Über das wesen der methylalkoholvergiftung

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xx. Arbeiten aus dem Laboratorium -fUr experimentelle Pharmakolo~'ie zu StraBbur~. Uber das Wesen der )Iethylalkoholvergiftung. Von ,Johannes Kr6l, 2, Assistenten am ph~,rmakologischen Instltut. Die in dcr Zeit vom 25. Dezember 1911 bis 1. Januar 1912 im Asyl ftir Obdaehlose in Berlin 1) aufgetretenen Erkrankungen yon mehr als 100 Personen, darunter 57 Fi~lle mit tSdliehem Aus~ang~ erregten bekanntlieh in den weitesten Kreisen ein groBes Aufsehen und gaben auf mediziniseher Seite zu einer eingehenden Diskussion tiber die Ursaehe derselben AnlaB. Im allgemeinen war man daruber einig, dab as sieh nicht um eine Infektionskrankheit, z. B. Cholera, handelte, sondern dab man es mit Vergiftungen zu tun hatte. Man daehte dabei zunliehst an u dureh BUeklinge, durch Arsr und sogar (lurch Kupfer. Gegen Fisehvergiftung sprach schon der Umstand~ dab nur ein Teil der Erkrankten Fisehe genossen hatte. Als man also Uber die Ursaehe der Erkrankungen noeh ganz im Unklaren war, wurde u. a. =die Entnahme und Untersuehung zahl- reieher Proben yon Trinkbranntweinen auf Gifte angeordnet. Tags darauf wnrde bereits in der staatliehen ~ahrungsmitteluntersuehungs- anstalt in Berlin in dem Branntwein aus einer in der ~i~he des Asyls gelegenen Schankwirtschaft Methylalkohol festgestellt. Bei der Durch- suehung einer Drogerie in Charlottenburg wurden dann groBe Mengen 1) E. Stadelmann, Gutachten fiber die in der Zeit yon Weihnachten bis !geujahr 1911112 in Berlin vorgekommenen Massenvergiftungen mit Methylalko- hol. Erstattet im Auftrage der Staatsanwaltsehaft I Berlin. Vierteljahrsschrift ftir geriehtl. Medizin and ~tffentliehes Sanitiitswesen 1912, 4. Heft.

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x x .

Arbeiten aus dem Laboratorium -fUr experimentelle Pharmakolo~'ie zu StraBbur~.

Uber das Wesen der )Iethylalkoholvergiftung.

V o n

,Johannes Kr6l, 2, Assistenten am ph~,rmakologischen Instltut.

Die in dcr Zeit vom 25. Dezember 1911 bis 1. Januar 1912 im Asyl ftir Obdaehlose in Berlin 1) aufgetretenen Erkrankungen yon mehr als 100 Personen, darunter 57 Fi~lle mit tSdliehem Aus~ang~ erregten bekanntlieh in den weitesten Kreisen ein groBes Aufsehen und gaben auf mediziniseher Seite zu einer eingehenden Diskussion tiber die Ursaehe derselben AnlaB. Im allgemeinen war man daruber einig, dab as sieh nicht um eine Infektionskrankheit, z. B. Cholera, handelte, sondern dab man es mit Vergiftungen zu tun hatte.

Man daehte dabei zunliehst an u dureh BUeklinge, durch Arsr und sogar (lurch Kupfer. Gegen Fisehvergiftung sprach schon der Umstand~ dab nur ein Teil der Erkrankten Fisehe genossen hatte.

Als man also Uber die Ursaehe der Erkrankungen noeh ganz im Unklaren war, wurde u. a. =die Entnahme und Untersuehung zahl- reieher Proben yon Trinkbranntweinen auf Gifte angeordnet. Tags darauf wnrde bereits in der staatliehen ~ahrungsmitteluntersuehungs- anstalt in Berlin in dem Branntwein aus einer in der ~i~he des Asyls gelegenen Schankwirtschaft Methylalkohol festgestellt. Bei der Durch- suehung einer Drogerie in Charlottenburg wurden dann groBe Mengen

1) E. Stadelmann, Gutachten fiber die in der Zeit yon Weihnachten bis !geujahr 1911112 in Berlin vorgekommenen Massenvergiftungen mit Methylalko- hol. Erstattet im Auftrage der Staatsanwaltsehaft I Berlin. Vierteljahrsschrift ftir geriehtl. Medizin and ~tffentliehes Sanitiitswesen 1912, 4. Heft.

Uber das Wesen der )Iethylalkoholvergiftung. 445

yon Methylalkohol beschlagnahmt. Pl"of. Ju c k e n a c k 1) 7 der Vorstand der staatlichen Nahrungsmittelnntersuchungsanstalt, hatte die Unter- suchung des Methylalkohols lediglich deswegen veranlaBt~ weil er sich sagte, daB~ falls der Schnaps schuld sein sollte, in erster Linie Methylalkohol in Frage kommen k~inntc. Es konnte dann welter fest- gestellt werden, dab alle Insassen des Asyls yon dcm methylalkohol- haltigen Branntwcin gctrunken hatten. Auch in den Leichen wurde im Magen und in anderen Organen~ namentlich in der Leber, Methyl- alkohol gefunden.

Es entstand die Frage, in welcher Weise der Methylalkohol die u hervorgerufen hatte. Diese Frage konnte nicht ohne weitercs be~ntwortet werde% well die Erkrankungen nicht aknt ver- liefcn, wie nach Giften, die durch entsprechende, einmalige Gaben t~idliche Vergiftungen verursachen. E s wurden zahlreiche Ansichten tiber die Art~ wie der Mcthylalkohol die Vergiftungen hcrvorgerufcn hatte, geltend gemacht2}. Wass e rm ann meintc, dal~ unter dem Einflu[~ des Methylalkohols im Magen-Darmkanal aus dem EiweiI~ sich Toxo- peptide gebildet hatten. St~delmann3) nahm an 7 dai~ es sich beim Mcthylalkohol nm eine kumuliercnde Wirkung handelte~ so dal] der hi~ufige GenuB selbst kleiner Mengen zur schwcren Erkrankung ftihren kann~ und das liege wahrscheinlich daran, dab der Methylalkohol sehr langsam oxydicrt und dutch den nicht oxydierten Anteil die Kumulierung herbeigeftihrt werdc. M a g n u s - L e v y 3) ging yon der Ansicht aus, dai~ man cs beim Methylalkohol mit einer giftigen Wir- kung zu tun h~tte~ wie es sonst nur sehr hochmolekulare Atomkom- plexe unbekannter~ chemischer Wirkung~ die sog. Toxine nnd Ptomaine hcrbeizufiihren verm~igen. Man kiJnne annehmen, daiS, wie so oft durch Methylierungen Alkaloidkomplexe verandert werden~ auch hier

1) Juekenack, Die l~Iethylalkoholvergiftung in Berlin. Miinchn. reed. Woehenschr. 1912, bTr. 4.

2) R. FSrster, (Jber die Wirkung des Methylalkohols. Miinch. reed. Wochenschr. Nr. 5, S. 248, 1912. - - Derselbe. Zur Differentialdiagnostik und Therapie der Methylalkoholvergiftungen. Miinch. reed. Wochenschr. 1912, 5h,. 16, S. 862. -- Erich Harnack, Uber die Giftigkeit des Methyl~Ikohols. Korrespon- denzblatt fr Schweizer Arzte 1912, Nr. 5. -- Schweissinger, Uber Methyl- alkohol. Gesellsch. ftir Natur- u. Heilkunde zn Dresden 20. I, 1912. Alex Langgaard, Die Giftigkeit des ]~Iethyl- u. Athylalkohols. Berl. klin. Wochen- schr. 1912, Nr. 36.

3) Stadelmann und Magnus-Levy, ~ber die in "der Weihnachtszeit yorgekommenen Massenvergiftungen in Berlin. Berl. reed, Gesellsch. Sitznng vom 10. I. 1912.

~6 XX. JOHANNES KR6L.

durch den ~Iethylalkohol eine Methylierung im KSrper vorhandener Stoffe zustande gekommen sei.

V o n d e r Tatsache ausgehend, dab yon der gleichen Art und Menge des methylalkoholhaltigen Oetr~inkes manche Personen erblin- deten und starben, w~hrend andere tiberhaupt keine Besehwerden hatten, spraeh K o b e r t 1) yon einer Idiosynkrasie, die dann allerdings bei einem ungewShnlieh hohen Prozentsatz yon Mensehen vorhanden gewesen w~ire.

SehlieBlieh hat noeh eine ganze Reihe yon Autoren (Hunt, 0 h l e - mann , F i ihne r 2) u. a. 8) die Vergiftung nieht auf den Methylalkohol selbst, sondern auf Verunreinigungen desselben mit verschiedenen Stoffen, w i e Furfurol, Oxals~iure und anderen Stoffen zuriiekzufUhren versucht.

S c h m i e d e b e r g 4) zeigte auf Grund yon Versuehen, die yon L u d w i g H a l l e r s) im Jahre 1838 an Mensehen und Tieren ausgefiihrt waren, dab der Methylalkohol als soleher mindestens nicht sfiirker wirkt als der gewShnliche Alkohol.

Die ersten Versuehe iiber die Wirkungen des ttolzgeistes auf den tierisehen Organismus, und zwar an Menschen und Tieren, hat L u d w i g H a l l e r ausgefi~hrt in BerUcksiehtigung der ,>Vermutung, dab der Holzgeist ungeaehtet der groBen Menge der versehiedenen Arten yon geistigen Getranken, die sich der Menseh auf mehr odor weniger kUnstliche Weise aus den verschiedensten Erzeugnissen der Natur zu versehaffen gewuBt hat, aueh noch in dieser Eigensehaff in Anwen- dung gezogen werden kSnnte. Aueh s011 er schon damals naeh M i t s c h e r l i e h in England zur Naehbildung yon Rum im Gebrauehe gewesen seine.

H u l l e r trunk selbst mehrmals zwei Draehmen (7,5 g) bis 1/2 Unze

1) R. Kobert, Kompendium der prakt. Toxikologie 1912, V. Aufl., S. 219. 2) Fiihner, tJber Methylalkohol. Referat im biochem. Zentralblatt, Bd. III.

1905, ~lr. 902. 3) K. v. Bushka, Zur Frage der Methylalkoholvergiftuugen. Wiener

klinisch-therap. Wochenschr. 1912, Nr. 23. -- Ro epert, Klinische Bemerkungen fiber die Hcthylalkoholvergiftungen. l~[ed. Gesellsch. zu Leipzig 6. IL 1912. -- Fritz Strassmanu, Die Vergiftungsf~llo im st~idtischen 0bdach. Verein flit inhere Medizin 8. I. 1912. -- Derselbe, Uber die im st~idtiscben Asyl zu Berlin beobachteten Vergiftungen. Deutsche reed. Wochenschr. 1912, bTr. 3.

4) O. Schmiedeberg, tJber Methylalkoholvergiftung. Thcrapeut. Monats- hefte, Mai 1912.

5) Ludwig Fr. Huller, Uber die Wirkungen des Holzgeistes auf den tierischen Organismus. Dissertation, unter dem PrEsidium yon F. G. Gmelin. Ttibingen, 1838.

0ber alas Wesea der ~Iethyl~lkoholvergiftung. 44:7

(15 g) reinen Holzgeistes yon 15--22 ~ B. mit mehr oder weniger Wasser vermiseht und bemerkte jedesmal einen brennenden Geschmack im Mund and Sehlund und ein unangenehmes Brennen in der Magen- gegend, verbunden mit einer nauseosen Wirkung~ die sieh dutch leichte ~dbelkeit und yon Brechneigung und stErkerer Speiehelsekretion begleitetes Auftreten kund gab. Im Ubrigen abet konnte er an sich und seinen Freunden ~nichts yon der allgemein belebenden and ex- zitierenden and noeh viel weniger yon der berauschenden Wirkung,< bemerken, die der Weingeist hervorzubringen pfiegt. Ebenso batten die Versuehe, die Hal ler an Kauinchen and ttunden ausgefUhrt, ergeben, dab einmalige Gaben yon 30 g auBer Sehlaftrunkenheit, taumelndcm Gang and Erbreehen sonst keine anderen, giftigen Wirkungen aus- tibten.

Sp~tere Untersuehungen, besonders die yon J. Pobl ~) u. a., haben aber gezeigt, dab sich die Verhi~ltnisse ~ndern, sobald der Methyl- alkohol in mehrmaligen and besonders in kurzen Zwisehenpausen wiederholten Gaben den Tieren eingegeben wird. W~thrend Pohl Hunde woehen- and monatelang ohne Sehaden ftir dieselben mjt ver- sehiedenen Alkoholen, wie Athyl-, Isobutyl- und Amylalkohol ftittern konnte, gelang es ibm nicht, Hunde, denen er wiederholte Gaben yon 15--20 cem Methyl~lkohol etwa jeden zweiten oder dritten Tag verabreicht hatte, langer als wenige Wochen am Leben zu erhalten. Die Tiere frai~en nicht~ schliefen andauernd bewegungslos da]iegend nnd gingen schliei~lieh, selbst, wenn kein Alkohol mehr zugeftihrt wnrde, an Respirationsl~hmnng zugrunde.

Die Berliner Massenvergiftungsf~tlle boten eine Anzahl charak- terlstischer Symptome: Kriimpfe, die sich bis zum Opisthotonus stei- gerten~ Erbreehen~ Erh(ihung der Sehnenreflexe, lebhafte Erregungs- Zustiinde, sogar Tobsuehtsanf~tlle~ ferner Sehst0rungen ~)~ Seitenstechen, Konstriktionsgeftihl~ forcierte Atmung~ die an den Zustand im Coma diabetieum erinnerte, yon diesem sieh jedoeh dadureh untersebied, da[~ bei den Kranken das BewuI~tsein ftir die Atmungsst~irung vor- handen war. Die Fiille verliefen zeitlieh aul]erordentlieh versehieden, insofern als leiehte Fi~lle zu sehweren~ anseheinend sehwere in einigen Tagen gebessert wurden.

1) J. Pohl , [~ber die Oxydation des Methyl- und Athylalkohols im Tier- k~irper. Arch. f. exper. Path. u. Pbarmakol. XXXI, 281, 1893.

2) F r i d e n b e r g , Die Papilla optica bei der Methy!alkoholvergiftung. Ver- handlungen des 46. Jahreskongresses der Amerikanischen augeniirztl. Gesell- .schaft zu Washington. - - Grunow, [)bel" schwere Bindehautentziindung durch ]~Iethylalkohol. l~Iedizin. Reform 1912, Nr. 2, S. 33.

~48 XX. JOHAnnES K~dL.

Wenn man diese Symptome der Berliner F~ille mit den yon Ha l l e r und Poh l angegebenen Wirkungen vergleicht, so gelangt man zu dem SehluB, dab es sich in den Bertiner F~illen weder um eine akute noeh um eine ehronisebe Vergiftung durch die Wirkungen des Methyl- alkohols handelte, l'qaeh den Versuehen yon P o h l und Bongers 1) entsteht abet aus dem Methylalkohol im Organismus Ameisens~iure, welehe neben unveriindertem Methylalkohol in den Ham iibergeht.

Die bekannten Untersuchungen yon Walter 2) haben ergeben, dab an Hnnden naeh der Zufuhr yon Mineralsanren diese nieht wie bei Kaninchen durch das Blutalkali, sondern durch Ammoniak neu- tralisiert werden und dab infolgedessen die Ammoniakmenge des Harns vermebrt wird. Im Diabetes ist es die fl-Oxybuttersaure, welche neben der vermehrten Ammoniakausscheidung anch eine Ver- minderung des Blutalkalis bewirkt und zur Aeidose fiihrt.

Da sich nun annehmen l[il~t, dab der Methylalkohol auch bei Mensehen zum Tell nur his zur Ameisensiiure oxydiert wirdl so wies S e h m i e d e b e r g darauf hin, dab die naeh dem GenuB yon methyl- alkoholhaltigem Branntwein in Berlin aufgetretenen Erkrankungen Folgen einer dureh die Ameisens~iure bedingten Acidose sein kSnnten , wie beim Diabetes durch die fi-Oxybutters~iure. Die Ameisensiiure sei in Form ibres Natriumsalzes unsehadlich; wenn sie abet im Organis- runs selbst entsteht, so wird sie haupts~ichlich dutch das beim Eiweil~- umsatz abgespaltene Ammoniak neutralisiert. Dieser l~eutralisierungs- prozeB dureh Ammoniak k~nnte bei gesunden and gut gen~brten Mensehen selbst~indig erfolgen und dadureh den KSrper vor den F01gen einer tterabsetzung des fur ihn unnmganglich notwendigen Blutalkaligehaltes sehtitzen; bei sehleeht geniihrten oder dutch Trunkenheit oder marastisehe Zust~nde heruntergekommenen Per- sonen ersehiene es wahrseheinlich, dab die Neutralisation der Ameisen- s~iure auf Kosten des Natriumkarbonates des Blutes sich vollziehe und so den Ted der betreffenden Individuen hervorriefe. Sehmie de- b e r g wies auch darauf hin, dab man tiber das Wesen der Vergiftung infolge wiederholten Genusses yon Methylalkohol dureh das Experi- ment AufsehluB erhalten kSnnte, wozu genaue Bestimmungen des

1) Bongers, Uber die Ausseheidung kSrperfremder Stoffe in den Magen. Arch. f. exper. Path. u. Pharmakol. XXXV, 426, i895.

2) Friedrich Walter, Untersuehung fiber die Wirkung der S~uren auf t!en tiel:iSchen Organismus. Arebiv flit experimentelle Pathologie and Pharma- kologie VII, S. 148.

Uber das Wesen tier lt~ethyialkoh()lvergif~ung. 449

Amcisens~ure- 7 Alkali- und Ammoniakgehaltes im Ham erforderlieh w~tren.

Zur Eatscheidung dieser yon Sch miedeb erg geiiul~erten Auffas- sung tiber das Zustandekommen dieser Methylalkoholvergiftnngcn stellte ich die voriiegenden u an. Es handelt sich dabei um die Frage, ob an Hunden nach der Einverleibung yon Methylalkohol Ammoniak in vermehrter Menge im ttarn auftritt.

Zu den Versuehen diente ein etwa 11/2 Jahre alter, gesunder und kr~ftiger Itund yon 15 kg KSrpergewicht. Urn mSglichst alle Fehlerquellen, die yon der Art und Weise tier Ern~hrung des Tieres herrUhren kSnnten, auszuschalten~ wurde der ttund zunachst eine Woehe lang an eine in bezug auf Qaalit~tt and Quantit~t gleich- bleibende Nahrung gewtihnt. Diese bestand pro Tag aus:

250 g gekochtem Yferdefleisch,

250 g trockenem Weizenbrot,

650 g Brtihe aus 500 g Pferdefieisch.

Diese Nahrung wurde dem Hunde in zwei Teilen t~tglich zu der- selben Tageszeit verabreicht.

In dea beiden ersten Versuchen wurde der Methylalkohol un- verdUnnt direkt unter die :Nahrung gemiseht, die der Hund trotz des Mcthylalkoholgehaltes mit griif3tem Appetit fraB~ ohne sich auch nur im geringsten dageg'en zu str~tuben. Beim dritten Versuch wurde der mit der dreifachen Menge Wasser verdiinnte Alkohol dem Tiere mit d e r Sehlundsonde beigebraeht. Der Methylalkohol war in voll- sti~udig reinem, acetonfreien Zustande yon der Firma Merck & Co. in Darmstadt bezogen worden. Der regelm~Big zu derselben Zeit ge- sammelte Barn yon je 24 Stunden wurde sofort zur Ammoniak- bestimmung benutzt. Letztere ftihrte ich naeh dem bekannten, bei Vermeidung aller in Betracht kommenden Fehlerquellen vSllig brauch- baren SchlSsingschen Verfahren aus. Die Kalkmilch wurde jedes- real frisch bereitet , die ~ormallSsungen yon Schwefelsiiure nnd Kali- lauge ffenau auf ihren Titre eingestellt. Als Indikator diente Methyl: orange. Um vollsti~ndig sieher zu sein, wurde yon jeder Harnprobe eine doppelte Bestimmnng ausgeftihrt.

Die Resultate der Versuche sind in den folffenden Tabellen zu- sammengestellt.

450 XX. J o ~ n s K~dL.

V e r s u e h I.

Hand yon 15,3 kg Gewieht~ erhalt insgesamt 370 eem Methylalkohol.

I Ham- Datum menge

in ccm

9 XII 12

10. XII. 12

11. XII. 12

12. XII.12

13. XII. 12

14. XII. 12

15. XII.12

x i r i2

17. XII. 12

18. XII. 12

19. XII. 12

20. XII. 1',

21. XII.12

22. XII. 12

23. XII. 12 24. XII. 12 25. XII.12 26. XII.12 27. XII. 12 28. XII.12

900

1200

1100

Methylalko- holgaben

in eem

10 um 12 Uhr 10 ~ ~) 6

10 10 10

10 880 10

tO

10 , 1350 10

10 ,

10 900 10

10

10 1050 10

LO

15 810 10

~5

15 1100 15

20 �9 800 15

]0 , 6

1100 30 ~ 9 30 ~ 1

950

60O

900

1100

750 860 ---

810 840 670

Absol.Menge ] d.gefandenen

NIts in g

0,2720

0,3315

0~2920

0,4393

0,8748

0,6120

0,9061

0,9199

1,2061

0,7690

1,4025

1,3122

1,0200

1,1283

1,0075 0,5179 0,4751 0,4080 0,3360 0,2814

Bemerkungen

Befinden unveriindert; frii3t gut.

Hund

9 1 6

9

6 ,,

9 ~, 1 ,, 6

9 1 �9 6

9 ~, 1 6

9 ~ 1 ~ 6

9 ~ 6 1

9 .~ 1

ebenso.

ebenso.

Hand wird somnolent, liegt, steht aufAnruf au~ taumelt.

ebenso.

ebenso.

Tier liegt fast bewegungslos da; frif3t noeh langsam die ganze Portion.

Tier stark narkotisiert, erkennt kaum die ihm bekannten Per- sonen wieder; fril3t noch.

Zustand wie tags zuvor, nur wird die Respirationsfrequenz kleiner; Hand friSt noah.

Respiration stark verlangsamt; Hund liegt noch bewegungslos da; erhiilt um 6Uhr abends 5,0 Na2C03 per o s .

ttund wird etwas lebhafter nnd friBt.

Tier steht beim Anruf auf, tan- melt noch stark; frit~t die ganze Portion.

Tier fast normal, friSt gut.

Hand normal and lebhaft. ebenso.

lJber das Wesen der Methylalkohol~ergiftung. ~51

Graphisehe Darstellung alkoholftitterung im Versueh I.

der ausgesehiedenen Ng~-~Ienge naeh Methyl-

1,00 I,

- - I ~ ' - - - -

,r ' 0,75

.• %50 I "--

0,25

o o '-- k i ? i l

- / / ~ /

f f ~ " I i Yersuchs~age ~ ~ ~ ~ r i t`"

I

Harnmenge in ccm ~ ~ ~ ~ I ~ ~

i

w

o o

Die Erwartung, dal] die Menge des mit dem ttarn ausgesehiedenen Ammoniaks oine Varmehrung erfahren werde, hat sieh vollkommen best~tigt. Die SCeigerung ist eine sehr badeutende. Die Ammoniak- menge stieg naeh der Aufnahme yon Methylalkohol im ]gaximum im Versuch I yon 100 auf 516, im Versuch II auf 372 und im Ver- such III auf 240.

Bei dem Versuch II wurde der Harn yore 20. I., 21. I., 22. I. auBerdem auf Ameisensi~re qu~ntitativ untersucht. Ich benutzte zur quantita~iven Bestimmung der Ameisens~ure die Reduktion yon Queck- silberehlorid zu Kalomel. Es wurden 100 cem Ham mit 50 ccm

Archly f, ~:~perim~nt, PathoI. u. Ph~,rm~koL Bd. 72. 3 0

452 XX. JOHA~S KRdL.

V e r s u c h II.

Hund yon 16~9 kg Gewieht~ erhiilt insgesamt 320 ecru Methylalkohol.

Harn- hlethylalko- Absol. Menge Datum menge holgaben d.gefundenen Bemerkungen

in cem in cem NH8 in g

12. I. 13

13.1. 13

14.I. 13

15. I. 13

16I . 13

17.1.13

18.1.13

19. I. 13

20. I. 13

21.1.13

22.1. 13

23.1. 13

24. I. 18

28. I. 13

800

1250

800

1050

940

700

700

1200

55O

64O

550

7OO

30 um 12 UM 30>> 6 ,

45 >> 12 359 6 >>

40 >~ 12

60 ~ 12 �9

80 ~ 12 ~>

m *

_ _ $

0,3360

0,3187

0,4250

0,8840

0,7990

0,3368

i

1,0413

1:1250

0,6194

0,5280

0,2220

0,2083

Tier wird gegen Abend somno- lent; steht beim Anruf anti

Tier liegt bewegungslos da; fri~t nieht; starke Dyspnoe u. ver- langsamte Respiration ; Durch~ fall.

ebenso; Durchfall etwas blutig.

ebenso.

gund stark narkotisiert, be- wegungslos; Respiration sehr starkverlangsamt. Gegen6Uhr abends erhi~lt er 2 g Natr. car- bonic, in 5o/oiger L~isung in- traventis (Vena cruralis); keine Besserung danaeh.

Tier liegt wie tot da; kein Hm'n nnd Kot.

ebenso; keiw-Harn.

Tier hebt den Kopf ein wenig anf; erhi~lt zweisttindlich 10 ccm Wasser; Durchfall.

Tier erhiilt vim Wasser u. etwas Fleiseh und Knoehen; kommt allmiihlich zum Bewul]tsein.

Tier beginnt aufzustehen, fri6t etwas, trinkt sehr viM.

Tier fri~t besser; DurchfaiL

Tier erholt sich fast vollstiiudig.

Hund viJllig normal; fril3t gut.

* t t a rn auf Ameisensiture qnantitativ untersucht, ergibt:

am 20. I. 13: 0,7639 g Ameisensiiure statt 2,89 g

,, 21. I. 13: 1,0643 g ~, ,, 3,03 g

22. I. 13: 0,5830 g ~ ~ 1,66 g

Uber das Wesen der Methylalkoholvergiftung. 453

Graphische Darstellung der ausgeschiedenen l~Ha-Menge nach Methyl- alkohoIfiitterung im Versuch II.

b~

h~

Versuchstago

~Iethylalkohol ill s

l~tt~-3Ienge in g

]-I~rll~ellg0 i~ ccm

I . . . . ~ I I [

o J J s [

200/oiger Phosphors~iure versetzt der Destillation unterworfen. Letztere wurde bis zum AufhSren der sauren Reaktion des Ubergehenden fortgesetzt, wozu etwa 10 Stunden erforderlich waren. Das Destillat wurde dann mit eisenfrcier hTatriumkarbonatl~sung neutralisiert und eingeengt. Darauf wurde die eingeengte Fltissigkeit mit Esslgsaure schwach angesauert und mit dem gleichen Volumen kal~ges~ttigter SublimatlSsung auf dem Wasserbade bis zum Kochen erhitzt, dann

1) Am Abend erhielt das Tier 2 g kohlensaures Natrium in 5% LSsung in ravenSs (Vena cruralis).

2) Am 7., 8. Versuchstage keine Harnabsonderung. 3) Am 14, 15., 16. Versuchstage keine Ammoniakbestimmung ausgefiihrt.

30*

454 XX. JOttANNES Kn6L.

V e r s u e h III.

t Iund yon 14,9 kg Gewich L erMlt insgesamt 70 ecru Methylalkohol.

Datum

24. XL 12

25. XI. 12

26. XI. 12

:27. XI. 12

28. XI. 12

29. XI. 12 ~0. XI. 12

1.XII.12 2. XlI. 12 3. XlI. 12

1[larn- menge

in ecru

840

1400

905

Methylalko- holgaben

in ecru

10 um 12 Uhr 1 0 , 6 ,>

[10 ~ 12 ,,

{ 1 0 ~ 9

10~ 6 ~

Absol. Menge d.gefundenen

NH3 in g

0,26 77

0,19 35

nicht be- stimmt

0,46 12

Bemerkungen

Keine Ver~nderung im Befinden des Tieres.

Keine Voriinderung im Befinden des Tieres.

Geringe ~Neigung zurSomnolenz; Tier im iibrigen normal.

900

860 890 880 900 890

0,6~ 09

0,47 25 0,35 37 0,32 40 0,23 40 0,25 00

Tier somnolent, steht beim An- ruf auf; frif~t gut; ist sehr ruhig.

Tier fril3t gut; fast normal. Tier normal.

Graphische DarsteUung der ausgeschiedenen lqHs-Menge

naeh Methylalkoholfiitterung im Versuch IIL

b~

~Iarnmei in ccm

u

~[ethylalk in CC~

-Ntt3-~Ienge

Uber das Wesen der Methylalkoholvergiftung. 455

einiffe Stunden in der KNte stehen ~elassen und der Kalomelnieder- schlag anf ein gewogenenes Filter ffebracht, ehlorfrei ausgewasehen nnd bei 100 ~ his zur Gewiehtskonstan~ getroeknet und sparer gewog'en. Es entsprieht 1 g Kalomel 0,09756 Ameisens~inre. Es stellte sieh nun heraus, das am 9. 1Vfethylalkoholtage, d. h. am Ta~e der fast gr~gten Ammoniakausseheidu~ die 3lenge der ausgesehiedenen Ameisensaure 0,7639 g" betrug; am 10. Tage, und zwar .am 4. nach der letzten Methylalkoholgabe, betrug sie 1,0643 und am 11. Tage

0,5830. Die Zusammenstellung der znr Neutralisation der ausgesehiedenen

Ammoniakmengen erforderliehen und der gefundenen Ameisens~ure- mengen ergibt folgende Resultate:

10. T~g: Ausgesehiedene Ammoniakmenge . . . . 1,1250 g Zur Neutralisation erforderliehe Ameisen-

s~nremen~e . . . . . . . . . . . . . . . 4,0~41 ~, Gefundene Ameisens~uremenge . . . . . 1,0643 ,, Weniger gefunden . . . . . . . . . . . . . 2,9798 = 73,6 %

Aus der Tabelle folgt, dab die Ausseheidung der Ameisens~ture nicht in einem mit der Ammoniakmenge ~iquimolekularen, sondern proportionalen VerhNtnis vonstatten ging. Es wird also nur der kleinere Tell des atlsgesehiedenen Ammoniaks durch die Ameisen- si~ure neutralisiert. Welche S~ture die Hauptmasse des Ammoniaks neutralisiert hat, babe ieh bisher nieht eingehender untersueht. Oxal- s~ure, an die man denken konnte, fand sich im ttarn nichr Es sei noeh hervor~ehoben, dab dieser stets sauer reagierte.

Uberbliekt man die Resultate dieser gersuche, so ergibt sich, dab in Best~ttigun~ frtiherer Tatsaehen selbst Gaben yon 45, 55 und 60 g Methylalkohol, die dam Hunde im Versuch I an drei Tagen hintereinander verabreicht wurden, nut eine unvollstanclige Narkose hervorriefen, yon der sieh das Tier bald erholte, als as keinen Methyl- alkohol mehr erhielt.

Kaninehen ffingen naeh mehrtKgiffen Gaben yon 8--10 g. racist naeh drei bis vier Tagen znffrunde, naehdem sie vorher noch ziem- lieh reiehtieh gefressen und kein Zeiehen einer Erkrankunff gezeigt batten. Charakteristiseh aber war bei diesen Tieren der Sektions- befund. Es land sich in allen drei Fallen eine eigenttimliehe, dem Bilde der ftitiden Bronchitis ahnliehe Veranderang der Lungen, bei der grebe Massen yon granlichgelbem Eiter in den Bronehiolen, Bron- ehien und im Lungengewebe sich vorfanden. Es mag hervorgehoben

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werden, dab kein Methylalkohol bei der Applikation in die Lungen gelangt war. Sonst wurden keine anderen Veriinderungen an den Tieren gefunden.

Was die Frage der bei dsr Methylalkoholvergiftung vsrkommen- den SehstSrungen 1) bis zur viilligen Erblindung anbelangt, so sind solche bei Tieren nicht beobaehtet worden. H a r n as k 2) vermutet, dab der Methylalkohol im Organismus mit ausgesprochener Vorliebe yon gewissen Teilsn des Zentralnervensystems, yon den nerv(isen Ele- menten der Retina, des Sehnervs und seiner Zsntren angezogen wird und hier sine langsame Oxydation zu Ameisensiiurs erfiihrt. In meinen Versuehen konnte an den Hundsn irgendeine SehstSrung nieht beobaehtet werden.

Die Annahme, dab es sich bei der Methylalkoholvergiftung nm eine Azidose handelt, kann nach den vorliegenden Versuehen be- sti~tigt werden.

1) Jul ius Hirschberg, Die Methylschuapsvergiftung. Berl. ophthalmo- log. Gesellschaft 25. I. 12. -- A. I~iihle, Tierexperimenteller Befund im Zen- tralnervensystem naeh l~Iethylalkoholvergiffung. Miinchn. reed. Wochenschr. 1912, ~Nr. 18.

2) E ric h t t a r n a c k, Die akute Erblindung durch Methylalkohol uad andere Gifte. Mtinch. med. Wochenschr. 1912, l~r. 36.