die perkutane nadelaponeurotomie der dupuytren-kontraktur

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Operative Techniken Oper Orthop Traumatol 2016 · 28:12–19 DOI 10.1007/s00064-015-0417-5 Eingegangen: 29. August 2014 Überarbeitet: 19. Januar 2015 Angenommen: 7. Juni 2015 Online publiziert: 25. August 2015 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015 Redaktion M. Langer, Münster Zeichner R. Himmelhan, Mannheim C. K. Spies 1 · L. P. Müller 2 · E. Skouras 2 · D. Bassemir 1 · P. Hahn 1 · F. Unglaub 1,3 1 Abteilung für Handchirurgie, Vulpius Klinik, Bad Rappenau, Deutschland 2 Klinik und Poliklinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, Universitätsklinikum Köln, Köln, Deutschland 3 Medizinische Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg, Mannheim, Deutschland Die perkutane Nadelaponeurotomie der Dupuytren-Kontraktur Vorbemerkungen Verschiedene Operationstechniken für die Dupuytren-Kontraktur sind be- schrieben worden. In jüngster Ver- gangenheit wird die perkutane Nadel- aponeurotomie (Synonym für Nadel- fasziotomie) wieder zunehmend auf- grund schneller Rekonvaleszenz an- gewandt [13]. Dieses Verfahren kann allerdings nur bei bestimmten Ausprä- gungen durchgeführt werden [2]. Die Technik wurde in Grundzügen bereits Ende des 18. Jahrhunderts von Henry Cline in England beschrieben. Es wur- den dafür lange, schmale Messer genutzt [1, 2, 4, 12]. Vordergründig mag die- se Technik simpel erscheinen, aber die fundierte Kenntnis der anatomischen Strukturen und der verursachenden pa- thologischen Veränderungen ist absolute Voraussetzung zur sicheren Anwendung. Der Operateur sollte sehr erfahren in der Chirurgie der Dupuytren-Kontrak- tur sein und sämtliche Techniken zur fachgerechten Behandlung von Kompli- kationen (Nervennaht, Mikrogefäßnaht, Sehnennaht etc.) sicher beherrschen [4, 7, 8]. Operationsprinzip und -ziel Perkutane Durchtrennung des zur Kontraktur führenden Palmarapo- neurosenstrangs mit einer Kanüle, die als Mikroskalpell eingesetzt wird. Vorteile 4 Einfache und schnelle Technik 4 Verfahren mehrmals anwendbar 4 Verhindert keine weiterführenden offenen Operationsverfahren 4 Niedrige Komplikationsrate im Vergleich zu offenen Verfahren 4 Kurze postoperative Erholungsphase 4 Verfahren in Lokalanästhesie durch- führbar 4 Operation im ambulanten Umfeld möglich 4 Ökonomisch effizient 4 Geringe Materialkosten 4 Operationsverfahren prinzipiell unter Antikoagulation möglich Nachteile 4 Erhöhte Rezidivrate im Vergleich zu offenen Techniken (vor allem Tubiana Stadien III und IV) 4 Keine Möglichkeit der plastischen Deckung bei Hautdefekten 4 Keine Möglichkeit zur Arthrolyse 4 „Blindes Verfahren“: Keine Darstel- lung neurovaskulärer bzw. tendinöser Strukturen Indikationen 4 Singulärer, palpabler Fibrosestrang in der Hohlhand 4 Stranglokalisation direkt subkutan in der Hohlhand proximal der distalen Hohlhandbeugefurche 4 Adäquate und suffiziente Hautver- hältnisse über dem Strang 4 Positiver „Table-Top“-Test: Handflä- che kann nicht mehr komplett auf eine plane Fläche aufgelegt werden [5] 4 Tubiana Stadien III und IV: Re- duktion der Kontraktur bzw. als vorbereitende Maßnahme für eine Aponeurektomie Kontraindikationen 4 Multiple, infiltrierende Stränge 4 Breitbasiger Strang 4 Ausschließliche Stranglokalisation am Finger 4 Hautinfektion 4 Rezidiv nach Aponeurektomie 4 Fehlende Mitarbeit des Patienten 4 Vorbestehende Digitalnervenläsion Patientenaufklärung 4 Ätiologie des Morbus Dupuytren: multifaktorielle Genese, Rezidivhäu- figkeit 4 Alternative Behandlungsmetho- den: keine operative Intervention, Spontanverlauf, regionale Apo- neurektomie, Dermatofasziotomie, Kollagenasen 4 Strang wird nicht entfernt, lediglich durchtrennt 4 Gefäßverletzungen, Durchblutungs- störung 4 Nervenverletzungen 4 Beugesehnenverletzungen 4 Infektionen 4 Hauteinrisse mit sekundärer Wund- heilung 12 Operative Orthopädie und Traumatologie 1 · 2016

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Page 1: Die perkutane Nadelaponeurotomie der Dupuytren-Kontraktur

Operative Techniken

Oper Orthop Traumatol 2016 · 28:12–19DOI 10.1007/s00064-015-0417-5Eingegangen: 29. August 2014Überarbeitet: 19. Januar 2015Angenommen: 7. Juni 2015Online publiziert: 25. August 2015© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015

RedaktionM. Langer, MünsterZeichnerR. Himmelhan, Mannheim

C. K. Spies1 · L. P. Müller2 · E. Skouras2 · D. Bassemir1 · P. Hahn1 · F. Unglaub1,3

1 Abteilung für Handchirurgie, Vulpius Klinik, Bad Rappenau, Deutschland2 Klinik und Poliklinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, UniversitätsklinikumKöln, Köln, Deutschland3Medizinische Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg, Mannheim, Deutschland

Die perkutaneNadelaponeurotomie derDupuytren-Kontraktur

Vorbemerkungen

Verschiedene Operationstechniken fürdie Dupuytren-Kontraktur sind be-schrieben worden. In jüngster Ver-gangenheit wird die perkutane Nadel-aponeurotomie (Synonym für Nadel-fasziotomie) wieder zunehmend auf-grund schneller Rekonvaleszenz an-gewandt [13]. Dieses Verfahren kannallerdings nur bei bestimmten Ausprä-gungen durchgeführt werden [2]. DieTechnik wurde in Grundzügen bereitsEnde des 18. Jahrhunderts von HenryCline in England beschrieben. Es wur-den dafür lange, schmaleMesser genutzt[1, 2, 4, 12]. Vordergründig mag die-se Technik simpel erscheinen, aber diefundierte Kenntnis der anatomischenStrukturen und der verursachenden pa-thologischen Veränderungen ist absoluteVoraussetzung zur sicherenAnwendung.Der Operateur sollte sehr erfahren inder Chirurgie der Dupuytren-Kontrak-tur sein und sämtliche Techniken zurfachgerechten Behandlung von Kompli-kationen (Nervennaht, Mikrogefäßnaht,Sehnennaht etc.) sicher beherrschen [4,7, 8].

Operationsprinzip und -ziel

Perkutane Durchtrennung des zurKontraktur führenden Palmarapo-neurosenstrangs mit einer Kanüle,die als Mikroskalpell eingesetzt wird.

Vorteile

4 Einfache und schnelle Technik4 Verfahren mehrmals anwendbar4 Verhindert keine weiterführenden

offenen Operationsverfahren4 Niedrige Komplikationsrate im

Vergleich zu offenen Verfahren4 Kurze postoperative Erholungsphase4 Verfahren in Lokalanästhesie durch-

führbar4 Operation im ambulanten Umfeld

möglich4 Ökonomisch effizient4 Geringe Materialkosten4 Operationsverfahren prinzipiell unter

Antikoagulation möglich

Nachteile

4 Erhöhte Rezidivrate im Vergleichzu offenen Techniken (vor allemTubiana Stadien III und IV)

4 Keine Möglichkeit der plastischenDeckung bei Hautdefekten

4 Keine Möglichkeit zur Arthrolyse4 „Blindes Verfahren“: Keine Darstel-

lung neurovaskulärer bzw. tendinöserStrukturen

Indikationen

4 Singulärer, palpabler Fibrosestrang inder Hohlhand

4 Stranglokalisation direkt subkutan inder Hohlhand proximal der distalenHohlhandbeugefurche

4 Adäquate und suffiziente Hautver-hältnisse über dem Strang

4 Positiver „Table-Top“-Test: Handflä-che kann nicht mehr komplett aufeine plane Fläche aufgelegt werden[5]

4 Tubiana Stadien III und IV: Re-duktion der Kontraktur bzw. alsvorbereitende Maßnahme für eineAponeurektomie

Kontraindikationen

4 Multiple, infiltrierende Stränge4 Breitbasiger Strang4 Ausschließliche Stranglokalisation

am Finger4 Hautinfektion4 Rezidiv nach Aponeurektomie4 Fehlende Mitarbeit des Patienten4 Vorbestehende Digitalnervenläsion

Patientenaufklärung

4 Ätiologie des Morbus Dupuytren:multifaktorielle Genese, Rezidivhäu-figkeit

4 Alternative Behandlungsmetho-den: keine operative Intervention,Spontanverlauf, regionale Apo-neurektomie, Dermatofasziotomie,Kollagenasen

4 Strang wird nicht entfernt, lediglichdurchtrennt

4 Gefäßverletzungen, Durchblutungs-störung

4 Nervenverletzungen4 Beugesehnenverletzungen4 Infektionen4 Hauteinrisse mit sekundärer Wund-

heilung

12 Operative Orthopädie und Traumatologie 1 · 2016

Page 2: Die perkutane Nadelaponeurotomie der Dupuytren-Kontraktur

Zusammenfassung · Abstract

Oper Orthop Traumatol 2016 · 28:12–19 DOI 10.1007/s00064-015-0417-5© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015

C. K. Spies · L. P. Müller · E. Skouras · D. Bassemir · P. Hahn · F. Unglaub

Die perkutane Nadelaponeurotomie der Dupuytren-Kontraktur

ZusammenfassungOperationsziel. Perkutane Durchtrennungdes zur Kontraktur führenden Palmarapo-neurosenstrangs mit einer Kanüle, die alsMikroskalpell eingesetzt wird.Indikationen. Symptomatische Beugekon-traktur mit positivem „Table Top“-Test durcheinen singulären, gut tastbaren Strang in derHohlhand bei reizlosen Hautverhältnissen(insbesondere Tubiana Stadien I und II).Kontraindikationen.Multiple, infiltrierendebzw. breitbasige Stränge in der Hohlhand;kompromittierte Hautverhältnisse; ausschließ-liche Stranglokalisation am Finger; Rezidivenach Aponeurektomie; Voroperationen;Digitalnervenläsionen; fehlende Mitarbeit desPatienten.Operationstechnik. Es werden in derHohlhand von distal nach proximal Lokal-

anästhetikadepots von 0,1 ml über demStrang gesetzt. Die distalste Injektion erfolgtproximal der distalen Hohlhandbeugefurche.Danach wird eine Kanüle senkrecht in denStrang vorgeschoben und mit fächerförmigenBewegungen wird der Strang durch denLanzett-Schnitt der Kanüle durchtrennt.Währenddessen sollte der betroffene Fingerdurch den Operateur passiv gestreckt werden,damit der Strang maximal unter Spannunggebracht werden kann. Dadurch kann diesermit der Kanülenspitze gut getastet unddurchtrennt werden. Die Rückmeldung desPatienten über Schmerzen und die aktiveBeugung des Fingers reduziert das Risikovon Verletzungen neurovaskulärer bzw.tendinöser Strukturen. Die Stichelungenwerden von distal nach proximal mit jeweils

zuvor platzierter lokaler Betäubung imAbstand von 5 mm zueinander durchgeführt.Abschließend erfolgt die dosierte passiveStreckung durch den Operateur.Weiterbehandlung. Postoperativ Pflasterver-band; Quengelschiene für 3–6 Monate zurNacht.Ergebnisse. Es zeigte sich eine Rezidivrate von53% bei 15 retrospektiv nachuntersuchtenPatienten durchschnittlich 40 Monatepostoperativ.

SchlüsselwörterAponeurotomie · Fasziotomie · Kon-traktur · Morbus Dupuytren · PerkutaneNadelaponeurotomie

Percutaneous needle aponeurotomy for Dupuytren’s disease

AbstractObjective. Percutaneous transverse aponeu-rotomy of the cord by using a hypodermicneedle as a scalpel blade in order to improvefunction of the hand.Indications. Symptomatic flexion contracturewith positive table top test caused by a single,palpable cord within the palm (primarilyTubiana stages I and II).Contraindications.Multiple, infiltratingor broad-based cords within the palm;irritated skin conditions; exclusive digital cordlocalization; recurrence after aponeurectomy;previous surgical intervention at the site ofinterest, digital nerve lesions; lack of patientcompliance.Surgical technique. Pinpoint surfaceanesthesia is obtained by injecting each

portal area subdermally with 0.1 ml of localanesthetic. These applications start fromdistally to proximally within the palm whilethe most distal injection site is locatedproximal to the distal palm crease. Then theneedle tip is introduced perpendicular to thecord. Sawing movements through the cordare performed transversely. While passivelyextending the contracted finger, the cord isheld under tension which guarantees safecutting. Patients are encouraged to reportimmediate pain sensation or numbness inorder to prevent injuries to neurovascularstructures and active finger flexion excludestendon lesions during the procedure.Introducing the needle tip may be performedat several sites along the cord, if necessary,

from distal to proximal at least 5 mm apartwith prior pinpoint surface anesthesia. Finally,cautious passive stretchingmay be done aftereach release.Postoperative management. Bandagingallowing immediatemotion; application of ahand-based extension splint-glove during thenight for 3–6 months.Results. Recurrence rate was 53% in15 retrospectively examined patients after amean interval of 40 months postoperatively.

KeywordsAponeurotomy · Contracture · Dupuytren’sdisease · Fasziotomy · Percutaneous needleaponeurotomy

4 Wiederauftreten der Kontraktur mitFolgeoperationen

4 Fingerverlust4 Nekrose4 Komplex regionales Schmerzsyn-

drom (CRPS)4 Residuelle Kontraktur mit einge-

schränkter Funktion und Ästhetik4 Nachbehandlungsregime, ggf. Quen-

gelschiene4 Sonstige allgemeine Operationsrisi-

ken

Operationsvorbereitungen

4 Desinfektion4 Sterile Abdeckung und Handschuhe,

Mundschutz und Haube4 Spritze mit 30-Gauge-Nadel zur

Applikation des Lokalanästhetikums4 Fakultativ hochauflösende (18 MHz)

Sonographie zur Lokalisation derneurovaskulären Strukturen [11].

Instrumentarium

4 18-, 20- oder 21-Gauge-Kanüle fürdie Aponeurotomie

Anästhesie und Lagerung

4 Rückenlage4 Auslagerung des Arms auf einem

Armtisch4 Lokalanästhesie subdermal im Be-

reich der Aponeurotomie

Operative Orthopädie und Traumatologie 1 · 2016 13

Page 3: Die perkutane Nadelaponeurotomie der Dupuytren-Kontraktur

Operative Techniken

Operationstechnik

(. Abb. 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10)

Abb. 18 Es zeigt sich ein singulärer, gut pal-pabler Fibrosestrang, der über das Kleinfinger-grundgelenk verläuft. Es besteht eine Kontrak-tur imMetakarpophalangealgelenk von annä-hernd90°.Das Fingermittelgelenk ist nochkom-plett streckfähig. Reizlose Hautverhältnisse sindeine Grundvoraussetzung für das Verfahren. Fürdie Kanüleneintrittsarealemuss der Strang sehrgut perkutan palpabel sein undgeradlinig ver-laufen. Die Haut sollte weich über der Zielstruk-tursein.MeistensistdieHautfestmitdemStrangverwachsen.Diesweist inderRegel aufdendor-salen Verlauf neurovaskulärer Strukturen hin.Allerdings erhöht sich dieWahrscheinlichkeitvonHauteinrissen beimAuflösen der Kontrak-turen. Die Aponeurotomie sollte ausschließlichin der Hohlhanddurchgeführt werden, da dieneurovaskulären Strukturen in der Regel dor-sal des Strangs verlaufen.Werdenmehrere Na-deleintrittsareale benötigt, dann sollten diesemindestens 5mmauseinander liegen. DieserAbstand reduziert dieWahrscheinlichkeit einesgrößerenHauteinrisses

Strang

Strang

Injektion desLokalanästhetikums

Abb. 28Nach sterilemAbwaschen undAbdeckenerfolgt die Injektion des Lokalanästhetikums sub-dermal. Dies sollte vorsichtig durchgeführt werden, um eine versehentliche Verletzung der neurovas-kulären Strukturen zu vermeiden. Es ist darauf zu achten, kleineumschriebeneLokalanästhetikumde-pots von0,1ml,beginnendproximalderdistalenHohlhandbeugefurchenachproximal überdempal-pablen Strangmit einer 30-Gauge-Kanüle zu setzen. Die Applikation des Lokalanästhetikums erfolgtin jedem Fall einzeln unddirekt vor der Aponeurotomie.Muss die Kanüle anmehreren Stellen in denStrangeingeführtwerden,dannwirddasLokalanästhetikumdepot jeweilsdortdirektvorherplatziert.Dadurch erhältman die Leitfähigkeit desNervens zur Kontrolle der richtigenKanülenplatzierung. BeiTaubheit bzw. elektrisierenden Sensationenmuss die Kanüle neuplatziertwerden. Bei versehentlichzu tiefer Applikation der Kanülenspitze können intratendinöse Lokalisationen durch ein synchronesMitbewegen der Kanüle bei aktiver Beugungdes Fingers festgestellt werden

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Page 4: Die perkutane Nadelaponeurotomie der Dupuytren-Kontraktur

Abb. 38Die Aponeurotomie erfolgt transversalmit dem Lanzett-Schnittder Kanüle. Der Kanülenhals wird fest zwischenDaumenundMittelfingergeführt, währendder Zeigefinger auf demAdapter ruht undden präzisenVorschub gewährleistet. Der Vorschub ist derart zu forcieren, dass der Ge-webewiderstand der Dermis gutmit der Kanülenspitze zu fühlen ist. Sub-dermal fällt derWiderstand ab,während er sich beimEintritt in den Strangwieder aufbaut. Die Kanülenspitze besteht aus zwei schneidenden Kanten.DerOperateurmuss sich immer dieser Klingenorientierung imGewebe ver-gewissern. Hierzuwird die Kanüle zunächst senkrecht über demdirekt sub-kutan, gut tastbaren undgeradlinigen Strang in der Hohlhandpositioniert.Das Integument über diesemArealmuss reizlos sein. Der Strangmuss sichmit zunehmender Fingerstreckung anspannen unddirekt unter der Hautliegen. Eintrittspforten über Knoten undHautaufwerfungen (s..Abb. 4)sindzumeiden.Es ist äußerstwichtig,denPatienten imVorfeldüberdasVer-fahren genau zu unterrichten. Um versehentliche Verletzungen der neuro-vaskulären Strukturen zu vermeiden, sollte der Patient elektrisierende Sen-sationen sofort demOperateurmitteilen

Abb. 48Hautaufwerfungensolltenvermiedenwerden, da die darunter liegende Hautschichtals innervierte Struktur Schmerzen verursachenkann. Dies kann imHinblick auf die neurovasku-lären Strukturen fehlgedeutetwerden [3]

Operative Orthopädie und Traumatologie 1 · 2016 15

Page 5: Die perkutane Nadelaponeurotomie der Dupuytren-Kontraktur

Operative Techniken

Quaddeln vonder Applikation desLokalanästhetikums

Abb. 58ManchmalmussderStrangaufgrundunvollständiger initialerPer-foration anmehreren Stellen durchtrenntwerden. Dabei ist unbedingt dar-auf zuachten,dassderStrangweiterunterSpannunggehaltenundeinMin-destabstand von 5mmzwischen den Eintrittspforten respektiertwird, umdas Risiko neurovaskulärer Läsionen undHauteinrisse zu reduzieren.Wäh-rendder Aponeurotomiewird der betreffende Finger stetig unter Traktiongesetzt, umdas Durchschneiden des Strangsmit demLanzett-Schnitt derKanülenspitze zu ermöglichen undmöglichst die neurovaskulären Struktu-ren zu distanzieren. Es sollte nicht an der Fingerkuppegezogenwerden, umdie Beugesehnen nicht unnötig unter Spannung zu setzen. Beugefurchenals Eintrittsarealemüssenwegen des erhöhten Risikos vonHauteinrissenstrikt vermiedenwerden. Das Areal distal der distalenHohlhandbeugefur-che sollte wegen dermöglicherweise vorhandenen sog. Spiralnerven („spi-ral nerves“) undder Arterien, die in diesemBereich palmar über den Strangverlaufen können, ebenso vermiedenwerden

Abb. 68Die Aponeurotomien sollten immer auf der konvexen Seite derHautaufwerfungen erfolgen, dadurch kann sich die Hautwieder entfalten.Hautblässe über dem Strang zeigt eine entsprechendeVorspannungdesInteguments an. Bei suffizienter Durchtrennungdes Strangs erstreckt sichdie Blässe über demAreal der Aponeurotomie

16 Operative Orthopädie und Traumatologie 1 · 2016

Page 6: Die perkutane Nadelaponeurotomie der Dupuytren-Kontraktur

Abb. 78Das Eindringen der Kanülenspitze in den Strang kündigt sich ein-deutigdurcheineWiderstandserhöhungan.DasDurchtrennen ist inderRe-gel akustisch auffallend. Eswerdenwiederholt stichelnde Bewegungen aufHöhedesStrangsdurchgeführt,ohnedieKanülenspitzeausderHautzu füh-ren. Eine intratendinöse Kanülenlage lässt sich durch synchronesMitbewe-genbei aktiver Fingerbeugungnachweisen.Diesbezüglich sollte imZweifelder Patient aufgefordert werden, den Finger zu beugen. Auch Schmerzenkönnen eine intratendinöse Lage ankündigen, da die Sehnenscheide unddie Oberfläche der Beugesehnen innerviert sind

Abb. 88Die Kanüle kann aus der senkrechten Position bei sicherer Plat-zierung im Strang fächerförmig bewegtwerden. Dadurch kann der Strangkomplett transversal durchtrenntwerden. InsbesonderewährenddieserfächerförmigenManövermuss auf elektrisierende Schmerzsensationenge-achtet werden

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Page 7: Die perkutane Nadelaponeurotomie der Dupuytren-Kontraktur

Operative Techniken

Abb. 98 Im Anschluss erfolgt diemanuelle Aufdehnungbzw. das Durch-brechennoch intakter Strangfasernmit dosierter Kraftanwendung. Es sollteimmermit „kurzemHebel“, d.h. Kraftapplikation an der Grundphalanx beiKontrakturendesFingergrundgelenksgearbeitetwerden.Dies solltemitäu-ßerster Vorsicht erfolgen, da iatrogene Frakturen oder Gelenkverletzungenverursachtwerdenkönnen. InderRegel reißtderStrangakustischvergleich-barmitdemGeräuscheinesbrechendenAsts.AbschließenderfolgtdieKon-trolle der Rekapillarisierung des Fingers. Eine Überprüfung der Sensibilitätkann unter Umständen durch die Lokalanästhesie erschwert sein

Abb. 108Abschließend zeigt sich eine vollständige Streckung des Klein-fingersmitminimaler Integumentverletzung

Postoperative Behandlung

4 Pflasterverband4 Anpassung eines Konfektionshand-

schuhs mit entsprechender Finger-quengelschiene am Operationstag,welche für 3–6 Monate zur Nachtgetragen werden sollte

4 Sofortiger aktiver Einsatz der Handmit Belastungsaufbau

Fehler, Gefahren, Komplika-tionen

4 Einrisse der Haut: Sekundäre Wund-heilung abwarten, adaptierter Belas-tungsaufbau

4 Parästhesien4 Beugesehnenverletzungen: Sehnen-

rekonstruktion4 Strukturelle Nervenläsionen: Ner-

venrekonstruktion4 Arterienläsionen: Arterienrekon-

struktion4 Frakturen: Osteosynthese4 Gelenkverletzungen: Rekonstruktion

des Kapsel-Band-Apparats4 Hämatom: In Abhängigkeit der

Hämatomausdehnung operativeRevision

4 Infektionen: Stadiengerechte hand-chirurgischeTherapie

4 Wundheilungsstörungen: Stadienge-rechte handchirurgischeTherapie

4 Komplexes regionales Schmerz-syndrom (CRPS): MultimodaleSchmerz- und Ergotherapie

Ergebnisse

Es erfolgte eine retrospektive Unter-suchung an 15 Patienten mit einemMindestnachuntersuchungsintervall von24Monate (s.. Tab. 1).Diese Studiewur-devonderzuständigenEthikkommissiongenehmigt.

Ein Rezidiv wurde gemäß der De-finition nach van Rijssen et al. beur-teilt. Zunahme der Beugekontrakturenim Vergleich zum direkten postoperati-ven Befund von mindestens 30°, die sich

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Page 8: Die perkutane Nadelaponeurotomie der Dupuytren-Kontraktur

Tab. 1 Demographie

Patienten 15

Alter (Jahre) Ø 71,4 (53–85)

Händigkeit (rechtshändig = r; linkshändig = l) r: 14; l: 1

Morbus Dupuytren (beidseits = b; einseitig = e) b: 11; e: 4

Operierte Finger D4 r: 3; D4 l: 4; D5 r: 4; D5 l: 4

Tubiana-Stadium I: 6; II: 6; III: 1; IV: 2

Nachuntersuchungsintervall (Monate) Ø 40 (26–54)

Die Einteilung nach Tubiana wurde für die Beurteilung der Ausprägung der Kontraktur ambehandelten Finger herangezogen (s.. Tab. 2) [10]

Tab. 2 Einteilung der Ausprägung nach Tubiana

Stadium Beugekontraktur

Stadium 0/N Knotenformation ohne Beugekontraktur

Stadium I Summe der Beugekontrakturen der Gelenke (MCP + PIP + DIP) < 45°

Stadium II Summe der Beugekontrakturen der Gelenke (MCP + PIP + DIP) 45°–90°

Stadium III Summe der Beugekontrakturen der Gelenke (MCP + PIP + DIP) 90°–135°

Stadium IV Summe der Beugekontrakturen der Gelenke (MCP + PIP + DIP) > 135°

aus der Summe der EinzelkontrakturenderFingergrund-, Fingermittel- undFin-gerendgelenke ergeben [12]. Zwei Pati-enten beklagten präoperativ Schmerzenüber dem zu behandelnden Strang. ZumZeitpunkt der Nachuntersuchung wur-de von keinerlei Schmerzen berichtet. Estraten keine Komplikationen postopera-tivauf.DiepostoperativeRekonvaleszenzwarmit denpostoperativenHeilungsver-läufen nach Kollagenaseinjektionen ver-gleichbar [14]. ZumZeitpunkt derNach-untersuchung zeigten 8 Patienten (53 %)ein Rezidiv. Das kürzeste Nachuntersu-chungsintervall eines Patienten mit Re-zidiv war 26 Monate, das längste 53 Mo-nate. Die Häufigkeit der Rezidive ist ver-gleichbar mit den Untersuchungsergeb-nissen vonPess et al.mit 28%, Toppi et al.mit 30% und van Rijssen et al. mit 65%,die alle ein vergleichbares Nachuntersu-chungsintervall hatten [6, 9, 12].

Korrespondenzadresse

Dr. C. K. SpiesAbteilung für Handchirurgie, Vulpius KlinikVulpiusstraße 29, 74906 Bad Rappenau,[email protected]

Danksagung. Wir danken der Albert-J.B.-Sturm-Stiftung für die finanzielle Unterstützung zurRealisierung der Nachuntersuchung.

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt. C.K. Spies, L.P.Müller, E. Skouras,D. Bassemir, P. HahnundF. Unglaubgeben an, dasskein Interessenkonflikt besteht.

Alle beschriebenenUntersuchungen amMenschenwurdenmit Zustimmungder zuständigen Ethikkom-mission, imEinklangmit nationalemRecht sowiegemäßderDeklaration vonHelsinki von 1975 (in deraktuellen, überarbeiteten Fassung) durchgeführt. Vonallen beteiligten liegt eine Einverständniserklärungvor.

Alle Patienten, die über Bildmaterial oder anderwei-tigeAngaben innerhalbdesManuskripts zu identifi-zieren sind, habenhierzu ihre schriftliche Einwilligunggegeben.

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13. van Rijssen AL, ter Linden H, Werker PMN(2012) Five-year results of a randomized clini-cal trial on treatment in Dupuytren’s disease:percutaneous needle fasciotomy versus limitedfasciectomy. Plast Reconstr Surg 129(2):469–477.doi:10.1097/PRS.0b013e31823aea95

14. Vollbach FH, Walle L, Fansa H (2013) Morbus Du-puytren–PatientenzufriedenheitundfunktionelleErgebnisse ein Jahr nach partieller Aponeurek-tomie und Injektion von Kollagenase. HandchirMikrochir Plast Chir 45(5):258–264. doi:10.1055/s-0033-1351329

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