schlussbericht der unfalluntersuchungsstelle bahnen und

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Unfalluntersuchungsstelle Bahnen und Schiffe UUS Service d’enquête sur les accidents des transports publics SEA Servizio d’inchiesta sugli infortuni die trasporti pubblici SII Erwin Drabek Monbijoustrasse 51A 3003 Bern Mobile +41 79 223 10 83 Fax +41 31 323 00 76 [email protected] www.uus.admin.ch Erwin Drabek 08. Januar 2009 Reg. Nr.: 07100701 Schlussbericht der Unfalluntersuchungsstelle Bahnen und Schiffe über die Explosion des Haupttransformators des BLS-Nahverkehrpendelzugs NINA 025 vom Sonntag 07.10.2007 in Wichtrach

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Page 1: Schlussbericht der Unfalluntersuchungsstelle Bahnen und

Unfalluntersuchungsstelle Bahnen und Schiffe UUS Service d’enquête sur les accidents des transports publics SEA Servizio d’inchiesta sugli infortuni die trasporti pubblici SII

Erwin Drabek Monbijoustrasse 51A 3003 Bern Mobile +41 79 223 10 83 Fax +41 31 323 00 76 [email protected] www.uus.admin.ch

Erwin Drabek 08. Januar 2009

Reg. Nr.: 07100701

Schlussbericht der Unfalluntersuchungsstelle Bahnen und Schiffe

über die Explosion des Haupttransformators des BLS-Nahverkehrpendelzugs NINA 025 vom Sonntag 07.10.2007 in Wichtrach

Page 2: Schlussbericht der Unfalluntersuchungsstelle Bahnen und

Dieser Bericht wurde ausschliesslich zum Zweck der Verhütung von Unfällen beim Betrieb von Eisenbahnen, Seilbahnen und Schiffen erstellt. Die rechtliche Würdigung der Umstände und Ursachen von Unfällen ist nicht Gegenstand der vorliegenden Untersuchung gemäss Art. 25 der Verordnung über die ‘Meldung und Untersuchung von Unfällen und schweren Vorfällen beim Betrieb öffentlicher Verkehrsmittel’ (VUU, SR 742.161).

0 ALLGEMEINES 0.1 Kurzdarstellung

Am Sonntag 7. Oktober 2007 um 10:23 ereignete sich bei der Einfahrt des Regional-zuges 15136 (BLS, S1 Thun – Flamatt - Fribourg) in den Bahnhof Wichtrach ein Dach-brand auf dem BLS- Nahverkehrs-Pendelzug NINA 025 der in Doppeltraktion mit der NINA 019 verkehrte. Dabei wurde niemand verletzt. Die Sachschäden an der Bahninf-rastruktur und an den Fahrzeugen übersteigen CHF 100'000.- bei weitem.

Bahnhof Wichtrach

Ereignisstelle

0.2 Untersuchung Die Unfalluntersuchungsstelle wurde durch die Meldestelle (REGA) am 07.10.2007 um 12:29 Uhr per Pager alarmiert. Die Rückfrage bei der für die Betriebsführung verant-wortlichen BLS ergab keine Notwendigkeit einer sofortigen Untersuchung vor Ort. Der durch den Dachbrand beschädigte Gliederzug NINA 025 wurde am Montag 08.10.2007 in der BLS-Werkstatt Aebimatt durch die UUS besichtigt. Der beschädigte Haupttrans-formator der NINA 025 wurde am 17.10.2007 bei ABB-Sécheron in Genf untersucht. Der Untersuchungsbericht der UUS fasst die Ergebnisse der durchgeführten Untersu-chung zusammen (Art. 25 der VUU)

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1 FESTGESTELLTE TATSACHEN 1.1 Vorgeschichte

Der S-Bahnzug 15136 (S1) Thun Flamatt war am 07.10.2007 aus zwei in Doppeltrakti-on verkehrenden BLS-Gliederzüge RABe 525 019 und 025 (sogenannte "NINA", Nie-derflur-Nahverkehrs-Pendelzug) gebildet. Die RABe 525 025 verkehrte in zweiter Posi-tion und war durch die RABe 525 019 ferngesteuert. Der Zug verkehrte fahrplanmässig (Thun ab 10:13 Uhr) und bis zum Ereignis störungsfrei.

1.2 Verlauf der Fahrt Der Lokführer (Lf) fuhr den Zug 15136 fahrplanmässig von Thun herkommend in den Bahnhof Wichtrach ein. Beim km 125,921 (Unterführung Thalgutstrasse) trat leichtes Gleiten auf, was aber an dieser Stelle bekannt ist. Gleich darauf, um 10:22 Uhr erfolgte ein starker Ruck durch den Zug und eine Hauptschalterauslösung. Diese wurde durch einen lauten Knall begleitet. Der Lf öffnete die Rückspiegel und sah den hinteren NINA nicht mehr, denn er war in eine riesige schwarze Wolke eingehüllt. Der Lf konnte den Zug mit ausgeschalteten Hauptschaltern noch bis zum normalen Halteort rollen lassen, dort zum Stehen bringen und die Türen freigeben (Zeit 10:23 Uhr). Er lief dann zur hin-teren NINA, welche langsam wieder sichtbar wurde. Alle Fahrgäste wurden aus der NINA evakuiert. Der Lf verständigte dann die Lokleitung über den NINA- Dachbrand. Als um 11:05 Uhr der Lösch- und Rettungszug aus Bern eintraf, brannte das NINA- Dach immer noch. Mit dem Einsatz von Schaumlöschern konnte das Feuer rasch ge-löscht werden.

1.3 Personenschäden Personen kamen beim Ereignis keine zu Schaden.

1.4 Sachschäden am Rollmaterial und an der Infrastruktur des Bahnunternehmens Rollmaterial RABe 525 019, führende Einheit: Durch den Ölauswurf vom RABe 525 025 wurde der äussere Anstrich des Fahrzeugs teilweise beschädigt. RABe 525 025, ferngesteuerte Einheit: Der Haupttransformator erlitt einen Totalschaden (Wicklung und Kessel). Bild 1: explodierter Trafo Bild 2: ausgebrannte Trafoaktivteil Bilder am 10.10.2007 im BLS Depot Aebimatt aufgenommen

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Der Stromabnehmer weist starke Kurzschlussstromspuren auf. Die Dachausrüstung wurde durch den Ölauswurf und den Brand verschmutzt und teil-weise beschädigt. Der äussere Fahrzeuganstrich wurde vom Ölauswurf teilweise beschädigt. Bahninfrastruktur Bei der Haupttransformatorexplosion wurden ca. 300l Trafoöl weggeschleudert. Da-durch wurden die Brückenunterseite, die Seitenwände sowie der Bahnschotter durch das Mineralöl verschmutzt und mussten durch eine spezialisierte Firma gereinigt wer-den (siehe Pkt. 1.17). Bild 3 (BLS) Ort der Explosion mit den Ölspuren im Bahnschotter Schadensumme Die gesamte Schadensumme beträgt mehr als CHF 300'000.-.

1.5 Sachschäden Dritter Dritte kamen beim Ereignis keine zu Schaden

1.6 Beteiligte Personen Lokführer Zug 15136 BLS Lokführer, Kategorie D, BAV-Lizenz

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1.7 Schienenfahrzeuge Eigentümer: BLS AG, Personenverkehr, Bollwerk, 3001 Bern Zugskomposition: RABe 525 019 + RABe 525 025 in Vielfachsteuerung Beide Gliederzüge in vierteiliger Ausführung Km-Stand RABe 525 025: ca. 536'000 km Zugsgewicht: 212 t Zugreihe: R 135 Zugslänge: 2 x 62 m Vmax: 140 km/h Ausgeschaltete Bremsapparate: keine

1.8 Strassenfahrzeuge Strassenfahrzeuge waren keine am Ereignis beteilig.

1.9 Wetter, Schienenzustand Tag. Teilweise bedeckt. Schienen trocken.

1.10 Bahnsicherungssysteme Die Bahnsicherungssysteme haben normal funktioniert. Sie sind für den Verlauf des Ereignisses nicht relevant.

1.11 Zug- und Rangierfunk Die NINA-Gliederzüge sind mit dem Zugfunk VZFK 90 ausgerüstet. Die Funkgesprä-che werden nicht aufgezeichnet. Sie sind für den Ereignisablauf nicht relevant.

1.12 Bahnanlagen Der Bahnhof Wichtrach ist für den Personenverkehr ein durchgehender Bahnhof mit zwei Bahnsteigen ohne schienenfreien Zugang. Seite Bern führen Anschlussgeleise zu Industriewerken (für den Ereignisablauf nicht relevant).

1.13 Fahrdatenschreiber (Anlage 1) Der Gliederzug RABe Nr. 525 019 ist mit einer elektronischen Geschwindigkeitsmess-anlage "Hasler Teloc 2200" ausgerüstet. Die Fahrdaten werden elektronisch aufge-zeichnet. Sie wurden durch die Verkehrsunternehmung ausgelesen und durch die UUS ausgewertet. Die Auswertung der Fahrdaten ergibt, dass der Lokführer zwischen Kiesen und Wichtrach mit einer Geschwindigkeit von 125 km/h gefahren ist und sich somit an die vorgeschriebene Höchstgeschwindigkeit von 140 km/h für diesen Streckenabschnitt und diese Zugskomposition gehalten hat. Beim Ereignis (Haupttransformatorexplosion) fuhr der Zug mit 80 km/h. Die Distanz von der Ereignisstelle bis zum Halteort im Bahn-hof Wichtrach betrug ca. 300m. Der Lokführer konnte den Zug mit ausgeschalteten Hauptschaltern noch bis zum nor-malen Halteort führen.

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1.14 Befunde an den Fahrzeugen Der Gliederzug RABe 525 025 wurde am Montag 08.10.2007 in der BLS-Unterhaltswerkstatt Aebimatt durch die UUS im Beisein von Vertretern der BLS und Bombardier besichtigt. Die Haupttransformatorexplosion konnte klar festgestellt werden (siehe Bilder 1 und 2 Pkt. 1.4). Die Gründe die zur Explosion und zum Brand geführt hatten, konnten jedoch vor Ort nicht eruiert werden. Es wurde entschieden, die Komposition RABe 525 025 für die Reparatur (Garantiefall) nach Villeneuve (Werk Bombardier) zu überführen. Der defekte Haupttransformator wurde dann für weitere Untersuchungen von Villeneuve nach Genf, ABB-Sécheron ge-schickt. Die Resultate der Haupttransformatoruntersuchung sind unter Pkt. 1.18 zusammenge-fasst. Die Instandhaltungsarbeiten auf der NINA 025 wurden durch die BLS gemäss den gül-tigen Instandhaltungsvorschriften termingemäss ausgeführt. Die letzte Kontrolle des Transformatoröls wurde beim P6 am 05. Mai 2007 beim Km-Stand 526'633 km ausgeführt.

1.15 Medizinische Feststellungen In Bezug auf medizinische Beschwerden der am Ereignis beteiligten Personen ist nichts bekannt (für den Ereignisablauf nicht relevant).

1.16 Feuer Als der Haupttransformator des Gliederzuges RABe 525025 um 10:21 Uhr explodierte, brach Feuer auf dem Fahrzeugdach aus. Um 11:05, als der SBB Lösch- und Rettungs-zug in Wichtrach ankam, war das Feuer immer noch aktiv. Mit dem Einsatz von Schaumlöschern konnte das Feuer rasch gelöscht werden.

1.17 Umwelt Aus dem Brief vom Amt für Gewässerschutz und Abfallwirtschaft an die Gebäudever-sicherung des Kantons Bern vom 12.10.2007 (Kopie des Briefes bei UUS vorhanden) kann folgendes entnommen werden: Bei der Haupttransformatorexplosion wurden ca. 300 l Mineralöl (Shell Diala Oil D) aus dem Transformatorkessel in die unmittelbare Umgebung weggeschleudert. Das Öl spritzte an die Brückenunterseite aus Stahl, an die Seitenwände aus mineralischen Baustoffen und versickerte grossflächig zwischen und neben den beiden Geleisen im Bahnschotter. An der Stelle, wo der Zug stillstand, versickerte ebenfalls punktuell an zwei Stellen eine grössere Menge Transformatorenöl. Durch den aufgebotenen Ölwehrstützpunkt der Stadt Bern, die Wehrdienste Wichtrach sowie den Unterhaltsdienst der als Infrastrukturbetreiberin zuständigen SBB wurden die notwendigen Massnahmen zur Brandbekämpfung und Schadenbehebung eingelei-tet. In der Nacht vom 09. auf den 10. 10.2007 wurden durch eine spezialisierte Entsor-gungsunternehmung und den Unterhaltsdienst der Infrastruktur SBB ca. 10 m3 ölkon-taminierter Bahnschotter entfernt und fachgerecht entsorgt.

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1.18 Besondere Untersuchungen

1.18.1 Registrierung der Fahrleitungskurzschlüsse im Unterwerk Aus dem Journalauszug des SBB-Fahrleitungsdiensts (Kopie an UUS abgegeben) können folgende Angaben über den Zustand des Fahrleitungsleistungsschalters 1004 welcher die Fahrleitung am Ereignisort und das Gleis 3 in Wichtrach speist, entnom-men werden: Unterwerk Thun, 10:22:48 Uhr Leistungsschalter 1004 AUS 10:23:01 Uhr Leistungsschalter 1004 EIN Unterwerk Thun, 10:27:33 Uhr Leistungsschalter 1004 AUS 10:27:44 Uhr Leistungsschalter 1004 EIN Daraus kann abgeleitet werden, dass um 10:22 Uhr die Explosion des Haupttrans-formators des NINA RABe 525 025 einen Fahrleitungskurzschluss verursachte und um 10:27 ein zweiter Fahrleitungskurzschluss ebenfalls stattfand. Die Ursache für den zweiten Kurzschluss wurde nicht untersucht. Weil um 10:27 das Fahrzeugdach noch im Brand war, ist es durchaus möglich, dass das Dachfeuer den Kurzschluss verursacht hat. Gemäss Aussagen vom Lf 15136 haben die Hautschalter der beiden NINA's unmit-telbar nach der Haupttransformatorexplosion ausgeschaltet. Der Lf hat dann die Hauptschalter nicht mehr eingeschaltet. Als der Zug in Wichtrach stillstand, kümmerte sich der Lf zuerst um die Reisenden. Er senkte die Stromabnehmer der beiden NI-NA's erst, als er den zweiten Fahrleitungskurzschluss bemerkte.

1.18.2 Daten des Haupttransformators (Anlage 2) Transformator LOT 1010 Nr. XCH000000.AFX.24 von ABB Sécheron AG Herstelldatum: 2003 Leistung: 1007 kVA Primärspannung: 15'000 V Sekundärspannung: 2 x 500 V Gewicht: 4000 kg Kühlung: 500 kg Mineralöl Typ Shell Diala D

1.18.3 Vorhergehende Havarie an Transformatoren LOT 1010 Vom Februar 2003 bis August 2007 sind 13 Defekte an NINA Transformatoren LOT 1010 aufgetreten. Alle Fälle wurden durch den Transformatorhersteller ABB Séche-ron SA untersucht. Bei diesen 13 Havarien ist keine Transformatorenexplosion zu verzeichnen. Es han-delte sich um technische Defekte, die der UUS nicht meldepflichtig waren.

1.18.4 Besichtigung des defekten Haupttransformators bei ABB Sécheron in Genf Transformatorprinzipschema siehe Anlage 2 Der Transformator LOT 1010 Nr. XCH000000.AFX.24 wurde am 17.10.2007 bei ABB Sécheron in Genf durch einen Experten (Gutachter) der Firma KEMA, Vertreter der Firmen Alstom, Bombardier, ABB Sécheron, BLS und durch den Berichterstatter be-sichtigt. Notizen über diese gemeinsame Besichtigung (Untersuchung) wurden der UUS durch ABB Sécheron abgegeben. Nachstehend werden die wichtigsten Beobachtungen erläutert:

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- Der Transformator ist auf Grund eines Kurzschlusses in der Hochspannungs- wicklung HT 1.1 (Bild 4) explodiert - Teile der Traktionswicklung TR 1.1 wurden ebenfalls durch den Kurzschluss beschädigt (Bild

4) HT1.1 und TR1.1 Kupferstab für die Hochspannungzu- führung Bild 4 - Der Kupferstab, welcher die Hochspannung zu den Hochspannungswicklungen HT1.1 und HT1.2 führt, war beim Anschluss 1V (Aufteilung) geschmolzen und verdampft

Kupferstab für die Hochspannungzu-

führung

Bild 5 - Der Kurzschluss ist plötzlich aufgetreten. Er hat die Trafoexplosion verursacht und durch den dabei entstandenen Öldruck wurde der Trafodeckel schlagartig geöffnet. Ca. 2/3 der Deckel- Befestigungsschrauben sind dabei gerissen (Bild 1, Pkt 1.4) - Das Überdruckventil hat nicht angesprochen (Siehe Pkt. 1.18.5) - An der Innenseite des Trafodeckels sind Überschlagsspuren vorhanden (Bild 4), dort wo die Hochspannungseinführung zwischen den Hochspannungswicklungen HT 1.1 und HAT 1.2 abzweigt (Bild 3) Überschlags- spuren Bild 6

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- Das Ölrohr zwischen dem Transformatorkessel und dem Expansionsgefäss war leicht gerissen. - Das Ölniveau im Expansionsgefäss war zu hoch

Beschädigtes Ölrohr Bild 7 - Als der Transformatoraktivteil ausserhalb des Kessels stand, konnte eine defekte Verbindung Anschluss TR11 – TR12 festgestellt werden. Von 19 Kupferdrähten waren noch 5 angeschlossen (14 Drähte waren unterbrochen).

Defekte Verbindung TR 11 – TR12

Bild 8 Die Verbindung TR11 – TR12 des Trafos Typ LOT 1010 war der ABB Sécheron aus früheren Trafodefekten als Schwachstelle bekannt. Dass diese Verbindung am Trafo XCH000000.AFX.24 schon so stark beschädigt war, wurde erst bei der Trafobesichti-gung festgestellt. Diese teilgebrochene Verbindung ist jedoch nicht der Auslöser der Trafoexplosion.

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1.18.5 Prüfung des Sicherheitsventils Das Sicherheitsventil COMEN Typ V50 Nr. 043362, welches das Transformatorkes-sel gegen Ölkreislaufüberdruck schützen sollte, hat bei der Transformatorexplosion nicht angesprochen.

Bild 9 Die Funktionsweise des Sicherheitsventils wurde am 17.10.2007 auf dem Prüfstand ABB Sécheron im Beisein der Berichterstatter überprüft. Das Sicherheitsventil, welches für eine Öffnung bei 60 Kpa vorgesehen und einge-stellt war, öffnete bei 65 Kpa. Seine prinzipielle Funktionstüchtigkeit wurde somit

Sicherheitsventil Beschädigte Trafowicklung Trafojoch Bild 10 (ABB

Sécheron) Das Sicherheitsventil COMEN ist seitlich am Trafokessel angebracht. Um den Ölfluss lenken zu können, wurden Schikanen zwischen den Trafojochen und dem Trafokes-sel eingebaut. Der Kurzschluss ereignete sich beim Kern I innerhalb der beiden Tra-fojoche. Der Explosionsdruck wurde nicht direkt gegen das Sicherheitsventil sondern seitlich auf die beiden Joche ausgeübt. Dieser Druck liess den Trafodeckel bersten. Die durch die Trafoexplosion erzeugte schlagartige Öffnung des Trafodeckels erfolgte bevor das Sicherheitsventil überhaupt reagieren konnte. Grundsätzlich ist das Sicherheitsventil COMEN gegen sich langsam aufbauenden Überdruck wirksam. Es ist gegen eine Trafoexplosion unwirksam.

nachgewiesen.

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1.18.6 Expertise KEMA Eine Kopie des Gutachtens KEMA wurde an die UUS abgegeben (Englisch). Eine Übersetzung der Schlussfolgerungen des Gutachtens KEMA ist nachstehend wiedergegeben: Die Resultate der visuellen Untersuchungen auf dem Transformator ergaben keine unstreitbare Ursache des Defektes. Dennoch unter Betrachtung aller visuellen Be-funde auf dem Transformator ist die grösste wahrscheinliche Ursache bei einem Windungsunterbruch in der Hochspannungswicklung HT11. Besonders der Unter-bruch der Verbindung zu HT2 hat eine Lawine von Ereignissen auslösen können. Im Vordergrund kommt die thermische Überlastung der Hochspannungswicklung HT1. Ein Bügelsprung kurz vor dem Ereignisort (Talstrassebrücke) hat einen transienten Vorgang erzeugt, welcher den Kurzschluss zwischen den Hochspannungswindungen (die schon nicht mehr in Ordnung waren) begünstigt und anschliessend zum direkten Kurzschluss zwischen dem Hochspannungseingang und der Masse des Transforma-tors. Die Öffnung des Transformatordeckels ist mit grösster Wahrscheinlichkeit das Resul-tat eines plötzlichen Überdrucks beim direkten Kurzschluss auf die Hochspannungs-wicklung des Transformators. Erst nach der Öffnung des Deckels, als der noch vor-handene Lichtbogen und Sauerstoff mit dem Ölkühlmittel in Kontakt kamen, geriet der Transformator in Brand.

1.18.7 Schlussfolgerungen Die Trafoexplosion ist durch einen Kurzschluss auf der Hochspannungswicklung zu-rückzuführen. Durch die Plötzlichkeit der Trafoexplosion und die Lage des Sicher-heitsventils hat dieses nicht angesprochen. Unmittelbar nach der Explosion, als der Transformator mit grösster Wahrscheinlich-keit noch unter Spannung stand, die Präsenz von Sauerstoff und einem Lichtbogen den Transformatorbrand ausgelöst hat.

1.19 Informationen über Organisation und Verfahren

Beim Zug 15136 handelt es sich um einen regelmässig verkehrenden, im offiziellen Kursbuch aufgeführten, Personenzug von Thun (ab 10:13 Uhr) via Wichtrach (ab 10:23 Uhr) nach Fribourg (an 11:20 Uhr).

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2 BEURTEILUNG

2.1 Technisches Die Schienenfahrzeuge waren aus Sicht des Lokführers technisch in Ordnung. Bei der Trafoexplosion wurden die Hauptschalter beider NINA's ausgeschaltet und vom Lokführer bis zum Abschluss des Feuerwehreinsatzes nicht mehr eingeschaltet. Ob der Hauptschalter des RABe 525 025 durch das Primärstromrelais oder durch das Nullspannungsrelais (als das Unterwerk ausschaltete) auslöste wurde durch die UUS nicht untersucht. Das Unterwerk hat zwei Mal ausgeschaltet. Das erste Mal (10:22 Uhr) als der Trafo-kurzschluss sich ereignete (Trafoexplosion), das zweite Mal (10:27Uhr) als der Trafo brannte (Flammen auf dem Fahrzeugdach. Der Grund der zweiten Abschaltung konnte nicht gefunden werden (vermutlich Kurzschluss Fahrleitung – Fahrzeugdach durch den Brand). Auf dem Stromabnehmer des RABe 525 025 waren deutliche Spuren von Kurz-schlussströmen vorhanden. Die Stromabnehmer der beiden NINA's wurden, nach dem sich der Lokführer um die Reisenden gekümmert hatte, abgesenkt (nach der zweiten Abschaltung der Fahrlei-tung). Bei der Trafoexplosion wurde der Trafodeckel schlagartig geöffnet. Ca. 2/3 der Deckel-verschlussschrauben wurden dabei abgerissen. Die Trafoexplosion ist auf einen Kurzschluss der Hochspannungswicklung HT1.1 zu-rückzuführen Der Brand des Transformators hat mit grösster Wahrscheinlichkeit unmittelbar nach der Öffnung des Trafodeckels begonnen. Der noch vorhandene Lichtbogen und die Präsenz von Sauerstoff haben das Trafoöl gezündet.

2.2 Betriebliches In der Untersuchung sind keine Verstösse gegen arbeitsrechtliche Bestimmungen fest-gestellt worden. Der Lokführer hat die vorgegebenen Geschwindigkeiten nicht überschritten. Die Transformatorexplosion ereignete sich um 10:22 Uhr. Die Feuerwehr Wichtrach traf um 10:35 vor Ort ein. Die 1. Erdung im betreffenden Gleis wurde durch den Pikett-dienst der BLS um 10:55 Uhr vorgenommen. Der Lösch- und Rettungszug aus Bern kam um 11:05 in Wichtrach an.

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3 SCHLUSSFOLGERUNGEN

3.1 Befunde Die Instandhaltungsarbeiten am Gliederzug RABe 525 025 wurden termingemäss durch die BLS ausgeführt. Der Lokführer hat die vorgeschriebenen Geschwindigkeiten für den S-Bahnzug 15136 eingehalten. Der Unterwerk Thun hat zwei Fahrleitungskurzschlüsse registriert: der erste um 10:22 bei der Transformatorexplosion, der zweite um 10:27. Die Ursache für den zweiten Kurzschluss konnte nicht genau eruiert werden. Nach der Transformatorexplosion wurden die Hauptschalter der beiden NINA's nicht mehr eingeschaltet. Die Transformatorexplosion ist mit grösster Wahrscheinlichkeit auf einen Kurzschluss in der Hochspannungswicklung HT11 zurückzuführen. Der Trafobrand hat unmittelbar nach der Explosion begonnen.

3.2 Ursachen Kurzschluss auf der Hochspannungswicklung HT11 des Haupttransformators des BLS-Gliederzug NINA RABe 525 025.

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4 SICHERHEITSEMPFEHLUNGEN

4.1 Umgesetzte Sofortmassnahmen Kontrolle des Ölstandes aller BLS-NINA's Haupttransformatoren: Es wurden keine Tiefstände gefunden Kontrolle der Haupttransformatorölqualität (Stichprobe): Es wurden keine Hinweise auf eine Verschlechterung der Ölqualität gefunden

4.2 Durch die Firmen Alstom, Bombardier und ABB Sécheron SA vorgesehene Ver-besserungsmassnahmen Abdeckung (Schutz) der Ölanschlüsse am Haupttransformatordeckel: (Bild 7) Mit dieser Abdeckung wird das Risiko einer Beschädigung der Ölanschlüsse bei Dach-kontrollen vermindert. Verbesserung der Ölniveau-Handhabung (gemäss heutigem ABB-Standard): Damit wird bei Füllung bzw. Nachfüllung des Transformatorenöls das Risiko von Luft-blasenbildung vermindert. Sanierung der Niederspannung Wicklungsanschlüsse (Bild 8): Damit wird die Fixierung der Niederspannungsverbindung TR11 – TR12 so geändert, dass die einzelnen Adern der mit 19 Adern gebildeten Verbindung nicht mehr durch mechanische Überbeanspruchungen reisst. Das Sanierungsprogramm der Haupttransformatoren des Typs LOT 1010 ist im Juli 2008 gestartet und wird bis im Frühling 2009 weiterlaufen.

4.3 Sicherheitsempfehlungen UUS Von der UUS werden keine weiteren Massnahmen vorgeschlagen.

Die Untersuchung wurde vom Chef UUS, Walter Kobelt, und vom nebenamtlichen Untersu-chungsleiter, Erwin Drabek, geführt. Der Bericht wurde von Erwin Drabek verfasst.

Bern, 08. Januar 2009 Unfalluntersuchungsstelle Bahnen und Schiffe

W. Kobelt E. Drabek

Bilder: ABB Sécheron, BLS, UUS

Anlage: 1: Auszug Fahrdaten NINA 525 019 2: Daten und Schema des Haupttransformators LOT 1010

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Anlage 1 Auszug Fahrdaten NINA RABe 525 019 ___________________________________________________________________

a c

b

d

a : Hauptschalterauslösung 10:22:46 Uhr

: Halteort Zug 15136 in Wichtrach

: Distanz Hauptschalterauslösung – Zugshalteort: ca 300 m

b : Geschwindigkeit bei der Hauptschalterauslösung: 80 km/h

c

d

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Anlage 2 Daten und Schema des Haupttransformator LOT 1010 des RABe 525 025 Auszug Transformatorbeschreibung ABB Sécheron AG HSTE 102515 ___________________________________________________________________ Transformator-Hauptdaten: Typenskizze:

Prinzipschema:

HT 1.2 HT 2.2

HT 1.1 HT 2.1