijrlich muss, um diese Buchstaben in einer Distanz doppelt so gross als jene, wofiir dieselben bestimmt sind, zu erkennen, die Beteuchtung eine gute sein, sonst kommt das weisse Lieht in der Mitre dieser Buchstaben nieht genttgend zur Wirkung, da es dann dutch die nach zwei Seiten auftretende Zer. streuung zu sehwaeh wird. Hierdureh ist die Erkennbarkeit dieser Buehstaben aueh insoweit yon der Beleuchtung abhi~ngig, dass bei mgtssigem Tagesliehte im Zimmer die Grenze fiir normale Augen ungef~thr bei 0,75 Minute, dagegen bei hellem Lichte im Freien bei beinahe 0,5 Minute gefunden wird. Diese Abhgngigkeit von der Beleuehtung ist sehon von S e h w e i g g e r und yon Cohn hervor- gehoben.

Bei den andern Buehstaben, dem A, B, E~ F, N, P, R nnd Z ist das Prinzip der drei parallelen sehwarzen Linien wohl nieht seharf durehgeftihrt, abet bei den meisten kommt es wohl einigermassen zur Geltung; nur bei dem A, N und Z ist dies sehr wenig der Fall~ aber auch dort liegen vielfaeh nahezu gleiehe sehwarze und weisse Streifen yon derselben Breite abweehselnd nebeneinander. Bei allen diesen Buehstaben finder man die Erkennungsgrenze wohl in der Di- stanz, f{tr welehe dieselben bestimmt sind; nut unter einer Bedingung jedoch, dass man sieh nieht zufrieden gibt, wenn der Patient ein B und R, ein B und E, und ein F u n d P miteinander verwechselt. Tut man dies doeh, so bekommt man wieder viel bessere Zahlen fiir die Sehsehgrfe mit diesen Figureu; denn wenn die Grenzen der pa- rallelen Linien versehmolzen sind, behalten die Buehstaben selbst- verstgndlieh noeh lgngere Ze i t eine solehe Jt~orm, dass man weiss, dass es entweder der eine oder der andere sein muss.

Von versehiedenen Autoren sind daher andere Buchstaben ge- w~ihlt worden: ftir die ausftihrliehe Literatur darf ieh" auf die Be- arbeitung dieses Gegenstandes yon E. L a n d o l t in dem Handbueh yon G r a e f e - S a e m i s e h (2. Aufl. 1903), Teil 2, Bd. IV, verweisen, sowie aueh auf die eingehende Stndie yon P e r g e n s in den A n n a l e s d 'Oeu l i s t i que 1906.

Ieh finde abet, dass die Auswahl die Verh~iltnisse nicht besser maeht; so behalf Ol iver C, D, E, F, L, O und T yon Sne l l ens Bloekletters, welehe iiberhaupt nieht gleiehm~ssig sind; die yon W i l l i a m s gewahlten grotesken Buehstaben sind als Drucksehrift nicht sebleeht, kSnnen reich fttr Sehproben jedoeh iiberhaupt nieht befriedi- gen, da ebenfalls keine Gleiehwertigkeit erreieht wird.

Far gleiehwertige Buchstaben habe ieh die tblgenden ausgewghlt:

Page 5: Neue Sehproben

Neue Sehproben. 547

B und E, F und P und O, U und (2 (siehe Fig. 2). Die Form der vier ersten entspri&t dem Snel lensehen Bau, mit Ausnahme des 1~ bei dem der Teil a um die H:~lfte der Breite eines Streifens weiter naeh unten l~uft (siehe nur die Breite yon drei Fiinftel yon der HShe. Anf~nglich hatte ieh das F und das P gezeiehnet, wie in Fig. 3, damit diese ebenfalls mit den beiden ersten, dem E und dem B, gleiehwertig sein k5nn- ten. I n der Praxis be- wiihrte sieh dies aber nicht, da die Patienten immer den Punkt am Fusse als etwas Beson- deres erwi~hnten und sieh in zeitraubender Weise dariiber gusserten; dann babe ieh dieselben fort- g.elassen. Das C hat eine Offnung, welehe derjeni- gen des La~doltsehen nnterbroehenen Ringes gleieht; man kSnnte fra- gen, ob dieser nieht ver- worfen werden mttsste. Dies ist nieht der Fall, da diese Figur nieht mehr erkannt werden kann, wenn der Winkel kleiner als eine Ninute wird, denn dann versehmelzen

Fig. 3). Die drei letzteren Buehstaben haben

OU Fig. 2.

Fig. 3.

die beiden sehwarzen vertikalen Linien; bei dem Landoltschen Ring betr~g~ die Wei~e der Offnung das dreifaehe.

Diese sieben Buehstaben sind also nicht unter einem kleineren Winkel Ms 1' fi~r den schwarzen Streifen erkennbar; dass drei der- selben dana nur eine Breite yon 3' haben, maeht ~usserst wenig aus. Die Hauptsaehe ist, dass hier immer wenigstens zwei sehwarze pa-

Page 6: Neue Sehproben

548 W. Koster Gzn.

rallele Linien, durch einen Zwiseheuraum getrennt, welcher gleich ihrer Breite ist, unterschieden werden miissen, und wie ich vorher I) gezeigt habe, muss dann schon bald die Figur unkenntlich werden, wenn jeder Strei~n im Netzhautbilde nicht mehr einen Zapfendurch- schnitt deckt. Ieh habe reich vorher schon entschuldigt~ dass ich diese bekannte Sache nochmals habe hervorheben miissen.

Es kommt nun bei der Bestimmung der Sehseh~rfe darauf an~ dass man keinen Fehler passieren liisst: der Patient muss B yon E, F yon P und O, und U, und C genau voneinunder unterscheiclen kSnnen: macht er in einer Reihe Fehler~ wenn er auch einige richtig nennen sollte, so ist jene Reihe nicht mehr mitzurechnen. Zur Kontrolle kann man dieselbe Reihe noch einmaI lesen ]assen, denn es wiire mSglich, dass NachI~issigkeit und Unaufmerksamkeit Ursaehe der Fehler waren, aber wenu wieder ein Fehter vorkommt, beweist dies, dass der Patient nicht genau sieht, uud die Grenze ist

ziehen. Man dad" dann nieht mit lb-~nf oder dort dergleichen z u

rechnen.

Ftir meine Sehproben habe ieh das dezimale System der Inter- vatle gewiihIt, wie dies in der letzten Zeit bei ~ielen Ophthalmologen mehr und mehr Anklang finder. :Es hat den grossen Vorteil, dass es die Beurteituug der Verbesserung oder Verschlimmerung der Seh- sch~rfe ungemein erleichtert. Man weiss zwar nicht sofort, wenn man yon einem Visus yon 0,3 hSrt, in we]cher Entfernung die Bestimmuug stattgefunden, aber man ist jetzt wohl allgemein der Auffassung, dass. wenn die Sehschitrfe-Bestimmung nicht in wenigstens 5 m stattge- funden, dies erw~hnt werden muss; und bei grSsserer Entfernung macht es Nichts aus, ob dies 6, 8, 12 oder 20 m gewesen ist. Sogar wiirde ich keinen Anstand nehmen, den Abstand you 4 m noch ale geniigend zur Erhaltung yon parallelen Lichtstrahlen zu betraehten, wie dies ihktiseh in vielen Sprechzimmern durehgefiihrt wird.

Die Normatdistanz yon 6 m, wie Sne l l en sie anf~nglieh aus- sehliesslich vorgezogen hat, glaube ich aueh jetzt noch als sehr em- pfehlenswert betrachten zu miissen, d~ dann die Abstiinde, in wel- ehen die verschiedenen Reihen der naeh dezimalem System geord- neten Optotypen noch erkannt werden miissen, sehr brauchbare Zahlen ergeben. Fiir die geringen Grade der Sehschfirfe habe ich noeh Briiche der dezjmalen zwisehen- und zugefiigt, welehe eiue gesonderte

1) Loc. cit.

Page 7: Neue Sehproben

Neue Sehproben. 549

TaM bilden, wie Pfit iger dies seinerzeit vorgeschlagen hat; der 0,3

grSsste Buchstabe misst 30 em und tri~gt die Bezeichnung ~ ; sie wird

yon normalen Augen in 225m Entfernung gelesen. -Wean man die Forderung stellt, dass das Bild jeder Probe

noeh gerade in die Fovea centrahs fallen kSnne, ist dieser Buch- stabe yon 30 cm in 6 m natiirlich viel zu gross. Dieselbe sell aber aueh nicht dienen, um an einem Auge normaler Struktur einen Visus zu bestimmen, sondern lediglich um zu eruieren, was ein gewisses Auge iiberhaupt noch sehen kann. Es ist dann bequemer, ein grosses Objekt in der gewShnlichen Entfemung zu haben, als mit den ge- wShnlichen Proben sieh dem Patienten zu n~hern. Die ganze Frage, wie gross der grSsste Bnchstabe noch sein darf, ist meines Erachtens eine rein theoretisehe Streitfrage, womit die Praxis sieh keinen Augen- blick besch~ftigt.

10 Ftir Sehschgrfen grSs'ser als ~ habe ieh eine kleine gesonderte

Tafel zeichnen lassen, welche der sehr brauchbaren kleinen Snel len- schen iihnlich ist, nur ist die Skala bier nach dem dezimalen System weitergefiihrt, alles gereehnet beim Lesen in 6 m. Nur steigt der Visas hier nieht mehr mit 0,1, sondern es sind nur einige Stufen ausgewiihlt worden, um einerseits kleinere Buehstaben zur Hand za haben ftir die Untersuehung yon Augen in der N~he, anderseits, um ungewShnlieh feine Grade der Sehseh~rfe noeh messen zu kSnnen. Die normale Erkennungsgrenze dieser Optotypen ist 6, 5, 4, 3, 2,

1,5 und i m, der dazugehSrende Visus in 6 m also 10 12 15 20 30 1-0' 10' 10' 10' ~ '

40 and 60 1--0 3 " Der letztere Visus wiirde dann dem hSehsten jemals wahr-

genommenen noeh entsprechen 1). In 6 m stimfnen die Dezimalbriiehe mit folgenden Abstfinden

0,3 (225m); 0,5 (120m); 0,75 ,~ 1,5 i iberein:~ 10- ~ - ( 8 0 m ) ; ~ . (60m);

2 (80m); 2,5 (24m); ]~ (20m); ~ (15111); 1~ (12m); 6 (10 m); 1-6 ]-6 __ I0 6m). 7 (8,57m); 8~(7,5m); 9 (6 ,6 m); T6- ( I0

Wer also die Dezimalteilung nieht gebrauchen will, kann die

~ H. Cohn, Wie sollen Bficher und Zeitungen gedruckt werden? Braun- schweig, Vieweg und 8ohn. 1903.

Page 8: Neue Sehproben

550 W. Koster Gzn.

d Formel V ~ benutzen und wird mit den Abst~nden ebensovieI

oder ebensowenig Schwierigke~t haben, wie bei den Optotypen yon Sne l len .

Ffir den Analphabeten, f'tir Kinder und ffir Untersuchungen~ bei denen es darauf ankommt, vollkommen gleichwertige Sehproben zu haben, sind yon mir aueh Hakenfiguren gew~hlt worden, und zwar auch dreizaekige, aber mit gleiehgrossen Zacken, wie sie auch yon L a a n 1) bei seinen Untersuehungen benutzt worden sind. Wie L a a n angibt, hatte Sne l l en seinerzeit die mittlere Zacke verktirzt, um die Erkennung derselben derjenigen tier Buchstaben gleieh zu machen. L a a n bemerkt ebenfalls sehon, dass dadureh ein falscher Faktor ein- gefilhrt women ist. Bei den Haken mit drei Zaeken yon ungleicher LKnge kann tier Stand bei guter Beleuehtung yon einem intetligenten, aufmerksamen Beobaehter noch lgngere Zeit an dem helleren Ein- schnitt an der offenen Seite erkannt werden. Die besonders hohen Grade der Sehsch~rfe, welehe eben mit diesen Hakenfiguren bei B e d u i n e n und andern Naturmensehen bei hellstem Tageslieht ge- funden worden sind~ kSnnten vielleicht fiir einen nicht geringen Tell dieser Tatsache zugesebrieben werden mtissen. Bei den gleiehzaekigen ttakenfiguren ist zwar noeh keine absolute Gleichheit erreicht, da vom theoretischen Standpunkt betrachtet, das nicht mehr seharf ge- sehene Quadrat an der gesehlossenen Seite etwas dunkler erseheinen muss, aber praktiseh zeigt sich dieser Einfluss sehr gering. Die Tafeln mit diesen Sehproben sind in derselben Weise wie diejenigen mit den Buchstaben eingeriehtet.

Zum Gebrauche fiir Analphabeten und fiir Kinder habe ich noch Tafeln mit Ziffern herstellen lassen, da diese bequemer zu be- nutzen sind als die Haken; diese arabischen Ziffern sind auch sehon oftmals verwendet worden, nur war es nicht Ieicht diese Figuren gleichwertig zu gestalten. Ich habe seit mehreren Jahren nur Ziffern benutzt, welche ich nach einem besonderen Prinzip konstruiert habe; zur Erkl~rung ist es notwendig, eine kleine Abschweifung zu machen.

Wenn man das gewShnliche E der Snel lenschen ]~uchstaben genau betraehtet in dem Abstande, worin es erkannt werden soll, sieht man nieht mehr die wirkliche Form, sondern die Form eines Sigma, also ungef~hr so: ~. Es ist eigentfimlich, dass jeder darauf aufmerksam gemaeht werden muss, um es zn sehen; sieht man es,

1) H. A. Laan , Over Gezichtsscherpte en hare bepaling. Proefschrift. Utrecht 1901.

Page 9: Neue Sehproben

Neue Sehproben. 551

so kostet es nachher Miihe~ es wieder los zu werden. Die Erldgrung der Erscheinung ist einfach genug; wie v. He lmhol tz in seiner Optik 1) erkl~irt, dass gerade Linien bei genauer Betrach~ung unter bestimmten Bedingungen wellig er~seheinen :kSnneni so spielt auch hier die Anordnung der Zapfen zueinander eine Rolle. Wenn das E unter einem Winkel yon 5 Minuten gesehen wird, Aiegt es auf dem Zapfenmosaik jeden Augenblick wieder so~ wie in der Fig. 4 angegeben: man sieht~ dass dann eine Form wahrgenommen werden muss, die einem 2: g hnlich isL Dass wir in der Regel dies nicht wahrnehmen, ist so zu erk!~ren, dass bei einer andern L~ge diese Form nieht s o ausgesprochen ist und dass wir im al!- gemeinen durch Erfah- run S gelernt haben, aus den wechse!nden Figu- ren mit gebogenen Linien auf geraden Linien zu

Fig. 4.

sehliessen. Die horizontalen Zacken des E sehen wir immer horizon- tal verlaufen.

Aus dieser Wahrnehmung~ welche nach meiner Erfahrung ohne Ausnahme bei normalen Augen gemacht werden kann, schloss ich, dass die Anordnung der Zapfen in der Fovea centrMis bei dem Menschen derartig ist~ dass horizontale Reihen gebildet werden, welche jedesmal eine halbe Zapfenbreite gegeneinander verschoben sind, wodurch die Reihen sich teilweise ineinander schieben kSnnen. Es bestehen dann also drei Richtungen, in denen die Zapfen in geraden Linien liegen: horizontale Reihen und solche, welche 300 nasal-und 30 o temporalwhrts verlaufen.

Bei meinen Messungen der Zapfen in der Fovea hatte ich damals nicht darauf geachtet, in welcher Riehtung das untersuchte Stiick der Netzhaut im Auge gelegen hatte. Nachher habe ich bier in Le iden zweimal ein ganz frisches menschliches Aug% welches wegen gr5sserer chirurgiseher Operationen entfernt werden musste, auf diesen Punkt untersuchen kSnnen. Es lagen dort auch horizontale Zapfenreihen, genau so wie bei den sehematischen Abbildungen der l~etina. Diese Augen waren sofort nach der Enucleation punktiert, um den Einfluss

1) H. v. gelmholtz, 2. Aufi. 1896. S. 257. Fig. 119.

Page 10: Neue Sehproben

552 W, Koster Gzn.

des restierenden intraokularen Druekes aufzuheben; und es wurde dann das Stiiekehen Netzhaut mit der Maeula in der feuchten Kam- met untersueht.

Beiliiufig will ich hier bemerken, dass die optisehen Durehsehnitte der Zapfen immer seh5ne Kreise bildeten und dass ieh nirgends einen Honigwaben-Bau habe beobaehten kSnnen, ebensowenig als frtiher an meinen frischen Pr~,paraten in Paris1). Ich weise darauf hin, da vor einigen Jahren eine Mitteihmg ersehienen ist yon Heine2), der an der Hand yon Mikrophotographien der Netzhaut die seehseekige Natur der Querdurehsehnitte befiirwortete. Ieh babe damals sofort gedaeht~ dass diese photographisehen Bilder einfaeb optisehe Kunst- produkte seien; daftir sprieht sehon, dass in den Teilen, welche bei der photographisehen Aufnahme am genauesten eingestellt gewesen~ die seehseekige Natur der Querdurehsehnitte am wenigsten ausge- sproehen ist; auf der Taf. VII bei Heine ist dies am besten zu sehen. Nur hat es mieh gewundert, dass bei der Betraehtung der betreffen- den Priiparate mit dem Auge im Mikroskop der fiehtige Saehverhalt nicht deutlieh geworden ist. Da es kaum anzunehmen ist~ dass der Beobaehter den seharfen kreisrunden Kontur der genau eingestellten optisehen Quersehnitte iibersehen haben kSnnte, mtisste dann ange- nommen werden, dass dutch irgendwelehe Vorbehandlung der Netz- haut Sehwellung anfgetreten w~re. wodureh die Zapfen fester an- einander gepresst sein miissten, was den seehseckigen Quersehnitt erkliiren kSnnte. In meinen Celloidinpriiparaten yon in Formol ge- hiirteten Netzh~uten habe ieh auch wohl eine Andeutung davon wahrgenommen.

Dass die photographischen Abbildungen iiberhaupt nichts beweisen, hat Herr Dr. de Haas , dama]s Assistent der Klinik, in meinem Laboratorium sehr deutlich zeigen k/Jnnen, indem er Photographien herstellte yon genau aneinanderpassenden sehwarzen Kreisen auf weissem Papier, welehe bei einigermassen falseher Einstellung der Camera in ~ehSne Sechseeke iibergingen. Ieh weiss nicht, ob Herr Dr. de Haas beabsichtigt, die Versuehe weiter durehzufiihren; die Bilder sind wirklieh sehr tiberzeugend.

Bei den Mikrophotographien der Netzhaut ist nun natiirlieh die

I) Etude sur Ies c6nes et les b~tonnets dans ]a r6gion de la Fovda cen- tratis de la r~tine chez l'homme. Arch. d'Ophtalm. 1895. Juillet.

~) H e in e (Breslau), Demonstration des Zapfenmosaiks der menschliehen Fovea. Beriehte fib. d. 29. Versammlung d. Ophthalm. Gesel]schaft zu Heidelberg 1901. S. ~65.

Page 11: Neue Sehproben

Neue Sehproben. 553

Hauptmasse immer falsch eingestellt, und es miissen daher derartige Bilder herauskommen, wie wir sie in der erw~hnten Arbeit vorfinden.

Dass die Ursache der Erscheinung, dass das E als 27 gesehen wird~ in dem angegebenen Bau der Netzhaut zu suchen ist, geht noch daraus hervor~ dass wenn man, bei monokularem Sehen, den Kopf ungefiihr 40 o nach der Schulter senkt, die Sigmaform nicht mehr gesehen wird: dann fKllt der vertikale Strich des Buchstabens auf eine fortlaufende vertikale Reihe von Zapfen, und man sieht diesen Teit gerade; die horizontalen Teile scheinen dann meistens etwas nach vorn zu konvergieren. Wenn man das E um 300 dreht, sieht man das- selbe geschehen. Die parallde Rollbewegung des Auges ist Ursache, dass der Winkel im ersten Falle nahezu 100 grSsser gefunden wird. Auch bei einem griisseren Sehwinket als ftinf Minuten ist diese Er- scheinung zu beobachten; selbstverstiindlich nicht immer in derselben Weise, da dann die relativen Abweichungen yon der Form kleiner ausfallen.

Fig, 5.

Diese Beobachtung an dem Snellenschen E hat reich beson- ders tiberzeugt~ dass es nicht zu weit gefiihrte theoretische Uberlegungen sind, wenn man den Einfiuss des Zapfenmosaiks auf die Wahr- nehmung zu verfolgen sucht, wie einige Ophthalmotogen wohl meinen.

Diese Wahrnehmung, dass die Erkennbarkeit der rich~igen F0rm gewissermassen mit der Struktur der Fovea zusammenhiingt~ vet- anlasste reich, ¥ersuche anzustellen mit Figuren~ welche so gezeich. net waren, dass, wenn das Netzhautbild entsprechend ~klein ge- worden,~ die eigentlichen Figurlinien und die Zwischenr~ume genau auf Zapi~nreihen Platz finden konnten. Es zeigte sich, ~]ass diese dann fast genau den Grenzwert der Sehsch~irfe darsteUten. Ich be- nutzte zu diesen Yersuchen die gewShnlichen Buchstaben und schloss dieselben mit dunklen Linien ein~ sowie es in der Fig. 5 fiir ein

Page 12: Neue Sehproben

554 W. Koster Gzn.

A, B und C angegeben. Ieh stetlte mir vor, dass dis Erkennbar- keit bis zu dem Moment, wo jeder Teil nicht mehr auf einen ganzen Zapfen f~ltt, eine sehr gute sein mfisste, da immer eine Art Gleichf0rmigkeit zwischen dem Bau der Buehstaben und demjenigen der Netzhaut besteht, dass dann aber auf einmat die Grenze fiber- schritten werden konnte. Es kommt nun wohl etwas derartiges heraus, aber der Gebrauch der eingeschlossenen Buehstaben und Ziffern er- wies sich als nicht praktisch, wiewohl viele Buehstaben in dieser

Fig. 6.

Weise gleichwertig gemaeht werden kSnnen. Die Patienten, sehen n~mlich oft erst die Weisspartien in den ~guren und werden nieht auf die schwarzen Buchstaben aufmerksam, und dies ist unbedingt hinderlich.

Ich habe die Idee abet nicht aufgegeben und bin mit den Zif- fern in einer einfaeheren Weise zum Ziele gekommen. Die Ziffern haben such jene Formen, dass sie bei dam Grenzwerte der Sehseh~rfe den Figurlinien des Zapfenmosaiks, wie dasselbe in unserer Fovea angeordnet ist, folgen. In der Fig. 6 hubs ich die yon mir gewfihlte

Page 13: Neue Sehproben

~eue Sehproben. 555

Form abgebildet. Man kann auch andere konstruieren, aber diese schienen mir am meisten geeignet. Naeh diesen Typen babe ich nun Ziffern entworfen, wie sie in der Fig. 7 gezeiehnet sind; die- setben sind nieht genau gleich denjenigen der Fig. 6 und zwar aus folgendem Grunde. Wenn man mit Ziffern, genau wie die der Fig. 6, die Sehsehiiffe misst, hat man bei ganz tfichtigen Augen die Grenze erreicht, wenn der Durchmesser der Kreise gleich einer Minute ist, bei gewShnlichen Augen etwas f}iiher; dann ist aber der Abstand

i /i

'1 /

, , ~ i' ,/" ,i

i ," I

Fig . 7.

zwischen zwei Linien etwas kleiner als eine Minute, denn die Zapfen, reihen greifen ineinander. Da nun die gShe der Ziffern zwar aus ftinf Reihen yon Zapfen gebildet wird, diese HShe aber ebenfa]ls nieht oinem Winkel yon ftinf Minuten entsprieht~ sondern nur yon nahezu 5 X 5 0 " , so schien es mir angezeigt, auch bier die }tShe tier Buchstaben yon fiinf Minuten als Grenzwert zu w~hlen, besonders da die Ziffern und Buehstaben dann in befriedigender Weise gleich- .wertig werden. Die Ziffern sind auf parallele Linien gezeiehnet wor- den,: welche in kursiver Weise einen Winkel yon 600 mit der

Page 14: Neue Sehproben

556 W. Koster Gzn.

horizontalen bilden und welche einen gegenseitigen Abstand von einer Minute haben; die Dicke der Ziffer betr~gt auch eine Minute. Der Unterschied zwischen dieser Ziffer und jener der Fig. 6 besteht aber nur darin, dass dieselben in der Richtung der parallelen Linien etwas gedehnte Zwischenr~ume haben. Man kSnnte meinen, dass das Prinzip jetzt weniger genau zur Gettung kommt; dies ist aber nicht der Fall; auch wenn man eine solche Ziffer unter einem grSsseren Winkel aIs einer Minute anschaut, passt das Netzhautbild nieht in allen seinen Teilen zur selben Zeit auf das Zapfenmosaik, und den- noch ist die Wshrnehmung leichter, da jedesmal bei der Verschiebung des Bildes tiber die ~etzhaut die Zapfen Ieichter in dem Bilde Platz finden; so ist auch bei der verI~tngerten Form die Wahrnehmung aus deraselben Grunde etwas leichter. Die Hauptsache ist schliesslieh dass die Ziffern in der laufenden Richtung yon 60 ° gehatten sind Die Breite ist nicht bei allen gleich, was nicht viel ausmacht; die 11 und 2 sind quadratisch, die 3, 4, 5, 6, 8~ 9 und 0 messen 4~,5 ~ zu 5, und die 7 vier zu fttnf.

Diese Ziffern haben sich ebenfalls gut bewghrt; es sind da- yon Tafeln yon derselben Anordnung wie jene mit Buchstaben ge- zeichnet worden, und in der Poliklinik werden sie sehr viel ge-

7 10 braucht; auch die feineren Stufen der Sehsch~irfe yon . ~ bis 10

lassen sich mit ihnen gut messen. Ich meine aber, dass, w o e s gilt raSglichst gleichwertige Optotypen zu benutzen, meine Probebuch- staben den Vorzug verdienen.

Die Ziffer-Optotypen haben den Vorzug, dass sie gewissermassen international sind.

Um vieIen deutschen Jxrzten zu geniigen~ habe ich noeh versucht, dem Gebrauch der sog. gotischen Buchstaben .Rechnung zn tragen, und gtaube wohl bessere Proben hergestellt zu haben als diejenigen, welche bis jetzt in Gebraueh sind. Ferner bin ich nicht unbekannt mit der Tatsache, dass viele Deutsche diese Buehstaben durchaus verwerfen, da sie dieselben fiir schgdlich halten, und ihnen in geschieht- lichem Sinne auch iiberhaupt keinen Wert beilegen; aber man kann diesen Standpunkt vertreten und dennoch dem Bedtirihisse der Praxis geniigeu und gotische Buchstaben vorriitig haben, so lange es Leute gibt, welehe keine andere Schrift lesen kSnnen. Unter diesen goti- schen Figuren gibt es verschiedene, welche sich sogar ziemlich gut zur Konstruktion gleichwertiger Optotypen eignen. In den beige- gebenen Figuren (s. Fig. 8) sind einige abgebildet women, um zu

Page 15: Neue Sehproben

Neue Sehproben. 557

zeigen~ in welcher Weise meine gotischen Buchstaben gebildet worden sind; ich habe das ganze Alphabet yon Capitalen und kleinen Druck- bnehstaben modelliert~ und glaube, dass sie dem deutschen Auge nicht unangenehm sind: Erfahrung mit diesen Optotypen habe ich aber nicht.

Um dem Wunsche der grSsseren Sehnelligkeit der Sehschgrf~- Bestimmung zu gentigen, habe ich horizonta]e Papierstreifen mit Buchstaben zeiehnen lassen~ worauf ftir jeden Grad der Sehschgrfe

r" -T " ' - x - - y - - - i

1 ,

i ' "

Fig, 8.

nur eine Figur vorkommt; wenn man sie zweimal lesen l~sst, ist zuf£1Iiges raten ~usserst unwahrscheinlich. Mit zwei yon diesen Streifen mit Buchstaben, einem mit Ziffern und einem mit gleich- wertigen Haken, kommt man gut aus; fiir Unfallbestimmungen und dergleichen benutzt man natiirlieh die grSsseren Tafeln. Ich ziehe diese Streifen, welehe schon yon G r e e n und Ewing 1) angegeben women sind, den rotierenden Scheiben vor, da die letzteren wie- tier zu unhandlich sind. Es ist gewiss eine hiibsche Einrichtung,

~) John Green and E. Ewing, Test-Letters. St. Louis 1886. v. Graefe's Archly f~r Ophthalmologie. LXIV, 3. 36

Page 16: Neue Sehproben

558 W. Koster Gzn.

die Thomson t) verSffentlicht, aber um gegen Simulanten gewaffnet zu sein, ist sie wieder nicht gentigend; die fiinf Reihen kann einer leicht auswendig lernen; und benutzt man die zehn einzelnen Zif- fern und Buchstaben derselben GrSsse, welche noch auf tier Seheibe gefunden werden, so ist die Auswahl der Grade der Sehscharf~ g~nzlich unzureichend. Gegen das Auswendiglernen gibt es nur ein sieheres Hilfsmittel, dass man in der Reihe einen oder zwei Buch- staben ~ndern kann; dies wiire zu erreichen, indem man zwei Schei- ben iibereinander drehen liesse, jede mit radienfSrmiger Anordnung der Optot)Ten. Einfaeher erreicht man dies dadureh, dass man einen

Fig, 9.

Streifen mit denselben Buchstaben drucken li~sst, nur mit zweien darin geiindert, bei den besseren Graden der Sehschfirf'e. Solche habe ich zeichnen lassen, und ebenfalls einen zweiten solchen Streifen yon den Ziffern; wenn man dem Patienten diese abwechselnd immer wieder vorlegt~ ist es unmSglich, dass er immer richtig raten kann. Man kommt dann also mit wenigen Buchstaben aus.

Ftir die Untersuchung der SchuLkinder, welche oft nur die kleine Druekschrift kennen~ habe ich noch einen Streifen mit solchen Buch- staben beigefiigt, also wie in der Fig. 9. Die Untersuchung mit ihnen

1) Siehe L a n d o l t in v. G r a e f e - S a e m i s c h s Handbuch d. ges, Augenheilk. S, 477.

Page 17: Neue Sehproben

Neue Sehproben. 559

ist weniger ermiidend als mit den Hakenfiguren, und ist dennoch genfigend genau.

Auch ffir den Abstand yon vier Metern habe ich einige Tafeln und Streifen mit Buchstaben, Haken und Ziffern nach dem Dezimalsystem zeichnen lassen. Es kam mirvor, dass die Distanzen 6 nnd 4 Meter allen Anforderungen in diesel" Richtung geniigen, und dass nicht noch Tafetn fiir 5 m notwendig waren. Viele Spreehzimmer messen in der brauehbaren Richtung nicht mehr als 4 m, und diesem Paktor muss man Reehnung tragen. Die Einriehtungen mit Spiegeln usw., wie viele Yorziige sie in mancher Hinsicht auch bieten m5gen: kann ich nicht empfehlen, da durch den Spiegel wieder viel Lieht verloren geht und ttberdies wieder ein Faktor eingesehaltet wird, dessen Wir- kung nicht immer scharf zu konh'ollieren ist, der jedenfaJls zu grossen Fehlern Anlass geben kann.

Zur Bestimmung ganz sehwaeher Sehseh~rfe babe ieh folgende Einriehtung getroffen: an den beiden Seiten eines rechteckigen Stiiekes Papier, welches zweimal so lang ist wie breit, sind vier Buchstaben gezeiehnet, alle fiir 50 m Entfernung; der kurze Streifen kann in der Mitre gefaltet werden, wodureh das kleine Viereek dann sehr hand- lieh ist, urn dem Patienten in versehiedener Entfernung vorgehalten zu werden; dies erseheint mir eine bessere Methode, als das unsichere Fingerz~hlen. Da hiermit der Visus in 1/5 o Teilen gemessen wird, ist die Zahl leieht vergleiehbar mit den dezima]en. Ich habe auch noeh eine Sehe~be aus Pappe anfertigen ]assen mit zwei dreizaekigen Hakenfiguren, welche, ~ihn]ich dem Landol t sehen Kreis mit den nnterbroehenen Ringen, dem Patienten in verschiedenen Abst~nden vorgehalten werden kann. Auf der einen Seite steht eine gleiekzaekige Hakenfigur fiir 100, an der andern fiir 50 m. Auch die mit diesen Optotypen gewonnenen Zahlen sind also direkt mit den Dezimal- optotypen zu vergleiehen.

Zur Bestimmung der Sehsch~rfe in ganz kurzer Entfernung, wie dies besonders bei der Untersuchung yon hochgradiger Myopie im Puncture remotum notwendig ist, habe ich seinerzeit schon dezimale Optotypen verSffentlieht, welehe tier Vollst~ndigkeit wegen bier auch einen Platz finden mSgen. Dieselben sind demonstriert worden in der Versammlung holl~ndiseher Ophthalmologen yore 20. Dezember 1903 und referiert -con mir selbst in der Nederl. Tijdsehrift voor Geneeskunde T. I, Nr. 12, 1904. Bei der Teehnik der Herstellung hat mein damaliger Assistent Herr Dr. de H a a s reich sehr wesent- lieh unterstiitzt.

36*

Page 18: Neue Sehproben

560 W. Koster Gzn.

Diese kleinen Optotypen sind auf Glas photographiert women und mtissen bei der Untersuchung gegen den hellen Himmel oder eine leuchtende Flitche gehalt~n werden; dies wurde notwendig, da sonst der Kurzsichtige immer sich selber ira Lichte steht; sie wer- den dann schwarz auf hellem Grunde gesehen. Es stehen drei kleine Tafeln nebeneinander, eine solche mit Buchstaben, eine mit Ziffern und eine mit Haken. Die kleinsten Figuren werden in 5 cm unter einem Winkel yon 5 Minuten gesehen; in aufgteigender Weise gibt es dann weiter Fignren ft~ 5,S cm (18 Dioptr.), 6,25 cm (16 D.), 7,14 cm (14: D.}, 8,j~ cm (12 D.), 10 cm (t0 D.), 12,5 cm (8 D.), 16,4 cm (6 D.), 20 cm (5 D.), 25 cm (4 D.), 33,~ cm (3 D.), 50 cm (2 D.) nnd 66,~ em (1,5 D.). Die Abstgnde stimmen also mit dem P.R. eines Myopen yon der betreffenden Zahl D. iiberein. Bei tier ersten Aus- gabe hatte ieh auf der Umrahmung dieser Optotypen ziemlich viel zur bequemeren Benutzung aufgezeiehnet; davon bin ich aber zuriick- gekommen: es gibt oft Anlass zu Verwirrung. Es stehen also jetzt nur die Zahten dabei, welehe den Iqormalabstand angeben nnd welche Dioptrien dazu gehSren. Da diese Optotypen in so versehiedener Entfernung benutzt werden miissen, ist es aueh besser die dezi- malen Verh[tltnisse der Sehsehgrfe beim Lesen in der kiirzesten Ent- fernung yon 5 cm, wiewohl dieselbe wirklieh wieder besteht, nicht zu erw~thnen: dieselbe ist fast hie zur Verwendung gekommen. Es

d wird bier der Visus bestimmt nach V ~ - ~ - .

Bei einem Myopen yon 20 D, der volle Sehseh~rfe hat, kann dieselbe also noch im P. R. gemessen werden; grSssere Anforderungen werden dem Apparate selten gestellt werden; bei h5heren Grstden der Myopie als 20 D, und aueh bei dieser sehon, ist der Visus bekannt- lich meist sehr herabgesetzt; es kann nun z. B. bei einem Myopen

D i m P. R. noch eine Sehsehgrfe yon !~o, also halbe Seh- y o n 40

sch~rfe gemessen werden~ was den Anspriiehen der Praxis v5llig ge- ni~gen diirfte. Besonders wird man dies zugeben, wenn man bedenkt, dass die F~lle yon 40 D Myopie, gemessen naeh dem P. R., sehr selten sind.

Urn die Optotypen genau in der erwiinschten Entfernung vor dem Auge halten zu kSnnen, ist der Rahmen, worin dieselben gefasst werden, erstens mit einem krgftigen Griff versehen, und zweitens noch mit einem kupfernen Massstabe mit verschiebbarem Visier, welcher Stab auf der rechten und der linken Seite angeschraubt werden kann.

Page 19: Neue Sehproben

Neue Sehproben. 561

Diese ietztere Einriehtung ist dem Pfliigerschen Apparat gleieher Streekung der Hauptsache nach nachgebildet: die Fig. 10 verdeut- licht das Instrument1).

Ieh habe keinen Anstand genommen, bei diesen kleinen Opto- typen wieder die Zahlen anzugeben, wobei die betreffenden Figuren unter einem Winkel yon fiinf Minuten gesehen werden. Sollte man das aceommodierende Auge mit denselben untel~uehen, so sind diese Zahlen bekannt]ich nicht riehtig, insofern die Sehschiirfe nleht genau gleich ist derjenigen des ruhenden Auges mit entspreehend grSsseren Optotypen gemessen. Aber die Zahlen besagen auch nichts mehr, als dass yore A u g e ~us der Winkel ffinf Minuten betr~gt. Bei den sehr kleinen Abst~nden yon weniger als 5 em w~re noeh der Tatsache l~ectmung zu tragen, dass der Ausdruck yore A u g e aus eigenflich heisst: gemessen yon dem vorderen Knotenpunkte, aber so rein kSnnen unsere Messungen wohl nicht werden, dass ein Ein- fluss yon ein paar Millimeter bier yon Wichtigkeit sein kSnnte. Bei sehr stark myopisehen Augen kann die Lage des Knotenpunktes hinter der Cornea dann beriieksiehtigt werden.

Da diese Optotypen so klein sind, class man den Patienten nicht kontrollieren kann, war es notwendig~ ein grSsseres Muster herzustellen fiir den Arzt; dasselbe babe ich so ausgeffihrt, dass es zu gleieher Zeit dienen kann fiir Bestimmung der SehschL~e in 25 era; dassetbe ist ebenfalls auf Glas photographiert und kann entweder gegen den hellen ttimmel gelesen werden oder bei auffallendem Lichte, wenn ein weisses B]att Papier dazwischen gelegt wird. Eine grSssere Reproduktion ffir 50 cm ~uf Karton habe ich ebenfalls herstellen lassen; bei diesen beiden Mustern sind die Sehsch~irfen ebenfalls wie- der in dezimalen bei den betreffenden Abst~nden angegeben~ zugleieh aber iiberall der Wert D in Centimetern. Diese stellen also sozu- sagen die Leseproben dar, aber nur mit den einzelnen Buchstaben, Hakenfiguren und Ziffern.

Das Bediirfnis solcher kleinen Optotypen war sehon yon mehreren Ophthalmologen gefiihlt worden nnd 5fters ausgesproehen. Leber 2) wies in seiner Arbeit fiber die Sehsehiirfe der operierten ~'[yopen darauf hin. Pf l i iger verSffentliehte kleine Optotypen (Hakenfiguren),

~) Dieser Apparat, mit den zugehiirigen Tafeln, wird geliefert yon dem Mechanikus der Augenklinik H. Brouwer in Leiden.

~) Th. Leber, Bemerkungen fiber die Sehsch~lCe hochgradig myopiseher Augen vorund naeh operativer Beseitigung der Linse. v. Graefe's Arch. f. Ophthalra. Bd. XLIII. 1. 1897.

Page 20: Neue Sehproben

562 W. Koster Gzn.

welche aber unbrauchbar sind, so schlecht sind die feinen Figuren gezeichnet; auch diejenigen yon K. Bjerke*) sind sehr verschwom- men und stimmen durchaus nicht mit der angegebenen SehschErfe iiberein; wenigstens nicht die Abbildungen in diesem Archiv; ob andere besser sind, ist mir nicht bekannt. Schon l~ngere Zeit hatte ich Versuche in dieser Richtung angestellt and, obschon ich bessere Resultate erhalten hatte a.ls die eben citierten, waren dennoch die Optotypen nicht geniigend scharf. Man sieht dies am besten bei

Fig. 10.

kleiner VergrSsserung unter dem Mikroskop. Unter Mitwirkung yon Dr. de H!aas, der sich viel Miihe idamit gegeben, habe ich dann schSne, feiue, scharfe Bilder erhalten. Wenn ein gut eingerichtetes Gesch~ift diese Sache in die Hand nimmt, ist es einfach, ganz zuver- l~issliche Optotypen dieser Art auf Glas herzustellen: diejenigen fiir 5 cm messen noch 0,075 ram, was fiir die Technik der Mikrophoto- graphie noch eine leichte Aufgabe ist.

Ich hatte friiher versucht, in fotgender Weise die SehschErfe bei

1) K. B j e r k % v. G r a e f e ' s Arch, f. Ophthalm, Bd. LV. S. 46.

Page 21: Neue Sehproben

~eue Sehproben. 563

hochgradiger Myopie zu bestiramen: auf einera Griff wurde eine Linse yon 20 D befestigt und ferner eine Einrichtung getroffen, welehe rait derjenigen in der Fig. 10 abgebildeten iibereinstimrat; nur ring die Centiraetereinteilung in 5 era Entfermmg yon der Linse an. Es wnMen raeine dezimalen Optotypen fiir 6 m umgekehrt in dieser Entfernung an die Wand gehgngt und der Myope konnte nun das yon der Linse wieder aufgerichtete Bild" in seinera Puncture remo- turn betrachten. Die Verkleinerung ist dann 120fach, and das ganze Bild stimmt iiberein rait der eben beschriebenen Mikrophoto- graphie; die nntere Reihe muss yon dera Auge mit normalera Visus in 5 cra gelesen werden. Wenn mall die Linse gut festhiilt, oder in einem Stativ aufstellt, geht es mit dem Gebrauch eines solchen Apparates nieht sehlecht; niehtintelligente Patienten verstehen aber nieht, dass sie in der Luft etwas sehen raiissen; ieh habe dann einen kleinen Schirm mit Ausschnitt anbringen lassen, in den das Bild bei guter Haltung des Apparates fallen kann, aber die Einriehtung sehien mir zu urastgndlich. Ein Vorteil war noch~ dass man an- dere Linsen aufschrauben konnte, so vie] weiter naeh vorn, dass der Brennpunkt wieder mit dera Nullpunkt der Centiraeterska]a zu- sararaenfiel und man dadurch weniger starke Verkleinerungen erzie]en konnte. Man muss aber gute Linsen besitzen und so babe ieh, alles zusamraengenoraraen, die ersterw~hnte, direkte Methode als die bessere gew~hlt.

Eigentliehe Leseproben babe ieh noch nieht herstellen lassen. Es kommt fair vor, dass es am besten ist, aueh diese nach dera dezi- malen System einzuriehten und zwar so, dass man einen Satz hat fiir 30 em und einen fiir 50 cm, wobei eventuell, wenn die Druckteehnik

dies fbrdern sollte, die Grade ~ und fortfallen ki3nnten. Man be-

komrat dann Zahlen Nr die ~ugehSrigen Abst~nde, welehe sehr gut

zu verwerten sind; bei denjenigen yon 30 em betragen dieselben 10 10

(43 em); (50 era); (60 era); 8 7 6 5

(30cra); (33cm); 10 (37,5cm); ~ ~-~ ]-~

( 00 cml; o' t < 00omt Man kSnnte 10

1,5 dann noeh ~ 200;em und 2,5 ----- 1-O ~ 120 cm zwischenfiigen. Bei

10 (50 era); den Leseproben fiir 50 cra betragen die Zahlen dann ~- 6

6 (sa cm) ( loo ore); - - 9 (55 cm); 8 (62 cra); (71 cm); ~-~ ; 1-0 10 1-6

Page 22: Neue Sehproben

56~ W. Koster Gzn.

2~5 2 1,5 (125 cm); ~0 (167 cm); 110 (200 cm); ~0 (250 cm); ~ (333 cm);.

1 (5oo cm).

Diese Leseproben h~tten natiiflich den versehiedenen Spraehen und den entsprechenden Formen der Buehstaben Reehnung zu tragen. Das Hinzufiigen eines Blattes der gewShnlichen Musikschrift wiirde geniigen.

Einrichtungen zur Bestimmung des Astigmatismus gehSren eigent- lieh nieht hierher; die Aufna.hme der kleinen Snellenschen Strahlen- figur und der gr5sseren van Haaf tenschen w~re aber zu empf~hlen. Auch eine einfache feine weisse l~inie auf schwarzem Grunde, welehe um ihre Mitre drehbar gemaeht werden kann, wiirde zur Bestimmung des Astigmatismus aufgenommen werden k5nnen.

Ich komme jetzt noch auf einige Fragen zu spreehen, welehe bei dem Entwerfen yon Sehproben immer zu beaehten und vielfaeh in versehiedener Weise beantwortet worden sind. Erstens die Frage, welcher untere Wert fiir das Minimum separabiIe als Norm gew~hlt werden muss. Man hat den Snel lensehen Optotypen 5fters vor- geworign, dass die meisten Personen mit denselben viel grSssere Seh- sehgrfen aufweisen als 6/6. S n e l l e n hat sich verteidigt, indem er angab, dass es durchaus nicht seine Absieht gewesen, die normale Sehschgrfe damit anzugeben, sondern eine gute brauchbare Seh- seh~rfe.

In dieser Saehe stehe ich auf dem Standpunkt~ dass der Visus I°/1 o die beste D u r e h s c h n i t t s s e h s c h g r f e yon no rma len e rwach- senen M e n s c h e n in der K r a f t ihres Sehens d~rs te l l en sol]. Stellt man diese Forderung nieht~ so haben die andern Ausdrfieke, wie z. B. 511U (ira dezimalen System), ebensowenig wie ~]1~ bei der Sne l l en - schen Nomenklatur, keinen Wert: denn wenn der Laie dann fragt~ worauf 6[12 sich bezieht, muss man sagen, dass es heisst 6]1 ~ yon einer Sehschgrfe, we]ehe zwar nicht die Norm darstellt, abet noch ziemlich gut ist, um zu arbeiten. Das wirkt verwirrend; die Norm muss das Sehen eines guten Auges sein. Wenn man meint, dass die Arbeit aller Berufsarten nieht mehr Visus als 1]s erheischt, so kann man dieser Meinung Ausdruck geben, aber man muss dieselbe nicht zur Basis der Beurteilung der Sehseh~rfe krankhaI~ ver~nderter Augen machen. Denn darin liegt eine Gefahr, namentlieh class Ver- minderung der Sehsehgrfe bei ehronischen Krankheiten nieht be-

Page 23: Neue Sehproben

Neue Sehproben. 565

raerkt wird, oder jedenfalls viel weniger in ihrer Bedeutung ge- seh~itzt wird.

Wenn also die Grundlage der Graduierung die Norm sein muss, ist meines Erachtens der W i n k e l yon einer Minu te gerade der riehtige Grenzwert; es ist nieht Zufall, dass dies so gut rait den Messungen der Zapfenbreite in der Fovea iibereinstimrat; bei einer Anordnung, bei der wirklieh ein nieht erregter Zapfen zwischen zwei erregten liegen muss an der Grenze der Erkennbarkeit, also bei der richtigen Erkennung eines E oder B, wird dieser Winkel nut selten iibersehritten. Die wahrscheinliehen Ursaehen der viel kleineren Werte habe ieh ira An'range dieser Arbeit erw~thnt. Ich ragchte also yon dem alten Snellensehen Grenzwert nicht viel abweiehen, sei es auch, wie hervorgehoben wurde, aus etwas anderera Grunde.

Aus praktischen Griinden koramt es rair dann weiter vor, dass es bequeraer ist, fiir das Minimum separabile 0,3 ram in 1 m Entfernung anzunehraen nach Monoyer , was nur sehr wenig yon einera Winkel yon I Minute versehieden ist nnd eine sehr brauchbare Zahl ergibt. Dies stirarat ~iberein rait einer Zapfenbreite yon 4~,5 tt in dem redu- zierten Auge, was der Wirklichkeit ebenfalls gut entspricht. Und wenn wir den Winkel nennen raiissen, unter welchera die Optotypen gesehen werden, kSnnen wir ruhig den Winkel yon 5 Minuten als Basis nehraen.

Eine zweite Frage betrifft die Nuraerierung der Grade der Sehsch~irfe. Besonders yon franzbsischer Seite, aber auch yon deut- scher und ungariseher, ist die Bezeichnung rait Brfichen, sei es nach

d der Forrael Visus ~--- -~ , sei es nach dera deziraalen Systera als dera

Laien unverst~ndlieh, verworfen. Sulzer war wohl der erste, der den Vorsehiag raachte, nicht mehr

die Norm als Einheit zu benutzen, sondern einen Buchstaben, welcher nnter einera Winkel yon i Centigrad, also 54 der jetzigen Minuten, gesehen wird. Wiewohl ich raieh yon einer gewissen Vorliebe fiir die Idee der Centigrade ira allgemeinen genoraraen nicht freisprechen kann, so glaube ieh dennoch, dass jetzt die Einfithrung derselben in die Oph- thalmologie verfriiht sei. Aber deraungeachtet sehe ich den Nutzen der Einfiihrung einer kleinen Einheit iiberhaupt nicht Bin. Man will eine Einheit, mit der in der gewShnlichen Weise gemessen wer- den kann, und raeint besonders rait ihr den Richtern und den Un- fallsversicherungsagenten geniigen zu kSnnen. Ich fiihle das Bediirf- his der Einheit aueh in dieser Hinsicht nicht so sehr, und bezweifle,

Page 24: Neue Sehproben

566 W. Koster Gzn.

ob der Laie mit dem ,,Opt", oder wie man sonst diese Einheit nennen will, zufriedener sein wird. Ich verstehe die Schwierigkeit der Laien ganz gut, wenn sic keinen Rat wissen mit Ausdrtieken Visus = G/12, oder ~- 1]~. Wenn man ihnen abet sagt, dass dies heisst 6/1~, bzw. i/~., yon der normalen SehsehErfe, und ftir sie schreibt: Sehsehgrfe = t/~ yon der Norm, so werden sic wohl zufrieden sein; naeh meiner Erfahrung verstehen die meisten dies, und wenn nieht~ so kann man solchen die Saehe in diesel ° Weise deutlieh machen, dass man sagt, dass ein Objekt fiir den betreffenden zweimal grSsser sein muss, oder woht, class er es in tier halben Entfernnng halten muss, wie der normale ]~fenseh, nm es erkennen zu kSnnen. }Venn wit Opten, oder Optos einfiihren, so z. B. als Einheit die Erkennung eines Buehstaben wie Sne l t ens E fiir 60 m, in einer Entfgrnung yon 1 m, so ist es mSgtieh, dass ein Richter zuMeden ist mit der Mitteilung, dass ein Patient 30 Optos hat, wenn er weiss~ dass der normale Menseh 60 solcher Einheiten besitzt; ieh f'~chte abet, dass er of~ fragen wird, Me viel ist ein Opto, oder wie gross ist ein Opto, und d a n n i s t man nicht weiter gekommen. Im Gegenteit, wenn man ihm gesagt hat, dass diese Einheit die Erkennung eines Buehstaben in 9 em I-IShe in 1 m bedeutet, kann er fragen, ob der Betreffende nun 30 solcher Buehstaben in 1 m erkennen kann, oder einen 30lath grSsseren; denn eben wenn man ihm eine Einheit gibt, wird er mit demselben in ~hnlieher Weise rechnen wollen, wie mit Kilos und 3/Ietern.

Ieh sehe abet auf der andern Seite kein direktes Hindernis, am die Optos einzufiihren, zumal d a d i e dezimale Sehsch~fe und die Optos leieht ineinander umzurechnen sind. Es ist also ganz gut mSg- lieh, auf der Tafel der 0ptotypen, mit der Gr5sse der SehsehErfe in dezimalen, die Optos zu verzeiehnen. Es kommt nut darauf an an- zugeben, welche Einheit dann am meisten zu empfehlen ist~

Die Einheit soll so gewEhlt werden, dass eine Rechnung mit Brttehen bei Benntzung derselben nicht mehr oft vorkommen kann. Die Skala, welehe yon L a n d o l t empfohlen worden, wobei die Norm auf 10 gestetlt wird und doppelter Visus, also 20 als obere Grenze, seheint mir zu klein; eine Sehseh~rfe yon ~ho oder 6]60 nach Sne l l en wiire demnaeh sehon 1, und die oft gemessenen Werte yon s/loo (l/s 0 naeh Snel len) miissten sehon wieder dureh Brtiche, hier I/5 oder 0,2 ausgedriiekt werden.

Ebenso verh~lt es sieh mit der oben erwi~hnten Einheit yon Sulzer , welche yon der Landol tsehen nur sehr wenig versehieden

Page 25: Neue Sehproben

Neue Sehproben. 567

1 ist: 1Opt ist dann gleich ~ Visus im Snel lenschen Sinne, und

6[~ Visus, oder norm~le Sehschiirfe, ist gleieh 10,8 Opt. Will man also in dieser Richtnng etwas ~ndem, dann scheint es mir, dass die Zahlen grSsse.r gewghlt werden miissen. Ich denke mir z. B. eine Skala, bei der der normale Visus gleich 50 gesetzt wird; die obere Grenze wiirde, wenn man annimm b dass wohl nur ausnahms- weise eine grSssere Sehschgrfe als *°/1 o gemessen warden wird, yon der Zahl 100 gebitdet werden; bei den niederen SehsehKrfen wiir- den dann ~/~o mit der Zahl 5 iiberinstimmen, uncl ferner wiirde die Zahl 1 der Sehseh/irfe ~/50 gleich kommen. Die letztere wtirde also die Einheit, den Opto darstellen, d. h. es wiirde ein Buch- stabe sein yon 7,5 cm tt6he~ der in i m Entfernung erkannt werden kSnnte. Bei dan betreffenden Opt~typen kSnnten hinter dan Dezimal- brtichen die Optos angegeben werden: ~]~o ist gleich 5 0 p t o s , 1 0 p t o gleieh ~/5o Sehsch/irfe; um also Optos in Sehsch~rfe der jetzt giiltigen Schreibweise umzureehnen, miisste man durch 50 divi- dieren, und umgekehrt den jetzigen Ausdruck fiir die Sehschiirfe mit 50 multiplizieren.

Von S ik l6ssy ~) ist vorgeschlagen worden, als Einheit einen Buchstaben mit i cm Distantia separabilis in 1 m zu wiihlen, was

1 mit ~ V i s u s im Sinne Sne l l ens iibereinstimmt, also nahezu ~/s~.

Ich finde diese Zahl nicht gliicklich gewi~hlt; die Durchsehnittsseh- schgrfe nach Sne l l en betr~gt dann 35, und 1/1 o Visus ist gleich 3,5 Einheiten, eine Zahl, mit weleher nieht leicht zu hantieren ist. Der einfache Wert 1 cm bietet nicht mehr Vorteil, wie 1~5 cm bei meinem ¥orsehlag, und tiberdies kommt mir die Skala noeh zu klein, die Einheit zu gross vor; eine Sehsehi~rfe yon ~/.~o, welche oft ge- messen wird, wiire wieder mit einem Bruche yon 0,7 anzudeuten. Wenn man also Wert auf eine Einteilung in Opten oder Optos legt~ muss meiner Ansicht nach eine einfache Zahl fiir die normale Seh. schiirfe gewghlt werden, und ~vie gesagt, erscheint die Zahl 50 mir als eine passende.

Eine weitere wiehtige Frage betrifft die Beleuchtung der Opto- typen: der eine Ophthalmologe zieht Tageslicht vor, der andere be- ftirwortet konstante kiinstliche Beleuchtung. Ich glaub% dass man,

') ~Jber die Sehschi~rfe des menschlichen Auges yon Dr. gul. v. Sikl6ssy, Budapest. Beilageheft der Klin. MonatsbL f. Augenheitk. 1905. S. 121.

Page 26: Neue Sehproben

568 W. Koster Gzn.

um diese Frage zu entscheiden, einige Punkte gut ~useinander halten muss. Wenn man bei verschiedenen n o r m a l e n Personen die Seh- sch~rfe bestimmt, z. B. mit gleichzackigen Hakenfiguren, so zeigt es sich, dass dieselbe innerhalb weiter Grenzen unabhgngig ist yon der Be- lichtung; dies ist eine bekannte Tatsaehe. Wenn nun Patienten unter- sucht werden, kSnnte man meinen, dass die @rSsse der Belichtung ~uch jetzt nicht viet ausmacht, wenn nut ein gewisses Minimum iiberschritten ist. Dies ist aber nur selten der Fall, und zwar nur so lunge es sieh um F~lle handelt, we sozusagen die Zahl der percipierenden Elemente sehr vermindert ist, die Funktion der restierenden aber unver~tndert geblieben, oder um solche Patienten, bei denen dutch Unregelmgssigkeiten in der Form der brechenden Medien kein richtiges Netzhautbild entworfen werden kann; abet solche F~lle bilden jedenfalls Ausnahmen. Bei den ersten muss das riehtig gebildete Netzhautbild grSsser sein, da- mit wieder abwechselnd ein Zapfen erregt und einer im Ruhezustande belassen werde; bei den zweiten muss das schlecht gebildete Netz- hautbild viet grSsser sein, d~mit wieder solche Verh~ltnisse entstehen, class zwei in diffuser Weise breiter gewordene tichte Streifen einen Raum z~Jschen sich often lassen, welcher wieder einem Zapfen Pl~tz bieten kann. Anf die Lichtintensitit kommt es hier also der tIaupt- sache nach nut in demselben Masse an, als bei der Bestimmung der normalen Sehsch~rfe.

Falls die Zahl der funktionierenden Zapfen verringert ist, das NetzhautbiId aber in genauer Weise entworfen wird, ist es kaum mSglich, dass die Erregbarkeit der vorhandenen Zapfen nicht auch gelitten hat; auch ist es nieht sehr wahrscheinlich, dass der Aus- fall yon Zapfen in sehr regelmgssiger Weise stattgefunden habe. Um aber eine richtige Vorstellung zu gewinnen, was bei der De- generation stattfindet in bezug auf die Retinaperception, nehmeu wir an, dass die vorhandenen Zapfen noeh gute Funktion haben. In einer Reihe yon Zapfen denken wir uns nun yon je 2, je 3, je 4 usw. einen Zapfen erregbar, wie dies in der Fig. 11 schema- tisch dargestellt worden ist. Wenn jedesmal 1 Zapfen ausgefallen, mtissen 2 paralIele sehwarze Linien 5 Zapfen bedecken, damit noch ein unerregter zwischen zwei erregte falle; es muss also die Breite der Linie s/3 Zapfen entsprechen, was eine gerabsetzung der Seh- sch~trfe auf "~/~, also she bedeutet. Wenn jedesmal 2 Zapfen ausge- fallen sind, miissen 7 Zapfendurchschnitte bedeekt werden, was einer Sehsch~rfe yon sh~ entspricht; bei Ausfall yon 3 Zapfen 9 Quer- durchschnitte, was s/~ s Visus bedeutet. Und es wiirde ein Ausfall

Page 27: Neue Sehproben

~eue Sehproben. 569

6 yon a Zap~n eine Herabsetzung der Sehschiirfe auf 2(2a.-}-3) er-

geben. ]~ei der obigen Rechnung ist angenommen, dass abwechselnd

ein zapfen erregt und einer ganz in Ruhe gelassen wird, wie dies bei der gewShnlichen Reihe der funktionsf~higen Zapfen notwendig ist; bei dem Ausfall yon Zapfen ist es noch mSglieh, dabs ein Zapfen z. B. fiber zwei Drittel seiner Breite wohl oder nieht erregt wird und dass dann noch immer ein erregter zwischen zwei schwach erregten zu ]iegen kommt; wie man sehen wird, wenn man dies zeiehnet, hat dies keinen grossen Einfluss auf die Verminderung der Sehschiirfe.

Fig. 11.

Wenn man nicht zwei, sondern drei parallele Linien erkennen Iassen will, muss, um jedesmal einen erregten und nichterregten Zapfen zu erhalten, die Breite des Netzhautbildes grSsser werden; die Sehsch~rfe wird d~nn nat[irlich kteiner gemessen; bei Ausf~ll yon zwei Zapfen (siehe Figl 11) w~ren dann 13 Zapfen notwendig, tier Visus also auf ~]13 herabgesetzt; fiir den Ausfall yon a Zapfen

5 w~re die Sehseh~rfe Auch dies hat also nicht solch einen

4 a ~ 5 bedeutenden Einfluss~ wie man meinen mSchte.

Aus diesen Uberlegungen ist ersiehttich, dass das Minimum separa- bile in diesen F~llen zwar nicht dem Abstande zwischen zwei funktions- f~ihigen Zapfen entspricht, dass aber aus diesem Werte der Abstand zwischen zwei solehen Elementen berechnet werden kSnnte.

Page 28: Neue Sehproben

5 7 0 W. Koster Gzn.

Die Punktproben yon G u i l l e r y , welche ich in einer friiheren Abhandtung 1) in bezug zu der normalen Netzhaut besprochen habe, erscheinen in einem etwas andern Lichte dieser Frage gegeniiber. Wenn das Bild der Probe so ~uf dem Zapfenquerschnitt liegt, wie es bei der Sehsch~rfe G/6 der Fall ist und wie die Fig. 12 es an- gibt, und wenn nun jedesmal ein Zapfen ausgefallen ist, so kommt der normate Zapfen in einem Kreise yon degenerierten zu liegen. Dies hindert, aus dem hier er5rterten Gesichtspunkte betrachtet, die Wahrnehmung iiberhaupt nicht, da die Peripherie dieses Zapfens in derselben Weise wie sonst, so lange etwas Licht empfangen kann, bis die Erregung dieses Netzhautelementes ebenso stark empfunden wird~ als diejenige yon den Zapfen in der Umgebung, welche also jefzt einen Zapfen weiter entfernt stehen. Nur wird es schwieriger sein, das Bild auf dem erregbaren Zapfen aufzufangen; dies ist aber eine Funktion der Augenbewegung, und teilweise wird es abh~mgig sein

yore Zufalle. Es leuehtet also ein, dass hier ~--";~ . . . . . . . . . . andere Verh~Itnisse auftreten, welche Ursache

sind, dass nicht der kleinste Abstand zwischen zwei funktionierenden Zapfen gemessen wird. Nach dem hier Gesagten miisste die Sehsch~rfe zu gross gefunden werden bei intelligenten~ ge- Fig. I2. duldigen Patienten; denn es wird hier tats~ch-

lieh die Breite des einzelnen Zapfens gemessen, wenn dieser auch ganz gesondert stehen mSge.

Bei dem zweiten obengenannten Fall~ bei dem die Retinafunktion als riehtig vorausgesetzt wird~ das entworfene Netzhautbild abet nicht gut entworfen werden kann, liegen die Verh~ltnisse fiir die gewShn- lichen Optotypeni wie ieh meine, auch etwas giinstiger~ als fiir die Punktproben, in dem Sinne, dass das Prinzip besser zur Geltung kommt. Wenn bei einem diffusen Retinabitde eine Sehsch~rfe yon G]I s erreicht wird, tiegen die parallelen Linien ungef~hr wie in der Fig. 13 angegeben. Das genaue Bild wilrde drei Zapfen fiir jede Linie einnehmen; jetzt werden dunkle und helle Kerntinien gebildet, und es wird ein nicht erregter Zapfen a zwischen den ~erschwom- menen Linien wahrgenommen werden. Bei dem Kreisbilde yon drei Zapfendurehmessern (siehe Fig. 1~) werden die R~nder so verwiseht sein, dass ein diffuser Flecken yon nahezu fiinf Zap~hndurchmessern entsteht~ in dem dann ein dunkler kleiner Kern sieh befindet, der eben-

*) Loc. cit.

Page 29: Neue Sehproben

Neue Sehproben. 571

falls nieht seharf begrenzt ist, der aber nahezu einen Zapfen deekt. Wenn dieser Zapfen so wenig Lieht erh~lt~ dass der Untersehied mit einem im Umkreise gelegenen wahrgenommen werden kann, wird tier Punkt gewiss erkannt; wahrscheinlieh wird er aber schon frtiher erkannt, da das Dunkel yon allen Zapfen zusammen als eine ver- schiedene Ste]le empfunden wird. B e i den Linien kommt es wirk- lich darauf an, einen Unterschied zu sehen, sonst sieht man eine ver- wasehene Fl~che; bei dem Punkttypus zeigt eben diese Fl~che die Stetle an. In dieser Minsicht scheinen mir die Guil leryschen und andere derartige Proben also aueh weniger empfehlenswert. Man fiber- sehe bei dieser Beurteilung aber nieht, class sowohl bei den Opto- typen, welehe das Minimum separabile messen, wie bei den Guil- leryschen Proben, die GrSsse dieses Minimums, ebensowenig wie der

Fig, 13. Fig. 14.

Durehmesser des erkannten Punktes, etwas fiber die GrSsse des Zapfens besagt; bei beiden beziehen die Werte sieh tats~iehlieh auf die Breite der wahrzunehmenden Diffusionskreise zusammen mit der Breite eines Netzhautelementes; nimmt man die Gr5sse des letzteren

1 als normal an, so w~re bei einer Sehseh~rfe yon -- tier Radius der

n n - - 1 .

Diffusionskreise als - -~--faeh dem Durehmesser der Zapfen zu be-

reehnen; bei breiten Zapfen kSnnte es aber aueh ganz anders sein; dariiber besagt uns keine yon den Methoden etwas n~heres.

In den meisten andern Niillen, in denen Triibungen der Medien aller Art die Intensit~t des Netzhautbildes sehwgehen, oder wo die Erreg- barkeit der Netzhautelemente stark herabgesetzt ist, wird es an erster Stelle auf die Intensitfit der Beleuehtung der Optotypen ankommen, welehe Sehseh~irfe erreieht wird. Bei einer Tagesbeleuehtung, welehe z. B. noeh zehnfaeh sti~rker ist als das Minimum far das normale Auge, kann es sein, dass die Medien soviel Licht absorbieren oder diffus zerstreuen, dass sehliesslieh nieht die minimale Liehtst~rke des Netzhautbildes iibrig bleibt; und wenn bei einer derartigen Beleueh-

Page 30: Neue Sehproben

572 W. Koster Gza.

tung mit klaren, norm~len Medien die hTetzhautelemente noch nicht die ffir die normale Sehsch~rfe erforderliche Erregung zeigen, wird ebenfalls die Beliehtm~g der Optotypen faktiseh zu schwaeh sein. Wenn in solchen F~llen das Licht verstgrkt wird, muss tier Visus steigen; hat grSssere Lichtintensitgt keinen Einfluss mehr, dann ist die wirkliche Sehschgrfe erreicht. Wir sind alle geniigend yon dieser Auffassung durchdrungen, wenn es sich nm eine diffuse GlaskSrper- trfibung handelt oder, was den zweiten Fall betrifft, um eine an- geborene Hemeralopie. Bei den meisten andern Krankheiten liegt die Sache tatsgchlieh aber nicht anders, und um bei Untersuehung des Auges den wirklichen ¥isus herauszufinden~ mfissen wir so stark beliehten, class weitere Vers~rkung keinen Einfluss mehr ausfibt. In einigen F~lten wird es nicht mSgtich sein, die Lichtst~rke der Optotypen hSher aufzuf~hren, wiewohl der Visus sich noeh immer bei besserer Beleuehtung bessert; dann ist man abet unkundig der wirkiiehen Sehsch~rfe, und tut besser, eine photoptometrische Bestim- mung auszuffihren. Denn wir sind dann noeh immer unter dem Minimum der Belichtung ffir die betrefiende Netzhaut geblieben.

Wenn wir bei normalen Augen eine Bestimmung unt~r dem Mini- mum ¥ornehmen~ ist bekanntlieh die Anwesenheit yon e inem nicht erregten Zapfen zwischen zwei erregten, usw., nieht mehr geniigend; bei etwas zu schwaeher Beteuchtung geniigt es~ wenn alas Netz- hautbild ein wenig verschoben werden kann, ohne class die Er- regung der betreffenden Zapfen gegndert wird, um die Erkennung wieder m5glich zu maehen; bei noch schw~cherer Beleuchtung aber

w i r d es notwendig, dass zwei nieht erregte Zapfen abwechseln mit zwei erregten, usw. Dasselbe besteht tats~chlich bei der ~etzhaut, welche nicht genfigend Licht empfangen kann, oder bei weleher die Elemente nieht genfigend auf den Reiz reagieren. Wie gesagt, be- kommen wir hier den besten Eindruck fiber den Zustand durch eine Bestimmung des Lichtsinnes.

Wenn wir die Optotypen yon J a v a l nnd yon Gu i l l e ry in bezug auf diese letzteren Falle mit den gewShnlichen vergleichen, so ist der Untersehied nieht gross. Es sinkt aber bei derselben Beleuehtung die Sehschgrfe etwas sehneller bei den ersteren, was wohl dem geringeren G e w i e h t e des ganzen Objektes zugeschrieben werden kann. Wenn z. B. das normale Auge in 5 m Enti~rnung noch 5/t o S n e l l e n liest, wird nur noeh Gu i l l e ry 1]16 erkannt, was in tinearem Mass 1]~ heisst; die Sehseh~rfe wird also zweifach geringer gefunden. Auch aus diesem Grunde, da bier die praktische Brauehbarkeit etwas geringer ausf'~llt,

Page 31: Neue Sehproben

Neue Sehproben. 573

wtirde ich auch wieder den Gebrauch yon gewShnlichen Optotypen vorziehen.

Bei den meisten Patienten hat die StSrung in der L ich t - w a h r n e h m u n g also eiaen grossen Einfluss; wiewohl tier Ausdruck hier eigentlich nicht richtig ist, kann man sagen, dass der L ieh t - s inn oft mehr gestSrt ist, als die Sehseh~fe. Es miisste, um die J~nderungen in dem Krankheitszustande verfolgen zu kSnnen, viel h~ufiger mit dem Apparat yon FSrs t e r untersueht werden, a]s dies meines Wissens an den meisten Kliniken geschieht.

Aus der vorigen ~dberlegung geht hervor, dass die Sehseh~rfe iiberhaupt nieht bei konstanter Beleuchtung bestimmt werden da d sondern dass bei herabgesetztem Visus das Licht immer soweit ver- st~rkt werden muss, bis weitere Zunahme keinen Einfluss mehr ausiibt. Fiir die PraMs will dies sagen, dass man ein mSglichst gut beleuch- fetes Zimmer zur Untersuchung gebrauehen soll. Die Bestimmung des Lichtsinnes muss dann fiberdies in vielea F~]len gesondert vor- genommen werdenl), h]ur in dieser Weise kSrinen diese beiden Funktionen des Auges einigermassen auseinandergehalten werden; bei Bestimmung mit konstanter Beleuehtung miseht man dieselben durch- einander.

Wenn man bei einer Unfall-Entsch~digung die Sehsch~rfe erw~ihnen muss, rut man am besten, sie bei mittelmgssigem Tageslicht zu be- stimmen. Am besten w~re es, dies zu tun an Ort und Stelle bei der schlechtesten Beleuchtung, bei der der Arbeiter zu arbeiten hat; da dies aber nicht durchzuftihren ist, wgre es erwiinscht, Tabellen yon Lieht- st~rken in atlerlei Werkstgtten zu besitzen. Ich bin iiberzeugt~ class wir in dieser ttinsieht die Sehschgrfe zu hoch ansehlagen. Bei dem Liehte in den Fabriken haben norma le Augen ihre volle Sehsch~irfe, aber kranke Augen leisten dort weniger, als bei der Bestimmung im gewShnliehen Lichte unserer Polikliniken. lJbrigens komme ieh auf diese Prage wieder zurtiek.

Bei genauer Prtifung besteht also die Aussicht, dass die Wirkungen yon vier Faktoren, welche das Sehen beeinflussen, einigermassen ge- trennt gehalten werden; n~mlieh der Einfluss yon der Form der brechenden Medien, yon der Quantit~t der funktionierenden Netz- hautelemente, yon der Erregbarkeit derselben und yon tier Durch-

~) Zur Bestimmung des Lichtsinnes benutze ich ein Kastchen nach FSrster yon einem handlicheren Modell als das gewShnliche. Auch sind noch einige -Anderungen angebracht. Ich hoffe hierfiber in absehbarer Zeit berichten zu kSnnen.

v, Graefe's Archiv ffir Ophths.lmotogie. LXtV. 3. ~7

Page 32: Neue Sehproben

574 W. Koster Gzn.

siehtigkeit der Medien. Es wird in vielen Ffillen nicht rnSglich sein, den Einfluss yon jedern Faktor genau zu beurteilen, aber wir mtissen wenigstens danach streben.

Eine letzte Frage betrifft den alten Streitpunkt, ob bei der Auf- stellung der versehiedenen Grade der SehsehihCe das tineare Mass oder die Oberfl~che der Sehproben rnassgebend sein s o l l . So lunge es sich nieht urn Versicherungsgesellschaften handelt, welche nach den Prozenten der SchMigung der Sehsch~rfe die auszuzahlenden Prozente des Tageslohns bestimrnen, ist diese Frage eigentlich vQn keiner Be- deutnng. Wenn einer ein zweirnal hSheres E braucht als ein anderer, um es noeh zu erkennen, ist es einerlei, ob man sagt, dass er zwei- fach oder dass er vierfach schlechtere Sehsch~rig besitzt; es iindert dies niehts an unsern Folgerungen aus diesem Befunde. Rationell erseheint es aber nicht~ die Verh~ltnisse naeh dern linearen Mass

anzudeuten, wie auch D o n d e r s schort

Fig. 15.

Viero rd t gegeniiber ausgesprochen; denn bei parallelen Linien hat, ober- halb eines gewissen Minimums, Ver- l~ngerung der Figur keinen Einfluss rnehr auf die Erkennbarkeit~ und die letztere h~ngt nur yon den Di- rnensionen in der Breite ab. Das Minimum wird nicht nur dadurch bestimmt, dass die L~nge der Linien

wenigstens dem Durchmesser eines Zapfens gleiehkommen rnuss~ da soust der Untersehied der Erregung zwisehen den benachbarten Zapfen kleiner ausfallen wiirde (siehe Fig. 15a), sondern aueh dadurch, dass bis zu einer gewissen Liinge, yon ungef~hr dreifaeh der Breite der Linien, die Erkennung in der Mitre leiehter wird Ms an den beiden Enden, wo die Zapfen nur teilweise erregt werden (siehe Fig. 15b), und dass auch bei verschiedener Lage auf der Netzhaut nacheinander die Trennung der Linien das eine Mal etwas rnehr oben, dann wieder etwas rnehr unten deutlicher ausfallen muss. Da nun unsere Optotypen das Minirnumrnass der Oberfl~ehe genau be- sitzen, kSnnen wir die Sehschiirfen naeh linearern Mass einteilen.

Etwas abweiehend verhalten sieh in dieser Itinsicht wieder die Punktproben yon J a v a l und yon Gui l le ry , und auch die t~iguren, mit welehen V ie ro rd t Versuehe anstelltel).

') Nach Landolt, loc. cit. S 493 u. S, 491.

Page 33: Neue Sehproben

Neue Sehproben. 575

Bei solchen kleinen Objekten kommen andere Fragen in Betracht. Wie ieh schon gezeigt habe, ist es nicht riehtig, wenn L a n d o l t S. 491 seiner Untersuchungsmethoden behauptet, dass die Erkennbarkeit solcher fl~chenhafter Objekte mit dem Quadrate ihres Durehmessers w~chst, oder woM umgekehrt proportional ist dem Quadrate ihrer Entfernung, da bei dieser Untersuchung, nach Lando l t , der Liehtsinn der Netz- haut bestimmt wird; es handelt sieh hier wieder um schwarze Fi- guren auf weissem Eelde, und da wird tatsaeMich aueh wieder das Minimum separabile bestimmt, und die Erkennung ist innerhalb wel- ter Grenzen yon der LichtstKrke unabh~ngig. Aber da bei diesem kleinen Objekte die Bedeckung des einzelnen Zapfen naeh allen Richtungen hin einen wesentlichen Faktor bei der Messung bildet, muss das Objekt nach allen Richtungen bin grSsser werden; bei den Bestimmungen yore Visus mit den gewShntiehen Optotypen ist dies keine Notwendigkeit. Darin ~egt aber noch keine Ursache, um die Benennung der Sehsch~rfe naeh dem Quadrat vornehmen zu lassen. Es kommt mir aueh nicht praktiseh vor dies zu tun, da jeder meint, wenn er hSrt, dass einer nur 1]1oo Visus hat yore normalen, dass der Normale sieh 100fach weiter entfernt hinstellen kann~ um den- selben Gegenstand noch zu erkennen, und nicht 10fach wie dies bei den Guil leryschen Proben der Pall ist.

Wie ich sehon bemerkt habe, ist die Frage jedoch nur deshalb yon Bedeutung, well der Richter sein Urteil naeh dieser Graduierung aus- spricht. Und da zeigt es sieh bei n~herer ]~berlegung, dass wir dem Richter eine Zahl nennen, an welche er eine ganz andere Bedeutung kniipft, als sie ftir nns hat oder wenigstens haben sollte. Der Un- fallsrichter oder die Versic.herungsgesellsehaft will wissen, um wieviel der W e r t der Sehschgrfe vermindert ist, d. h. wie gross die Fghig- keit ist~ einen riehtigen Gebrauch yon der vorhandenen Sehseh~rfe zu machen, und dies steht zu der Sehsch~rfe, wie die Ophthalmologen dieselbe messen, nur in indirektem Verhgltnis. M a g n u s, Z e h e n d e r, Groenouw 1) u. A. haben die Schwierigkeit empfnnden, da sic den erwerblichen Wert der Sehsch~rfe aus der wissenschaftlichen Seh- schgrfe haben berechnen wotlen. Aber dieser Zusammenhang stiitzt sich wieder auf Faktoren, die mit der Beurteilung der Verminderung der Brauchbarkeit sehr wenig zu tun haben; der Lohn spielt dabei eine Hauptrolle, wghrend es darauf ankommt~ zu wissen, welche Fehler

1) Dr. reed. Arth. Groenouw, Anleitung zur Berechnung der Erwerbs- f~higkeit bei Sehst0rungen. Bergmann, Wiesbaden 1896.

37*

Page 34: Neue Sehproben

576 W. Koster Gzn.

bei der Arbeit gemacht werden. Um die Sch~digung der Sehsch~ffe in erwerblichem Sinne in Zahlen auszudracken, miissen Versuche an- gestellt werden, die meines Wissens noch nicht durchgeftihrt worden sind. Bei diesen Versuchen kann man sich nnd muss man sich anf zweierlei Standpunkt stellen. Erstens kann man fragen: welcher Leistungen in betreff der Arbeit der atlerschwierigsten ~atur ist das normale Auge f~hig, und wieviel kann ein gesch~tdigtes Auge bei den verschiedenen Stufen der Sehschgrf~ davon noch leisten (absolute Schiidigung). Und zweitens muss man f}agen, wieviel das normale Auge bei den verschiedenen Berui~arten zu leisten braucht, und da- neben wieviel in diesem Beruf bei verminderter Sehschgffe geleistet wird (relative Schgdigung). Bei diesen letzteren Experimenten w~re besonders der Beleuchtung, die bei den Berufen zur Verwendung kommt, ebenfalls Reehnung zu tragen. In dieser Weise wird man Zahlen bekommen, mit denen eine Beurteilung der vorhandenen Sch~tdigung mSglich ist. Diese experimentellen Untersuchungen wer- den unzweifeIhaft sehr schwierig auszufiihren sein; nicht nur fitr die Sehscharfe, sondern anch fiir den Einfluss des Gesichtsfeldes, des Blickfeldes, des bh:okularen Sehens usw. miissen gesonderte Untersuchungen vorgenommen werden. Abe:" nur in dieser Weise scheint es mir mSglich, einigermassen Einsicht in den Einfluss der Verminderung der betreffenden Funktionen zu gewinnen. Bei der Entsch~tdigung wird dann mit dem Alter des Patienten gerechnet werden kSnnen, auch seinem speziellen Beruf gegentiber, bei der Be- antwortung der Frage, ob die absolute Seh~digung oder die relative Sch~tdigung bei der Bestimmung der G:Ssse seiner Zulage massgebend sein muss.

Mit mSglichst einfaehen Versuchen muss, wie ich mir vorstelle, die Sch/tdigung der Arbeitsf~higkeit untersucht werden,, und zwar besonders an solchen Personen, die mit einer Unfallsentseh~digung niehts zu tun haben. Ich kann hier auch nieht in kurzen Ziigen angeben, wie ich mir dies denke; aber eines kann ich wohl sagen, dass man dieselbe nieht beurteilen muss nach dem Handelswerte der ge- lieferten Produkte in dem Beruf des Patienten; es ist eben an einem kom- plizierten Stiick Arbeitsprodukt nicht zu sehen, ob es gut oder schlecht ist, oder ob es Weft hat, oder welchenWert es hat. Man kann ziemlich sicher sein, dass viele Produkte, yon geseh~idigten Personen gearbeitet, nachher die Ursache yon neuen Unf~llen, sogar yon Katastrophen werden. Mir wurde das besonders klar dureh die Angabe eines Sehiffbau- arbeiters mit seMeehtem Visus, der mit der Maschine LSeher zu bohren

Page 35: Neue Sehproben

Neue Sehproben. 577

hatte in Metallplatten, welche mit N~geln vereinigt werden mussten; er konnte die feinen Striehe, welehe die Stellen angaben, an denen die LSeher hinkommen sollten, nieht genau sehen~ flihrte dennoeh die Ar- beit aus, und man war zufrieden. Er leistete also die Arbeit in soleher Weise, dass die Nagel noeh eingenietet werden konnten; aber da der Arbeiter selber angab, dass es ungenau geschah~ kann man sicher sein, dass fehlerhafte Spannungen in dem Sehiff~ bei dem dieselhen verwendet sind, aufgetreten sein miissen, und dass sich dies eines Tages gergeht hubert wird. Und so wird es oft gehen; an einer eisernen Kette kann man nicht mehr sehen~ ob alle Arbeit genau ausgeflihrt worden ist; aber die Kette wird ihre Zeit nicht halten~ wenn ein Arbeiter mit zu schlechter Sehseh~rfe daran gearbeitet hat, und sie wird zerhreehen~ wenn man meint, sic kSnne noeh Jahre aushalten. Ich brauche nicht n~her darauf einzugehen, wie grosse Interessen mit solchen nicht zu vermutenden Unfgllen zusammenh~ngen kSnnen. Ieh komme hiermit abet auf einen andern Punkt zu sprechen~ dass n~m- lieh die Arbeitsf~higkeit ebensowenig beurteilt werden darf nach dem Gehalt~ welches dem Verletzten nach dem Unfalle yon seinem Meister ausgezahlt wird. Der Letztere rechnet eben damit, was ffir die ge- lieferte Arbeit noch gezahlt wird: der Kgufer zahlt aber in der Meinung, dass er gute Ware erh~lt; sobald experimenteUe Unter- suehungen dargetan haben~ dass die gelieferte Arbeit nicht gut sein kann , werden die LShne vermindert werden: die Wissenschaft muss hier die Leitung iibernehmen, dann werden die andern Verhgltnisse sich yon selbst kl~ren. Meines Erachtens ist also der Weg um die Arbeitsf~ihigkeit, und die Erwerbsf~higkeit feststellen zu wollen naeh dem Lohne, welcher nach dem Unfall noch erworben werden konnte, nicht riehtig; der Arzt muss den Wert der Funktionen experimentell be- stimmen und angeben, welchem Arbeiter nicht mehr zu traueu ist, und nach seinen Angaben miissen die LShne sich riehten. Gehen wir in dieser Richtung vor, so wird die Zeit aueh nieht mehr welt ent- fernt sein, dass fiir alle Berufs~rten und ft~r alle Betriebe eine Pr~ifung der Arbeiter stattfinden wird, welche notwendig ist, sowohl um Un- fallen vorzubeugen, als um zu verhiiten, dass Invalide an die Arbeit gesetzt werden und zuweilen nachher unverdiente Entsch~digungen bekommen.

Es sind solche Zahlen~ wie ich sie fiir notwendig achte, nicht vorhanden, und dennoch miissen wir angeben, um wievie] die Seh- seh~trfe vermindert ist. 1st es nun besser, in dieser Beziehung vorlgufig nach dem linearen oder nach dem quadratischen System zu rechnen?

Page 36: Neue Sehproben

578 W. Koster Gzn.

Eine Sch:~ttzung ist hier das einzig MSgliche. Ich glaube, dass es am besten ist, die jetzigen Stufen zu beh~lten; dies ist wahrscheinlieh zum Nachtefle der Arbeiter, aber es kSnnte sieh doch herausstellen, da.ss sic dabei noeh zu viel bekommen; jedenf~lts wtirden sic meiner Meinung naeh ~iel zu viel bekommen, wenn wir die Visusverminde- rung naeh dem Quadrat einteilen.

Hiermit gtaube ich meinen einigermussen abweichenden Stand- punkt in einigen Fragen der Sehsch~rfebestimmung genilgend be- griindet zu haben.

Zum Schlusse wiederhole ich die Prinzipien~ welche den Grund- satz meiner Sehproben hi]den:

1. Es werden nur einige Buchstaben als Optotypen gebraucht nnd zwar E und B, P und F, und C~ O und U.

2. Es werden ttakenfiguren mit drei gleich langen Zaeken ge- braucht.

3. Es werden Ziffern gebraueht~ welehe in kursiver Weise einen Winkel yon 600 mit dem Horizont bilden.

4. Bei diesen drei Optotypen ist als norma]e SehschSrfe ange- nommen die Erkennung derselben bei einer Breite der bildenden Teile yon 3ram, wenigstens in e ine r Riehtung~ in 10m Enffernung. Dies stimmt nahezu fiberein mit einem Winkel yon einer Minute.

5. Es ist zur Abstufung der versehiedenen Grade der Sehseh~rfe das dezimale System befolgt women, wobei fiir die ganz niederen Stufen noch einige Halbwerte bei- und zwischengefiigt wurden, wEhrend fiir Sehseh~rfen grSsser als '°/~ o nur einige Werte ausgew~hlt worden sin& Der Erkennungsabstand fiir das normale Auge in Metern ist ebenfalls angegeben.

6. Fiir sehnelle Sehsch~rfebestimmungen sind einige horizontale Reihen yon Optotypen beigefiigt worden, jede auf einem gesonderten Papierstreifen, und mr jede GrSsse nur eine Figur. Zur Entlarvung yon Simulation guter Sehschfirfe sind noch einige soicher Streifen hin- zugefi~gt~ in denen ein paar Sehzeichen ge~ndert worden sin&

7. Von diesen Streifen sind auch Reihen mit kleinen Druck- buchstaben und mit gotischen Kapit~len und Druekbuehstaben beige- fiigt worden.

8. Die Sehsch~rfe wird in 6 m bestimmt. Jedoch sind aueh fiir 4 m einigermassen vereinfachte Tafeln entworfen.

9. Es werden zwei Tafeln mit L e s e p r o b e n benutzt; eine um in 50 cm, und eine um in 30 em zu lesen. Beide sind nach dem dezi-

Page 37: Neue Sehproben

Neue Sehproben. 579

malen System entworfen; es ist aber aueh der Erkennungsabstand fiir alas normale Auge angegeben.

10. Ftir die Bestimmung der Sehscb~irfe bei hochgradigerMyopie wurden dieselben Optotypen yon 1, 2 und 3 auf Glas photographiert, um gegen den hellen Himmel gelesen zu werden. Die Gr5ssen steigen naeh dem dezimalen System auf, und es sind die normalen Er- kennungsabstiinde dabei angegeben: fiir die kleinste Reihe ist der- selbe 5 era. Zurn Zweeke der Kontrolle seitens des Arztes sind zwei Ititfstafeln beigefiigt~ welehe dieselben Optotypen enthalten, und zu- gleich fiirAbst~nde yon 50 und 25 cm zur Bestimmung der Sehsch~rfe naeh dezimMem System benutzt werden kSnnen.

11. Zur Bestimmung der niedersten Grade der Sehschiirfe wird eine Doppe]karte mit vier Buchstaben, an jeder Seite zwei, benutzt, welehe in 50 m erkannt werden kSnnen; mit ihnen kSnnen die Stufen yon 1]~ o bis 5]~ o bestimmt werden. Zum selben Zwecke wurde eine Seheibe mit einer Hakenfigur an jeder Seite angef~rtigt, ffir 100 und far 50 m.

12. Ffir eventuelle Einfiihrung einer Sehschiirfe-Einheit (Opt oder Opto) wurde vorgesehlagen, die Erkennung eines Buchstaben fiir 50 m, welcher also 1,5 cm in seinen Unterteilen misst, in 1 m Entfernung. Mit demselben bekommt man f'tir die Sehsehiirfen yon 0 bis 2 eine Skala yon 0 his 100. Die normale Sehsehiirfe liegt dann bei 50. Der Wert in Optos kann auf die Tafgl und Streifen, welehe flit 6 und f'fir 4 m Entfernung entworfen wurden, neben der dezimalen Zahl angegeben werden.

Damit der Leser fiber diese Optotypen einigermassen urt~ilen kann, fiige ich sehliesslieh zwei Streifgn, einen mit Buehstaben und einen mit Ziffern, fiir 6 m Abstand hinzu (Tar. X I X und XX).

Page 38: Neue Sehproben

ll/Oln, V

- {,~o

,>

Do

,~.77

7~

I~,~0

.....

/iT~I

Page 39: Neue Sehproben

~ol

~5

oo~

~a~

~o,I

Seo6

9o

D.

60

30 2~

20

1~

8,57

'/,,~

~ ....

. 6

In

~ei~l

(~ebr

al[Ch

~eim

~ les

elllo,

%~iL