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Timm Beichelt Einführung in die Kulturwissenschaft Vorlesung, Wintersemester 2010/11 Sitzung: 8.12.2010 – Mannigfaltige Wirklichkeiten (Alfred Schütz)

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Timm Beichelt

Einführung in die Kulturwissenschaft

Vorlesung, Wintersemester 2010/11Sitzung: 8.12.2010 – Mannigfaltige Wirklichkeiten (Alfred Schütz)

13.10. Einführungssitzung 08.12. Zentrale Zugriffe II: Sinnhorizonte und soziale Wirklichkeit(en) (Alfred Schütz)

20.10. Was ist Wissenschaft: das Prinzip der problemorientierten Wissensvermehrung

15.12. Zentrale Zugriffe III: Kultur als Bedeutungsgewebe (Cilfford Geertz)

27.10. Was ist Kultur: Struktur vs. Substanz vs. Interpretation

05.01. Zentrale Zugriffe IV: Politische Kultur als Aggregat von Werten und Einstellungen (Gabriel Almond/ Sidney Verba)

03.11. Was ist Kulturwissenschaft: Standbeine, Standpunkte, Standorte

12.01. Kulturwissenschaft als KulturgeschichteKulturwissenschaft als Sozialwissenschaft

10.11. Die anthropologischen Prämissen sozialen Handelns: homo oeconomicus, homo socialis, homo culturalis

19.01. Kulturwissenschaft als Linguistik

17.11. Grundpositionen: (neo)strukturalistische und interpretative Kulturtheorien

26.01 Kulturwissenschaft als Literaturwissenschaft

24.11. Zentrale Elemente I: Symbol und symbolische Formen (Ernst Cassirer)

02.02. Kulturwissenschaft als Beruf?

01.12. Verleihung des Viadrina-Preises an Volker Schlöndorff (Audimax)

Veranstaltungsplan

Abgabe der Essays(neue Termine ab 8.12.)

27.10. Popper, Karl R., 1972: Die Logik der Sozialwissenschaften. In: Theodor W. Adorno (Hrsg.): Der Positivismusstreit in der deutschen Soziologie. Frankfurt: Luchterhand, S. 103-124.

8.12. Cassirer, Ernst, 1990: Versuch über den Menschen. Einführung in eine Philosophie der Kultur. Felix Meiner: Hamburg, S. 1-12, 47-71, 103-115, 336-346

15.12. Schütz, Alfred, 1971: Über die mannigfaltigen Wirklichkeiten. In: Alfred Schütz (Hrsg.): Gesammelte Aufsätze I. Das Problem der sozialen Wirklichkeit. Den Haag: Martinus Nijhoff, S. 237-298.

5.1. Geertz, Clifford, 1995: Dichte Beschreibung. Bemerkungen zu einer deutenden Theorie von Kultur. In: Clifford Geertz (Hrsg.): Dichte Beschreibung. Beiträge zum Verstehen kultureller Systeme. Frankfurt: Suhrkamp, S. 7-43.

12.1. Almond, Gabriel / Verba, Sidney, 1963: The Civic Culture. Newsbury Park: Sage, Kapitel 1+14, pp. 3-42, 402-472

Heutige Vorlesung

I. Einordnung wichtiger GrundbegriffeII. Alfred Schütz: Mannigfaltige

WirklichkeitenIII. Bedeutung für die Kulturwissenschaft

„Erklärend-verstehendeSoziologie“

Quelle: Esser, Hartmut, 31999: Soziologie. Allgemeine Grundlagen. Frankfurt: Campus, S. 6.

Situation Akteur Soziales Handeln

Externe Effekte

„subjekti-ver Sinn“ „Ablauf“ „Wirkun-

gen“

Deutendes Verstehen

Ursächliches Erklären

Weitere Grundbegriffe

- Intersubjektive Welt – „die uns allen gemeinsam ist und an der wir kein theoretisches, sondern ein vordringliches praktisches Interesse haben“ (239)

- Wirken – „vorgefasstes Handeln in der Außenwelt“ (243)

- Mind, Self and Society (George Herbert Mead)- Selbst/“Self“: mit subjektivem Sinn versehenes Individuum- Ich/“I“: Totalität des handelnden Selbst- Mich/“Me“: Rollen spielendes Subjekt im sozialen Raum

Heutige Vorlesung

I. Einordnung wichtiger GrundbegriffeII. Alfred Schütz: Mannigfaltige

WirklichkeitenIII. Bedeutung für die Kulturwissenschaft

Thesen von Schütz (Ia):Alltägliche Welt

„Die Welt unseres Wirkens und unserer Körperbewegungen, des Handhabens von Gegenständen und des Umgangs mit Dingen und Menschen konstituiert die spezifische Wirklichkeit unseres alltäglichen Lebens (...) Uns geht es um die natürliche Einstellung des hellwachen, erwachsenen Menschen im Alltag“

Schütz, Alfred, 1971: Über die mannigfaltigen Wirklichkeiten. In: Alfred Schütz (Hrsg.): Gesammelte Aufsätze I. Das Problem der sozialen Wirklichkeit. Den Haag: Martinus Nijhoff, S. 256.

Thesen von Schütz (IIa):Sinnbereiche„Die Welten (...) der Träume, der imaginären Vorstellungen und der Phantasie, insbesondere die Welt der Kunst, der Welt der religiösen Erfahrung, die Welt der wissenschaftlichen Kontemplation, die Spielwelt des Kindes und die Welt des Wahnsinns sind geschlossene Sinnbereiche. Dies bedeutet, dass (...)“

- sie alle einen besonderen Erkenntnisstil besitzen,- alle Erfahrungen innerhalb jeder dieser Welten bezüglich

ihres Erkenntnisstils in sich stimmig und miteinander verträglich sind,

- jeder dieser geschlossenen Sinnbereiche einen spezifischen Wirklichkeitsakzent erhalten kann.

Schütz, Alfred, 1971: Über die mannigfaltigen Wirklichkeiten. In: Alfred Schütz (Hrsg.): Gesammelte Aufsätze I. Das Problem der sozialen Wirklichkeit. Den Haag: Martinus Nijhoff, S. 266-267.

Thesen von Schütz (IIb):SinnbereicheStimmigkeit und Verträglichkeit der Erfahrungen (...) herrschen lediglich innerhalb der Grenzen des jeweiligen Wirklichkeitsbereichs vor, dem diese Erfahrungen angehören. (...) Deswegen sind wir berechtigt, von geschlossenen Sinnbereichen zu sprechen. Diese Geschlossenheit bedeutet, dass es an Transformationsregeln fehlt, mit denen man die verschiedenen Sinnbereiche in wechselseitigen Bezug setzen könnte. (...)Zum Erkenntnisstil jedes einzelnen dieser verschiedenen Sinnbereiche gehört somit eine spezifische Bewusstseinsspannung und folglich auch eine spezifische Epoché, eine vorherrschende Form der Spontaneität, eine spezifische Form der Selbsterfahrung, eine spezifische Form der Sozialität und eine spezifische Zeitperspektive.Schütz, Alfred, 1971: Über die mannigfaltigen Wirklichkeiten. In: Alfred Schütz (Hrsg.): Gesammelte Aufsätze I. Das Problem der sozialen Wirklichkeit. Den Haag: Martinus Nijhoff, S. 266-267.

Thesen von Schütz (III):Welten

- Alltägliche Welt- Phantasievorstellungen: Wachträume,

Spiele, Fabel und Dichtung, Märchen und Mythen, Witz und Scherz

- Traumwelt: Schlaf als „Abwenden vom Leben“

- Welt der wissenschaftlichen Theorie

Schütz, Alfred, 1971: Über die mannigfaltigen Wirklichkeiten. In: Alfred Schütz (Hrsg.): Gesammelte Aufsätze I. Das Problem der sozialen Wirklichkeit. Den Haag: Martinus Nijhoff, S. 266-267.

Thesen von Schütz (III):Welten

- Alltägliche Welt- Phantasievorstellungen: Wachträume,

Spiele, Fabel und Dichtung, Märchen und Mythen, Witz und Scherz

- Traumwelt: Schlaf als „Abwenden vom Leben“

- Welt der wissenschaftlichen Theorie

Schütz, Alfred, 1971: Über die mannigfaltigen Wirklichkeiten. In: Alfred Schütz (Hrsg.): Gesammelte Aufsätze I. Das Problem der sozialen Wirklichkeit. Den Haag: Martinus Nijhoff, S. 266-267.

Thesen von Schütz (Ib):Alltägliche Welt

Schütz, Alfred, 1971: Über die mannigfaltigen Wirklichkeiten. In: Alfred Schütz (Hrsg.): Gesammelte Aufsätze I. Das Problem der sozialen Wirklichkeit. Den Haag: Martinus Nijhoff, S. 265.

Bereich Konstitutive Elemente des spezifischen Erkenntnisstils der alltäglichen Welt

Bewusstseins-spannung

Hell-Wach-Sein; völlige Aufmerksamkeit für das Leben

Epoché(s.S. 263)

Ausklammerung des Zweifels

Spontaneität „Wirkung“; auf einem Entwurf gründend und durch Absicht gekennzeichnet

Selbsterfahrung Wirkendes Selbst als Gesamt-Selbst

Sozialität Gemeinsame intersubjektive Welt der Kommunikation und des sozialen Handelns

Zeitperspektive Standardzeit; universale Zeitstruktur in der intersubjektiven Welt

Thesen von Schütz (III):Welten

- Alltägliche Welt- Phantasievorstellungen: Wachträume,

Spiele, Fabel und Dichtung, Märchen und Mythen, Witz und Scherz

- Traumwelt: Schlaf als „Abwenden vom Leben“

- Welt der wissenschaftlichen Theorie

Schütz, Alfred, 1971: Über die mannigfaltigen Wirklichkeiten. In: Alfred Schütz (Hrsg.): Gesammelte Aufsätze I. Das Problem der sozialen Wirklichkeit. Den Haag: Martinus Nijhoff, S. 266-267.

Thesen von Schütz (IV):Welt der wiss. Theorie

Schütz (1971: 281-298).

Bereich Konstitutive Elemente des Erkenntnisstils der wissenschaftlichen Kontemplation

Bewusstseins-spannung

„Unbeteiligter Beobachter“; Herauslösung aus praktischen/pragmatischen Relevanzsystemen

Epoché(s.S. 263)

Subjektivität des Denkers, alltägliches Orientierungssystem, grundlegende Sorge

Spontaneität „Handeln“ und „Leistung“, aber keine „Wirkung“ (da kein Einschalten in Außenwelt beabsichtigt)

Selbst-erfahrung

Ausklammerung des subjektiven Standpunkts (Selbst); Handeln durch rollenspielendes Me/Mich

Sozialität a) Einsamkeit; Orientierung an Modell der intersubjek-tiven Welt. b) „Paradox der Kommunikation“

Zeit-perspektive

Fehlen der Zeitperspektive der lebendigen Gegenwart; Ausschluss einer reinen Wir-Beziehung

Heutige Vorlesung

I. Einordnung wichtiger GrundbegriffeII. Alfred Schütz: Mannigfaltige

WirklichkeitenIII. Bedeutung für die Kulturwissenschaft

Schütz alsKulturtheoretiker I• geb. 1899 in Wien (ab 1939 in New York; New School),

Begründer der phänomenologischen Soziologie. Wichtige Werke

• „Der sinnhafte Aufbau der sozialen Welt. Eine Einleitung in die verstehende Soziologie“ (1932)

• Posthum: Collected Papers I-III (1962, 1964, 1966)• Anknüpfung an Phänomenologie Edmund Husserls und

dessen „Lebenswelt als intersubjektiv sinnvoller Welt“. In diesem Zusammenhang wichtige Unterscheidungen

• „Eigenverstehen“ versus „Fremdverstehen“: Suche nach Bedin-gungen und Prinzipien der Erzeugung von intersubjektivem Sinn

• „Sinnprovinzen“, z.B. Alltagswelt, Welt des Traumes, des Spiels, der Wissenschaft, der Religion, der Kunst

• Soziale Umwelt, Mitwelt, Vorwelt

Schütz alsKulturtheoretiker II• Früher Schütz: Die sozialphänomenologische

Kulturtheorie bleibt für die weitere Entwicklung der interpretativen Kulturtheorie (…) wegweisend, indem sie in Anlehnung an Husserl die handlungskonstitutive Bedeutung des Alltagsverstehens ‚entdeckt‘“ (387)

• Später Schütz: Abschied von der Verabsolutierung der ‚subjektiven Perspektive‘ (401ff.):

– Strukturen des Wissens– ‚Übersubjektivität der Wissensvorräte‘– Lebenswelt und Routinehandeln

Reckwitz, Andreas, 2006: Die Transformation der Kulturtheorien. Weilerswist: Velbrück.

Wissenschaftsverständisvon Schütz1. Kuhn

Paradigmen, Inkommensurabilität, Phasen der wissenschaftlichen Erkenntnis

2. Ludwik FleckDenkstile und Denkkollektive

3. Alfred SchützAbleitung des Sinnbereichs der Wissenschaft aus dem Archetyp unserer Erfahrung der Wirklichkeit: der Welt des Wirkens im alltäglichen Leben

Schütz‘ Leistung: systematische Inbezugsetzung der wissenschaftlichen Sphäre zur Alltagswelt

13.10. Einführungssitzung 08.12. Zentrale Zugriffe II: Sinnhorizonte und soziale Wirklichkeit(en) (Alfred Schütz)

20.10. Was ist Wissenschaft: das Prinzip der problemorientierten Wissensvermehrung

15.12. Zentrale Zugriffe III: Kultur als Bedeutungsgewebe (Cilfford Geertz)

27.10. Was ist Kultur: Struktur vs. Substanz vs. Interpretation

05.01. Zentrale Zugriffe IV: Politische Kultur als Aggregat von Werten und Einstellungen (Gabriel Almond/ Sidney Verba)

03.11. Was ist Kulturwissenschaft: Standbeine, Standpunkte, Standorte

12.01. Kulturwissenschaft als KulturgeschichteKulturwissenschaft als Sozialwissenschaft

10.11. Die anthropologischen Prämissen sozialen Handelns: homo oeconomicus, homo socialis, homo culturalis

19.01. Kulturwissenschaft als Linguistik

17.11. Grundpositionen: (neo)strukturalistische und interpretative Kulturtheorien

26.01 Kulturwissenschaft als Literaturwissenschaft

24.11. Zentrale Elemente I: Symbol und symbolische Formen (Ernst Cassirer)

02.02. Kulturwissenschaft als Beruf?

01.12. Verleihung des Viadrina-Preises an Volker Schlöndorff (Audimax)

Veranstaltungsplan

Essay nächste Woche

Schütz, Alfred, 1971: Über die mannigfaltigen Wirklichkeiten. In: Alfred Schütz (Hrsg.): Gesammelte Aufsätze I. Das Problem der sozialen Wirklichkeit. Den Haag: Martinus Nijhoff, S. 237-298.

Fassen Sie den Text zusammen und diskutieren Sie ihn kritisch.

...vielen Dank für die Aufmerksamkeit !!