sozialpolitik und nachhaltigkeit

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Sozialpolitik und Nachhaltigkeit. Nikolaus Dimmel, Salzburg. Gliederung. 1. Sozialpolitik als soziale Sicherung Erwartungshaltungen, Funktionen, Multidimensionalität, Eingeschränkte Steuerbarkeit, Performance-Probleme, Strukturprobleme 2. Nachhaltige Politik sozialer Sicherung 6 Kriterien - PowerPoint PPT Presentation

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Sozialpolitik und Nachhaltigkeit

Nikolaus Dimmel, Salzburg

Gliederung

1. Sozialpolitik als soziale Sicherung– Erwartungshaltungen, Funktionen, Multidimensionalität,

Eingeschränkte Steuerbarkeit, Performance-Probleme, Strukturprobleme

2. Nachhaltige Politik sozialer Sicherung– 6 Kriterien– Policy Design (Outcome-Orientierung, Good Governance,

Ganzheitlichkeit, Systemisches Denken, Befähigungsprinzip, Lebenslaufsteuerung)

3. Qualitative Dimensionen der Nachhaltigkeit– Strukturqualität– Prozessqualität– Ergebnisqualität

4. Nachhaltigkeit als sozialpolitisches Projekt

1. Sozialpolitik als Soziale Sicherung

Sozialpolitik verstanden als „Politik der Sozialen Sicherung“ = drei Komponenten, nämlich a ) Sozialversicherung, b) Wohlfahrt/Fürsorge inkl. Pflege und c) Arbeitsmarktpolitik

Sozialversicherung – Typisierte, wiederkehrende Risiken, Anwartschaft, Äquivalenz

Wohlfahrtspolitik > bedarfsgeprüfte Leistungen– Bedarfsorientierte Mindestsicherung, Sozialhilfe (Soziale

Dienste), Behindertenhilfe, Jugendwohlfahrt, Pflegegeld

Arbeitsmarktpolitik– Leistungsverwaltung, Vermittlung, Förderungsverwaltung

a. Dominante Erwartungshaltungen

Sozialpolitik als dienende „Reparaturanstalt“ des Marktes und seiner Ergebnisse

Sozialpolitik als Zwang/Aktivierung/Befähigung zu marktkonformem Verhalten

Sozialpolitik als „Schaffung von Versorgungsklassen“ (Erwerbsarbeitszentrierung)

Sozialpolitik als Nivellierung von Ungleichheit Sozialpolitik als „Normalisierung“ der Lebensführung Sozialpolitik als „soziale Kontrolle“

b. 9 Funktionen der Sozialpolitik

1. Distributionsfunktion: Verteilung von (Sozial)Einkommen; Sozialquote; Transfers als nachfragefähiges Einkommen

2. Gewährleistungsfunktion: ohne Sozialpolitik keine funktionierende Marktökonomie = Marktorientierung

3. Stabilisierungsfunktion: Erwartungssicherheit; Berechenbarkeit gesellschaftlicher Prozesse, zB Demographie

4. Schutzfunktion: individueller Schutz vor sozialen Risiken, Verschleiß des Arbeitsvermögen

5. Beschäftigungssicherungsfunktion: Beschäftigungsfähigkeit [employability], Bildung und Qualifikation

6. Integrationsfunktion= Integration in Pflichtversicherun7. Inklusionsfunktion = materielle und soziokulturelle Teilhabe8. Modernisisierungsfunktion: Gestaltung sozialen Wandels9. Loyalitätsfunktion: Sicherung des sozialen Friedens

c. Multidimensionalität – Herausforderung d Sozialpolitik

Als Analogie zu den Bourdieu´schen Kapitalformen hängen miteinander zusammen:

– Ressourcen (Einkommen/Vermögen; Transfers)– Bildungsverhalten (Schulabschlüsse) + Ausbildung– Nutzungs- und Handlungskompetenzen– Wohnversorgung (Wohnfläche, Räume, Ausstattung) – Wohnumwelt (Infrastruktur, Verkehrsanbindung, Lärm9– Erwerbstätigkeit (Arbeitsbedingungen, Mobilität)– Freizeitverhalten (Freizeitaktivitäten; Urlaub; Rekreation)– Gesundheitsverhalten (Lebensweise; Ernährung;

Umgang mit Morbidität) – Attitüden (Take-Up/Non-Take-Up; Einstellungen)

d. Eingeschränkte Steuerbarkeit sozialer Probleme

Sozialpolitik kann nur bedingt beeinflussen: Strukturelle Gewalt

– Räumliche Segmentierungen (Segregation); Gentrification– Selektion von Bildungschancen (Reproduktion „bildungsferner“

Schichten/Milieus) Dynamik sozialer Ungleichheit

– Migration / Mobilität– „Learned Helplessness“– Praktiken eines Gemeinwesens/Milieus (demonstrative

Verschwendung, „Risk Taking“) Akteursentscheidungen

– Lebenspfadentscheidungen (Armut als „passagere“ Erfahrung)– Take-up / Non-Tale-Up (Arztbesuche von weibl.Muslimen)– Rechtskenntnis / Rechtsunkenntnis

e. „Performance“-Probleme sozialpolitischer Maßnahmen

Mitnahmeeffekte (Belohnung für Verhalten, das auch ohne Anreiz stattgefunden hätte )

Welfarization (Abhängigkeit von Leistungen) Spill-Over-Effekte (Übertragungseffekte; verdeckte

Umwegrentabilität) Externalisierungseffekte: Systeme „externalisieren“

ihre Kosten; AlVG (ALG/NH-Einkommensersatzrate) produziert die Probleme der Sozialhilfe

f. Strukturprobleme sozialpolitischer Maßnahmen

Föderale Struktur (Neun Sozialhilfe-, Behinderten- und JugendwohlfahrtsG)

Negative Zuständigkeitskonflikte (160.000 – 200.000 nicht krankenversicherte Personen)

Doppelgleisigkeiten in der Sozialberatung und –betreuung (etwa: multi-problem-families)

Principal-Agent-Problem: asymmetrische Informationsverteilung (= fehlende Transparenz der Sozialplanung) führt zu frustriertem Entwicklungsaufwand bei den Leistungserbringern

Mehrgleisigkeiten d Auftraggeber (Kommunen, Länder, AMS/ESF)

2. Nachhaltige Politik sozialer Sicherung (NPSS)

Nachhaltigkeit = Zustand eines sozialen Sicherungssystems, welches auf absehbare Zeit ohne grundsätzliche Veränderungen im Rahmen der gegebenen Umwelt stabil bleiben kann im Hinblick auf:– Finanzierung– Inanspruchnahme– Ordnung und Gestaltung sozialen Wandels– Problemlösungskapazität

a. 6 Kriterien der Nachhaltigkeit

NPSS versteht soziale Probleme als multidimensional [1]

NPSS vermeidet soziale Probleme (Prävention [2]) durch treffsichere Angebote

NPSS ist ein geplanter [3], ganzheitlicher [4] Prozess unter Einbindung aller Stakeholder (Leistungs- und Hilfesysteme)

NPSS ist an der Internalisierung von Folgekosten [5] und Vermeidung von Transaktionskosten [6] (Koordination der Leistungen) orientiert

b. Policy-Design nachhaltiger Sozialpolitik

Outcome- statt Output-Orientierung Good Governance - Orientierung = Strategische Planhaftigkeit

politischer Entscheidungen und der Vollziehung Ganzheitliche Orientierung (Coase-Theorem > keine

Externalisierung von Kosten zwischen den Sozial-„Töpfen“und Hilfeagenturen

Systemische Orientierung: Betroffene können nicht geplant und gesteuert sondern zur Selbständerung angestoßen werden (Co-Produktion); Responsivität

Befähigungs – Orientierung: „Enabling“ bedeutet, Veränderungspotentiale zu erschließen, Befähigen =(„Empowerment“)

Lebenslaufsteuerung: Referenzhorizont = Lebenslauf; von kontrollierender hin zu beratender Intervention

IST: Traditionelle Output-Orientierung

Rechtsgrundlagen geben Vollzugsaufgaben vor Sicherungsleistungen werden fall- und risikobezogen

gewährt Föderale Struktur gibt die Logik der Ämter und

Leistungen vor (B-VG Kompetenzverteilung) Methodische Fallbearbeitung basiert auf strikt

individualisierten Ansprüchen/Bedarfslagen Wirtschaftlichkeit der Sicherungsleistung wird nach

Durchschnittsannahmen (NH, AusglZulage, SH) Systeme arbeiten sequentiell oder parallel

SOLL: Outcome – Orientierung nachhaltiger sozialer Sicherung

Vollzugsaufgaben ergeben sich aus der lebensweltlichen Vernetzung von Problemen (Milieu; Alltagsstruktur)

Sicherungsleistungen werden in einer „life-course“-Perspektive (Lebenslaufsteuerung) gewährt

Sozialraum- und Gemeinwesenorientierung statt Rechtsgrundlagenorientierung

Methodische Fallbearbeitung basiert auf Haushaltsorientierung statt Individualorientierung

Leistungen „tailor-made“: Maßnahmen werden unter Bedachtnahme auf individualisierte Handlungsspielräume bemessen

Systeme arbeiten nach den Grundsätzen der Fallkonzentration (Fallkonferenzsystem) und Interdisziplinarität

Good Governance

Governance der Sozialpolitik als KONSISTENTES Steuerungs- und Regelungssystem

– einheitliche statistische Erfassungskriterien– kohärente Evaluation nach gleichförmigen Kriterien– „accountability“ der Verwaltung– Transparenz von Entscheidungen– Planungsgrundsatz

„Good Social Governance“ =„mainstreaming“ sozialpolitische relevanter Entscheidungen

– Raumordnung & Flächenwidmungsplan– Verkehr & Infrastruktur– Soziale Infrastruktur & Daseinsvorsorge

Ganzheitlichkeit

Ganzheitlichkeit heißt:– Alltags- und Lebensweltorientierung– Haushaltsorientierung– Bürgernähe– Stadteil- bzw. Sozialraumorientierung

Daraus folgt:– Keine Differenzierung zwischen Töpfen (alles „Sozialgeld“ ist das

Gleiche)– Schließung von Armutsfallen und Armutslücken – Sozialstaatliche Kostenstellenrechnung: die Wechselwirkungen

von Maßnahmen internalisieren (zB Strafverfolgung eines Missbrauchstäters bei gleichzeitiger familientherapeutischer Maßnahme)

Systemisches Denken

Systemisches Denken bedeutet: Individuen und Familien, die von sozialen Problemen betroffen

sind, können nicht „beplant“ und „top down gesteuert“ werden Dienstleistungen werden co-produziert (compliance); müssen

daher auch unter Einbindung der Betroffenen geplant und umgesetzt/erbracht werden

Soziale Sicherung erfordert „tentative“ (Versuch) und „responsive“ (Feedback) Formen des Eingriffs

– Zentrale Paradoxie: ein autoritärer Wohlfahrtsstaat führt zu Vermeidungs-, Verweigerungsverhalten und Welfarization-Effekten; repressive Arbeitsmarktpolitik steigert Anreize, in das „Prekariat“ oder informelle Arbeit überzuwechseln

Befähigungsprinzip

Deliberative Demokratie bedarf eines befähigenden Sozialstaates [Neil Gilbert´s „Enabling State“]

2 Komponenten: individuelle Befähigung und Bemächtigung

„Befähigung“ meint Überwindung von erlernter Hilflosigkeit; Befähigung zur Selbstorganisation; Hilfe zur Selbsthilfe; autonome Lebensführung als individueller Lernprozess

„Bemächtigung“ (Empowerment) = Fähigkeit zur Interessendurchsetzung; nicht Subordination, sondern „Diskurs auf Augenhöhe“ zwischen Verwaltung und risikobetroffener Person; Steigerung der Konfliktfähigkeit

Lebenslaufsteuerung

Was impliziert Lebenslaufsteuerung ? Denken in sozialstaatlich eingebetteten Biographien, in virtuellen

Sozialtransfer- und Lebensarbeitszeitkonten Im Zentrum steht nicht „Beschäftigungsfähigkeit“ („job readiness“),

sondern Lebensqualitätsorientierung (Qualität der Arbeit; Existenzsicherung durch Erwerbseinkommen; Erwerb zukunftsfähiger Qualifikationen; Zeitökonomie)

Sozialmanagement als „tool“/Instrument:– Case Management: quer zu bestehenden Grenzen von Einrichtungen,

Dienstleistungen, Ämtern und Zuständigkeiten wird geplant, implementiert, koordiniert, überwacht und evaluiert

– Social Coaching = zukunftsorientiert, zielorientiert und stellt auf Eigenverantwortung des Klienten ab;

– Social Counselling = psychotherapeutisch/sozialpädagogisch orientierte Problemlösung

Sozialstaatliche Normalisierung von Lebensläufen bedeutet nicht Homogenisierung, sondern Absicherung von Pluralität

3. Qualitative Dimensionen Nachhaltigkeit

Strukturqualität = Passgenauigkeit, Erreichbarkeit

Prozessqualität = Rechtzeitigkeit, Hilfeplan, Dauer

Ergebnisqualität = Zielerreichung, Wirksamkeit

Personalqualität = Humankapital

a. Nachhaltigkeit in der Strukturqualität (Passgenauigkeit)

Lebensweltliche Nähe von Angeboten und Einrichtungen

– Z.B. keine Internats- oder Segregationslösungen für die extramurale Psychiatrie

„One Desk Management“ (One Shop Stopp“)– Verfahrenskonzentration; ein Ansprechpartner

(Behindertenhilfe)– Vernetzung, Verflechtung der Hilfesysteme (auf Ebene der

BVB) Clearing und Fallführung

– Clearing und Fallführung mit Zuständigkeitsverteilungen zwischen den Hilfesystemen

– Maßnahmen-/Hilfeplan und Fallkonferenz

b. Nachhaltigkeit in der Prozessqualität (Rechtzeitigkeit)

Prävention: aufsuchende Sozialarbeit– Amtswegige Leistung/Hilfe/Maßnahmen

Niedrigschwelligkeit– Anonymität– Geringer Formalisierungsgrad

Persönliche Hilfe – Sozialberatung und –betreuung) vor (nicht: statt !) Geld- und

Sachleistung Manuduktion

– Antizipation künftiger Problemlagen– Beratungsleistung

„Voicing“ = Gehörtwerden (deliberative Dimension) Partizipation (= Mitentscheidung, etwa bei Hilfeplänen oder

Fallkonferenzen)

Nachhaltigkeit in der Ergebnisqualität (Wirksamkeit)

Adaptierung der Balanced Score Card als Instrument der Bewertung der Lebenslaufsteuerung (Kosten/Aufwand; Dauer/Prozess; Akzeptanz/Zufriedenheit; Erschließung individueller Potentiale)

Empowerment messbar gestalten– Bemächtigung (soziale und verbale Kompetenz) – Befähigung zur Erkennung – Überwindung von Problemlagen (Verantwortung)

Nachsorgedimension– Sekundär- und Tertiärprävention; Vermeidung des

Wiederauflebens eines Problems (etwa: Schulden)– Monitoring von Personen/Familien

4. Nachhaltigkeit als sozialpolitisches Projekt

Unterschiedliche Anforderungen/Logiken der „Nachhaltigkeit“ in den Bereichen:– PV – AMP– Wohlfahrt/Existenzsicherung

Nachhaltige Pensionsfinanzierung

Demografieresistenz“ der PV (Generationengerechtigkeit) Internalisierung demographischer Verschiebungen

– Bevölkerungsentwicklung + Erwerbspersonenpotential Bewältigung struktureller Herausforderungen

– Ausbau einer eigenständigen Alterssicherung für Frauen– Familien-/Erziehungsarbeit als gesellschaftliche

Reproduktionsarbeit in der Pensionsversicherung abbilden– Absicherung unsteter bzw. atypischer Erwerbs- und

Einkommensverläufe in der PV– Steuerfinanzierte Mindestsicherung in der PV

Sicherstellung der Finanzierbarkeit– Anpassung der Beitragsgrundlagen an den Strukturwandel der

Wertschöpfung (Wertschöpfungsabgabe)

Nachhaltige Arbeitsmarktpolitik

Gegenbild: „Work First“ = Programm zur Steigerung der Anzahl der Working Poor

4 „Flexicurity“-Tools: Aktivierung + Qualifikation + Mindestlohn + bedarfsorientierte Mindestsicherung

Differenzierung von 3 Arbeitsmärkten

Nachhaltige Wohlfahrtspolitik

>> Existierende Beispiele: In politischen Programmen

– Z.B. Mainstreaming von Employment, Health Care, Pensions & Social Inclusion in der Sozialpolitik der EU

– Konzentrationsprinzip in der Behindertenhilfe In der Verwaltung

– Z.B. Fallkonferenzen in der Jugendwohlfahrt In freien Wohlfahrtsträgern

– Z.B. in Wohnverbundlösungen bei älteren, betreuungs- und pflegebedürftigen Personen

– Sozialberatung – „Clearing und Anamnese“ etwa im Innsbrucker DOWAS

Reformperspektiven

Existenzsicherung auf Bundesebene (BMS) Sozialhilfe als persönliche Einzelfallhilfe

(case management, coaching, counselling) One Shop Stopp auf Regelungsebene >BVB Steuerungsebene/Adressaten: Haushalt Messgröße: Wirksamkeit / Outcome Kennziffern: BSC-Logik Standards: bundesweit einheitlich Regelungshorizont: Biographie

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