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Die Geburt der Protonen Etwa eine tausendstel Sekunde nach dem Urknall war das Universum so weit abgekühlt, dass Quarks und Gluonen verklumpt erschienen. Protonen und Neutronen hatten sich gebildet. In jedem Proton und Neutron befinden sich je- weils drei Quarks. Quarks sind die kleinsten uns bekannten Bausteine der Atomkerne. Sie sind seit diesem Zeitpunkt in den Protonen und Neutronen eingeschlossen und wurden bis- her noch nie als freie Teilchen beobachtet. Wir haben uns dem Urknall bis auf eine tausendstel Sekunde genähert. Eine tausendstel Sekunde, in der jedoch gewaltige Prozesse abgelaufen sind!

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Die Geburt der Protonen

Etwa eine tausendstel Sekunde nach dem Urknallwar das Universum so weit abgekühlt, dassQuarks und Gluonen verklumpt erschienen.Protonen und Neutronen hatten sich gebildet.

In jedem Proton und Neutron befinden sich je-weils drei Quarks. Quarks sind die kleinsten unsbekannten Bausteine der Atomkerne.Sie sind seit diesem Zeitpunkt in den Protonenund Neutronen eingeschlossen und wurden bis-her noch nie als freie Teilchen beobachtet.

Wir haben uns dem Urknall bis auf einetausendstel Sekunde genähert. Einetausendstel Sekunde, in der jedochgewaltige Prozesse abgelaufen sind!

So zeigte sich das Gluon daserste Mal 1979 als einesvon drei Teilchenbündeln inExperimenten am DESY-Beschleuniger in Hamburg

Der Aufbau der Protonen

Der Name „Quark“ geht aufeine unübersetzbare Wortschöp-fung aus James Joyces Roman„Finnegans Wake“ zurück:

„Three Quarks for Mister Mark.“

wobei aus einem Quart(Viertelliter) des Wortklangswegen ein „Quark“ wurde.Murray Gell-Mann, einer derBegründer des Quark-Modells,gefiel dieses Wortspiel so gut,dass er „Quark“ als Name fürdie Proton-Bausteine wählte.Vermutlich war ihm auch dasdeutsche Wort Quark bekannt.

Die starke Kraft:• ist die stärkste uns bekannte Kraft,• hält die Atomkerne zusammen,• hat nur eine sehr kurze Reichweite

von etwa einem Protondurchmesser.

Protonen sind zusammenge-setzte Teilchen. Sie bestehen aus up-Quarksund down-Quarks.

Was hält die Quarks in denProtonen zusammen?

Die Quarks in den Protonen werden durch die star-ke Kraft zusammengeschweisst. Diese Kraft wirddurch Gluonen (engl. to glue = kleben), die Kraft-teilchen der starken Kraft, vermittelt.

Die Gluonen binden die Quarks so fest zusammen,dass diese im Proton eingeschlossen sind und sienicht als freie Teilchen auftreten.

Außerdem können Gluonen sich für winzige Augen-blicke in Quarks und deren Antiteilchen verwadeln.Daher ist das Proton mit einem ganzen „See“ vonQuarks, Anti-Quarks und Gluonen gefüllt.

up up

down

Murray Gell-Mann

Das ist passiert: Ein Anti-Quarkhat ein Gluon abgestrahlt.

Elektron Positron

AntiquarkGluon

Quark

Kann man Quarks sehen?

Kollision eines Elektrons und eines Protons in einem der Nachweisgeräte an HERA. Das Elektronwird unter einem großen Winkel zurückgestreut. Ein Zeichen für einen Frontalaufprall auf einsehr kleines Quark.

Blick in den HERA-Tunnel am DESY in Hamburg.

Nein. Quarks lassen sich nur indirektdurch Streuexperimente nachweisen.

Bei einem Streuexperiment wird ein punktförmiges Teilchen, z.B. einElektron, an einem Proton gestreut. Aus der Winkelverteilung dergestreuten Elektronen lassen sich Rückschlüsse über den Aufbau derProtonen ziehen.

Wie groß ist ein Quark?

Wenn das Atom die Größe derErde hätte, dann wäre ein Protonso groß wie ein Fußballstadionund ein Quark kleiner als einTennisball. Anders ausgedrückt:Quarks sind kleiner als0,000000000000000001m!

HERA

Eine weltweit einzigartige Anlage zurUntersuchung der Struktur des Protonsbefindet sich am Deutschen-Elektronen-Synchrotron DESY in Hamburg – der 6.3km lange Elektron-Proton-Beschleu-niger HERA.

HERA ermöglicht einen Blick in dasProton mit einer Genauigkeit von1/1000stel des Protondurchmessersund ist damit sicherlich das präzisesteMikroskop der Welt. Bei dieser Genau-igkeit zeigt sich ein erstaunlich kom-plexer Aufbau des Protons aus Quarks,Anti-Quarks und Gluonen.

DieVernichtungsschlacht

Ungefähr eine millionstel Sekunde nach dem Urknall, bei einerTemperatur von etwa 1013 Grad, vernichten sich die Teilchen und dieAntiteilchen gegenseitig. Nur ein verschwindend kleiner Überschussvon Teilchen – Konsequenz einer winzigen Asymmetrie zwischenMaterie und Antimaterie – überlebt. Es ist der Stoff aus dem wirgemacht sind.

Vernichten sich ein Elektron und ein Positron bei hoher Energie, so entsteht ein winziger Feuerball, der in ver-schiedene Teilchen und Antiteilchen zerplatzt.

Teilchen und Antiteilchen:

Die elektrischen Ladungen sind bei Teilchen und Antiteilchen vertauscht – alle anderenEigenschaften sind gleich.

Elektron

+ -+-

Positron = Anti-Elektron

AntiprotonProton

Wie die Materie entstand

Der russische Physiker und MenschenrechtlerAndrej Sacharow hatte 1968 die richtige Idee:

„Falls die Symmetrie zwischen Teilchen und Anti-teilchen im Verhältnis von nur etwa

1 000 000 001 : 1 000 000 000

verletzt ist, dann wäre im Urknall auf jeweils eineMilliarde Teilchen und Antiteilchen im Schnitt einüberzähliges Teilchen entstanden. Diese überzähl-gen Teilchen wären der anschliessenden Ver-nichtungsschlacht von Teilchen gegen Antiteilchenentkommen.

All unsere Materie besteht aus diesen übrig-gebliebenen Teilchen. Die kosmische Mikro-wellenstrahlung ist das Nachglimmen derkosmischen Vernichtungsschlacht.”

Experimente an Teilchenbeschleunigern zeigen uns,dass Teilchen und Antiteilchen stets paarweiseerzeugt werden. Darum hätte man erwartet, dassim Urknall ebenso viel Antimaterie wie Materiegebildet wurde. Es gibt jedoch keinerlei Beobach-tungen, die auf größere Mengen von Antimaterie imUniversum deuten.

Warum gibt es nur Materie?

Eine überraschende Entdeckung lieferte 1964 denentscheidenden Hinweis: Das Universum enthältmindestens eine Milliarde mal so viele Strahlungs-teilchen wie Materieteilchen! Die Energie der Strah-lungsteilchen liegt im Mikrowellenbereich.

Die kosmische Mikrowellen-Strahlungwird mit großen irdischen Antennensowie von Satelliten gemessen.

Die Nobelpreisträger R.Wilson und A. Penziasvor der Antenne, mit dersie 1964 die kosmischeMikrowellenstrahlung entdeckten.

Der Satellit COBE (CosmicMicrowave BackgroundExplorer), mit dem 1990die Temperatur der Mikro-wellenstrahlung auf eintausendstel Grad genaugemessen wurde.

Andrej Sacharow

„Schöne“ Quarks –asymmetrisch?

Computersimulation einer typischen Reaktion bei HERA-B.Zehn Millionen solcher Reaktionen pro Sekunde mit jeweilsetwa Hundert Spuren müssen in Sekundenbruchteilen verar-beitet und gefiltert werden – neue Herausforderungen anElektronik und Computer.

Antiteilchen in der Medizin

Positronen, die Antiteilchen der Elektronen, wer-den heute schon in der medizinischen Diagnostikgenutzt:Die Positronen-Emissions-Tomographie zeigtZustand und Aktivität des lebenden Gehirns, ohnedie biologischen Vorgänge zu stören.

Sacharows Idee erklärt das Fehlen von Antimaterie. Sie wäreaber nicht ernst genommen worden, wenn man nicht vorherin Beschleuniger-Experimenten ein Anzeichen für dieAsymmetrie zwischen Materie und Antimaterie entdeckthätte: In einem nobelpreis-gekrönten Experiment maßen dieAmerikaner Jim Cronin und Val Fitch einen winzigenUnterschied beim Zerfall von Teilchen und Antiteilchen, die„seltsame“ Quarks („strange“-Quarks, den drittleichtestenQuarktyp) enthalten.

Wenn das die richtige Fährte ist, erwartet man bei Zerfällenvon Teilchen, die das zweitschwerste Quark („beauty“-Quark) enthalten, eine größere Asymmetrie. Da dieseTeilchen wegen ihrer großen Masse und ihrer kompliziertenZerfallsmöglichkeiten schwer zu erzeugen und zu vermessensind, stellen diese Experimente die Wissenschaft vor ganzneue Herausforderungen. Gegenwärtig wetteifern mehreregroße Gruppen in Europa, den USA und Japan darum, dieseAsymmetrie auch bei den „schönen“ Quarks zu finden.

Die Naturgesetze lassen alsogrundsätzlich eine Verletzung derTeilchen-Antiteilchen-Symmetriezu.

Mehrere Hundert Wissenschaftler aus der ganzen Welt bautenden HERA-B Detektor, der in diesem Jahr bei DESY inHamburg die Suche nach der Symmetrieverletzung in Zerfällenvon Teilchen mit einem „beauty“-Quark aufnimmt.

Natur liebtSymmetrie

Die Symmetrie der Natur wird durch materielle Objektenicht immer vollkommen wiedergegeben. Sie zeigt sichweniger in den Objekten, als vielmehr in den Gesetzen.

Es sind die Gesetze der Natur, dieSymmetrien am vollkommenstenzeigen.

Aus der unvollkommenen Symmetrie der materiellen Weltsucht die Wissenschaft die letztlich gültigen Symmetriender Naturgesetze herauszulesen.

Überall in der Natur begegnen wir Symmetrien.

Die nahezu exakte Symmetrie zwischen positiven und negativen elektrischen Ladungen, oder genauer zwischen Teilchen und Antiteilchen, ist nur ein Beispiel. Augenfälliger sind die räumlichen Symmetrien.

Die Kugelgestalt von Mondund Erde zeigt die Symmetrieder Schwerkraft

Eine Spiral-Galaxie ähnlich unseremMilchstrassen-System

Planeten des Sonnensystems auf ihren elliptischen Bahnen

5-zählige Symmetrie vonEnzianblüten

6-zählige Symmetrie einerSchneeflocke

25-zählige Symmetrie einerKieselalge

Das „Fussball“ - MolekülFulleren aus 60 Kohlenstoff-Atomen

Überall in der Natur begegnen wir kleinen Symmetrie-verletzungen.

Die Erde ist keine vollkommene Kugel, sie ist infolge ihrer Rotation an den Polen abgeplattet. Das ebenfallsdurch die Schwerkraft zusammengehaltene Sonnensystem und unsere Milchstrasse zeigen noch stärkereAbweichungen von der idealen Symmetrie.

Zwei Kräfte sind eins

Eine hundertmilliardstel Sekunde nach dem Urknall, bei einerTemperatur von tausend Billionen Grad, war die Materie eine„Urbrühe“ aus Quarks, Elektronen und Neutrinos. Zwischen diesenTeilchen wirkten Kräfte. Zwei dieser Kräfte, die schwache und die elek-tromagnetische Kraft waren gleich stark und zu einer Kraft, der elek-troschwachen Kraft, vereint.

Millionen solcher „Ereignisse“ mussten vermessen werden, bis es 1983 am CERN gelang, die Kraftteilchen der schwachen Kraft zu finden.

Kräfte – Ursacheallen Geschehens

Ballspiel in der Quantenwelt

Zwei Körper üben eine Kraft aufeinander aus, indem sie Energie und Impuls austauschen. Im Mikrokosmoswird klar, wie das geht: Die Kräfte entstehen durch den Austausch von „Kraftteilchen“. Das Zustande-kommen einer abstoßenden Kraft kann man sich durch einen geworfenen Ball veranschaulichen.

Richard P. Feynman

Richard P. Feynman hat mit dennach ihm benannten Feynman-Diagrammen (siehe links) eineklare und anschauliche Sprachegeschaffen, alle Arten von fun-damentalen Prozessen zwi-schen Elementarteilchen zubeschreiben.

Wir kennen vier Arten von Kräften, dieElementarteilchen aufeinander ausüben:

GravitativStark

Schwach Elektromagnetisch

Zeit

Raum

Teilchen Teilchen

Gluonen

W- und Z-BosonenPhoton

Gravitonen?

Die elektroschwacheKraft

Im Laufe der vergangenen 25 Jahre hat man nachgewiesen,dass schwache Kraft und elektromagnetische Kraft eins sind.Die Einheit zeigt sich allerdings erst bei Abständen vonweniger als einem Tausendstel des Proton-Durchmessers.Wegen der großen Dichte der Urbrühe bei 10-11 Sekundenwaren die Abstände der Teilchen tatsächlich so klein und dieVereinheitlichung war wirksam.

Abdus Salam und Carlo Rubbia: Schlüsselfiguren für dieErkenntnis, dass schwache und elektromagnetische Kräfteeinen gemeinsamen Ursprung haben.

W- und Z-Bosonen vermitteln die schwache Kraft – ähnlichwie Photonen die elektromagnetische. Allerdings sind sienicht masselos, sondern fast doppelt so schwer wie einEisenatom. Wegen ihrer Schwere fliegen sie nicht weit: DieKraft bleibt schwach! Bei kleineren Teilchenabständen wirddie kurze Reichweite belanglos, und die schwache und elek-tromagnetische Kraft werden „effektiv“ gleich stark. Wieetwa 10-11 Sekunden nach dem Urknall.

Abdus Salam

Carlo Rubbia

Die schwache Kraft• zeigt sich bei der Radioaktivität,• ermöglicht der Sonne das Leuchten,• wirkt als einzige der Kräfte auch auf Neutrinos.

Elektromagnetismus

Elektrizität LichtMagnetismus

ElektrotechnikRöntgen-strahlen

LaserKommunikations-

mittel

Der Nachweis des Z-Bosons, des elektrisch neutralen Kraftteilchens der schwachen Kraft, dashier in zwei Myonen (blaue Spuren) zerfällt.

Michael Faraday fand im 19.Jahrhundert das Induktionsge-setz. Es zeigt, dass elektrischeund magnetische Kräfte zweiverschiedene Erscheinungsformeneiner einheitlichen Naturer-scheinung sind – des Elektro-magnetismus. James C. Maxwell bewies später,dass auch das Licht elektromag-netischer Natur ist.

Kräfte wurden schon einmal vereinheitlicht:

Michael Faraday

James C. Maxwell

Elektroschwache Kraft

Elektromagnetische Kraft

Photonen (Lichtquanten)

Elektromagnetisches Feld

Schwache Kraft

W- und Z-Bosonen

Schwaches Feld

Wie untersucht mandie elektroschwacheKraft?

Der Silizium-Halbleiterdetektor zur präzisenVermessung der Spuren nah am Kollisionspunkt.

Das elektromagnetische Kalorimeter zur Messungder Energie von Teilchen.

Kollisionspunkt, andem ein Elektron undPositron (beide senk-recht zur Bildebene)aufeinandergepralltsind.

Der zentrale Spurdetektor zumVermessen der Flugbahnen derTeilchen.

Ein Blick in das geöffnete Nachweisgerät.

Dies ist ein typisches Nachweisgerät, auch Detektor genannt, amElektron-Positron-Beschleuniger LEP in Genf. Solch ein Detektor hatetwa die Größe eines Zweifamilienhauses. Ähnlich einer Zwiebel sind die einzelnen Komponenten schalenförmigum den Kollisionspunkt von Elektronen und Positronen angeordnet.So lassen sich die Flugbahnen aller in den Kollisionen entstandenenTeilchen, deren Impulse und Energien vollständig vermessen. DieGröße dieser Detektoren ergibt sich aus der erforderlichenMessgenauigkeit. Detektoren wie dieser werden zehn Jahre oder länger von mehrerenHundert Physikern aus vielen Ländern der Welt genutzt.

Um die vereinheitlichte elektroschwache Kraft zu untersuchen, braucht man große Beschleuniger wie HERAin Hamburg, LEP in Genf oder TEVATRON bei Chicago. Mit ihnen können die Kräfte bei Abständen von etwaeinem Tausendstel der Größe des Protons untersucht werden.

Das kosmischeInventar

Teilchen wie Elektron und Neutrino bezeichnet man als Leptonen. Sie spürendie starke Kraft nicht, die Quarks zusammenschweisst.

sd b

cu t

Z

g

τ W

ννν

e µ

charm up

down

Gluon

Higgs

Photon

top

Elektron-Neutrino

Z-Boson

beauty

strange

Tau-Neutrino

Myon-Neutrino

Tau

Myon

Elektron

W-Boson

Kraft-Teilchen

Quarks

Leptonen

Fast die gesamte Materie im heutigen Kosmos besteht aus vier Bausteinen:• up-Quarks und down-Quarks: Sie bilden Protonen und Neutronen

und damit die Atomkerne. • Elektronen: Sie kreisen um die Atomkerne• Elektron-Neutrinos: Sie werden von der Sonne ausgestrahlt.Dies ist die erste „Familie“ von Teilchen.

10-12 Sekunden nach dem Urknall gab es noch weitere Teilchen, dieaufgrund ihrer großen Masse jedoch nicht überlebensfähig waren.

Es gab 12 Bausteine, mehrere Kraftteilchen und vermutlich das Higgs-Teilchen.

Drei Familien vonTeilchen

Die Grafik zeigt die Teilchen, die bei einem Stoßeines Protons und eines Antiprotons entstandensind. Die Teilchenbündel entstammen demZerfall eines Top- und eines Anti-Top-Quarks.

1 mm

Isidore Rabi

„Wer hat das bestellt ?“

rief 1937 der Nobelpreis-träger Isidore Rabi aus, alser von der Entdeckung desMyons erfuhr. Warum schufdie Natur diesen schwerenBruder des Elektrons?

Baukasten der Natur

10-12 Sekunden nach dem Urknall zeigte die Natur eine bemerkens-werte Vielfalt. Über die erste Teilchenfamilie hinaus kündigte dieEntdeckung des Myons eine zweite Familie an. Sie besteht auszwei schwereren Quarks (strange und charm), dem Myon und demMyon-Neutrino. Noch schwerer sind die Teilchen der drittenFamilie. Die schweren Teilchen zerfallen Sekundenbruchteile nachihrer Erzeugung in die leichteren. Deshalb beobachten wir heute imKosmos (fast) nur die Teilchen der ersten Familie.

An Beschleunigern kann man denUrknall bei 10-12 Sekunden „nach-stellen“ und die 4 Kraftteilchensowie alle 12 Bausteine erzeugen.

Wieso gibt es 12 Bausteine?Dieses Rätsel ist noch nicht gelöst!

Eine schwere Geburt – Die Entdeckung des Top-Quarks

20 Jahre musste nach dem Top-Quark – dem vermutlich letzten Baustein – gesucht werden, bis es 1995 amamerikanischen TEVATRON-Beschleuniger entdeckt wurde. Die Masse eines Goldatoms in einem mehr alseine Milliarde kleinerem Volumen untergebracht!

Jet 1

e+

νJet 4

Jet 3

Jet 2

u H

d

c

s b

t γ

W

Z

g

νν ν

µ τe Kraft-Teilchen

HiggsQuarks

Leptonen

Neutrinos – Die Geister des Universums

Im Inneren des Kamiokande-Detektors in Japan zum Nachweisvon Neutrinos aus der Sonne.

Die im Urknall erzeugten Neutrinos erfüllen auchheute noch das Universum – mehr als 300 in jedemKubikzentimeter in und um uns.

Neutrinos kommen auch als Boten ferner Ereignisseim Kosmos zu uns.

Die erstaunlichsten Teilchen im Baukasten der Natursind zweifellos die Neutrinos. Immun gegen elek-tromagnetische und starke Kräfte, können sie nahe-zu unbeeinflusst quer durch die Erde fliegen undgleichen eher Geistern als realen Teilchen.

Am Südpol entsteht das riesige Neutrinoteleskop AMAN-DA, bei dem die Lichtblitze von Neutrinoreaktionen mitLichtsensoren nachgewiesen werden, die kilometertief imEis versenkt werden.

Eine Idee wird Realität

Erst 25 Jahre, nachdemWolfgang Pauli das Neutrino„postuliert“ hatte, wurde esentdeckt. Pauli wollte mit demunsichtbaren Neutrino erklären,wo die fehlende Energie inbestimmten radioaktiven Zer-fällen bleibt.

Wolfgang Pauli

Higgs: Warum gibt es Masse?

Computersimulation desZerfalls eines Higgs-Teilchens im ATLAS-Detektor am zukünfti-gen Beschleuniger LHCin Genf.

Ohne Higgs-Teilchen keineMasse – so müssen wir heuteannehmen. Doch wo verbirgtsich das Higgs?

Das Higgs-Teilchen ist noch unentdeckt. Aber es ist fürden Baukasten der Natur von zentraler Bedeutung,

denn es gibt den Teilchen Masse.

Das Vakuum ist mehr als Nichts. Es ist erfüllt von spontan entste-henden und vergehenden Teilchen. Die Higgs-Teilchen geben demRaum eine wellblechartige Struktur. Lichtteilchen laufen ungestörtentlang der Wellentäler. Doch in anderen Richtungen wird dieBewegung gehindert, die Teilchen werden träge – und dies ist es,was wir als „Masse“ beobachten.

schweres Teilchen Lichtteilchen

Die Suche nach dem Higgs Teilchen

hat begonnen – bisher ohne Erfolg.

Das Higgs-Teilchen ist wahrscheinlich für die gegenwärtigen Beschleunigerzu schwer. Die Hoffnung liegt darum auf den zukünftigen BeschleunigernLHC (Genf) und TESLA (Hamburg).

Die kosmische Inflation

Aufnahme mit dem COBE-Satelliten von den Temperaturschwankungen in der kosmischen Mikrowellenstrahlung.

Geistesgegenwärtig hatte Gott damals vomUrknall ein Photo geschossen, welches erimmer noch recht eindrucksvoll findet.

Bewegt man sich weiter in der Zeit zurück, so wird man vermutlich voneiner Explosion erfasst, die alles, was danach kommt, in den Schattenstellt. Das überhitzte Universum explodierte bei einer Temperatur von1028 Grad wie überhitztes Wasser, das sich explosionsartig in Dampfumwandelt. Statt um Wasser handelte es sich aber dabei um eine mitHiggs-Teilchen angefüllte Brühe. Die Explosion hat das Universum innerhalb von 10-32 Sekunden um min-destens das 1030-fache aufgebläht. Erst nach dieser „Inflation“ erfolgtedie Expansion des Kosmos wieder mit etwa der Rate, die wir heutebeobachten. Das Bild des COBE-Satelliten ist ein Foto des Universumsnach dieser Explosion.

Higgs: Treibgas der Inflation

Das Inflationsmodell:

Am Anfang war das Universum von einer mit sehr vielEnergie aufgeladenen „Flüssigkeit aus Higgs-Teilchen“beherrscht. So wie ein Ball in eine Mulde, rollt das Higgs-Feld in ein Energieminimum. Die dabei abgegebene Energiewar das Treibgas für ein explosionsartiges Aufblähen, dieInflation des Universums.

Nur wenn es Higgs-Teilchen gibt, können wir verstehen,weshalb unser Universum so groß und so alt geworden ist.

Doch gibt es sie?

Auf diese Frage ist uns die Teilchenphysik die Antwort bisher noch schuldig.

Falten im Raum

Wenn das Inflationsmodell stimmt, dann darf diekosmische Mikrowellenstrahlung nicht völliggleichmäßig im Raum verteilt sein. Sie muss winzi-ge Schwankungen um einige zehnmillionstel Gradaufweisen. 1992 wurden sie tatsächlich gefunden.Die Himmelskarte des COBE-Satelliten (Tafel links)ist ein Schnappschuss des Universums 10-35

Sekunden nach dem Urknall.Die Inflation würde viele grundlegende Fragen der Kosmologie lösen, z.B.warum das Universum gar nicht oder nur wenig in sich gekrümmt ist. Wieimmer auch die Krümmung des Universums zu Beginn gewesen sein mag:die Inflation zieht den Raum so stark auseinander, dass er danach „euklidisch“ (ungekrümmt) erscheint.

Alan Guth (USA) und Andreij Linde (damals UdSSR)kamen Anfang der achtziger Jahre auf dasInflationsmodell.

Alan Guth

Andreij Linde

Ener

gie

Die großeVereinigung

10-35 Sekunden nach dem Urknall:Starke, elektromagnetische und schwache Kraft sind ununterscheidbarund zu einer vereinheitlichten Kraft verschmolzen.

Das Bild zeigt eine Computersimulation der Lichtflecken, die der Zerfall eines Protons auf den Wänden eines Wassertanks hervorrufen würde. Der Protonzerfall ist eine derKonsequenzen der großen Vereinigung.

Die Kraftteilchen der Urkraft sind so schwer, dassihre Massen selbst die der schwersten bekanntenTeilchen lächerlich erscheinen lassen. Es ist unmög-lich diese Kraftteilchen in Beschleunigern zu erzeu-gen und damit die Urkraft direkt nachzuweisen.

Warten auf den Proton-Zerfall

Aber nach einer Konsequenz der Urkraft lässt sichsuchen: Durch die Urkraft wäre das Proton nicht sta-bil! Das Proton hätte eine mittlere Lebensdauer vonetwa 1033 Jahren. Das ist 1023 mal mehr als das Alter des Universums!

Beobachtet man Protonen – etwa in einem riesigenWassertank – über mehrere Jahre, dann hat mantrotzdem eine Chance, einen solchen Zerfall zu regis-trieren.

Eine Zeitreise an den Anfang des Universums: Die Skala zeigt links das Alterdes Universums vom Urknall bis heute in Sekunden, rechts die mittlereEnergie (in Einheiten der Proton-Masse) von Strahlung und Materieteilchen.

Die Urkraft

Einstein verbrachte die letztenJahrzehnte seines Lebens mit demVersuch, alle Naturkräfte auf eingemeinsames Grundprinzip zurück-zuführen – vergeblich.

Albert Einstein

18

12

6

10

10

10

1

10-6

10-12

10-18

10-24

10-30

10-36

10-44

10-12

10-9

10-6

1

103

106

109

1012

1015

1019

10-3

Elek

trom

agne

tisc

he K

raft

ElektroschwacheVereinigung

Gra

vita

tion

Star

ke K

raft

„Große Vereinigung“

Planck Skala

Urknall

Zeit

in S

ekun

den

Ener

gie

in G

eV

Schw

ache

Kra

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Der überzeugendste Weg, elektroschwache und starke Kraft zu vereinen,führt zu einem neuen, grundlegenden Naturprinzip: der Supersymmetrie (SUSY).

Standard-Teilchen

SUSY-Teilchen

Die Supersymmetrie ver-langt, dass es zu jeder„normalen“ Teilchenarteinen SUSY-Partner gibt.

Die leichtesten der SUSY-Teilchen dürften leicht genug sein, um an Beschleunigern erzeugt zu werden. Esgibt darum zwei Strategien zur SUSY-Suche: Erzeugung in Teilchenstößen in irdischen Labors und die Sucheim Kosmos.

Supersymmetrie

Kraft-Teilchen

Higgs

Quarks

Leptonen

HiggsinoSquarks

SleptonenSUSY-Kraft-Teilchen

Der Large Hadron Collider hat einen Umfang von knapp 30 km. In derEndphase wird er Protonenstrahlen von 7 TeV aufeinanderschiessen. Dasbedeutet, dass die Bewegungsenergie der Protonen die Energie, die in ihrerMasse steckt (E=mc2!) , um fast das 10 000-fache übersteigt.

Blick in die 100 m lange TESLA-Testanlage bei DESY. In TESLA sollen Elektronenund Positronen mit 500 GeV (später sogar mehr) aufeinanderprallen. Die Teilchenwerden auf zwei geraden, je 15 km langen Strecken beschleunigt.

SUSY –Der irdische Weg

Die Beobachtung solcher Teilchenreaktionen sorgen immer wieder für Aufregungbei den Physikern: Hier könnte ein SUSY-Teilchen entstanden sein. Aber bisher sindSUSY-Teilchen noch nie zweifelsfrei nachgewiesen worden.

Wenn die Natur durch die Super-symmetrie beschrieben wird, dannkönnen die leichtesten SUSY-Teil-chen nicht schwerer als einige hun-dert Protonmassen sein – vielleichtgerade noch zu schwer, um an dengegenwärtigen Beschleunigernerzeugt zu werden, aber leichtgenug, um an zwei zukünftigenBeschleunigern ins Netz zu gehen.

Zeugen des frühesten Universumsnoch vor der kosmischen Inflation,15 Milliarden Jahre später in Teil-chenstößen auf der Erde geboren –eine schwindelerregende Vorstellung.

Die beiden Beschleuniger sind derLarge Hadron Collider LHC, der imJahr 2005 in Genf den Betrieb auf-nehmen wird, und der BeschleunigerTESLA, der am DESY in Hamburggeplant ist.

SUSY-Teilchen im Kristall

Stößt ein SUSY-Teilchen in einem tiefgekühlten Kristall auf ein Atom, so beginnt dieseszu schwingen. Die Schwingungen pflanzen sich wie Wellen fort und erwärmen denKristall um ein millionstel Grad. Der deutsch-englische Detektor CRESST wird, abge-schirmt gegen die kosmische Strahlung, in einem Tunnel unter dem Gran-Sasso-Massivin Italien betrieben. Im Bild ein Prototyp des supraleitenden Detektors.

SUSY-Teilchen aus dem ErdzentrumTreffen zwei SUSY-Teilchen aufeinander, so können sie in zwei Bündel normaler Teilchen– darunter auch Neutrinos – zerstrahlen. Falls sich im Erdzentrum aufgrund derSchwerkraft genügend SUSY-Teilchen angesammelt haben, müssten sie gelegentlichzusammenstossen. Dann müsste man aus dieser Richtung Neutrinos beobachten. Das AMANDA-Teleskop am Südpol sucht danach.

Die AMANDA-Gruppeam Südpol.

Die Spur eines Myons, dasdurch ein Neutrino aus Rich-tung des Erdkerns erzeugtwurde. Die Kreise markierengetroffene Lichtsensoren,die Farbe die Ansprechzeit.

SUSY –Der kosmische Weg

Aus der Geschwindigkeit, mit der die Außenbereiche unsererGalaxis rotieren, folgt, dass sie nur zu etwa 10% aus derMaterie besteht, die wir sehen. Der Rest ist die „DunkleMaterie“, in der wir wie in einem kalten, unsichtbaren Ozeanschwimmen. Wie die kosmische Mikrowellenstrahlung istauch die dunkle Materie ein Fossil des Urknalls. Bilden dieSUSY-Teilchen die „Dunkle Materie“?

Die „Dunkle Materie“ im Weltall

SUSY

Der Anfang?

Wenn wir uns dem Urknall auf weniger als 10-43 Sekunden nähern, sosteigt die Temperatur auf über 1032 Grad an. Hier verlieren alle unsbekannten Gesetze ihre Gültigkeit.

Raum und Zeit – bisher die Bühne für das kosmische Drama – werdennun selbst zu Mitspielern. Sie können jetzt, wenn überhaupt, nur nochin der Sprache der Quantentheorie beschrieben werden. Raum und Zeitwerden „schaumig“. Dieser Zustand übersteigt sowohl unsere Begriffewie unsere mathematischen Modelle. Die Frage nach einem „Anfang“bleibt daher heute rein spekulativ.

Raum-Zeit-Schaum?

Elementarteilchen:winzige schwingendeSchleifen?Es gibt eine Theorie, die Elementarteilchen als Schleifen („Strings“) beschreibt. Nach der Superstring-Theorie haben die Schleifen eine Ausdehnung in der Größenordnung der Planck-Länge von 10-33 cm. Wie Töne durch eine schwingende Saite, ergibt sich die Vielfalt der Teilchen durch verschiedeneSchwingungsformen der Strings.

Mit der Superstring-Theorie hoffen die Physiker, dieMaterie bis zu ihren kleinsten Ausdehnungen und,damit verbunden, das Universum bis zu seinemfrühesten In-Erscheinung-Treten, zur Planck-Längeund Planck-Zeit hinunter, verstehen zu können.

Diese Theorie vereinheitlicht die Beschreibung allerTeilchen und aller Kräfte, einschließlich der Schwer-kraft. Sie setzt die Gültigkeit der Supersymmetrievoraus – ein weiterer Anlass für die besondereSpannung, mit der Physiker darauf warten, obsupersymmetrische Teilchen an Beschleunigern oderim Kosmos tatsächlich aufgespürt werden.

Die Planck-Länge geht auf Max Planck,den Begründer der Quantentheorie,zurück. Er hat als erster bemerkt, dass beiAbständen von 10-33 cm und Zeitintervallenvon 10-43 Sekunden die Gravitation einebeherrschende Rolle spielt und die Physikdort grundsätzlich anders sein muss.

Max Planck

Die Superstrings „lebten“ anfangs in einem 10-dimensionalen Raum.Nur 4 der 10 Dimensionen haben an derExpansion des Universums teilgenommenund sind zu unserer Raum-Zeit geworden.Die anderen 6 Dimensionen blieben winzigund tief im Inneren der Teilchen „aufgerollt“– so wie die Oberfläche eines sehr dünnenZylinders, der von Ferne als Faden erscheint.