geistiges leben 2013-3

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  • 8/12/2019 Geistiges Leben 2013-3

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    Von der Auenlebenssphre des MenschenVon der Auenlebenssphre des Menschen Verstandesdenken und HerzdenkenVerstandesdenken und Herzdenken

    Die Forderung nach Vergebung und SelbstannahmeDie Forderung nach Vergebung und Selbstannahme Himmel und Hlle im MenschenHimmel und Hlle im Menschen

    Biblische Bilder und deren BedeutungBiblische Bilder und deren Bedeutung Vom Reiche Gottes im MenschenVom Reiche Gottes im Menschen

    Beten verbindet FelderBeten verbindet Felder

    Liebe deinen NchstenLiebe deinen Nchsten

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    SPENDENKONTENBaden-Wrttemb. Bank AG Bietigheim-Bissingen

    Kto.: 7818500173 BLZ: 60050101

    BIC: SOLADEST IBAN: DE27 6005 0101 7818 5001 73Postgiro Stuttgart Kto. 9096-705 BLZ 600 100 70Kreisspark. Miesbach/Tegernsee Kto. 430 203 240 BLZ 711 525 70Creditanstalt Bankv. Graz (A) Kto 01873 312 101 BLZ 12 000Postscheckkonto Basel (CH) Kto. 80-50414-3

    IMPRESSUMHerausgeber: Lorber-Gesellschaft e.V.Verwaltungsanschrift: Postfach 114

    83731 Hausham / DeutschlandTel.: 08026-8624 / Fax: 08026-3294

    E-Mail-Anschrift: [email protected]: www.Lorber-Gesellschaft.deSchriftleitung: Klaus W. KardelkeRedaktion: Angelika Penkin

    INHALTErnst Moritz Arndt Auf, bleibet treu und haltet fest S. 2Klaus W. Kardelke Editorial S. 3Jakob Lorber Von der Auenlebenssphre des Menschen S. 5Franz Deml Verstandesdenken und Herzdenken S. 12Jakob Lorber Wie der Heiland heilt S. 22Jrg Mller Die Forderung nach Vergebung... S. 30Jakob Lorber Himmel und Hlle im Menschen S. 28Johannes vom Kreuz Nichts weiter S. 32Thomas von Kempen Der gtige, friedensbereite Mensch S. 33 Neue Kirche Biblische Bilder - Der lbaum S. 34Jakob Lorber Vom Reiche Gottes im Menschen S. 41Rupert Sheldrake Beten verbindet Felder S. 44

    Jakob Lorber Liebe deinen Nchsten S. 44Eknath Easwaran Die groe Entdeckung S. 50Anthony de Mello ndere dich nicht S. 51Weisheitsgeschichten Die Geschichte eines Menschen S. 52

    Die Geschichte von den Frschen S. 53Der General und der Mnch S. 53

    Jakob Lorber Gttlicher Gesundheitsrat S. 54

    Mit Namen des Verfassers versehene Beitrge mssen nicht mit der Auffassung derSchriftleitung bereinstimmen.Die Zeitschrift erscheint viermal jhrlich auf freiwilliger Spendenbasis.

    Beitrge richten Sie bitte an die Schriftleitung.

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    Jahrgang 33 2013 Heft 3

    - Zeitschrift im Geiste chr istlicher M ystik -

    Denn wer das natrliche Wasser dieses, wie aucheines andern Brunnens tr inkt, den drstet es in kurzerZeit wieder. Wer aber das geistige Wasser (M einer

    Lehre) tr inkt (d.h. glubig in sein H erz aufnimmt), dasnur I ch allein geben kann, den drstet es ewig nimmerwieder; denn das Wasser, das I ch jemandem gebe, wird

    in ihm zu einem Wasserbrunnen, dessen Wasser insewige Leben hinberquillt.

    (GEJ.1; 26,7)

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    2 GL 3/2013 Suche Gott in dir selbst

    Auf , bleibet treu und haltet fest

    Ernst M oritz Arndt

    1. Auf, bleibet treu und haltet fest,So wird euch mehr gelingen!

    Wer sich von Gott nicht scheiden lsst,Der kann die H lle zwingen;Der alte Gott, der treue Gott,

    Lsst sich noch immer schauen,Und macht des Teufels L ist zu Spott

    Und seinen Stolz zu Grauen.

    2. Auf , bleibet treu und haltet aus,Wie Lug und Trug auch schnauben!

    Der H err dort oben hlt noch H ausUnd schirmt den r echten Glauben,Den Glauben, dass die Welt vergeht,

    Wenn M nnertreue wanket,Den Glauben, dass wie Sand verweht,

    Was um die Lge ranket.

    3. Denn Treue steht zuerst,Zuletzt im H immel und auf Erden;Wer ganz die Seele drein gesetzt,

    Dem wird die Krone werden.Drum mutig drein und nimmer bleich!

    Denn Gott ist allenthalben:Die Freiheit und das H immelr eich

    Gewinnen keine H alben.

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    GL 3/2013 3

    EditorialWer bin ich? ist wohl die wichtigste Frage, die ich mir in

    meinem Leben stellen kann. Doch zur Beantwortung dieserFrage, werde ich mich wohl aufmachen mssen, mich selberimmer besser kennenzulernen, denn nur wenn ich michverstehe, werde ich auch alles andere verstehen knnen.

    Verstehst du dein eigenes Wesen, so wirst du auch allesandere verstehen und ergrnden knnen. Aber solange dudir selbst nicht zur vollsten Klarheit geworden bist, kannauch all es andere in dir zu keiner Kl arheit werden. (RB.2_151,10)

    Erkenne dich selbst, lautete demnach schon der Wahlspruch die altenGriechen, denndas schwerste, wichtigste und hchste Wissen liegt in dermglich vollkommensten Selbsterkenntnis, denn ohne diese ist esunmglich ein allerhchstes Gottwesen zu erkennen. (GEJ 5; 215,2)

    Was liegt aber dem Menschen an der allerwichtigsten Selbster-kenntnis, ohne die eine wahre Gotteserkenntnis nicht denkbar mglichist? (GEJ.4_224,3)

    Seit Jahren und Jahrzehnten bemhe ich mich, Gott, meinenhimmlischen Vater, zu erkennen und aus dieser Erkenntnis heraus zu

    lieben. Doch wie sieht es mit der Erkenntnis meines eigenen Wesens aus,ohne die ja eine Erkenntnis Gottes unmglich ist und somit auch keinewahrhaftige Liebe zu Gott erstehen kann?

    Was ist Gott und wer bin ich?(HGt.01_036,02) Was ist mein eigentlichesWesen, mein Selbst, mein gttlicher Geist?

    Solange ich mich nicht selbst erkenne, mit all meinen Seiten, ntzt mireine angelesene Erkenntnis Gottes recht wenig. Denn erst, wenn ich michselbst gefunden habe, kann ich auch Gott in mir finden, denn mein Selbstist ja mein gttlicher Geist, der allzeit eins ist mit Gott. (GEJ.2_132,8)

    Denn nur wer sich erkennt, der erkennt auch Gott ; denn der wahreund ewige Lebensgeist im Menschen ist nicht ein Menschengeist, sondernein Gottesgeist im Menschen, ansonst der Mensch kein Ebenma Gotteswre. (GEJ.9_58,7)

    Eins mit Gott kann der Mensch aber nur eben dadurch werden, dasser einmal sich und dadurch dann unerlsslich auch Gott als seinenUrgrund vollends erkennt und nach solchem Erkennen ttig wird in allen

    seinen Lebenssphren. (GEJ.5_215,5)

    Dem Jnger Johannes kam es also vor als ob Er es haben wollte,dassein jeder M ensch sich zuerst vollkommen selbst finden msste, bevor derHerr am Ende Seine alles Leben vollendende Hand an ihn legt. Denn derH err aber will ja vor al lem die Selbsterkenntni s der Kinder (Gottes)

    Editorial

    Klaus W. KardelkeGeschftsfhrender

    Vorsitzender derLorber-Gesellschaft

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    4 GL 3/2013 Editorial

    erheben . (GS.02_030,12) Die Selbsterkenntnis bedingt aber auch ein Suchen und Erforschen

    meines eigenen Wesens. Denn schon Paulus ermahnte die ersten Christen:

    Der Mensch prfe aber sich selbst.(1. Kor. 11,28) und ein jeglicher aber prfe sein eigen Werk.(Gal. 6,4) und lasst uns erforschen und prfenunser Wesen und uns zum HERRN bekehren! heit es schon in denKlageliedern.(Klagel. 3,40)

    Auch in der Neuoffenbarung werden wir immer wieder angehalten, unszu prfen: Ich aber sage zu euch: Prfet euch sorgfltig . (GEJ.5_125,2)und jeder aber prfe die Neigungen seines Herzens. (GEJ.2_8,8) darum forschet in euren Seelen, wo noch irgendetwas Unreines steckt, undwerfet es von euch! (GEJ.11_051,04)

    Die Seele prfe sich selbst, inwieweit sie in aller Selbstverleugnung,was die Lustreizdinge dieser Welt betrifft, vorgedrungen ist, und inwieweit

    sie vollends eins mit dem erwhlten und tatschlich befolgten WillenGottes geworden ist. (GEJ.10_017,11)

    Denn willst du vollkommen werden, so musst du dich entdecken, undes darf kein Hehl in deiner Seele sein; erst wenn alles Unordentliche ausdir heraus ist, kannst du an der Vollendung zu arbeitenanfangen. (GEJ.4_63,10)

    Um die Schwchen unsere Wesens zu erkennen hat uns der Herrempfohlen uns selbst, unsere Gefhle, Gedanken und Handlungen immerwieder zu berprfen. Dazu hat Er uns die bung der Selbstbeschauunggelehrt, in der es heit:Ruhet und denket im stillen lebendig nach bereuer Tun und Lassen, ber den euch wohlbekannten Willen Gottes, und obihr demselben nachgekommen seid zu den verschiedenen Zeiten eures

    Lebens, so habt ihr euch innerlich selbst beschaut. (GEJ.01_224,10)Das sage Ich euch auch, dass es fr euch gut ist, dass ihr euer

    Gewissen genau durchforschet und so die ganze Gre all eurer Sndenund Laster, die ihr begangen habt, durchschauet. (GEJ.07_163,17)

    Diese Gewissensberprfung fhrt uns immer mehr und mehr zurwahren Selbsterkenntnis unseres eigenen Wesens und letztendlich auch zurErkenntnis Gottes in uns.

    I ch habe euch gezeigt die groe Wichti gkeit der vol len Selbster- kenntnis, die dur ch die rechte Demut, Geduld und hauptschlich dur chdie wahre, ttige Liebe zu Gott und daraus zum Nchsten i m mglichreichlichsten M ae erreicht werden kann. (GEJ.4_223,7)

    Mgen wir mit Hilfe des Herrn an Selbsterkenntnis zunehmen, umdadurch den Herrn mehr und mehr zu erkennen und zu lieben.

    Euer Klaus Kardelke

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    Von der Auenlebenssphre des Menschen(Der Herr:) Das erste Menschenpaar konnte von Mir unmglich anders

    als nach der rechten Lebensordnung vollendet auf diese Erde gesetztwerden. Das Gemtsleben musste als vollkommen ausgebildet in dieserWelt auftreten, um nicht schnell eine Beute von tausendmal tausendanderen feindlichen Kreaturen und Elementen zu werden.

    Das eigentliche Ebensein mit Meinem urgttlichen Sein war in demersten Menschenpaare schon als vollendet da und konnte darum dieHerrlichkeit ber die gesamte Kreatur vollst wirksam ausben. Wie abergeschieht solche Wirkung? Hret!

    Die im Gemte vollkommene Seele ist persnlich zwar auch in dervollkommenen Menschenform im Leibe vorhanden; aber ihr Empfinden,Fhlen und Wollen gehet, gleichwie die Lichtstrahlen aus und von derSonne, nach allen denkbaren Seiten weit und wirkend hinaus. Je nher ander Seele, desto intensiver und wirksamer ist denn auch der bestndigeAusfluss des Denkens, Fhlens und Wollens.

    Die Auenlichtsphre der Sonne, in der sich diese Erde, der Mond undnoch eine groe Menge allerleiartiger anderer Weltkrper befinden, istgewisserart die Auenlebenssphre der Sonne, durch die alles, was in

    ihrem Bereiche sich befindet, zu einem bestimmten Naturleben erwecktwird. Alles muss sich da mehr oder weniger in die Ordnung der Sonnefgen, und diese ist dann ein Gesetzgeber und ein Herr aller andernWeltkrper, die sich nur irgendwo im Bereiche ihrer Lichtausstrahlung befinden.

    Freilich kann man von der Sonne nicht sagen, dass sie denke und wolle;aber ihr Licht ist dennoch ein gar groer Gedanke, und des Lichtes Wrmeein gar fester Wille, aber nicht von der Sonne, sondern von Mir

    ausgehend und wirkend durch das organische Wesen des Sonnenkrpers.Je nher denn ein Weltkrper der Sonne ist, desto mehr muss er auchdie lebenswirkende Kraft der Auenlebenssphre der Sonne in sichwirkend und bestimmend wahrnehmen und muss sich fgen in alles das,was das Licht und die Wrme der Sonne in und auf ihm zeihen will.

    Wie aber da die Sonne wirket auf den Weltkrpern Wunderbares blodurch ihre Auenlebenssphre, also auch eine unverdorbene und in ihrerursprnglichen Art vollkommene Seele, die da ist voll Lebens, also vollLiebe, voll Glaubens und voll des festen Willens!

    Eine solche Seele ist ganz Licht und Wrme und strahlet weithin aus,und diese Ausstrahlung bildet dann gleichfort ihre mchtige Auenlebens-sphre. Wie sich aber in der Auenlebenssphre der Sonne Mein Wille als

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    berall wunderbar wirkend ausspricht und keine Macht demselbenwiderstreben kann, ebenso spricht sich der Wille einer vollkommenen,unverdorbenen Seele, der weil Meine Ordnung auch Mein Wille ist, als

    wunderbar wirkend aus.Denket euch nun eine Menschenseele in ihrer ursprnglichenUnverdorbenheit als eine wahre Sonne unter allen den auchverschiedenartig beseelten und belebten Kreaturen, die sich alle derMenschenseele unterzuordnen haben, weil sie aus ihrer Auenlebens-sphre, wenn diese, gleich der Seele, in aller Ordnung ist, geistigesLebenslicht und geistige Lebenswrme zur Vegetation ihrer weiteraufsteigenden Seelenlebenssphre aufnehmen und dadurch sanft, duldsam

    und gehorsam gezeihet werden. Denn die Seelen der Pflanzen wie derTiere haben ja die euch freilich noch sehr unbekannte Bestimmung, einstselbst zu Menschenseelen zu werden.

    Die Pflanzen und noch mehr die Tiere sind nichts als nach MeinerWeisheit und Einsicht taugliche Vorgefe zur Ansammlung undsukzessiven Ausbildung und Sich-Ergreifung der im unermesslichenSchpfungsraume ihr knnet sagen allgemeinen Naturseelenlebens-kraft, aus der auch eure Seelen ob ursprnglich auf dieser oder auch aufeiner andern Erdenwelt, was nahe eins ist, herangebildet herstammen.Diese Tierseelen empfinden einer ordentlichen MenschenseeleAusstrmung und die daraus gebildete Sphre des Auenlebenslichtes undder Auenlebenswrme.

    In dieser vollkommenen Auenlebenssphre gedeihen die Tiere, wiedie Planeten im Lichte und in der Wrme der Sonne, und nicht eines TieresSeele vermag sich da gegen den Willen einer vollkommenenMenschenseele zu erheben, sondern kreist bescheiden um diese wie einPlanet um die Sonne und bildet sich in solch geistigem Lichte und indessen Wrme ganz vortrefflich fr einen weiteren bergang in die hhereStufe aus.

    Um das noch praktischer einzusehen, wollen wir blo einige Haustiereund ihre Besitzer einer nheren Betrachtung unterziehen! Hret! Begebenwir uns zu einem hartherzigen und stolzen Besitzer hin und besehen imGeiste alle seine Haustiere! Seine Haushunde sind bser und wilder als dieWlfe der Wlder, seine Rinder scheu und zum Schrecken oft ganzgefhrlich wild. Seine Schafe und Ziegen fliehen vor jeder

    Menschengestalt und lassen sich schwer fangen. Durch den Garten seinerSchweine, die er des Fettes wegen hegt, ist nicht ratsam zu gehen, um vonderen vlliger Wildheit nicht mrderisch angefallen zu werden. DieHhner und anderes Hausgeflgel sind ebenfalls scheu und lassen sich

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    schwer fangen. Auch mit seinen Eseln, Pferden, Kamelen und Zugochsenist nicht ein sehr vertraulicher Umgang zu pflegen; denn da bemerkt manhchst wenig von irgendeiner Tierkultur. Nur durch ein immerwhrendes

    wildes Geschrei und Gefluche und durch ein fortwhrendes Schlagen,Stoen und Stechen knnen sie zu fr sie bestimmte Zugarbeitenverwendet werden, und da geschieht zumeist schier irgendein Unglckdabei!

    Ja, warum sind denn bei unserem harten und stolzen Besitzer dieHaustiere gar so roh und wild und so sehr ungeschmeidig? Die Seele desBesitzers ist fr sie eine in hchster Unordnung sich befindendeLebenssonne! Seine Diener und Knechte sind endlich bald wie ihr Herr,

    also auch schon von weitem keine Lebenssonnen fr die eiskaltgewordenen Seelen ihrer ihnen zur Hut und Leitung bergebenen Tiere!Da schreit, flucht und schlgt ein jeder zu, was er nur kann! Wie solltensolch eines Besitzers Tiere in jener wohltuenden Verfassung sein, von derman sagen knnte, dass sie in der Ordnung sei?!

    Gehen wir nun aber zu einem so echt altpatriarchalisch guten undweisen Besitzer von vielen und groen Herden und beobachten wir seineHaustiere! Welch ein kaum glaublicher Unterschied! Weder Rinder nochSchafe verlassen ihren guten Hirten! Nur ein einziger Ruf von ihm, und sielaufen in aller Hast zu ihm, umringen ihn und horchen frmlich mit einersichtlichen Aufmerksamkeit, ob er ihnen etwas sagen werde! Und tut erdas, so gehorchen sie und fgen sich wundersam dem Willen des gutenHirten, an dessen Seelenlichte sie sich nun wieder erquickt haben.

    Das Kamel versteht seines guten Leiters leisesten Wink, und das mutigePferd wird nicht scheu unter dem Sattel seines Reiters. Kurz und gut, alleHaustiere eines sanften und guten Hausherrn sind sanft, fgsam und hrenauf die Stimme ihrer Hter und ihres Herrn, und man merkt bei allenTieren ebensoleicht eine gewisse Sanftmut, wie man es den edlen Bumenauf den ersten Blick ankennt, dass sie edle Frchte tragen; denn da sind derStamm, die ste und das Laub ganz sanft gerundet, glatt und ohne scharfeSpitzen und Stacheln, und die Frucht hat einen lieblichen Geschmack.

    Der Grund von allem dem sind, wie gesagt, eine oder mehrere gesunde,unverdorbene Seelen, aus deren lichter Wesenheit sich nach auen hineine seelische Lichtsphre ausbreitet, die alles das in sich enthlt, was dieSeele als Lebenselement in sich fasst, als: Liebe, Glauben, Vertrauen,

    Erkennen, Wollen und Gelingen.Ist aber die Seele des Menschen in allerlei weltlich materielle Sorgen begraben, oder fngt sie an, sich darein zu begraben, dann trbt sie ihrLichtwesen, und es wird am Ende ganz dunkel und finster. Da ist dann

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    kein Vorrat von einer mchtigen Liebe mehr vorhanden, und die hchstgeringe reicht kaum fr sich aus; daher kommt die Eigenliebe, die anniemand andern mehr bergehen kann. Wo aber die Liebe so gering wird,

    wo soll da ein mchtiger Glaube und Wille herrhren,da der Glaube dochist das Licht aus der Flamme der Liebe und der Wille die allwirkende Kraft des Lichtes?!

    Wenn solche liebkargen Menschen am Ende in sich, wennschon ganzstumpf, nur wahrzunehmen anfingen,dass wegen der Schwche ihrer

    Liebe ihnen nichts gelingen will und sie zumeist durch eine jede gemachteRechnung einen Strich erblicken woran sie selbst schuld sind, weil dakeine Wirkung sein und entstehen kann, wo die dazu erforderliche Kraft

    mangelt , so knnte ihnen wohl noch geholfen werden; aber so werden sienur zornig und voll Bitterkeit gegen jedes Gelingen bei andern Menschen.Der Zorn aber ist zwar auch ein Leuchten, aber ein verderbliches. In

    solchem Hllenschimmer erschauen sie dann auch bald allerlei Trugmittel,mit denen sie sich in einen Wohlstand setzen knnten. Sie versuchensolche Mittel bald; sie misslingen ihnen aber zumeist, weil sie Trugmittelsind. Aber das ftere Misslingen belehrt sie nicht, sondern macht sie nocherboster und zorniger. Sie werden stolz und voll Hochmutes und fangenan, ihre Zuflucht zu Gewaltmitteln zu nehmen und sie auch anzuwenden.Ein manchmaliges Gelingen macht sie kecker, sie werden grausam undsuchen sich alles aus dem Wege zu rumen, was sie als ein Hemmnis zuihrem vermeinten Glcke erkennen. Sie haben sich also durch lauterschlechte Mittel in einen bedeutenden Wohlstand gesetzt und erkennennun den Weg als den allein rechten und wahren, auf dem sie selbst zumGlcke emporgeklommen sind.

    Wenn derart Menschen dann auch Kinder wie gewhnlich bekommen,so werden diese doch unmglich anders erzogen als nur in der Art, durchdie ihre Eltern zum Weltglcke emporgekommen sind, nmlich durchallerlei Weltklugheit. Sie lassen dann solche Kinder allerlei lernen, aberalles nur fr die Welt! Da wird auf die zuerst bercksichtigt werdensollende Bildung des Gemts nicht die allergeringste Rcksichtgenommen, kann auch nicht genommen werden, weil die Eltern und dieihnen aus Gewinnsucht gefllig und angenehm werden wollenden Lehrerund Erzieher selbst keinen Begriff von dem Gemte einer Seele mehrhaben.

    Alles wird auf frheste Bildung und Schrfung des Verstandesverwendet. Dazu wird das Kind durch allerlei Geschenke undAuszeichnungen soviel als mglich angeeifert, wird dabei schon in derfrhesten Zeit in der Selbst- und Gewinnsucht mit der Bildung des

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    Verstandes soviel als nur mglich gebt, trgt feine und geschmckteKleider und kennt sich oft schon im zehnten Lebensjahre vor lauterHochmut nicht. Wehe dem armen Kinde oder auch einem andern armen

    Menschen, der solch einem verbildeten Kinde die gewnschte Ehre nicht bezeigete oder es etwa gar verhhnete! Denn der hat sich an solch einemverzogenen Kinde einen bleibenden Feind gezogen!

    Wo ist aber dann bei solchen Menschen noch an jene Mir hnlicheinnere Lebenskraft zu denken?! Wo ist da des Menschen Herrlichkeit berdie gesamte Natur und ber die Elemente, aus denen am Ende allesGeschaffene besteht und bestehen muss?!

    Wird aber bei dem Menschen das Gemt zuerst und vor allem gebildet,

    und kommt darauf dann erst eine ganz leicht zu bewerkstelligende undwirkungsreiche Ausbildung des Verstandes hinzu, so wird der alsogeweckte Verstand zum lebendigen Lichtlebensther, der die Seele alsoumfliet wie der Lichtther die Sonne umflutet, aus dem heraus dann alle jene herrlichen Wirkungen zum Vorscheine kommen, die ihr diese Erdeallenthalben beleben sehet.

    Bei der rechten Bildung der Seele des Menschen ist und bleibt die Seeleein Inwendiges und ein Ttiges, unddas, was ihr ,Verstand nennet, ist dieausstrmende Wirkung der inneren Ttigkeit der Seele. Das Auenlichtdes Verstandes erleuchtet der Seele alle noch so kritischen uerenVerhltnisse, und der Wille der Seele geht dann in dieses Auenlicht berund wirket wunderbar alles Befruchten und Gedeihen; denn weil alsogestellt ist des Menschen Ordnung nach Meiner Ordnung, so ist der Willeund das Vertrauen eben auch ein aus Mir oder aus Meinem allmchtigenWollen Hervorgehendes, dem sich doch sicher alle Kreatur fgen muss.Was dann ein solch geordneter Mensch will, das muss geschehen imweiten Umkreise, weil die Auenlebenssphre eines Menschen eigentlichvon Meinem Geiste durchwehet wird, dem alle Dinge mglich sind.Wird ein solcher Mensch dann erst ganz und gar von oder aus seinemGeiste wiedergeboren, so ist er Mir dann vllig ebenbrtig und kann aussich in aller seiner Lebensfreiheit wollen, was ihm in Meiner Ordnung, dieer dann selbst geworden ist, nur immer beliebt, und es muss da sein undgeschehen nach seinem freien Willen. In solchem lebensvollendetenZustande, weil Mir vllig hnlich, ist der Mensch dann nicht nur ein Herrder Kreatur und der rtlichen Elemente dieser Erde, sondern seine

    Herrlichkeit erstreckt sich dann, gleich der Meinigen, ber die ganzeSchpfung im endlosen Raume, und sein Wille kann den zahllosen WeltenGesetze vorschreiben, und sie werden befolgt werden. Denn seineverklrte Sehe durchdringt alles gleich der Meinigen und eigentlich mit der

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    Meinigen, und sein klarstes Erkennen erschauet allenthalben dieBedrfnisse in aller Schpfung und kann darauf verordnen und schaffenund helfen, wo es und was es auch sei; denn er ist ja in allem eins mit Mir.

    Allein diesen Grad der allerhchsten Lebensvollendung hatte vorMeiner Menschwerdung wohl niemand erreichen knnen; undI ch bin nundarum auf diese Erde gekommen, um dur ch die Wiedergebur t eur esGeistes in eure Seele hinein euch zu Meinen wahren Kindern zumachen. Wenn Ich denn jetzt von einer vollkommenen Seele rede, so giltdas pur von der Seele, in der Mein Geist zwar auch schon ttig, aber mitderselben noch nicht vllig eins ist.

    Eine also vollkommene Seele ist demnach aus den frher angefhrten

    Grnden nicht nur imstande, als ein Herr ber die gesamte KreaturWunderbares zu tun, sondern auch vermge des in ihr auf Augenblickemehr erweckten Geistes Gesichte zu haben in die rein geistigen Sphren,und kann das Wort des Geistes Gottes vernehmen, wie solches bei allenSehern und Propheten der Fall war, die nebst ihrer Sehergabe und derWeissagung aus Meinem Geiste auch stets eine gewisse, fr allenaturmige Menschheit sichtlich wunderbare Herrschaft ber dieElemente und ber die gesamte Kreatur innehatten.

    Moses tat Wunder, sein Bruder Aaron desgleichen, eben also Josua undspter Elias, und nach ihm noch eine Menge Propheten und Seher.

    Ein Prophet namens Daniel (,des Tages oder des Lichtes Sohn) wardzu Babielon (Babylon) von einem grausamen Knige, dem er eineStrafrede hielt, in eine Lwengrube geworfen, in der bei zwlf hungrigeLwen als Scharfrichter sich befanden. Sie wurden schon jahrelang mitallerlei unglcklichen Verbrechern gefttert. Der ob der scharfenMahnrede Daniels ergrimmte Knig lie auch den Daniel, so er ihn sonstseiner Weisheit wegen auch liebhatte, ohne alle Gnade und Nachsicht indie Grube des sichern Todes werfen.Allein Daniels vollkommene Seele war ein Herr auch ber diehungrigen Lwen! Als er von den Schergen hineingeworfen ward, tatenihm die Lwen nicht nur nichts, sondern kauerten in einer sichtbarenEhrfurcht um ihn als um ihren natrlichen Herrn und Gebieter. Daniel,wohl wissend, wie er unter den Lwen sich befinde, verlangte seineSchreibtafel von seinen Jngern und schrieb bei drei Tage lang dieWeissagung, unversehrt in der Todesgrube mitten unter den zwlf Lwen.

    Als solches dem Knige berichtet ward, da gereute es ihn, solches anDaniel getan zu haben, und er lie den Daniel in einem Korbe wieder ausder Grube ziehen und ihm die Freiheit geben.

    Ebenso gab es zu derselben Zeit drei Jnglinge, die vor dem Baal ihre

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    Knie nicht beugen wollten. Darob ergrimmte der dumme Knig so sehr,dass er einen Kalkofen drei Tage hindurch bermig heizen lie, inwelchen die drei Jungen geworfen wrden, so sie dem Gebote des Knigs

    einen lngeren Widerstand leisteten. Die seelenvollkommenen Jnglinge beharrten aber auf ihrem wohlbegrndeten Vorsatze und uerten nicht diegeringste Furcht vor dem glhendsten Ofen. Die drei Tage verrannen, unddie drei Jnglinge wurden auf grimmigsten Befehl des Knigs von denSchergen ergriffen und ber den glhenden Rand in den weitenFeuerschlund geworfen. Es ward aber diesen auch nicht ein Haar auf ihremHaupte versehrt, whrend ein jeder der Schergen von der zu groen Hitzeergriffen wurde und zu Kohle verbrannte.

    Ja, was schtzte denn die drei Jungen in dem Feuerofen? Dievollkommene, in Meiner Urordnung seiende Seele! Am Ende kam nochein Engel und fhrte sie vollkommen unversehrt aus der entsetzlichenGlut, der sich kein anderer Mensch ohne die Gefahr, pltzlich verbrannt zuwerden, auf dreiig Schritte nahen durfte!

    Dies alles sind nichts als lauter Beispiele von der herrlichen Kraft undMacht einer vollkommenen Seele!(GEJ. Bd 4; Kap. 215,01-218,8)

    Wenn aber nun deine Seele irgendeinen sndigen Leidenschaftsduft inihre Auenlebenssphre streut und die schon vom Fleische befreiten, abernoch in einem gleichen Lieblingsdufte stehenden Seelen solchen in deinerAuenlebenssphre gewisserart riechen, endlich auf dich losstrmen undsich an deinem berflusse sttigen, ohne eigentlich zu wissen, was sie tun,sondern rein nur deshalb sich stets zahlreicher um dich versammeln, weilsie in deiner Sphre die erwnschte Kost finden, so ist das gewiss nichtunweise vom Schpfer, der nichts so sehr fr ewighin respektiert als dieunbedingteste Freiheit einer jeden Seele. Hat ja doch eine jede Seele stetsMittel genug in den Hnden, sich der ungeladenen Gste zu entledigen,wie oft und wann sie es will!Willst du keine deine Seele schwchenden und belstigenden Dmonenin deiner Auenlebenssphre, so erwhle dir des Herrn dir bekannteOrdnung zu deiner Lebensmaxime und ich stehe dir dafr, dass keinDmon in die Nhe deiner Lebenssphre kommen wird!

    Glaube es mir, wenn du mit irgendeiner in und aus dir selbstentstandenen Lebensverkehrtheit die Dmonen nicht anlockst undanziehst, so werden sie dich sicher nicht anziehen, verlocken und

    verfhren; hast du sie aber angezogen, so musst du es dir dann selbstzuschreiben, wenn sie deine Seele in einer und derselben Leidenschaftdurch ihren Andrang noch mehr verhrten werden, ohne es eigentlich zuwollen. (GEJ. Bd.5, Kap. 96,7)

    Von der Auenlebenssphre des Menschen

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    Verstandesdenken und HerzdenkenFranz Deml

    Die Selbstbeschauung, wie sie der Herr bei Jakob Lorber empfiehlt, istmit ihrer religisen Zielsetzung in erster Linie eine Gewissenserforschung.Das hindert aber nicht, dass gerade auf diesem Wege auch derErkenntnisdrang des Menschen zutiefst gestillt werden kann. Franz Xaverv. Baader, ein christlicher Theosoph des vorigen Jahrhunderts, lehrte nichtnur Wahrheitserkenntnis durch Selbsterkenntnis, er gab dem WorteGewissen auch seinen ursprnglichen Sinn zurck. Danach ist Gewissen(lat. conscientia) ein Mitwissen dessen, was Gott von uns denkt. Ichwerde von Gott gedacht und darum bin ich (Cogitor, ergo sum). Von Gottgedacht zu werden, bedeutet aber eine Teilnahme am gttlichen Wissen.

    Das eigentliche Wesen des Seins, ursprnglich Hauptthema derPhilosophie, kann also nur, wie auch Sokrates es lehrt, ber das Gewissenals Mitwissen von Gottes Gedanken ergrndet werden. Niemals durch denVerstand allein, denn Denken hilft nichts zum Denken sagt Goethe inberspitzter Formulierung. Bei ihm, der von sich selbst bekennt, MeinDenken ist ein Schauen, ganz im platonischen Sinne, steht das diskursive

    Verstandesdenken auf der untersten Sprosse aller Erkenntnismg-lichkeiten.Der Verstand ist die Krcke der Unbegnadeten, heit ein anderes

    Dichterwort. Auf wie viel Krcken und Stelzen sehen wir heute diemeisten unserer Philosophen einherhumpeln! Wo Philosophie, dieeigentlich Weisheitslehre sein sollte, das peripherische Bewusstsein alleinzur Grundlage des Erkennens macht, fehlt jegliche Tiefendimension. Eskommt dabei zu grotesken Verirrungen auch in der Zielsetzung desForschens. Beim Neopositivismus z.B., der es den exakten Wissenschaftengleich tun mchte, gelten am Ende nur noch Sinnesdaten als erfassbareWirklichkeit. Eine Hufung von Formeln und Statistiken tritt an die Stelleder alten Weisheitslehre. Der Mensch degradiert und verurteilt sich selbstzum Dasein einer Raupe, die, mhsam im Staube der Erde kriechend,keinen anderen Horizont mehr kennt als den ihres blinden Ertastens. Dieklugen Rechner merken in ihrem Eifer nicht einmal, wie die Seele dabeileer ausgeht. Es wundert uns deshalb nicht, dass der Herr sie bei JakobLorber in drastischer Weise mit schillernden Schmeifliegen vergleicht,die gerne im Kote herumwhlen. Nicht weniger barsch ist das UrteilGiovanni Papinis, der in seinem Buche Der Teufel ber die Gaukler derGedanken sagt: Wir wissen, dass die Dummheit der tiefgrndigen

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    Philosophen so ungeheuer ist, dass sie nur von der unendlichenBarmherzigkeit Gottes bertroffen wird. Der Spott trifft natrlich nur diefalschen Philosophen, die mit der gnadenlosen Mechanik ihrer routinierten

    Denkspiele zur allgemeinen Gemtserkaltung beigetragen haben.Christus hat dem innerlichen Wahrheitssucher, der hungert unddrstet nach Erkenntnis, sogar das Himmelreich verheien. Also msstedie Philosophie den Menschen doch erlsen helfen! Knnen wir das etwavon der Moderichtung unserer Zeit, dem Existentialismus verschiedensterPrgung, behaupten? Richtig eingeordnet in ein christliches Weltbildknnen wohl befruchtende Ideen von ihm ausgehen. Ja, er greift sogarProbleme auf, die als sog. Grenzsituationen uns allen sehr hautnah sind.

    Mit Recht aber hat Ernst Benz, der Marburger Religionsphilosoph, auchschwerwiegende Einwnde vorgebracht. In seinem Buche Schpfungs-glaube und Endzeiterwartung lesen wir: Die existentialistische Haltunghat sich in die Abgrnde der eigenen Existenz vergafft und zum Studiumder Verwesungserscheinungen der Kultur mikroskopische Methoden derAnalyse entwickelt. Es ist eine negative Betrachtung des Daseins voll bedenklicher Halbwahrheiten. Gerade jene Erfahrungen der Seele, die mitdem Sndenfall zusammenhngen, wie Angst, Leiden, Tod und Nichts,werden berdimensioniert herausgehoben. Von Gottes ursprnglicherLichtwelt und ihrem Gnadenangebote ist nur noch selten die Rede.

    Selbst christliche Existentialisten, wie Karl Jaspers, die immerhin vonhoher Ethik getragen werden, begngen sich in ihrem Weltbild mitGrenzmarkierungen des bloen Denkens. Eine wirkliche Erlsung alsDaseinserhellung im metaphysischreligisen Sinne kommt dabei nichtzustande. Daher rhrt es, dass das Verstndnis fr die Gottheit Jesu Christiauch bei Jaspers meilenfern bleibt. Was man mit Worten fixiert und inseinem geistigen Kern aufbrechen mchte, wird nur von der niederenEbene des Intellektualbewusstseins aus gedeutet. Dessen Omnipotenz istso gro geworden, dass der Schleier der Maja ein immer dichteres Gewebespinnt.

    Dem ungesunden Zustand qualvollen Ausgeschlossenseins aus wahrerErkenntnis entspricht auch hufig genug die Verballhornung undVerknstelung der Sprache. Hier steht das Wort nicht mehr in seinerursprnglichen Logosbedeutung als lebendig-schpferisches Geistgef,vielmehr dient es nur noch als Gehksel fr ein zweckbestimmtes Denken,

    das tief in den Labyrinthen der Ausweglosigkeit herumirrt. Ist es nicht eingetreues Spiegelbild unserer Zeit, die mit dem Unterweltlich- Aus-weglosen nicht nur kokettiert, sondern geradezu Prostitution treibt?

    Es ist nicht Wahrheit des Lebens, sondern nur Modernitt, was in der

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    Dichtung Jean Paul Sartres oder Franz Kafkas zum Ausdruck kommt. Hierdas dialektische Gebrdenspiel als existentialistische Pose, dort dieManieriertheit schizophrenen Irreseins. Von alledem bleibt als Bodensatz

    nur schwrzeste Melancholie. Die Verzerrung der ganzen Wahrheit insEinseitig-Negative ist im Grunde der grte Selbstbetrug, den die Mensch-heit sich je geleistet hat. Fast hat man den Eindruck, als wrfe sich unsereZeit mit einer Art von Wollust in den aufgesperrten Hllenrachen; selbstdas Schamgefhl ist dabei in alle Winde davongewirbelt. Gefhrdet sind besonders die Knstler. Durch Intuition und Medialitt der traumhaft-unterbewussten Triebwelt am strksten ausgeliefert, sind sie willige und blinde Werkzeuge Satans geworden. Dessen kalter Intellekt, der wie ein

    schimmernder Eisberg aus den Fluten des Chaos emporragt, wendet alleMittel an, um auch die Seele zu atomisieren. Beinahe ist man schon stolzdarauf, so natur- und gottferne wie mglich zu sein. Es gilt in der Literaturheute als schlechtes Stilmittel (nach einem Wort von G. Benn), das WortGott noch in den Mund zu nehmen. Erstaunlich ist nur, dass selbst gewisseTheologen die gleiche Tendenz verfolgen und diese religise Perversionals intellektuelle Redlichkeit moralisch rechtfertigen mchten. In dieserseltsamen Dialektik wird eine unmittelbare Erfahrung von Gott vonvorneherein als unwahrscheinlich ausgeschlossen und beinahe als Lgegebrandmarkt. Man kennt eben die Herzensbeziehung zum Vater nichtmehr!

    Ist es nicht vor diesen dsteren Horizonten fr die Krfte des Guten ander Zeit, sich fester zu formieren und ihrer erlsenden Macht bewusst zuwerden?

    Das Licht der Wahrheit geht allerdings von dort nicht aus, woverweltlichtes Philosophieren zum Religionsersatz wurde. Nicht einmaldie Phnomenologie mit ihrem Streben nach Wesensschau, das somystisch-gnostisch anmutet, kann uns aus der verfahrenen Situation retten.Mit wie viel Hebeln und Schrauben einer vermechanisiertenDenkschablone, deren gewaltige Anstrengung sich gar nicht lohnt, wirdhier das Heil gesucht! Die umstndliche Regie begrifflicher Apparaturenkann hchstens einen Deus ex machina auf die Bhne zaubern.

    Sehr stark ist die Sehnsucht gerade unter den Besten nach einerPhilosophia perennis mit ewig gltigen Normen. Wieder bietet sich dieScholastik an; doch ihre Metaphysik und Logik ist allzu erstarrt im

    Systemedenken des Aristoteles. Platon steht da viel ursprungsnher;ebenso Pythagoras und Empedokles, der groe Weise Heraklit und, frunsere Zeit, auch die Inder. Doch das alles sind schlielich Heiden, vordenen die christliche Mystik und Gnosis die Flle der Wahrheit

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    voraushat. Methodisch aber knnen wir doch von ihnen lernen, wie dasunfruchtbare Denken der heutigen Philosophie zurckgeleitet werden kannzur wahren Religio. Da ist es ein groes Glck, dass in unserem

    vlkerverbindenden Zeitalter globaler Religionserfahrung der Inder SriAurobindo mit seinem integralen Yoga ein passendes Stichwort gab.Einbeziehung des ganzen Menschen mit allen Tiefenschichten der Seele inein supramentales Bewusstsein kennzeichnet seine Methode. Sie fhrtzum neuen Menschen, zum bermenschen, der in sich selbst die Wahrheitist als ein Ebenbild des personifizierten Gottheitwesens. Wie nahe demChristentum in seiner ursprnglichen Gestalt, wie es die Gnostikerdemonstrierten, steht diese Wegweisung Sri Aurobindos!

    Die unentdeckten Kontinente im inneren Raum der Seele, vor allemnatrlich die Knigreiche der hheren Seele, sind der Sonne der Wahrheitnher als der rationale Verbannungsort unseres Oberflchenbewusstseins.Darum gilt es, gleich Parsifal, in ritterlichem Dienste einer hherenWahrheit sich zu wappnen. Fort mit aller Philosophie, die allein amichhaften Denken klammert und die Verwandlung nicht kennt in denhheren Seinszustand! Das Herz muss sich auftun, damit wir Licht emp-fangen knnen!

    Das H erz ist dasjeni ge Organ, das mi t den Quellen des Lebens direkteVerbindung hlt. In ihm allein ist, wie Goethe sagt, Vernunft alsHimmelslicht wirksam, denn es ist durch sein Lauschen und innerlichesErtasten auf Vernommenes abgestimmt.I n das H erz sendet Gott dieLichtstrahlen seiner Wahrheit, die die einzige Wirkl ichkeit i st als desinneren M enschen Wirkbereich . Aufgabe des Intellekts ist es, dieHimmelsfackel der Wahrheit, die das Herz dem Hirn nur weiterreicht, in praktische Anwendung zu bringen.

    Immer schon kannte das zarte Fhlen des Herzens eine andere

    Wirklichkeit als der Nur-Verstand. Es ist die absolute Wirklichkeit desLebens gegenber der relativen des Todes. In die Wahrheit des Herzens istauch die Schnheit mit eingeschlossen, wie Kunst und Dichtung beweisen.Der sezierende Verstand dagegen wirkt auflsend und entstellend. Einezerpflckte Blume kann man nicht mehr als schn und noch weniger alslebendig bezeichnen.

    Die H erzenserkenntnis allein fhr t schl ielich auch zur Weisheit.Denn diese ist ein Wissen um das Gesamt des Lebens, eine richtig

    proportionierte Haltung zu allen Daseinsbezgen. Nur der Erleuchteteist ein Weiser, denn das innere Licht hat in ihm gleichsam ein Augeaufgeschlagen, um alles so zu schauen, wie Gott es selber sieht. Unddieser ist nichts als Licht. So kommt es auch, dass das Herz des Menschen

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    die ganze Schpfung in sich schliet, weil im Herzen als dem innerstenBewusstseinszentrum der Anknpfungspunkt ist vom Unten zum Oben,von der materiellen Welt zur seelisch-geistigen hin.I m H erzen ist auch

    der Sitz des Gottes-I chs.Jakob Lorber, der Schreibknecht Gottes, gab uns eine groe Lehre,als er uns ber die Geheimnisse des Herzens aufklrte. Da hren wir, dassdas Ultimum moriens, von dem die Wissenschaft spricht, auch sonst dieallergrte Bedeutung hat. Es ist nicht nur die einzige Stelle nahe derMitte des Herzens, deren Verletzung unfehlbar zum Tode fhrt, sondernhier hat auch der Leibesorganismus des Menschen seinen Lebensnerv:Ein winziges Klmpchen, von dem aus der ganze andere Leib belebt

    wird. Es zieht den Lebensther aus dem Blute und der eingeatmeten Luftderart an sich, dass sie zunchst selbst beraus lebensttig bleiben undsodann diese Regsamkeit dem gesamten Organismus mitteilen, wodurchder ganze Leib auf geeignetem Wege belebt wird.

    Noch wichtiger in ihrer Bedeutung fr das geistig-seelische Leben desMenschen sind zwei andere Stellen des Herzens. Bei Lorber werden sie alsdas linke und rechte Herzkmmerlein unterschieden. Sie entsprechen den beiden groen Blutkammern. Fr das Menschenauge sind sie kaum alskleinste Punkte sichtbar. Und dennoch bedingen sie durch ihre Einrichtungallein das Leben des Herzens und damit auch das gesamte Leben des Lei- bes. Das erste positive und wichtigste Kmmerlein entspricht dem,was des Geistes und seines Lebens ist. Es gibt dasselbe an das zweitenegative Kmmerlein weiter, das mit dem materiellen Krper dieVerbindung hlt. ber das positive Herzkmmerlein, in das alles Lebenaus der feinstofflichen Welt hineinfliet, sagt der Herr bei Jakob Lorberfolgendes aus: Es ist wohl das unansehnlichste Partikelchen des ganzenLeibes. Es wird von den Menschen, denen es doch das Leben schafft undgibt, gar nicht erkannt und bleibt daher unbeachtet.Und doch muss ein

    jeder M ensch, der sich selbst und Gott wahrhaft erkennen wi ll, geistig indieses unscheinbare H erzkmmerlein durch Demut und F gsamkeiteingehen und das aus ihm empfangene Leben geistig wiederzurckgeben. Tut ein M ensch solches, so erweitert er das Lebens- kmmerl ein und erleuchtet es durch und dur ch. Damit wird das ganzeH erz und vom H erzen aus der ganze M ensch geistig neu belebt underkennt Gott in sich. Denn er vermag nun zu erschauen, wie das Leben in

    diesem Herzkmmerlein aus Gott einfliet und sich hier sammelnd zueinem freien, selbstndigen Leben ausbildet. In diesem Kmmerlein wirktsomit der eigentliche Geist aus Gott.Geht die M enschenseele dur chDemut und L iebe in dieses Kmmerlein zur ewigen Gottesliebe ein, so

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    erreicht sie die Wiedergebur t der Seele im Geiste aus Gott, was denM enschen erst zum Ebenbilde des Schpfers macht.

    lteste indische Lehren wissen davon, dass dieses geist-seelische

    Herzorgan des Menschen, Anahata-Chakra genannt, grte mystischeBedeutung hat. Meditationen, die darauf gerichtet sind, gehren zu denwirksamsten berhaupt; bewirken sie doch ein Strahlungsphnomen, das,immer strker in sich wahrgenommen, die rosafarbene Grotte bildet, in derdas Gottes-Ich des Menschen seine Heilandsgeburt vollziehen kann. Einkleines Kind wchst in uns heran, ein himmlisch begnadetes Christus-wesen, das seinen Leuchtkreis auf alles ausdehnt, was wir meditierend ihmzu Fen legen. Erst wenn er uns ganz beherrscht, dieser gttliche

    Lichtmensch im Herzen, wie Jakob Lorber ihn nennt, werden wir durchihn auch in alle Wahrheit eingefhrt. Unser schauendes Herzensauge decktsich mit seinem Geistesauge, wenn der therisch-astrale Mensch in uns mitden ihm gegebenen Sinnesorganen ganz mit ihm eins geworden. Es ist derWeg der Gnade, der nach oben in das Licht fhrt, das seine Pforte imHerzen hat.

    Freilich mssen wir dem keimhaft sich entfaltenden Christuswesen diegrtnerische Pflege schenken. Dieser Akt der Herzensreinigung ist diewichtigste Vorbedingung fr die Erleuchtung. Selig sind, die reinenHerzens sind, denn sie werden Gott anschauen, sagt der Heiland. Nebendem Freiwerden von Nichtwissen gehrt die Purgatio (gr. Katharsis) zurersten Stufe der christlichen Einweihung.

    Was sich im Herzen beim Vorgang der Reinigung vollzieht, sei inAndeutungen kurz geschildert: Der therische Mensch in uns, auch derelementalische genannt, ist so fest mit dem physischen verbunden, dasssein Herz sich mit dem physischen deckt. Das gleiche gilt fr den astralenoder siderischen Menschen.Gelingt es uns, unser Bewusstsein ganzauf Gott zu konzentrieren, was durch Herzensreinigung undM editationsbungen mglich ist, dann wird auch das innereH erzensauge sich ffnen. Vier Bltenbltter (oder Rosen) entfalten sichrings um das Herzzentrum. Sie sind wie kleine Sonnen und als solche einSpiegelbild der groen Sonne im therreich. Wenn sie als Strahlungs-zentren wirksam werden, schauen wir durch sie in die obere Stufe des sog.Elementenmeeres hinein, das voller Licht ist. Eine neue Wirklichkeit tutsich uns auf, eine Welt der zartesten Farben und Bilder. Beweglichkeit

    (Agilitas) und Durchdringlichkeit (Subtilitas) sind ihre Haupt-eigenschaften. Dieser neugeoffenbarte therkosmos lsst sein Leben auchin die materielle Welt einstrmen. Wie leise zugeflsterte Farbentnekommt die subtile Kraft zu uns auf die erdseitige Daseinssphre. Als Licht

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    und Wrme der Sonne ist sie schlielich physisch wahrnehmbar. DieWunder der Pflanzenwelt entstehen daraus; die kleinen farbigen Sonnender Blten als Spiegel der mchtigen Sonne am Himmel. So ist auch die

    therische Sonne der groe Spiegel, der im Kosmos alles in seinemBrennpunkt vereint, um es dann, mit der eigenen Sonnenkraft belebt,wiederum in die Umwelt auszustrahlen. Ebenso wird auch dieHerzensblte zunchst in das Zentrum jener Sonne hineingezogen, wo siesich mit derselben einigt. Das elementalische Herz strebt dieser Einigungzu und fhlt sich dadurch wie ber sich selbst hinausgehoben, befreit vonden Fesseln der Einsamkeit, vereint mit allen Wesen, allen Mitgeschpfender elementalischen Welt im Herzen der Sonne. (Intermediarius)

    Das therische Leben durchdringt und umringt auch alles materielleund gerade der scheinbar leere Raum ist ganz davon erfllt. In ihm ist dieeigentliche paradiesische Gestaltenflle. Fr Hlderlin, der das Fest desLebens mythisch feiern wollte, war es der heilige ther. Ein neuesWunder vollzieht sich fr den Mystiker im Herzen, wenn er in die nochhhere, lichtere astral-siderische Zone mit seinem Bewusstsein erwacht.Von dem in sich aufgegangenen und zum Blhen gekommenen Herzen ...steigt aus der zentralen Blte geheimnisvoll der leuchtende Strahl empor,der sich zum Leben des werdenden Baumes gestaltet (Interm.) Er ist wieein Spross des groen makrokosmischen Lebensbaumes und mit diesemauf das innigste verwachsen.

    Dem inneren Bewusstseinsleben des Menschen aber werden sich immermehr Wesen und Welten offenbaren, die alle zum Kosmos gehren und indiesem leben, wenn auch nicht in grob-physischer Gestalt. Die gttlichenEngelsboten und die Diener des Widersachers, unendlich mchtiger undgrer als der Mensch selber, wird er erblicken und whrend seines bewussten Aufstieges in die hheren kosmischen Regionen kennen lernen.Dabei wird es dem Menschen auch nicht erspart bleiben, die Frchte desGuten und die des Bsen zu erblicken, auf dass er selbst aus freier Wahlden richtigen Weg erkenne und ihm folge bei seiner Pilgerfahrt durch denKosmos.

    Wenn das innere Bewusstseinszentrum im Herzen des Menschenerwacht und sich auf richtige Weise in diese hheren kosmischenRegionen einlebt, so dass es gegenber den verschiedenen Wesen, denenes dort entgegentreten wird, die richtige Stellung einzunehmen vermag,

    dann wird das positive Bild des Kosmos dem Menschen als das Abbild desArchums erscheinen und die negative Schattenseite des Kosmos wirdzurcktreten. Der siderische Lebensbaum wird dann von dem Lichte, demKlingen und dem Lebenshauch, die aus den himmlischen Reichen in den

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    Kosmos einstrmen, umgeben sein.Whrend die therisch-elementalische Welt ihren Ausdruck im

    Leuchten als ein Leben in Farben hat, kommt aus der astral-siderischen

    Region vor allem der Klang zu uns. Die Sphrenharmonie wird in ihrhrbar. Die elementalischen Farben sind leuchtender, schillernder,durchsichtiger und zarter nuanciert als unsere physischen Farben. Dasmacht ihren ungeheuren Reiz und Zauber aus. Schon darin ist fr denErlebenden eine Himmelsseligkeit enthalten. Bei Intermediarius lesen wir:Die kosmische Forma Elementalis enthlt das Abbild der sieben Farbenin den groen Planetensphren ihrer oberen Hlfte, die ber dasElementenmeer hinausragt... In diesen sieben Planetensphren bildet sich

    das Licht des siebenfarbigen Regenbogens des Archums ab, jenesReiches, das berkosmisch ist und das reine, ungetrbte Urbild desursprnglichen Kosmos darstellt.

    Wenn der Mensch sich in seiner therisch-elementalischen Hlle bewusst erlebt und dort die entsprechende Denkkraft anwendet, erlangt erschon auf dieser Stufe ein kosmisches Bewusstsein, das sich jedocherweitern kann ins Oberkosmische, sobald der Christus sich ihm offenbart,der Lichtmensch im Herzen. Dann kann von jedem Menschen gesagtwerden, dass sein Antlitz wie eine Sonne leuchtet. ber der zentralenLichtquelle des Herzens erhebt sich im hchsten Erleuchtungszustandeeine nach oben geffnete Lichtschale, die in siebenfacher Farbenbildung indie Regionen des Kosmos hinausleuchtet. Die Gewalt und Erhabenheitihrer bersinnlichen Erlebnisse machen die Mystiker manchmal blind undtaub fr das uere Leben auf Erden. Fr den ungeluterten Eindringlingin die jenseitige Welt gibt es allerdings auch viele Gefahren. Darum ist esberaus wichtig, sich im Herzen mit Christus und seiner Engelswelt zuverbinden. Vom Herzen allein ist es abhngig, ob der Mensch ein bewusstes und richtiges Erleben der therisch-elementalischen und astral-siderischen Welt erreicht, oder ob der Strom des Lebens in dasunterbewusste Gebiet seiner niederen Natur hinabfliet, weil sich das Herzund damit auch das Bewusstsein der elementalischen Lichtwelt nichterffnet haben! (Interm.)

    Gar vieles liee sich noch sagen ber die Wunderwelt des Herzens, dasauch das Willenszentrum des Menschen ist, von dem all sein Fhlen undLieben ausgeht. In Bezug auf das Denken aber ist es wohl ganz klar

    geworden, dass es keine wahre Erkenntnis, kein rechtes Schlsseziehenund keine wirksame Begriffsbildung geben kann, ohne dass das Herz unserst die Lichtwelt Gottes erschlossen hat. Anders leben wir in einemSchattenreich der blassesten Abstraktionen, wobei das Hirndenken als eine

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    Nebenstelle des Herzensdenkens sich ganz von letzterem abtrennt und derMajawelt der ueren Sinneserscheinungen verfallen bleibt. Ein solchesDenken widerspricht dem innersten Wesen des Menschen und ist darum

    seiner zutiefst unwrdig.Im Altertum gibt vor allem Sokrates, nach seinen eigenen Wortenangewiesen vom delphischen Gotte Apoll, das Beispiel eines wirklichenHerzdenkers. Der Stimme seines Daimonions gehorsam, die mehr ist als bloes moralisches Gewissen, nmlich ein Mitdenken der GedankenGottes, hielt er seine Schler dazu an, in geistig durchleuchteterBegriffsbildung die Wahrheit zu erforschen. Fr ihn war sie auch dasReich der Glckseligkeiten, also ein Erlsungszustand. Aber nur durch das

    Gnothi seauton (Erkenne dich selbst!) konnte man zu ihm gelangen. Eswaren Anstrengungen notwendig, besonders ein sittlicher Lebenswandel,wie Sokrates vor allem lehrte. So predigte er Weltentsagung und eingewisses Ma von Askese; doch nicht mit dem eitlen Aushang desZurschautragens wie die Kyniker, die ihre Bedrfnislosigkeit vor allerAugen zu demonstrieren wussten.

    Der M ensch ist Gott am nchsten, der die wenigsten Bedrfnissehat , lehrt Sokrates. Wir erkennen in dieser Grundeinstellung das Erbe derOrphiker und Pythagorer. Strenge Leitstze wurden von diesenaufgestellt, um Einweihung zu ermglichen. Nur in Reformkreisen oderKlstern pflegt man heute noch diese Art der Lebensfhrung, die docherlsen helfen mchte. Verbot des Fleisches, der Eier, der Bohnen usw.gehrte dazu. Vor allem aber Enthaltsamkeit in geschlechtlichen Dingen.Abstinenz in allem, was leiblich und seelisch schaden kann, empfiehltauch der Herr bei Jakob Lorber. Zu Alkohol und Nikotin knnten wirheute noch viele Gifte hinzufgen, denen die Menschheit verfallen ist. BeiJakob Lorber allerdings warnt der Herr vor bertriebener Askese, wie einstauch Meister Eckehart den Mystiker Heinrich Seuse. Da heit es zumBeispiel im Gr. Ev. Joh. 1. Bd.: Es gibt Menschen, die durch eine gewisseKasteiung ihres Leibes in die Welt der Geister eindringen wollen, um dannmit deren Hilfe die Krfte der Natur zu bezwingen; das ist dann nicht nurzu nichts ntze der Seele, sondern ber die Maen schdlich. Da fllt dieSeele dann als notreife Frucht vom Baum des Lebens, deren Lebenskernallzeit faul, hohl, taub und damit tot ist. Eine derartige Kasteiung undFasten ist darum nicht nur keine Tugend, sondern eine beraus grobe

    Snde.ber die Heiligung des Menschen findet sich im selben Werk Bd. 8 diefolgende Stelle: Fort mit Sack und Asche, fort mit Kasteien.., aber dafrherbei mit dem festen und unbeugsamen Willen zur wahren inneren

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    Lebensbesserung! Herbei mit der lebendigen Liebe zu Gott und zum Nchsten und herbei mit dem vollen Glauben an Gott und seineMenschwerdung in Mir; denn nur das heiligt den Menschen. An einer an-

    deren Stelle lesen wir: Ihr knnt wohl Meine Jnger werden, aber nichtso leicht, wie ihr das meint!Wer nmlich M ein Jnger werden wi ll, dermuss mit der ganzen Welt brechen und darf nicht auf ihre Lockungensehen; denn alle Welt ist ein bestndiges Gericht und ein fortwhrenderTod. (Gr. Ev. Joh. Bd. 6) Mit allen frheren Schwchen, Gewohnheiten,Gelsten und argen Leidenschaften soll der Mensch gnzlich brechendurch einen grndlichen Umschwung seines Willens.

    Was ntzt nun der Seele die Klarheit in den Dingen des Geistes, so sie

    sich nicht selbst verleugnet und vollernstlich die Wege betreten will, aufdenen sie zur vollen Einung mit Meinem Geiste in ihr gelangen knnte?!Dieser Weg der Selbstverleugnung, wie ihn auch Johannes mit seinem

    Metanoeite nicht nur predigte, sondern auch vorlebte, fhrt zurErkenntnis der ganzen Wahrheit. Nur der Mensch, der durch seinenenergischen lichtvollen Erkenntniswillen den weltlichen Genusssuchts-willen gnzlich besiegt hat und also im Lichte und in aller Wahrheit insich eins geworden ist, ist dadurch ganz Licht und Wahrheit und damitauch das Leben selbst.

    Zu einem seiner Jnger sagt der Herr: Ermanne dich und wende abdein lsternes Auge von dem, was an und fr sich nichts ist!Kehre dafrin dein I nnerstes, in M ich, dein wahres Sein und ewiges Leben zur ck ,da wirst du nicht nur die tote uerste Rinde der Dinge und Wesenschauen und erkennen, sondern auch vorzglich das, was in ihnen wirkt,und wie und warum und zu welchem Endzwecke!

    Voraussetzung also fr alles Erkennen ist dieses Absterben desniederen Ichs. Bei Goethe ist es in die Verse gekleidet: Aber wenn dudies nicht hast, dieses Stirb und Werde, bist du nur ein trber Gast auf derdunklen Erde! Der Herr hat bei Jakob Lorber einen bedeutsamen Hinweisgegeben, den wir nicht bersehen drfen: Es wird oft so manchem garnicht vieles fehlen von der vollen Inbesitznahme des Gottesreiches inseiner Seele, und dennoch wird er es nicht einnehmen, weil er sich zuwenig prft und nicht acht darauf hat, was noch Irdisches an ihm klebt.Dazu passt die von der Bibel her bekannte Forderung, das Reich Gottesmit Gewalt zu erobern. Ein paar schlichte Ratschlge fgt der Herr bei

    Jakob Lorber hinzu: Ich sage es euch:Der M ensch bedarf zum Lebenauf dieser Er de gar nicht viel; aber des Menschen Hoffart, seine Trgheit,sein Hochmut, seine Selbstsucht und Herrschlust brauchen unbeschreibbarvieles und sind dennoch nie befriedigt

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    Woll t ihr M enschen wahrhaft glcklich leben, dann bleibt bei eureralten Ei nfachheit! Erstens kostet diese euch wenig Mhe und Arbeit; undzweitens habt ihr nur ganz geringe natrliche Bedrfnisse, die ihr leicht

    deckt. Eine zu groe Verbesserung in irdischen Dingen ist stets eine wahreund dauernde Verschlimmerung im Geistigen, das der Mensch mit allenKrften seines Lebens doch nur allein kultivieren soll.

    Wie gut knnen wir die Wegweisung brauchen gerade in unserer Zeitdes Lebensberflusses und Lebensberdrusses! Dem Wahrheitssucherverhelfen sie zur Wahrheitsfindung, die stets ein innerer Vorgang derWiedergeburt im Geiste ist.

    (Quelle: Christliche Einweihung, Turm-Verlag)

    Wie der Heiland heilt

    Ich bin ein Heiland; wie, fragen sich die toten und daher stockblindenMenschen, kann Mir doch solches mglich sein?

    Und Ich sage es euch, dass Ich keines Menschen Fleisch heile, sondernwo irgendeine Seele noch nicht zu mchtig mit ihrem Fleische vermengtist, mache Ich nur die Seele frei und erwecke, insoweit es sich tun lsst,den in der Seele begrabenen Geist. Dieser strkt dann sogleich die Seele,die frei wird, und es ist ihr dann ein leichtes, alle Gebrechen des Fleischesin einem Moment in die normale Ordnung zu setzen.

    Das nennt man dann eine Wunderheilung, whrend das doch dieallerordentlichste und natrlichste Heilung des Fleisches von der Welt ist!Was jemand hat, das kann er auch geben; was er aber nicht hat, das kanner auch nicht geben!

    Wer eine lebendige Seele nach der Ordnung Gottes hat und einen freienGeist in ihr, der kann auch seines Bruders Seele frei machen, wenn sienoch nicht zu sehr inkarniert (verfleischlicht) ist, und diese hilft dann garleicht ihrem kranken Fleischleibe. So aber der Seelenarzt selbst eineberaus kranke Seele hat, die viel mehr tot denn lebendig ist, wie sollte der

    hernach einer zweiten Seele geben, was ihm selbst gnzlich mangelt?!(GEJ.3; 12,8-10)

    Wie der Heiland heilt

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    Die Forderung nach Vergebung und SelbstannahmeJrg Mller

    Wenn ihr den Menschen ihre Verfehlungen vergebt, dann wird euer himmlischerVater auch euch vergeben. Wenn ihr aber den Menschen nicht vergebt, dann wird

    euch euer Vater eure Verfehlungen auch nicht vergeben.(Mt 6,14 - 15) Eine Heilung kann trotz eifrigen Betens und regelmi-

    ger Medikamenteneinnahme verzgert, wenn nicht sogarverhindert werden, wenn der Betreffende nicht bereit ist,seinen Feinden und all den unliebsamen Zeitgenossen, dieihn verletzen, zu vergeben. Dabei erfolgt diese Vergebung

    auf einer dreifachen Stufe: Zunchst akzeptiere ich bei mirselbst Fehler und bereue sie aufrichtig. Vieles geschieht jaweniger aus boshafter Planung, sondern einfach ausOberflchlichkeit, Gedankenlosigkeit, verletztem Stolz, aus jhzornigem Rachegefhl, aus Rechthaberei. Doch vermag die Summesolcher Verhaltensweisen viel Bses anzurichten; sie vergiftet unserezwischenmenschlichen Beziehungen ebenso wie unsere Beziehung zu Gottund zu mir selbst. Habe ich vor mir selbst das Bekenntnis meiner Fehlerabgelegt, wird eine natrliche Trauer entstehen, die mein Innerstes freimacht von Groll und Ressentiments meinem Nchsten gegenber. Sokomme ich nun zur zweiten Stufe: Ich vergebe die verletzendenReaktionen und Handlungen meines Nchsten. Indem ich versuche, seinemglichen Motive zu hinterfragen, mich in seine verborgenen ngstehineinzuversetzen, gelingt es mir leichter, zu verstehen. Es kommt seltenvor, dass ein Mensch aus reiner Bosheit Verletzungen zufgt; vielmehrwar er schon von mir verletzt worden. Mglicherweise war ich es sogarselbst, der ihn beleidigt, verachtet, verleumdet hat. Hinter seinenReaktionen steckt stets ein Motiv, an dessen Entstehung ich selbst oder einanderer beteiligt war.

    Herr N. ist schon seit einem Jahr in meiner Behandlung. Er leidet untereiner vegetativen Dystonie, also unter allen mglichen krperlichenBeschwerden ohne sichtbaren organischen Befund: Migrne,Magenschmerzen, Schlafstrungen, Bluthochdruck, Herzstechen. Es ist einweitverbreitetes Sammelsurium von psychosomatischen Symptomen,deren Hauptursache sein Unvermgen ist, seiner vorgesetzten Behrde zu

    verzeihen. Diese hat ihn in seiner berflligen Befrderung geschnitten,stndig mit Schreibtischarbeiten berhuft und so abgedrngt von seineneigentlichen Zielen. Das behauptet Herr N. jedenfalls. Auerdem qult ersich herum mit dem fr ihn unertrglichen Umstand, dass er die Prfung

    Die Forderung nach Vergebung und Selbstannahme

    Dr. Jrg MllerPallottiner und

    klinischer Psychologe

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    fr die obere Verwaltungslaufbahn nicht bestanden hatte. Er fhlt sichabgelehnt, schwach, zu Unrecht behandelt; weint sehr hufig und grbeltTag und Nacht ber seine vermieste Existenz. Selbstablehnung,

    vermeintliche oder wirkliche Ablehnung durch andere sowie wtendeOhnmacht prgen seine gesamte Denkweise. Er versichert mir in allenGesprchen, dass er ein tiefglubiger Christ sei und tglich bete und aufGott vertraue. Zutiefst aber glaubt er nicht an eine Besserung seiner Lage;nach dem Beten ist er jedes Mal zerschlagen und verfllt dann in einedepressive Stimmung. Dass er die Prfung nicht bestanden hatte vorJahren, kann er sich nicht verzeihen. Dass man ihn so widerwrtig behandelt, wie er sich ausdrckt, hindert ihn an jeder Vergebung. Nie hat

    sich Herr N. gefragt, inwieweit er denn selbst an seiner Situation Schuldhat und durch seine verdrngten Ressentiments die Kollegen abschreckt.Erst als sein Hausarzt in Gesprchen mit einigen Kollegen des Patientenmehr erfuhr, wurde klar, wie sehr Herr N. durch seine weinerliche, depres-sive Art im Bro abschreckte. Sein Sthnen ber dies und jenes machte ihnallmhlich ungeniebar. Er erweckte allenfalls Mitleid, nie aber denEindruck, dass er den Anforderungen in seinem Beruf gewachsen ist.

    Inzwischen ist es dem Arzt und mir gelungen, Herrn N. zu einerrelativen Einsicht zu gewinnen und die verstopfte Kommunikationsleitungzu seinen Kollegen freizumachen. Prompt stellte sich auch eine kleineBesserung seines Gesundheitszustandes ein; doch wird er noch lange Zeit bentigen, mit sich und Gott zurechtzukommen.

    Denn die dritte Stufe der Vergebung hat er noch nicht erreicht: DieVergebung Gott gegenber, der dies alles zulsst und scheinbar nichtgewillt ist, die Lage zu ndern. Es ist der (meist verdrngte)Groll gegenGott, der eine endgltige H eilung blockiert. Nicht als ob Gott beleidigtwre und sich nun rchen wrde! Gott ist nicht ein Wesen mit den unseigenen Unarten der Rachsucht und Spekulation. Ein solcher Gott wrelediglich die Projektion unserer eigenen Fehler, die wir logischerweiseablehnen - und damit auch Gott. Wir mssen Vergebung lernen. Das istnicht eine emotionale Angelegenheit, sondern eine willentlicheEntscheidung. Ich muss deshalb meine Feinde nicht gleich umarmen,obgleich ich es mit Leichtigkeit tte in dem Augenblick, in dem mir klarwrde, welches Leid der Betreffende ber sich selbst bringt, welcheseelische Not und Angst hinter seinem aggressiven Verhalten steckt.

    Natrlich knnen wir unvernnftig und ohne Verantwortung leben:schmollend, gekrnkt, nach Rache sinnend, das Leben negativ deutend,uns selbst (und damit automatisch auch unseren Schpfer) ablehnend. Wirknnen die Liebe verweigern. Die Konsequenzen aber sind verhngnisvoll:

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    vegetative Verkrampfungen, Hass und partnerschaftliche Disharmonie.Schlielich zeichnen sich diese negativen Empfindungen in unserenGesichtszgen ab.Auf Dauer spiegeln sich unsere wirkl ichen Gefhle in

    Mimik und Sprache wider. Ich behaupte aus eigener Erfahrung undaufgrund von Erfahrungen vieler meiner Patienten, dass es mglich ist,Gott ebenso zu lieben wie einen Menschen. Und zwar von Herzen. Dies istnur dem mglich, der eine stndige, intensive Verbindung mit Gottaufrechterhlt und sich ihm ausliefert.

    Wir mssen lernen, unser wirkliches Selbst zu lieben, nicht unser Ideal-Selbst, also ein Wunschbild, dem wir nie gerecht werden knnen. DerMensch hat ein Leben lang hundert Mglichkeiten, ber sich

    hinauszuwachsen und somit zur Selbst-Verwirklichung zu gelangen. Ichsehe deutlich meine Grenzen und ich nehme Niederlagen hin, auchDemtigungen. Aber ich stehe immer wieder auf, werde kmpfen und vonGott nicht loslassen, auch wenn er mich loszulassen scheint.

    Wenn einer glaubt, er sei ein geborener Versager, dann wi rd er diesin al len seinen H andlungen ausdrcken. Er programmiert sich gemseinem Glauben, denn einem jeden geschehe so, wie er glaubt(Mt 9,2.9). Sein destruktives Denken ist im Grunde eine Beleidigung Gottes; dochGott kann alles verantworten und wird ihn nicht fallenlassen, wenn sichdieser Mensch an ihn wendet.

    Jesus hatte nach menschlichen Gesichtspunkten versagt. Und dennochist er seinen Weg gegangen, dessen Ausgang ihm klar war. Er resigniertenicht; er lieferte sich total dem Willen seines Vaters aus und gewannschlielich alles. Da seine Ziele stets ber den Tod hinausgingen, stolperteer auch nicht in diesem Leben. Das heit:Unser Ziel muss ber dasirdische Leben hinausgehen, sonst fallen wi r in ein depressives Loch.

    Was macht ein Mensch, der seine Ziele allesamt erreicht hat? DerEigenheim, Wagen, Weltreise, Ruhm erreicht hat? Das Genieen allein bringt irgendwann die Langeweile mit sich. Er wird wunschlosunglcklich. Der Rost nagt an ihm. Seine Hlle besteht darin, dass er alles bekommt und nichts mehr vor sich sieht, das es zu erobern und erkmpfengilt. Wer sich selbst annimmt, wird bei seelischen Verletzungen zornigwerden. Das darf er.Wer sich ablehnt, wird depressiv, ja selbstmord-gefhrdet oder beraus aggressiv und lebensgefhrlich werden. Zorn,rger, Wut mssen daher ausgesprochen und gezeigt, niemals verdrngt

    werden drfen. Solche Gefhle allein machen nicht schuldig; erst dieFolgen ihrer Verdrngung (ihres Nicht-wahrhaben-Wollens) knnen sichunheilvoll auswirken. Ich muss lernen, meine aggressiven Empfindungenzu erkennen, auszusprechen und in fairer Weise abzubauen, nicht durch

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    Schlge und Angriffe, sondern indem ich sie formuliere und begrnde.Ich bin sehr verrgert ber dein Verhalten. Seit zwei Stunden warte ichauf dich und habe keine Ahnung, wo du bist und was los ist. Ich hatte

    zeitweilig Angst, es sei etwas passiert. Bitte rufe in Zukunft an undinformiere mich, wenn du spter kommst. -Deine Art, wie du mit den Kindern umgehst, macht mich wtend.

    Dass du rger im Bro hattest, kann ich verstehen; aber bitte lass dieKinder da raus! Wir knnen in Ruhe darber sprechen ... -

    Findest du das richtig, dass du seit Wochen fast jeden Abend so sptnach Hause kommst? Ich leide darunter und wei auch jetzt, woher dieseKopfschmerzen kommen. Bitte lass uns darber reden! Ich habe Angst,

    dass sich zwischen uns eine Mauer aufbaut. usw.Die Verdrngung von elementaren Gefhlen des Zorns und derEnttuschung fhr t bei vielen M enschen zu depressiven Erkr ankungen.Hinzu kommen dann massive Schuldgefhle, deren Intensitt in keinemVerhltnis zur Ursache steht. Auerdem kann die Verdrngung desSchuldgefhls zu neuerlichem Zorn fhren und am Ende das Gewissenderart irritieren oder abstumpfen, dass smtliche Wege zur Einsicht seinerFehler und zur Reue verschttet werden. Habe ich erkannt, welchenZusammenhang meine krperlichen Beschwerden, versteckten Gefhleund sozialen Strungen haben, bin ich eher imstande zu sagen: Ichverzeihe dir und mir; niemand ist so gut, dass er nicht Fehler macht; nie-mand ist so schlecht, dass er keine Liebe verdient htte. Also:Zorn,Schmerz, Bitterkeit zu empfinden, ist nicht falsch. Lediglich dieAusdrucksweise kann falsch sein. Manchmal aber ist christlicheVergebung doch nur uerlich; hinter der entgegenkommenden freund-lichen Maske steckt allzu oft verdrngter Hass.

    Ich nenne Jesus meine Gefhle, und zwar alle! Denn die ausbleibendeinnere oder auch krperliche Heilung kann bisweilen darin begrndet sein,dass ich ihm im Gebet nicht alle Wut mitgeteilt habe, weil ich sie nicht inihrer Ganzheit wahrhaben wollte. Warum Gott von uns Gebete fordert undweshalb er sie nicht immer sofort und nicht immer nach unseren Vor-stellungen erhrt, bleibt letztlich ein Geheimnis.

    Dann bitte ich Jesus, dass er meine seelischen Verletzungen heilenmge. Danach bleibe ich ein paar Minuten still in Erwartung seinerAntwort: die Bewusstmachung tiefer liegender und alter, verletzender

    Erinnerungen.In meiner Praxis gehe ich bei glubigen Patienten gelegentlich so vor:Ich sage ihnen, sie sollten sich bildlich Jesus vorstellen, wie er auf siezugeht und sie umarmt, nachdem sie ihre Verletzungen genannt haben.

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    Dann sollen sie alle diejenigen dem Herrn empfehlen, die ihnen jeneseelische Schmerzen zugefgt haben. Jetzt wird Jesus auch dieseMenschen umarmen und somit seine Vergebung aussprechen. Je nach

    psychischer Strung und entsprechend der vorliegenden Situationenndere ich diese Bildvorstellungen. Ich kann behaupten, dass ein solchestherapeutisches Vorgehen bei den meisten Patienten sehr hilfreich ist undmitunter zu einer echten Gotteserfahrung fhrt. Dieser Vorgang gleicht imPrinzip dem katathymen Bilderleben, das ist ein autosuggestives Ent-spannungsverfahren. Ich mchte es Christo-Therapie nennen, so wie esBernard Tyrrell in seinem gleichnamigen Buch ausfhrlich beschriebenhat.

    Es gibt Patienten, die halten jahrelang an der Schuld vergangener Tatenfest und meinen, sie knne nur ber Jahre hinweg vergeben werden. Immerwieder beschwren sie alte Snden herauf, sowohl bei sich selbst als auch bei anderen. Sie suchen nur eine Teilerlsung, da sie auch nur eineTeilvergebung erwarten bzw. geben. Letztlich misstrauen sie Gott, dessenerhobenen Zeigefinger sie stets zu sehen glauben. Hier offenbart sich diemagische, infantile Gottesvorstellung aus frhester Kindheit, die bis zumErwachsenenalter beibehalten wurde. Dorothee Slle schreibt in ihremBuch Politische Theologie: Wer einiges vergibt, anderes aber nicht, dervergibt tatschlich nicht und versagt den neuen Anfang. Ein Satz wie DenEhebruch htte ich ihm verziehen, aber dass er mich belogen hat - da ist esfr mich aus drckt die Unmglichkeit aller Teilvergebung aus. Dieteilweise Vergebung hlt weitere Demtigungen fr den Schuldigen paratund bewahrt die Vorbehalte gegen ihn nur auf, um sie bei passenderGelegenheit neu hervorzuziehen, sie kann keinen neuen Anfang bedeuten.Tatschlich vergibt man nicht dieses oder jenes Fehlverhalten, sondernman vergibt einem Menschen - ohne Aussparung oder Vorbehalte.

    Wir mssen begreifen, dass Gott uns so liebt, wie wir sind - mitsamtunseren Schwachseiten. Im Vertrauen auf seine Liebe stehen wir immerauf, wenn wir gefallen sind und vergeben unseren Mitmenschen nach demgleichen Ma. Es gibt keine Schuld, die nicht vergebbar wre, sofern derGeist der Reue vorhanden ist.

    Ich sage euch, spricht Jesus bei Matthus 12,31, alle Snden werdenvergeben, was immer die Menschen lstern und tun.

    (Jrg Mller - Gott heilt auch dich, J.F. Steinkopf Verlag)

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    Himmel und Hlle im MenschenherzenDas eigentliche wahre Himmelreich Gottes ist fr die wahren Freunde

    Gottes berall, fr die Feinde Gottes aber nirgends; denn fr die ist wiederalles Hlle, wohin du nur immer deine Augen und andern Sinne wendenkannst und magst. Unten und oben ist da gleich. Blicke weder zu denSternen empor denn sie sind Erden wie diese, die du betrittst nochsenke deine Augen zur Erde hinab, denn sie ist gerichtet wie dein Fleisch,das einmal sterben und verwesen muss!Forsche und suche aber dafrfleiig in deinem H erzen; dort wi rst du finden, was du suchst. Denn ineines jeden M enschen H erz ist der lebendige Same gelegt, aus dem dir

    des ewigen Lebens ewiges Morgenr ot erblhen wi rd.Siehe, der Raum, in dem diese Erde schwebt so wie die groe Sonne,der Mond und all die zahllosen Sterne, die fr sich nichts als wiederSonnen und Erden sind, ist unendlich! Mit der Gedanken Schnelligkeitknntest du diese Erde verlassen und in der geradesten Linie in solcherSchnelligkeit forteilen, und so du Ewigkeiten auf Ewigkeiten alsoforteiltest, so wrdest du nach vielen Ewigkeiten des gedankenschnellenFortfluges dennoch nimmer irgendeinem Ende nahe kommen! berall jedoch wrdest du Schpfungen von der seltensten und wunderbarsten Artund Weise treffen, die allenthalben den endlosen Raum erfllen und beleben.

    Dur ch dein H erz wirst du nach dem Tode deines Leibes hinaustretenin den endlosen Gottesraum, und nach der Ar t deines H erzens wir st duihn entweder als H immel oder als H lle antreffen!

    Denn es gibt nirgends einen eigens geschaffenen Himmel, nochirgendeine eigens geschaffene Hlle, sondern alles das kommt aus demHerzen des Menschen; undso bereitet sich ein j eder M ensch im H erzen,

    je nachdem er Gutes tut oder Bses, entweder den H immel oder dieH lle, und wie er glaubt, will und handelt, also wird er auch seinesGlaubens leben, aus dem heraus sein Wille genhrt ward und ins Handelnberging.

    Jeder aber prfe die Neigungen seines H erzens, und er wird leichterfahr en, wessen Geistes sein H erz voll ist. Ziehen seine Neigungen dasHerz und dessen Liebe zur Welt hinaus, und fhlt er in sich eineSehnsucht, in der Welt etwas Groes und Angesehenes zu werden, hat

    das hochmtig werden wollende Herz ein Missbehagen an der armenMenschheit, und fhlt es den Trieb in sich, dass es herrschen mchte berdie andern, ohne zum Herrschen von Gott erwhlt und gesalbt zu sein, soliegt im Herzen schon der Same der Hlle, der, so er nicht bekmpft und

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    erstickt wird, dem Menschen nach dem Tode des Leibes offenbarst nichtsdenn die Hlle bereitet.

    Ist aber das Herz des Menschen voll Demut, und fhlt er sich glcklich,

    der Geringste unter den Menschen zu sein, allen zu dienen, seiner selbstder Liebe zu den Brdern und Schwestern wegen gar nicht zu achten, demVorgesetzten willig zu gehorchen in allen guten, den Brdern so wie sontzenden Dingen, und liebt er also Gott ber alles, dann erwchst im

    Herzen der himmlische Same zu einem wahren, ewig lebendigen Himmel,und der Mensch, der also schon den gesamten Himmel in der Flle in

    seinem Herzen birgt voll des wahren Glaubens, der reinsten Hoffnung und Liebe, der kann nach dem Tode des Leibes denn auch unmglich irgendwo

    anders hinkommen als ins Himmelreich Gottes, das er in aller Flle schonlange im Herzen trug! Wenn du solches recht erwgst, so wirst du leicht begreifen, was es so ganz eigentlich mit dem Himmelreich sowie mit derHlle fr eine Bewandtnis hat.

    Siehe, in einem Hause wohnen zwei Menschen. Der eine ist mit allemzufrieden, was er im Schweie seines Angesichtes unter dem Segen Gottesdem Erdboden entlockt. Zufrieden und heiter geniet er den sprlichenErtrag seines Fleies, und seine grte Freude ist es, mit den noch rmerenBrdern seinen mhsam erworbenen Vorrat zu teilen. So ein Hungriger zuihm kommt, da hat er eine Freude, ihn sttigen zu knnen, und fragt ihnnie mit rgerlichem Gemte um den Grund seiner Armut und verbietet ihmnicht, dass er wiederkommen drfe, so es ihn etwa wieder hungern sollte.

    Er murret nicht ber irdische Staatseinrichtungen und sagt, so ihmirgendeine Steuer abgenommen wird, allzeit mit Hiob: ,Herr! Du hast esmir gegeben; Dein ist alles! Was Du gabst, kannst Du allzeit wiedernehmen; Dein allzeit allein heiliger Wille geschehe!

    Kurz, diesen Menschen kann nichts in seiner Heiterkeit sowohl als auchin seiner Liebe und in seinem Vertrauen zu Gott, sowie daraus in der Liebezu seinen irdischen Brdern, stren; Zorn, Neid, Hader, Hass undHochmut sind fr ihn fremde Begriffe.

    Aber sein Bruder ist dafr der unzufriedenste Mensch. Er glaubt ankeinen Gott und sagt: ,Gott ist ein leerer Begriff, durch den die Menschenden hchsten Grad der diesirdischen Helden bezeichnen. In der Drftigkeitkann nur ein dmmster Mensch glcklich sein, gleichwie auch dievernunft- und verstandlosen Tiere glcklich sind, wenn sie nur das sprlich

    erhalten, was ihr stummer und stumpfer Naturtrieb verlangt. Ein Menschaber, der sich mit seinem Verstande weit bers Tierische emporgehobenhat, der muss sich nicht mehr mit der gemeinen Schweinskost begngen,muss nicht mit den eigenen, zu etwas Besserem bestimmten Hnden in der

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    Erde herumwhlen was sich nur fr Tiere und Sklaven geziemt ,sondern man muss das Schwert ergreifen, sich zum mchtigen Feldherrnemporschwingen und durch Triumphpforten in die groen Weltstdte

    einziehen, die man erobert hat. Die Erde muss erbeben unter den Huftrittendes Rosses, das von Gold und Edelsteinen strotzend stolz den Herrn dermchtigen Heerscharen trgt.

    Mit solchen Gesinnungen verwnscht dann ein solcher Mensch seinrmliches Sein, verflucht die Armut in seinem Herzen und sinnt auf Mittel,wie er sich groe Schtze und Reichtmer verschafft, um mit ihrer Hilfeseine herrschschtigen Ideen zu realisieren.

    Seinen zufriedenen Bruder verachtet er, und jeder noch rmere ist ihm

    ein Gruel. Von der Barmherzigkeit ist bei ihm gar keine Spur; bei ihm giltsie als lcherliche Eigenschaft feiger Sklaven und der Gesellschaftsaffen.Dem Menschen gezieme nur Gromut, aber diese so selten wie mglich!Kommt ein Armer zu ihm, so fhrt er ihn an mit allerlei Scheltworten undsagt: ,Weiche von mir, du faule Bestie, du gefriges Ungeheuer mit derzerlumpten Larve eines Menschen! Arbeite, Tier, so du einen Fra habenwillst! Gehe zum ungeratenen Bruder meines Leibes, aber nimmer meineserhabenen Geistes; dieser, als selbst ein gemeines Lasttier, arbeitet frseinesgleichen und ist barmherzig wie ein Gesellschaftsaffe! Ich bin nurgromtig und schenke dir diesmal noch dein gemeinstesErdwurmleben.

    Siehe nun, diese beiden Brder, Kinder eines Vaters und einer Mutter,leben in einem Hause beisammen. Der erste ist ein Engel, der zweite naheein vollendeter Teufel. Dem ersten ist die rmliche Htte ein Himmel, demzweiten dieselbe Htte ohne irgendeine Vernderung eine allerbarste Hllevoll der bittersten Qual. Siehst du nun, wie Himmel und Hlle auf einemFlecke beisammen sein knnen?!

    Freilich wirst du dir denken: ,Nun, was ist es denn? Man lasse denHerrschschtigen einen Thron erreichen, und er wird ganz tauglich sein,Vlker zu schtzen und zu schlagen die Feinde! O ja, das knnte wohlmglich sein! Aber wo liegt der Mastab, der ihm vorschriebe, wieweit erseine herrschschtigen Plne verfolgen solle? Was wird er mit denMenschen machen, die sich nicht in aller Tiefe werden beugen wollen vorihm? Siehe, die wird er martern lassen auf die mglichst qualvollsteWeise, und es wird ihm an einem Menschenleben ebenso wenig gelegen

    sein wie an einem zertretenen Grashalm! Was ist aber dann ein solcherMensch? Siehe, das ist ein Satan!Es mssen wohl Herrscher und auch Feldherren sein; aber verstehe,

    diese mssen von Gott dazu erwhlt und berufen sein und fr die Folge

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    Abstmmlinge von altgesalbten Knigen sein. Diese sind dann berufen;aber wehe jedem andern, der seine arme Htte verlsst und hineilet, sichdurch allerlei Mittel den Herrscherstab zu erringen! Wahrlich, es wre fr

    ihn besser, nie geboren worden zu sein!Ich will dir aber noch ein Bild vom Himmelreiche Gottes geben: Esgleichet vllig einem guten Erdreich, auf dem ebenso gut die edelstenTrauben fest neben den Dorngestruchen und Disteln wachsen und reifwerden, und doch haben sie ein und dasselbe gute Erdreich! DerUnterschied liegt nur in der Verwendung desselben: die Rebe verkehrt esin Gutes, der Dornstrauch und die Distelstaude aber in Arges, Nutzlosesund fr keinen Menschen Geniebares.

    Also flieet auch der H immel ein i n den Teufel wie in die EngelGottes; aber jeder von den beiden verwendet ihn anders! Also ist der Himmel auch noch gleich einem Fruchtbaume, der ein

    gutes, ses Obst trgt. Als aber unter seine reich gesegneten ste Leutekommen, die solche Frucht genieen wollen, da sind etliche nchtern;diese genieen mit Dank nur soviel, als es ihr Bedrfnis verlangt. Andereaber, da ihnen die Frucht wohl schmeckt, wollen nichts am Baumezurcklassen, sondern verzehren es aus Neid, dass nicht die Gengsamennoch einmal etwas fnden, und essen so lange, bis der letzte Apfel verzehrtist. Diese aber werden darauf krank und mssen sterben, whrend sich dieGengsamen vom migen Genusse der Frchte des Baumes sehr wohlund gestrkt fhlen! Und doch haben beide Parteien vom selben Baumegegessen!

    Also ist der Himmel auch gleich einem guten Weine, der den Migenstrkt, den Unmigen aber zugrunde richtet und ttet; und so wird ein undderselbe Wein fr den einen ein Himmel und fr den andern die barsteHlle, und doch wird er von einem und demselben Schlauchegenommen! Es ist in aller Unendlichkeit nur ein Gott, eine Kraft und ein Gesetz derewigen Ordnung. Wer aus den Menschen sich dieses Gesetz zum eigenenmacht, fr den ist alles und berall Himmel; wer aber aus seiner eigenenFreiheit heraus diesem Gesetze widerstreben will, fr den ist berall Hlle,Qual und Marter! (Gr.Ev.Joh. 2_8,4-10,1)

    Wer den inneren Frieden hat,

    der kann ziehen, wohin er nur immer will,so ziehet er in Frieden!(GEJ. 5; 73,06)

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    Nichts weiterEin Brief von Johannes vom Kreuz

    Weil Sie gerade in dieser Finsternis und Leere geistlicher Armut leben,denken Sie, dass Ihnen alles und alle fehlen; aber das ist kein Wunder,denn dabei meinen Sie ja auch, dass Ihnen Gott fehlt. Aber es fehlt Ihnennichts, und Sie haben es auch nicht ntig, etwas zu besprechen, aber auchwirklich nichts, noch wissen Sie etwas, noch werden Sie etwas finden,denn alles ist nur ein unbegrndeter Verdacht.Wer nichts anderes will alsGott, geht nicht im Finstern, auch wenn er sich noch so sehr inDunkelheit und armselig erlebt. Und wer weder im Hinblick auf Gott nochauf die Geschpfe in seinen eigenen Ansprchen und Wohlgefhlen lebt

    und weder in diesem noch in jenem seinen eigenen Willen tut, hat nichts,worber er stolpern noch was er besprechen msste. Es geht Ihnen gut.Lassen Sie das und freuen Sie sich doch! Wer sind Sie denn, dass Sie umsich selber kreisen? Das ginge ja gut aus!

    Nie ist es Ihnen besser gegangen als zurzeit, denn nie sind Sie sodemtig gewesen und so ergeben, noch haben Sie so wenig auf sich undalle Dinge der Welt gegeben, nie haben Sie sich als so schlecht und Gottals so gut erkannt, nie haben Sie Gott so lauter und selbstlos gedient wie jetzt, noch laufen Sie den Unvollkommenheiten Ihres eigenen Willens undIhres Eigensinnes hinterher, wie Sie es vielleicht gewohnt waren.

    Was wollen Sie denn? Was fr ein Leben oder einen Lebensablaufstellen Sie sich denn vor? Was meinen Sie denn, was es heit, Gott zudienen, wenn nicht: sich des Bsen zu enthalten, indem Sie seine Gebotehalten und fr seine Anliegen leben, wie wir es vermgen? Da das so ist,wozu bedarf es dann weiterer Wahrnehmungen oder weitererErleuchtungen oder Kstlichkeiten von hier und da, bei denen es frgewhnlich nicht an Stolpersteinen und Gefahren fr den Menschen fehlt,

    der sich mit seinen Einsichten und Bestrebungen tuscht und berauscht,und dessen eigene Seelenvermgen ihn in die Irre gehen lassen? Und daherist es eine groe Gnadengabe Gottes, wenn er diese verdunkelt und denMenschen so armselig macht, dass er sich damit nicht irren kann. Undwenn man nicht in die Irre geht, was gibt es dann noch herumzurtseln, alsvielmehr den ebenen Weg des Gesetzes Gottes zu gehen, und einzig imdunklen und wahren Glauben, in sicherer Hoffnung und ungeteilter Liebezu leben, und unsere Gter drben zu erwarten, whrend wir herben alsPilger, Arme, Verbannte und Waisen in der Trockenheit leben, ohne Wegund ohne alles, in der Erwartung von all dem dort?Seien Sie frhlich und vertrauen Sie auf Gott, der Ihnen Zeichengegeben, dass Sie das sehr gut knnen, ja es sogar tun mssen; und wennnicht, wird es nicht viel brauchen, dass er verrgert ist, wenn er Sie schn

    Nichts weiter

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    dumm herumlaufen sieht, obwohl er Sie dorthin fhrt, wo es fr Sie amzutrglichsten ist, und er Sie an einen so sicheren Ort gestellt hat.Verlangen Sie also nichts anderes als diesen Zustand und gltten Sie ihre

    Seele, denn es geht ihr gut! (Brief an Doa Juana de Pedraza)

    Der gtige, friedensbereite MenschThomas von Kempen

    Zuerst hal te dich selbst im F r ieden, dann kannst du auch anderezum F rieden fhren. Ein friedfertiger Mensch stiftet mehr Nutzen alsein Gelehrter. Der leidenschaftliche Mensch kehrt selbst das Gute insBse; er glaubt das Bse leicht. Der gute, friedliebende Mensch wendetalles zum Guten. Wer in vollem Frieden lebt, denkt von keinem Arges.Der Unzufriedene hingegen und der Erregte wird bald von diesem, bald von jenem Verdacht geqult. Er hat selbst keine Ruhe und gnnt sie auchanderen nicht. Er sagt oft, was er nicht sagen darf, und versumt seineeigene Pflicht. Was andere zu tun verpflichtet sind, darber macht er sichGedanken, seine eigene Pflicht aber vernachlssigt er.

    Ereifere dich also zunchst ber dich selbst, und dann magst dudich auch um deinen Nchsten sorgen. Du verstehst es meisterhaft, dein

    Tun zu entschuldigen und zu beschnigen, anderer Leute Entschuldigungaber willst du nicht annehmen. Richtiger wre es, du klagtest dich selbstan und entschuldigtest deinen Bruder.Willst du ertragen sein, so ertrageauch andere. Sieh nur, wie weit du noch von jener wahren Liebe undDemut entfernt bist, die keinem zrnt und grollt als nur sich selbst. Es istnichts Groes, mit guten, ruhigen Charakteren umzugehen; denn das ist unsallen von Natur angenehm. Ein jeder hat eben gern Frieden und bevorzugtdie Gleichgesinnten. Mit schroffen Naturen aber, mit verkehrten, un-gezgelten, von Widerspruchsgeist erfllten Menschen friedlich leben

    knnen, das ist eine groe Gnade und eine hchst lobenswerte, mannhafteTat. Es gibt Menschen, die sich selbst im Frieden halten und auch mit

    anderen im Frieden leben. Es gibt aber auch Menschen, die selbstkeinen Frieden haben und auch andere nicht in Frieden lassen. Sie fallenanderen zur Last, sich selbst aber am meisten. Andere wiederum erhaltensich in Frieden und bemhen sich, andere zum Frieden zurckzufhren.Doch aller Friede, der uns in diesem armen Leben beschieden ist,grndet mehr im demtigen Ertragen als im Nichtempfinden derWiderwrtigkeiten. Wer am besten zu leiden versteht, wird den tieferenFrieden besitzen. Der ist der Sieger ber sich selbst und der Herr derWelt, der Freund Christi und der Erbe des Himmels.

    Der gtige, friedensbereite Mensch

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    Biblische Bilder und deren BedeutungSonntagabendgesprche einer Familie

    Der lbaum, seine Frucht und sein l Anna: Diesen Abend, Vater, wirst du uns wohl etwas ber den lbaum

    sagen.Vater: Ja, liebe Tochter, das ist meine Absicht. Ich erklrte euch letzte

    Woche, dass der lbaum das Bild eines Menschen sei, der sich inchristlicher Liebe auszeichnet und auch das Bild der himmlischenGrundstze der Liebe selbst, wie sie in des Christen Gemt gepflanztseien.

    Paul: So verstanden wir es auch; und wir hatten einige Beispiele ausder Bibel vor uns, die diesen Punkt sehr zu besttigen schienen.

    Vater: Es gibt in der Bibel noch viele andere Bilder hnlicher Art. Weilder lbaum das Bild eines liebenden Christen ist, deshalb hat das ausseiner Frucht gepresste l einen bildlichen Charakter von groerWichtigkeit.

    Anna: War alles l, das in der Bibel genannt wird, Olivenl?Vater: Wie ich glaube, alles. Weit du bei welcher wichtigen

    Gelegenheit das Olivenl bei den Hebrern angewendet wurde?Anna: Ja, Vater. Ich muss dir gestehen, dass ich zum voraus etwas vondem wissen wollte, was du uns sagen wrdest und da habe ich denn indeinem Bibelwrterbuch nachgesehen, was die Eigenschaft des Olivenlsist und wozu es gebraucht wurde.

    Vater: Gut, dann lass uns hren, fr welche Zwecke die Juden diesesl anwandten.

    Anna: Sie gebrauchten es mit Wohlgerchen vermischt, um ihreKnige und Priester zu salben. So wie es von den Oliven kommt, wurde esauch von dem gewhnlichen Volk gebraucht, um ihren Krper zu salben;auch wurde es gebraucht, um in Lampen verbrannt zu werden.

    Vater: Ganz richtig. Kann mir jetzt einer von euch den bildlichenCharakter des Olivenls sagen?

    Paul: Entschuldige Vater, hast du nicht gesagt, das Olivenl kommevon der Frucht des Baumes?

    Vater: Gewiss.Paul: Sollten wir dann, Vater, nicht vor allem die Bedeutung der Frucht

    kennen?Vater: Gewiss, sollen wir das. Ich kann euch nun ebenso gut gleichsagen, dass Frchte in der Heiligen Schrift stets das Bild unsererHandlungen sind. Jesus sagte, wie ihr alle wisset: An ihren Frchten sollt

    Biblische Bilder und deren Bedeutung

  • 8/12/2019 Geistiges Leben 2013-3

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    ihr sie erkennen (Matth.7,16). Hierbei meint Er natrlich, dass wir befhigt sind, die Beschaffenheit der Menschen aus ihren Handlungen zuerkennen.

    Paul: Das ist vollkommen klar. Jedermann wei, dass Frchte dieSymbole von Handlungen sind. Ich dachte aber, wir sollten eben dieses inBetracht ziehen, weil wir auf diese Weise besser verstehen werden, wasdas l bedeutet, das von der Frucht kommt.

    Vater: Jawohl, der lbaum ist das Bild, der in die Seele gepflanztenLiebe. Die Frchte sind das Bild, der aus jener Liebe flieendenHandlungen und das l ist das Gute und Angenehme der Liebe