geistiges leben 2008-2

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  • 8/2/2019 Geistiges Leben 2008-2

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    SPENDENKONTEN

    Baden-Wrttemb. Bank AG Bietigheim-Bissingen

    Kto.: 7818500173 BLZ: 60050101

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    Postscheckkonto Basel (CH) Kto. 80-50414-3

    IMPRESSUM

    Herausgeber: Lorber-Gesellschaft e.V.

    Verwaltungsanschrift: Postfach 114

    83731 Hausham / Deutschland

    Tel.: 08026-8624 / Fax: 08026-3294

    E-Mail-Anschrift: [email protected]

    Internet-Seite: www.Lorber-Gesellschaft.de

    Schriftleitung: Klaus W. Kardelke

    Redaktion: Angelika Penkin, Michael Nolten

    INHALT

    A. v. Droste-Hlshoff Liebe S. 2

    Klaus W. Kardelke Editorial S. 3

    Antnoni Groheim Von der Kreuzigung und Auferstehung des Herrn S. 5

    Bernd Kssler Unser Gottesbild S. 11

    Jakob Lorber Von Tod und Todesnot S. 18Jrg Zink Ruhen in Gott S. 19

    Miguel de Molinos Damit Gott in der Seele ruhen kann S. 24

    Jakob Lorber Vom Wesen der Frbitte S. 30

    Gerhard Wehr Aus meines Herzens Grunde S. 32

    Jakob Lorber Gott und Vater S. 39

    Jack H. Holland Die Stille S. 41

    G. Dell Britt Der zerstrte Bambus S. 48

    Jakob Lorber Der Herr als prfende Braut S. 49

    Sundar Singh Warum musste Gott Mensch werden S. 51Brief von einem Freund S. 51

    Jakob Lorber Wo bleibt Gott S. 52

    Kanal 23 S. 53

    Begegnung an der Andritz-Quelle S. 54

    Jahrestagung der Lorber-Gesellschaft S. 55

    Mit Namen des Verfassers versehene Beitrge mssen nicht mit der Auffassung der

    Schriftleitung bereinstimmen.Die Zeitschrift erscheint zweimonatlich auf freiwilliger Spendenbasis.

    Beitrge richten Sie bitte an die Schriftleitung.

  • 8/2/2019 Geistiges Leben 2008-2

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    Jahrgang 28 2008 Heft 2

    - Zeitschrift im Geiste christlicher Mystik -

    Da sprach Jesus zu seinen Jngern:

    Will mir jemand nachfolgen, der verleugne sich

    selbst und nehme sein Kreuz auf sich und folge mir.

    Denn wer sein Leben erhalten will, der wird'sverlieren; wer aber sein Leben verliert um

    meinetwillen, der wird's finden. Was hlfe es dem

    Menschen, so er die ganze Welt gewnne und nhme

    Schaden an seiner Seele? Oder was kann der

    Mensch geben, damit er seine Seele wieder lse?

    Wer nicht sein Kreuz auf sich nimmt und folgt mir

    nach, der ist mein nicht wert.(Mt. 16,24 + 10,38)

  • 8/2/2019 Geistiges Leben 2008-2

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    2 GL 2/2008Liebe

    Das ist mein Trost in allen Leiden,

    Dass nichts mich kann von Jesu scheiden,Von seiner Liebe keine Macht,Der grte aller ErdenschmerzenHat nicht Gewalt ob einem Herzen,Worin die Liebe Jesu wacht.Wenn er mir bleibt, was kann mir fehlen?Wenn er mich labt, was kann mich qulen?Wie hat er Alles wohl bestellt!Wenn ich nur seinen Namen nenne,

    Dann ists, als ob das Herz mir brenne;Im Lichte steht die ganze Welt.Sein Kreuz ist wie der HimmelsbogenUm meinen Horizont gezogen;Wohin ich schau, da steht es schon.O ses Kreuz, lass dich umfangen,Woran mein liebstes Lieb gehangen

    Fr unsrer Snden bittern Lohn!Wenn meine Pflichten oft mich drcken,

    Dann muss ich Liebesrosen pflckenAus seinem bittern Kreuzestod.Wie kommt mir wunderbare Strke!Wie sind so leicht die schweren Werke,

    Dieweil mein Jesu sie gebot!Mein Leid muss mir zu Freuden werden,Denk ich an Jesu Leid auf ErdenUnd seinen blutgen Kreuzespfad.

    Mein Jesu ist vorangegangen;Wie kann mir noch vor Dornen bangen

    Auf Wogen, die mein Gott betrat?

    Er hat den bittern Weg erkoren:

    Was flieht ihr denn, ihr schwachen TorenSo sehr die Bitterkeit und Pein?Muss ich durch Dornenweg mich schlagen,So soll mein Mund frohlockend sagen:Mein Jesu kann nicht ferne sein.

    Er ist nicht fern, auf allen WegenKommt mir ein Strahl von ihm entgegen,In himmlisch trstender Gestalt;Er ist nicht fern, im Sturmesgrimme

    Da hr ich seine liebe Stimme,Er ist nicht fern, ich find ihn bald.Sein Bild steht berall geschrieben,

    Ich kann nur Ihn, nur Ihn noch lieben,Ich kann nur Ihn allein noch sehn;Ich wei, Er muss mir ewig bleiben,Ach wollte Er mich von sich treiben,Ich msste gleich in Schmerz vergehn.Ach knnt ich diese Hlle meiden!

    Doch still, mein Herz, verschlie bescheidenDen heien Wunsch in deine Brust;Es ist ja meines Jesu Wille,Und dass ich den getreu erflle,

    Das ist doch meine ganze Lust.Geduld! sie wird doch endlich kommen,

    Die Stunde, mir zum Heil und Frommen,Gott hat sie Keinem noch versagt.

    Bis dahin denk in allen Leiden,Dass nichts dich kann von Jesu scheiden,Von seiner Liebe keine Macht.

    Liebe

    Annette von Droste-Hlshoff (1797-1848)

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    GL 2/2008 3

    EditorialDer Menschensohn Jesus unterstellte sich durch sein

    Leben, Leiden und Sterben ganz dem gttlichen Willen desVaters in ihm. In allem erkannte er Gottes Willen und

    beugte sich vollstndig unter diesen. Denn ich bin vomHimmel gekommen, nicht dass ich meinen Willen tue,sondern den Willen des, der mich gesandt hat. (Joh. 6,38)

    Ohne Klagen und Murren, ohne Widerstand und ganz inden gttlichen Willen ergeben, lie er sich aus Liebe zuden Menschen von seinen eigenen Geschpfen martern undans Kreuz schlagen.

    In seiner schwersten Stunde sprach Jesus die Worte: Vater, willst du,so nehme diesen Kelch von mir, doch nicht mein, sondern dein Willegeschehe! (Luk. 22,42)

    So beten ja auch wir im Vaterunser immer wieder: Dein Willegeschehe. Doch wie schwer fllt es uns in unserem Alltagsleben, denWillen Gottes zu erkennen, geschweige denn geschehen zu lassen, indemwir unseren eigenen Willen loslassen und uns ganz dem gttlichen Willenberlassen.

    Aber nicht aus Angst, sondern aus Freude und im Bewusstsein, dassGott keine Fehler macht, sollen wir den Willen Gottes fr unser Lebenannehmen, denn wenn du voll Angst und Kleinmut sprichst: Herr, DeinWille geschehe! so gilt das bei Mir nichts, sagt der Herr. Aber so dudas mit freiem und freudigem Herzen sprichst, da wirst du allezeit Hilfefinden. Denn nur in einem in Meinem Namen freien und freudigen

    Herzen wohne Ich krftig; in einem bedrckten, seufzenden und ngst-lichen aber ebenfalls bedrckt, seufzend und ohnmchtig. (HiG.02; S. 414)

    Es gilt also das, was in unserem Leben geschieht, und was wir nicht zundern vermgen, zu bejahen und freudig und dankbar anzunehmen, in derfesten Gewissheit, dass denen, die Gott lieben alle Dinge zum Bestendienen. (Rm. 8,28)

    Schon Pfarrer Friedrich Christoph Oetinger (1702 -1782) erkannte diesin einem Gebet indem er spricht: Herr, gib mir die Gelassenheit, Dingehinzunehmen, die ich nicht ndern kann. Gib mir den Mut, Dinge zu

    ndern, die ich ndern kann. Und gib mir die Weisheit, das eine vom

    andern zu unterscheiden.

    Aber wer da ungeduldig wird und ber dies und jenes, das er dochnicht ndern kann, murrt und oft sogar in seinem gemeinen GrimmeLsterungen ber die ihm widrig vorkommenden Erscheinungen in dieser

    Editorial

    Klaus W. KardelkeGeschftsfhrender

    Vorsitzender derLorber-Gesellschaft

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    4 GL 2/2008Editorial

    Welt denkt und offen ausspricht, der eignet sich die Liebe Gottes nichtan. (GEJ.08; 140,07) Denn nur die Gottlosen murren und klagen mit ihremGeschick, aber wandeln dabei nach ihren Lsten. (Judas 16)

    Selten sind auch wir mit allem einverstanden, was in unserem Lebengeschieht, klagen und murren dann gegen unser Schicksal, ja sogar gegenGott und fhlen uns dabei noch als unschuldige Opfer der uerenUmstnde im Recht und suchen die Schuld bei anderen und nicht bei uns.

    Dabei rt uns der Herr:Klage aber auch nicht ber die Welt, sondernopfere alles Mir auf! Ich werde zur rechten Zeit alles so machen und

    gestalten, wie es am allerrechtesten sein wird. (HiG.03 S. 216)Auch Jesus lernte als Mensch alles, Freude wie Leid, aus der Hand

    Gottes anzunehmen. Als seine Nachfolger sollen auch wir dieseLebenslektion lernen, indem wir uns und unser Leben akzeptieren undannehmen, so wie es ist, als ein Geschenk unseres himmlischen Vaters.

    Denn wer Mein Jnger sein will, spricht der Herr, darf ber diebitteren Vorkommnisse auf dieser Erde (und in seinem Leben) nicht klagenoder darber gar rgerlich zu murren anfangen. (GEJ.02; 8,7) denn ohne

    Meine Zulassung kann nichts geschehen; wenn Ich aber irgendetwaszulasse, so habe Ich allzeit Meinen besten Grund dazu! (HGt.02 158,26)

    Denn alles geschieht ja nur durch die Liebe Gottes zum wahren Wohle

    des Menschen.(GEJ.08; 140,07)Dies gilt es sich in allem Geschehen unseres Lebens und auf dieser

    Erde immer wieder bewusst zu machen. Bereits Paulus sagte treffend: Esgeschieht alles um euretwillen. (2. Kor. 4,15)

    Es geschehen viele Dinge in unserem Leben, die wir nicht ndernknnen, an denen wir aber unsere Lektionen zu lernen haben, indem wir inihnen Gottes Zulassungen zu unserer Erziehung zum Gotteskind erkennen.

    Herr! Geschehe da, was da wolle, Du allein bist unser Vater zeitlich

    und ewig. Von Dir und von niemand anderem hngt unser knftigesWohl ab; denn wir wissen es ja, dass aller Menschen Hilfe, wer sie auch

    sein mgen, zu nichts ntze ist. Dein Wille geschehe! Wir wollen

    niemand frchten, auer allein Dich, o Herr, und von niemand eine

    Hilfe erwarten, als allein von Dir, o Du guter Vater! Dein wollen wir

    ganz sein im Leben dieser Welt und ebenso in ihrem notwendigen Tode,

    der uns frei machen wird vom Fleische und uns dann endlich fhren zu

    Dir hin, der Du bist unsere alleinige lebendige Hoffnung durch den

    Glauben und unsere alleinige Liebe im erweckten Leben unseresGeistes! (HiG.03 S.278,20)

    Euer Klaus W. Kardelke

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    GL 2/2008 5

    Von der Kreuzigung und Auferstehung des HerrnIch der Herr sage euch, als Ich in Meinem irdischen Leibe unter euch

    Menschenkindern auf Erden gewandelt, habe Ich Snder und Zllner,welche damals als das verachteteste Volk angesehen wurden, um Michversammelt, und deshalb war Ich bei den Groen und Vornehmenverachtet und verhasst, so dass Ich allerorts als ein schlauer Volksbetrgerund selbst heimlicher Snder verschrien war; doch Ich kam nicht derGerechten wegen zur Erde nieder, sondern der Kranken im Geist und derSnder wegen, fr welche ich Mein Leben und Blut hingab.

    Zur Zeit meiner Kreuzigung aber umstanden Mich Meine Mir noch treugebliebenen Freunde, sowie eine groe Menge schadenfrohes Volk,

    welches mit Hohnlachen schrie: Frher hat Er andern geholfen, jetzt kannEr Sich selbst nicht helfen; welches die Feinde umso mehr in ihremGlauben bestrkte, dass Ich nicht Gott, wohl aber ein von Gott verlassenergroer Verbrecher sei. Auch habe Ich in Meinen ngsten am Kreuze inMeinem irdischen Fleische sieben Worte zu den Umstehenden inalthebrischer Zunge gesprochen, wovon bis auf den heutigen Tag nochkeine wahre Auslegung existiert; daher Ich Mich in Meiner Gnade

    bewogen gefunden habe, selbige nochmals, und zwar mit genauer

    Auslegung, was dieselben fr die zuknftigen (d.h. die jetzigen) Zeiten zubedeuten haben, zu wiederholen, und so (deren Sinn) den Menschen, dieeines guten Willens sind, zu offenbaren.

    Als Ich nach langen Leiden und Peinen, welche Ich durch dieRuchlosigkeit der Schergen erdulden musste, so weit gekommen war, dassdie Hohenpriester sahen, dass es mit Mir zu Ende gehen knnte, bevor sieihre Rache und Bosheit an Mir gekhlt htten, so trachteten dieselben dasTodesurteil von dem obersten rmischen Gerichtshofe zu erlangen, umdoch die Freude zu erleben, Mich qualvoll sterben zu sehen. Als demnachdie Todesbotschaft, wonach ich sollte gekreuzigt werden, ankam,frohlockten Meine Feinde berlaut und trachteten, dieselbe sogleich inVollzug zu setzen.

    Als endlich Meine Hinrichtung erfolgte, da kamen Meine Freunde,welche heimlich sich unter dem Volke verborgen gehalten, zum Kreuze,um Mich zu trsten und zu strken; allein die bse Rotte wollte dieselbenzurcktreiben, und nur durch die Vermittelung des Pilatus war es MeinerMutter, sowie Johannes, Meinem Lieblingsjnger, nebst noch einigen

    Frauen mglich, bis zum Fue des Kreuzes zu gelangen, und so beiMeinem Leibestode gegenwrtig zu sein.

    Nun, als die freche Rotte Mich Meiner Kleider beraubte, und so

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    entblt Mir Hnde und Fe an das Holz band, und zum berflussedieselben noch mit stumpfen Ngeln durchstach, so geschah es, dass Ich inMeinem gequltem Fleische aufseufzte und sprach: Herr vergib Ihnen, sie

    wissen nicht, was sie tun. Das nmlich war das erste bedeutungsvolleWort, welches Ich in Meinem Schmerz und in Voraussicht der knftigenMenschen und ihrer Snden gesprochen.

    Als Ich am Kreuze aufgerichtet wurde, da sah Mein Leib, von Blut undStaub bedeckt, so erbarmungswrdig aus, das selbst den umstehendenFeinden das Herz mitleidig bewegt wurde; Ich aber sah, dass es nurvorbergehend war und ihre Erbarmnis nicht Mir, sondern nur ihrenSchnheitsgefhle galt. Deshalb sprach Ich: Mich drstet! Allein dieSchergen verstanden nicht, was Ich mit diesen Worten meinte, dass Michum das Heil so vieler Seelen, welche Ich in ihrem Wahne zu Grunde gehensah, drstete, - so gaben sie Mir, um Mich noch mehr zu qulen, Galle mitEssig vermengt zum Trinken, welches Ich aber verschmhte.

    Alsbald begann die ganze Natur zu beben und die Elemente aus ihrerOrdnung zu treten, die Sonne als Vorbild des ewigen Lichts verlor ihrenGlanz, als Zeichen, dass die Menschen in ihrer geistigen Blindheit nichtsahen, dass Sie die Gottheit unter der sterblichen Hlle Meines Leibeszurckdrngte und den Leib dem materiellen Tode bergab; deshalb

    sprach Ich die Worte: Mein Gott, Mein Gott, warum hast Du Michverlassen!

    Nicht ein anderer Gott auer Mir war es, zu dem Ich rief, sondern dieGottheit in Mir, Gottes-Geist und Urkraft in ihrem Vollmae; allein dieLeibeshlle war aus Erdenstoff, gleich wie bei den Menschenkinderngenommen, und diese musste auch in Mir untertnig sein, deshalb suchtedie Materie in ihrer Verlassenheit Hilfe, zum Vorbilde, dass jederErdenmensch Hilfe allein bei Gott suchen soll.

    Die Zeit nahte heran, wo Ich immer schwcher Mich fhlend, die SeeleMeinem himmlischen Vater berantwortend, zum Himmel blickendsprach: Eli! Eli! (Eli, Eli, sa mi sabach tani - Der Sohn der Shne ist frMich und fr Gott dahin gegeben.) Da sah Ich unter dem Kreuze MeineMir so liebe und treue Mutter Maria nebst Meinem Jnger Johannes(welcher zugleich mein Geheimschreiber gewesen), zum Tode getrbtstehen, und sprach Ich da zu Beiden die bedeutungsvollen Worte: Maria,siehe deinen Sohn und zu Johannes siehe deine Mutter. Mit diesen

    Worten gleichsam andeutend, dass Ich die Weltkinder dem Gottesgeistebergeben habe, demnach Mein geistiges Testament machte, und Mariazur Mutter der schwachen und kranken Seelen im Fleische.

    Als es nach jdischer Zeitrechnung drei Uhr geworden, so war die Zeit

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    meines Leibestodes heran gekommen, und Ich erzitterte in Meinem Gebeinim Todesschauer. In solchem Augenblick sah Ich Mir den mit zugleich andas Kreuz gebundenen Verbrecher Dismas, welcher seine Augen in

    Sehnsucht nach mir wandte, in Gnaden an, und versprach ihm, dass erheute noch bei Mir im Paradiese sein werde, welches nach MeinerAuffahrt bis auf den heutigen Tag zu vielen Auslegungen Anlass gab; dieallein wahre und einzige aber ist diese: Dass jede Menschenseele nachihrem Leibestode in einen niederen oder hheren Grad je nach ihrerVollkommenheit gelangt, und selbst Seelen, welche alles Irdische schondiesseits abgebt haben, zuerst nur in das Paradies oder in den niedernGrad der Seligkeit gelangen knnen; denn keine Seele, bevor dieselbenicht ganz gelutert und gereinigt ist, kann in den Liebehimmel oder garzur hheren Seligkeit eingehen; und ebenso hat Dismas durch die Liebeund das Vertrauen zu mir den ersten Grad erreicht, und so war es mglich,ihm das Paradies zu verheien.

    Ich war schon in den Todeszgen, als Ich die Worte sprach: Vater, inDeine Hnde empfehle ich meinen Geist! Dieses ist ebenfalls ein sehr

    bedeutendes Wort fr die Menschen; denn weshalb sollte Ich, Gott selbst,Meinen Geist in die Hnde eines Gottes auer Mir empfehlen, da wrden

    ja zwei Gtter in die Erscheinung treten (oder wie spter - drei!) Allein

    dem ist nicht so, und soll sich daher niemand irre fhren lassen durchdiesen Ausspruch; denn jedermann verstehe damit, dass nur die uersteUmhllung Meines inneren Gottesgeistes diese Worte sprach, und solchealso nur in eben dem Sinne zu verstehen sind, so wie Ich bei MeinenLeibes-Lebzeiten von Mir sagte: Ich, des Menschen Sohn, sage euchdieses oder jenes Gleichnis, ebenso sprach die Lebenskraft oder seelischePotenz meines irdischen Leibes die Worte: Vater, in Deine Hndeempfehle Ich Meinen Geist.

    Sobald als sich die Seele drngte, den Leib zu verlassen, so wurde Ichimmer schwcher, und das umstehende Volk frohlockte und spotteteMeiner. Doch Ich musste den Kelch bis zur Neige leeren, und deshalb sahIch voraus, dass die tobende Menge ungerhrt von Meinem Schmerz undTodeskampf bleiben werden, und so denn, als schon der letzte AugenblickMeines irdischen Lebens gekommen war, sprach Ich das letzte auf Erden:Es ist vollbracht!

    O Menschen! Wenn ihr im Stande wret, dieses einzige Wort nur so

    recht vom Grunde aus zu verstehen, was es heit, dass Gottes Sohn dasgroe Werk der Erlsung des ganzen Menschengeschlechtes vollbrachte,so wrde keine Seele zu Grunde gehen; doch die Snde ist durch Adam indie Welt gekommen, und deshalb wird, so lange noch eine gefestete

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    8 GL 2/2008Von der Kreuzigung und Auferstehung des Herrn

    Materie den Weg des Fleisches durchs irdische Leben gehen muss, dieSnde und der materielle Tod der Anteil der Menschenkinder sein, undwurde darum durch Gottes Sohn und sein Mittleramt nur die Kraft des

    Bsen und der Satan in der Materie gebrochen.Auf dieses Mein letztes Wort verschied Ich, oder vielmehr Meine Seeleoder Lebenspotenz trat aus der Materie, und vereinte sich mit MeinemUrgeiste, welcher Gottesgeist war; und Ich stieg hinab in den Ort, wo dieSeelen der Urvter der Stunde der Erlsung harrten; denn kein Geschpfkonnte, bevor die Gerechtigkeit Gottes durch das groe Liebeswerk derErlsung vershnt war, in den Frieden des Himmels eingehen. Ich machtealso wieder frei die Bahn, welche ursprnglich allen Wesen frei gegebenwar, und einst schon durch den Abfall der Engel abgebrochen wurde.

    Adam sollte diesen Pfad wieder errichten und die in Erstarrunggetretene Materie, welche alles geistige Leben umhllte, zu ihremUrsprunge zurckfhren, wozu ihm der Wille frei gegeben wurde; aber erverlor die Freiheit wieder durch die Snde des Ungehorsams gegen Gott,und verfiel nebst allen Nachkommen immer tiefer in das Gericht desTodes, wovon ewig keine Erlsung zu erhoffen war. Da trat die unendlicheErbarmung und Liebe des Urewigen ins Mittel, und Er schied sie alsGottessohn fr eine Zeit, um in Erdstoff (als Menschensohn) umhllt,

    Seine Geschpfe frei zu machen, und sie zurckzufhren zu ihrer erstenund einstigen Bestimmung.

    Als ich die vorgeschriebene Zeit nach jdischem Gesetz am Kreuzegehangen, so kam die Zeit heran, dass die Leiber der drei Verbrecher,unter welche Ich mitgezhlt war, abgenommen werden sollten; denn eswar die Zeit der Rsttage, whrend der niemand auf der Richtsttte bleibendurfte. Da kamen Meine Freunde, welche zumeist Rmer und Griechenwaren, auch einige Juden gabs unter denselben, als heimliche Anhnger

    Meiner Lehre, und wollten Mir den letzten Liebesdienst auf Erdenerweisen. Sie hatten nmlich Meinen Leichnam vom obersten Statthaltererkauft, um denselben in ein Grab legen zu knnen, und so wurde Ich vonMeinem wenigen Mir noch treu gebliebenen Freunden unter Spott undHohn des Judenvolkes vom Kreuze genommen, und Meine zum Tode

    betrbte Mutter Maria sank zu Mir auf die Erde nieder und nahm MeinHaupt auf ihren Scho unter tiefem Wehklagen und unzhligen Trnen, alssie ihr Kind entstellt, blutend und Tod in ihrem Schoe liegen sah. -

    Du fragst Mich, wie es mit der Seitenwunde aussieht, welche Ichvergessen haben msste, da ich davon keine Erwhnung gemacht htte;doch sorge dich darum nicht, denn diese Wunde ist Mir erst als Ich irdischverschieden war, beigebracht worden, und war nur die willkrliche

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    Handlung eines barmherzigen Soldaten, welcher der Meinung war, dassIch vielleicht nur in Todesohnmacht wre und dadurch von Meinemgrausamen Leiden frher erlst wrde, deshalb ihm auch die Gnade zu

    Teil wurde, dass in eben demselben Augenblick, als sein Speer Mein Herzdurchstach, sein Herz von namenlosem Schmerz durchzuckt wurde, und ererkannte, wessen Herz er da durchstochen hat.

    Nun wurde Ich (das heit Meine Hlle) zu Grabe getragen, welcheseine ziemliche Strecke auer der Stadt Jerusalem gelegen und demHohepriester Nikodemus gehrte. Als Mein Leib mit Spezereien nachmorgenlndischer Sitte wohl versehen und in weie Linnen gehllt in dieGruft versenkt wurde, umstanden Mich weinend und klagend MeineFreunde. Welch ein Schmerz die treuen Seelen durchzog, als sie Michihrer Meinung nach zum letzten Male auf dieser Erde zu sehen whnten,und von Mir den traurigsten Abschied nahmen, davon ist in MeinerLeidensgeschichte bereits Erwhnung geschehen. Hier in diesemWerkchen soll blo von Meinem Tode und von den nun bald in Erfllunggehenden Vorhersagungen, welche durch die sieben Worte, die Ich fr die

    blinde Volksmenge unverstndlich gesprochen, angedeutet, vorher-bestimmend die Rede sein wird.

    Denn nun ist die Zeit herangekommen, in der Ich die Worte zur Tat

    machen werde; und durch das erste Wort, das Ich gesprochen, wollte Ichanzeigen, dass Ich die Menschen in ferneren Zeiten, welche die Jetztzeitist, ihres bermutes und ihrer Sittenlosigkeit wegen, der Gnade derGottheit in Mir bergab; denn die Menschen werden das Ma ihrer Sndenvoll machen, und so die Strafe sich selbst durch Glaubens- undLieblosigkeit zuziehen, und so ohne Aufenthalt ihrem Verderbenentgegeneilen.

    Als ich durch fast zwei Tage im Grabe gelegen hatte, so war, um die

    Schrift zu erfllen, die Zeit meiner Verklrung oder Auferstehunggekommen, und es war daher des dritten Tages Morgen angebrochen, alsIch Mich von den Banden des Todes frei und ungehemmt und die Seelemit dem vergeistigten Leibe vereint, zu Meinem himmlischen Vater oderUrgeist erhob, und daher glorreich als berwinder des Todes und Satans inder Materie auferstand. - Es waren die ersten Stunden des Morgens, als Ichder Maria von Magdalon im Garten erschien, welche Mich in tiefemSchmerz im Grabe besuchen wollte, und - als sie Mich erblickte, vor

    Freuden auer sich in Liebestrnen aufgelst zu meine Fen sank, undkaum zur Ruhe gebracht werden konnte. O wie segenbringend ist einesolche Liebe! -

    Ich erschien an diesem Tage auch noch einigen Meiner Jnger, ebenso

    Von der Kreuzigung und Auferstehung des Herrn

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    auch Meiner Mutter Maria. Da war endlich die Zeit herangekommen, woIch nach Erfllung Meines Mir vom himmlischen Vater auferlegtenOpfertodes noch Zeit und Mue hatte, mit Meinen Freunden zu verkehren,

    und ihnen den Wert und die Bedeutung Meines so schmerzlichen Leidensund Todes zu erklren; und es ist bis zur Stunde noch nirgends in der Weltverzeichnet vorgefunden worden, was Ich whrend der Zeit bis zu MeinerAuffahrt alles mit Meinen Jngern geredet habe, da nur einiges in denBriefen Pauli an die Epheser vorkommt, was mit Meinen Lehren whrendMeines noch irdischen Aufenthaltes fast gleichbedeutend ist.

    Im Eingange dieser Schrift hab Ich die Andeutung gegeben, dass Ichdie Zeit der Heimsuchung, oder die sieben Worte bedeutungsweisevorhergesagt habe, und Ich dieselben jetzt den noch nicht ganz imSndenschlafe verfallenen Menschen zum Nutzen erklren will, um derWelt zu zeigen, dass Gott nicht den Tod des Snders will, sondern dass ersich bekehre und lebe.

    Sobald Ich sah, dass meine Jnger Mich erkannten und mir wieder wiefrher anhingen, so versammelte Ich sie in eine von der Stadt abgelegeneHerberge, und besprach Mich mit ihnen von Meinem Tode, von MeinerAuferstehung, sowie auch von Meinem baldigen Hinbertritt oder von derAuffahrt zum Vater, welches Meine Freunde sehr betrbte, als sie hrten,

    dass Ich sie auf immer verlassen werde. Doch Ich vertrstete sie, undversprach ihnen einen Trster zu senden, welcher sie strken und in alleWahrheit leiten werde. Mit diesem Troste gaben sich endlich MeineFreunde zufrieden. (Antonie Groheim - Die sieben Worte am Kreuz, Lorber-Verlag)

    Jesus spricht: Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an

    mich glaubt, der wird leben, ob er gleich strbe; und wer da lebetund glaubet an mich, der wird nimmermehr sterben.

    Glaubst du das? (Joh. 11,25-26)

    Ich bin die Auferstehung und das ewige Leben! Wer an Mich

    glaubt in der Tat, der ist in Mir schon auferstanden und wird der

    Seele nach gleichfort leben, so er dem Leibe nach, so es mglich

    wre, strbe tausendmal; denn wer da nun lebt und glaubt an

    Mich in der Tat, der wird nimmermehr sterben.(Himmelsgaben Bd. 3, S. 322)

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    Unser GottesbildBernd Kssler

    Mde bin ich geh zur Ruh, schliee beide Augen zu.Vater lass die Augen dein ber meinem Bette sein. Hab ichUnrecht heut getan, sieh es lieber Gott nicht an. DeineGnad und Jesu Blut machen allen Schaden gut.

    Dieses Gebet habe ich abends im Bett, warm in dieBettdecke eingekuschelt, gesprochen und fhlte michgeborgen und geschtzt vor allen Unbilden, die mein

    jugendliches Leben bedrohten oder belasteten. ImKindergottesdienst und spter im Konfirmandenunterricht hrte ich auch

    vom heiligen Geist, der bei uns Wohnung nehmen mge. Hatte ich bisdahin Vertrauen in einen liebevollen, mchtigen Vatergott, so begann ichmir allmhlich Gedanken darber zu machen, was es denn mit dem Vater,dem Sohn, dem Heiligen Geist und dem lieben Gott fr eine Bewandtnishat und wie sie zueinander stehen.

    Diese Frage beschftigte mich bis ins hohe Erwachsenenalter hinein.Ich fragte nach der Erklrung meiner Kirche und stie auf das fr nahezudie gesamte Christenheit geltende Glaubensbekenntnis von Nica und

    Konstantinopel. Danach hat der allmchtige Vater vor aller Zeit einenSohn gezeugt, von ihm sei auch der Heilige Geist als dritter Gottausgegangen. Im Mittelalter lie der Vatikan den heiligen Geist zustzlichauch vom Sohn ausgehen. So konnte dessen Stellvertreter auf Erden, derPapst, diesen Geist hier auf Erden verwalten, verteilen und entziehen. Dieorthodoxen Kirchen hatten sich dem allerdings nicht angeschlossen.

    Die drei gttlichen Personen erscheinen dem menschlichen Gemtsomit als die Regierung dreier Knige in einem Reich. schreibt Emanuel

    Swedenborg: Wollte jemand diese Herrschaft dreier und zugleich derenEinheit im Bild oder Schattenriss vor dem Auge des Geistes darstellen, soknnte er sie seinem Blick nicht anders vorstellen, als in der Gestalt einesMenschen mit drei Kpfen auf einem Krper oder dreier Krper untereinem Kopf. (Swedenborg, Wahre Christliche Religion (WCR) 171)

    Ein ungeheuerliches Bild! Haben wir schon mal einen Christen,geschweige denn einen Angehrigen einer anderen Religion getroffen,dem ein solches Bild einleuchtet, der es plausibel erklren kann? Meistherrscht bei dem Thema betretenes Schweigen oder es wird auf einMysterium des Glaubens, das sich unserem Verstndnis entzieht,verwiesen.

    Emanuel Swedenborg sieht in dieser Dreipersonenlehre den Ursprung

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    Bernd Ksslerist Finanzprsident a.D.

    und lebt mit seinerFamilie bei Bonn

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    fr all die Misslichkeiten, ja letztlich den Untergang der verfasstenchristlichen Kirchen. Dadurch sei das Licht im Wort ausgelscht und derHerr von der Kirche entfernt, und so deren Morgen in die Nacht

    hinabgestrzt worden. (WCR 177).Und in der Tat, in der Rheinischen Kirche, der ich angehre, sehe ich,was das Gottesbild anbelangt, viel geistige Blindheit, ja Dunkelheit. Soerklrt der Prses (Bischof) Schneider im Jahre 2007 in einemFernsehinterview, seit den Konzentrationslagern seien Liebe und Allmachtnicht gleichzeitig bei Gott zu finden. Entweder sei Gott liebevoll, dannfehle ihm die Allmacht, das Unrecht zu verhindern oder er sei allmchtig,dann sei er lieblos. Diese Spannung msse man als Christ aushalten.

    Der allseits durch das Wort zum Sonntag bekannte frhereSuperintendent des Kirchenkreises Bonn, Mller, fhrt in einem Leitartikelin der Zeitschrift Der Protestant im Dezember 2007 folgendes aus:Einen mchtigen Gott habe ich nirgends gesehen Er hat auf einen Teilseiner Allmacht verzichtet. Er hat der Welt auf seine Kosten Platzeingerumt. Darum konnte und musste sich die Welt ganz alleinentwickeln, Evolution heit das Stichwort. Darum muss auch der Menschals Produkt dieser Evolution machen, was er will. - Die beachtliche MengeHirn, die uns die Evolution gegeben hat, sind eine gute Voraussetzung, das

    Unglck in der Welt intelligent zu mindern.Andere Pfarrer ziehen die Botschaften der Bibel sehr ins Weltliche. Ein

    Klner Pfarrer sagte in der Adventszeit: Jesus ist der natrliche Sohn vonJosef und Maria und wurde bei seiner Taufe im Jordan von Gott adoptiert.Seither hat sich Gott seiner angenommen. Die Christen wrden so durchdie Taufe, wie Jesus, zu Tchtern und Shnen Gottes.

    In der katholischen Kirche werden die Heiligen vergttert. Sie werdenals Frsprecher bei einem strengen Vatergott eingesetzt. Es herrscht die

    Vorstellung, durch Ablsse und gute, zeremonielle Werke Gott gndig zustimmen und sich Erleichterungen im Fegefeuer erwerben zu knnen. DerPapst wird als Stellvertreter Christi auf Erden zum Heiligen Vaterausgerufen und verehrt.

    Da die Kirchen die im Neuen Testament angekndigte Wiederkunft desHerrn in den Wolken des Himmels, d.h. im Wort durch seinen SeherSwedenborg und seinen Propheten Lorber nicht anerkennen oder gar zurKenntnis nehmen, bleibt ihnen das wahre Wesen Gottes verborgen. Sie

    knnen deshalb den suchenden Menschen innerhalb und auerhalb derKirchen in diesem so wichtigen Punkt kein Licht bringen.Es gibt glcklicherweise Geistliche, die sich dieser Botschaft des Herrn

    ffnen oder die aus dem inneren Geist ihrer Verbundenheit mit dem Herrn

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    heraus, die Wahrheit erkennen.Durch Swedenborg werden wir darauf hingewiesen, dass der richtige

    Begriff von Gott in der Kirche wie das innere Heiligtum und der Altar im

    Tempel und wie die Krone auf dem Haupt ist von ihm hngt auch wieeine Kette von ihrem obersten Ring der ganze theologische Organismusab, und es erhlt - jeglicher seine Stelle in den Himmeln gem seinemBegriff von Gott. (WCR 163)

    Ein wichtiges Wort fr unser irdisches und ewiges Leben im Jenseitssagt uns der Herr durch Lorber; nach Ablegung unseres irdischen Krperskommen wir in den Himmel, den wir uns schon auf Erden in unserenHerzen gestaltet haben. In den Liebehimmel zu Jesus knnen wir aber nurmit der rechten Gottesvorstellung kommen. (Geistige Sonne Bd.1 48,22)

    Der Herr gibt uns in wunderbarer Weise Aufschluss ber Sein Wesenund Seine Absichten mit uns; Jesus, der Gekreuzigte, ist allein Gott beralle Himmel und ber alles, was den unendlichen Raum erfllt Er ist derVater Seinem urewigen Liebewesen nach, der ewige Sohn Seiner Weisheitund der allein Heilige Geist Seiner unendlichen Macht, Kraft und Wirkungnach. (Lorber , Robert Blum Bd.1, 126,1-5)

    Es ist fr unser Seelenheil wichtig, dass wir die Tiefe dieserMitteilungen in unseren Herzen recht erfassen.

    Den Weg, den Jesus Christus gegangen ist, gilt es nachzuvollziehen,um den rechten Begriff vom Wesen Gottes und der Dreifaltigkeit zu

    bekommen.Er, der Schpfer des Weltalls, der die Unendlichkeit erfllt, ist auf

    unsere winzige Erde herabgekommen, hat durch die Jungfrau Maria dasMenschliche angenommen undes durch sein Leben und Sterbenam Kreuzverherrlicht und vergttlicht, d.h. sich mit der Gottheit untrennbar fr ewigvereint.

    Um Sinn und Zweck dieses ungeheuren Geschehens begreifen zuknnen ist es erforderlich, sich in die Zeit des ersten Sndenfalls vonAdam und Eva zurckzuversetzen.

    Gott lsst uns durch Lorber einmalige wunderbare Aufschlsse in SeineHaushaltung tun, ber Ereignisse, wie sie die Menschheit bisher noch nieerfahren hatte.

    Die in ihrer Heiligkeit durch Adam und Eva verletzte Gottheit drohte,in einem Strafgericht die gesamte aus ihrer Liebe entstandene Schpfung

    zu vernichten. Um dieses Strafgericht abzuwenden, erbarmte sich dieewige Liebe ihrer Geschpfe und erklrte sich bereit, in der groen Zeitder Zeiten (gemeint ist der Erdenwandel des Herrn) fr alle am Kreuz zu

    bluten. (Lorber, Haushaltung Gottes Bd.1 9,9-23).

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    Unter dieser spter dann einzulsenden Bedingung sah die Gottheit vonihrem ursprnglichen Plan der Vernichtung ab und gewhrte derMenschheit eine Art Gnadenfrist. Als nun die ewige Liebe die

    Anforderungen annahm und dadurch schon im voraus der HeiligkeitGottes Genge tat, da lie die Gottheit - Ihren heiligen Willen vernehmenund sprach: Siehe, Deine groe Barmherzigkeit ist in Mir aufgestiegenund ist getreten vor Meine allsehenden Augen und Ich habe erkannt in derRuhe Meiner Heiligkeit Deine groe Aufrichtigkeit und ewige Treue undhabe gezhlt die Reuetropfen Adams und die Trauertropfen Evas und binmitleidig geworden durch Deine groe Erbarmung durch und durch. Undsiehe, daher will Ich Meine Gerichte zurckziehen in dieser Zeit und nachDeinem Verlangen Gnade fr Recht ausstrmen lassen in groer Flle undwill den Schaden, welchen Meine Gerichte angerichtet haben, wiedergutmachen. (Lorber HGt Bd. 1 Kap. 9,24-26)

    In der groen Zeit der Zeiten begibt sich die Liebe in denMutterscho der Jungfrau Maria und kommt als kleines Menschlein Jesusmit einem materiellen Krper und einer substanziellen Seele zu Bethlehemauf unsere finstere Welt. Krper und Seele stammen wie bei allenMenschen aus den gefallenen Intelligenzspezifika, kleinste lebendigeSeelenfunken aus der Sphre Luzifers. Die Ewige Liebe hat es sich zur

    Aufgabe gemacht, das Gefallene aufzusuchen, zu lutern, ins Gttlich-Geistige zu transformieren und so wieder mit Gott zu vereinen. Sie willdadurch eine Brcke fr alle gefallenen Wesen ins geistige, himmlischeReich bauen. Ein Plan, den Luzifer mit aller Macht und List zu verhindernsucht.

    Der Menschensohn Jesus, in dessen Seele das personale ZentrumGottes wohnte, war deshalb auch besonderen Versuchungen ausgesetzt. Eslohnt sich hierzu die Darstellungen des Herrn bei Lorber in der Jugend

    Jesus (Kap. 299) nachzulesen. Es heit dort ber den Gottmenschen Jesus:Seine Seele war gleich wie die eines jeden Menschen und war mit um somehr Schwchen behaftet, weil der allmchtige Gottgeist Sich Selbst in diegewaltigsten Bande legen musste, um in Seiner Seele gehalten werden zuknnen. Also musste die Seele Jesu auch die grten Versuchungen, SichSelbst verleugnend, bestehen, um Ihrem Gottgeist die Bande abzunehmen,Sich damit zu strken fr die endloseste Freiheit des Geistes aller Geister,und also vllig eins zu werden mit Ihm.

    Jesus, die Liebe, wird nun gegenber der Heiligkeit Gottes zum grtenVerbrecher und Snder, da er alle Snden, die groen und die kleinenvom Anfang der Welt bis zu deren Ende auf sich nimmt. (Lorber,Himmelsgaben Bd. 3, S. 76,2-14).

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    Und nun kommt die fr uns alle und die gesamte Schpfungentscheidende Szene im Garten Gethsemane. Jesus, in dem die gttlicheLiebe und Weisheit wohnt, muss sich in Kenntnis der unermesslichen

    Leiden und Demtigungen, die ihm Seine eigenen Geschpfe, zufgenwerden, entscheiden. Will Ich die bei der oben dargestellten Gerichtsszeneder Gottheit gegebene Zusage einhalten, den dargebotenen Kelch leeren,damit Meine Schpfung erhalten bleibt, oder will Ich ihn vorbergehenlassen, die Mission abbrechen und ins Vaterhaus zurckkehren? Dannwrde das seinerzeit gefllte Urteil ber die Schpfung wieder wirksam,die gesamte Schpfung und damit auch wir Menschen wren vernichtet.

    Nun erfahren wir ein Geheimnis. Die Last der Entscheidung war soschwer, dass die Liebe in der unendlichen Entfernung von Gott schwachwurde. Da geschah das Wunder, Gott erbarmte sich Seiner Liebe Selbst,strkte Sie und gebot Ihr, den bitteren Kelch zu trinken. Jesus folgtediesem Gebot bis ans Kreuz und konnte dann ausrufen: Es ist vollbracht.In Deine Hnde empfehle Ich Meine Seele. (Lorber, Hi. 3, S.79,15-18)

    Bei Lukas heit es: Jesus aber rief laut: Vater, in deine Hnde lege ichmeinen Geist. (Lukas 23,46)

    Wir knnen diese Textstellen so deuten, dass Jesus durch dieberwindung dieser letzten Versuchung (es wre Ihm ein Leichtes

    gewesen vom Kreuz herabzusteigen), das seinerzeit gegebene Versprecheneinhielt, wodurch Seine Seele mit dem in Ihm wohnenden allmchtigenGottgeist sich wieder vereinigte. Die gefallenen Seelensubstanzen desMenschensohnes Jesus wurden wieder in die gttliche Ordnung gebracht,vergttlicht, verherrlicht.

    Vom Ostergeschehen wissen wir, dass auch Jesu materieller Krperdiesem Weg folgte, er wurde ebenfalls in die hchste Schwingungsebenedes Gottgeistes erhoben. Matthus berichtet von einem Blitz, der die

    Grabwchter zu Boden warf. (Matth.28.3-4)Knnen wir nachvollziehen, was sich geistig gesehen am Kreuz und zuOstern wirklich abspielte, wie der Menschensohn Jesus verherrlichtwurde?

    Jesu Jnger, die doch drei Jahre lang mit Ihm zusammen waren, hattendamit offensichtlich Schwierigkeiten. So redete sie der Herr nach SeinerAuferstehung wie folgt an: Was seid ihr doch blind! Wie schwer tut ihreuch zu glauben, was die Propheten vorausgesagt haben! Der versprochene

    Retter musste doch erst dies alles erleiden, um zu seiner Herrlichkeit zugelangen. (Lukas 24,25-26)Was bedeutet dies Geschehen vor mehr als zweitausend Jahren fr uns

    heute lebenden Menschen? Als Christen wissen wir, Jesus fordert uns auf,

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    unser Kreuz auf uns zu nehmen und seinem Vorbild zu folgen, und denKampf mit der Welt aufzunehmen.

    Was bei Ihm, in dem das Zentrum Gottes wohnte, die Verherrlichung

    des Menschensohnes Jesus war, soll bei uns mit dem gttlichenGeistfunken Begabte durch die Wiedergeburt erreicht werden. Nur durchdiese neue Geburt aus Wasser und Geist knnen wir in Gottes Reichkommen. (Joh.3, 3-6)

    Wir sind in Snde geboren, Krper und Seele stammen wie bei Jesusaus dem luziferischen Bereich. Als irdische Menschen sehen und frchtenwir die Vergnglichkeit, den Tod. Daher das Bestreben, mglichst viel imLeben mitzunehmen, seien es materielle Gter, Anerkennung oderBewunderung. Die Menschen wollen sich von dem Gedanken an dieEndlichkeit des Lebens ablenken, viel erleben und genieen. Wir sindvollerUnrastund Unruhe, um auch nichts zu verpassen oder zu kurz zukommen. Unser Denken und Tun ist verunreinigt durch Eigennutz: Wasist mit mir? Wo bleiben meine Interessen? Warum haben andere mehr alsich? Warum geht es anderen besser als mir? Warum bekomme ich nichtdie Beachtung und Anerkennung, die ich verdiene. Ich bin besser, schner,klger, geschickter als andere.

    Nur wenn wir diese Welt- und Eigenliebe berwinden, den Weg der

    Wiedergeburt beschreiten, den Kampf mit unserem Ego aufnehmen undden Liebegeist in uns frei machen, werden wir unser himmlisches Zielerreichen.

    Der erste Schritt dazu ist die Selbsterkenntnis dieser unsererSchwchen, die wir so gern verdrngen oder bemnteln, vielleicht nochnicht einmal bewusst erkennen. Es ist deshalb wichtig, sich tglich ausdem Alltagsgeschehen fr eine Zeit der Besinnung und Sammlungzurckzuziehen.

    Es wre aber ein Illusion zu glauben, wir knnten uns selbst aus diesenirdischen Fesseln befreien. Jesus spricht: Ich bin der Weinstock, und ihrseid die Reben. Wer in mir lebt, so wie ich in ihm der bringt reiche Frucht.Denn ohne mich knnt ihr nichts tun. Wer nicht mit mir vereint bleibt, derwird wie eine abgeschnittene Rebe fortgeworfen und vertrocknet. (Joh.15,5-6)

    Wir haben es nun seit der groen Zeit der Zeiten, dem siegreichenGang des Herrn zum Kreuz und Auferstehung nicht mehr mit einen fernen,nicht schaubaren Gott in seiner Gerechtigkeit zu tun, sondern mit einemmenschlichen Gegenber, einem liebevollen Bruder, unserem Herrn Jesus.

    Die Liebesbeziehung zu Ihm gilt es zu suchen und zu vertiefen. Sieentscheidet unser irdisches und jenseitiges Leben und bestimmt die Art

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    und Weise wie wir mit unseren Mitmenschen umgehen. Zur Pflege dieserBeziehung gehrt Aufmerksamkeit, Zuwendung und Zeit. In der Stille, imGesprch mit Ihm, erhalten wir Hilfe und Strkung auf unserem Weg.

    Jesus sagte zu seinen Jngern und damit auch zu uns folgendes: Wermich liebt, der wird sich nach meinen Worten richten. (Joh. 14,23) Dies istkein Gebot sondern eine wunderbare Verheiung, eine Zusage des Herrnauf unserem Weg der Wiedergeburt; gestrkt durch Seine Liebe werden wires schaffen!

    Sobald wir uns aus dieser Beziehung entfernen, uns von weltlichenDingen ablenken lassen, sind wir in Gefahr zu straucheln, in alteGewohnheiten und Schwchen zurckzufallen, zu sndigen. Wir startennun mal in diesem Leben als Kinder der Welt und es fllt schwer, davonfrei zu werden. Aber auch wenn uns vieles misslingt, brauchen wir den Mutnicht zu verlieren. Der Herr kennt uns und unsere Schwchen besser als wirselbst Er liebt uns mehr als wir ahnen und wird uns, wie der Vater imGleichnis bei der Rckkehr seines verlorenen Sohnes, mit Freuden wiederempfangen. Darauf knnen wir vertrauen.

    Wenn wir nun diese tiefen Erkenntnisse aus den Schriften derNeuoffenbarung und der Bibel ber das Wesen unseres lieben himmlischenVaters Jesus gewonnen haben, welche Einstellung sollten wir dann zu den

    Irrtmern, die wir in den christlichen Kirchen finden, einnehmen.Der Herr gibt uns da den Rat, das empfangene Licht in unsere

    abgestammte Kirche hineinzutragen: Wer aber recht leben will, der kannes in jeder Kirche; denn eine Hauptregel ist: Prfet alles, und das Gutedavon behaltet!

    Wenn ihr ein Kind gebadet habt, so schttet blo das Badewasser weg,das Kind aber behaltet, und das Kind ist die Liebe!

    Ich sage zu niemandem: Werde ein Katholik oder werde ein Protestant

    oder werde ein Grieche, sondern: was einer ist, das bleibe er, wenn erwill. Sei er aber was er wolle, so sei er ein werkttiger Christ, und das imGeiste und in der Wahrheit; denn jeder kann, wenn er es will, das reineWort Gottes haben. (Lorber, Erde 73,13-15)

    Spricht zu ihm Philippus: Herr, zeige uns den Vater, so ists uns genug.Jesus spricht zu ihm: So lange bin ich bei euch, und du kennst mich

    immer noch nicht, Philippus? Wer mich sieht, der sieht den Vater!Wie sprichst du denn: Zeige uns den Vater?

    Glaubst du nicht, dass ich im Vater und der Vater in mir ist?(Joh. 14,8-10)

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    Von Tod und TodesnotDes Leibes Tod ist des Lebens letzte Not und ist gleichsam die

    Anheftung ans Kreuz.Wre nicht des Leibes Tod, so ginge alles Leben verloren. Aber durch

    des Leibes Tod wird das Leben gesammelt und gefestet, damit es nachdem Abfalle des Leibes selbst im schlimmsten Falle doch noch als etwas

    bestehen kann.Die mit dem Tode verbundene, vorhergehende Angst ist eben der Akt

    der Vereinigung des Lebens, welches vorher nur gar zu hufig schon inalle Weltwinde zerstreut war.

    Daher geschieht es auch, und das beraus notwendig, dass die

    Weltlichen einen oft beraus bitteren Tod schmecken mssen. Denn wrdesolches nicht geschehen aus Meiner bergroen Erbarmung, so wrden sievollends ewig zunichte.

    Und dass solche weltliche Seelen nach dem herben irdischen Tode ineinen hchst unfreien Zustand kommen, ist ebenfalls wieder nur, damit ihrim Leibestode nur schwer gesammeltes Leben sich nicht wiederverflchtige und endlich gnzlich zunichte werde.

    Und so ist denn selbst der angst- und qualvolle so genannte ewige Tod

    nichts als eine durch Meine groe Erbarmung gesetzte Lebensverwahrung.Welche Menschen aber schon bei ihrem Leibesleben ihr Leben durchSelbstverleugnung, Demut und Liebe zu Mir in Mir vereinigt haben,wahrlich, diese werden von des Leibestodes Angst nicht viel verspren. -Und wenn ihr irdisches Lebensschifflein einmal an den trglichenWeltklippen zerstuben wird, so wird der Wanderer schmerz- und sorglossagen: Ich bin mit meiner Habe im trockenen!

    Bemhet euch daher, euer Leben schon hier zu vereinen in Mir, so wirdeuch der Tod des Leibes dereinst vorkommen wie eine groe aufgehendeSonne dem nchtlichen Wanderer an einem Meeresgestade, welches vollerKlippen und Abgrnde ist.

    Glaubet es Mir, dass es also ist, so wird niemand mehr euch den innernFrieden rauben!

    Das sagt der Herr des Lebens und des Todes! - Amen. Amen. Amen!(Himmelsgaben Bd. 1 S. 336)

    Der Tod ist verschlungen in den Sieg. Tod, wo ist dein Stachel? Hlle,

    wo ist dein Sieg?Aber der Stachel des Todes ist die Snde; die Kraft aberder Snde ist das Gesetz. Gott aber sei Dank, der uns den Sieg gegeben

    hat durch unsern HERRN Jesus Christus!(1. Kor. 15,55)

    Von Tod und Todesnot

  • 8/2/2019 Geistiges Leben 2008-2

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    Ruhen in GottJrg Zink

    Es gibt ein Ziel, das wir mit unserem inneren Menschenerreichen, in dem alles Fragen und Zweifeln zur Ruhekommt, nicht erst in der greren Welt, sondern mitten imTag auf dieser Erde: die Stille der Gegenwart vor Gott, dieStille der Ruhe in Gott, die wir Kontemplation nennen.Kontemplation, sagt der groe spanische MystikerJohannes vom Kreuz, ist ein verborgenes, friedvolles undliebeerflltes Einstrmen Gottes. Es ist die von allem, wasuns beschftigen oder umtreiben mag, gelste Betrachtung der Nhe und

    der Flle Gottes.In dem Wort Kontemplation steckt das Wort Tempel, das ja aus dem

    Lateinischen kommt. Das bedeutet ursprnglich nicht ein Bauwerk, das frGottesdienste bestimmt ist. Es meinte zunchst einen abgegrenzten,ausgemessenen Bezirk am Himmel. Einen bestimmten Ausschnitt desSternhimmels, aus dem noch die rmischen Auguren ihre Deutungen desMenschenlebens ablasen und vor ihnen die Sterndeuter der ltesten Zeit.Sie gewannen in ihrer Schau am Himmel die Einsicht in die hhere, die

    gttliche Ordnung, die ihnen das Ma war fr das, was auf der Erde geltensollte. Und weil es auf der Erde gelten sollte, grenzten sie auf der Erdeeinen entsprechenden Bezirk ab, der sein Ma hatte von dem Ausschnittam Himmel.

    Tempel heit danach auch Beobachtungsplatz, Ort der Schau,Platz des Priesters, der den Himmel betrachtet, und auch Gesichtsfeld.Und erst danach wurde das Wort zum Ausdruck fr ein Gebude, in demgefeiert wurde, was am Himmel zu sehen war: nmlich der

    Zusammenhang zwischen oben und unten, zwischen Himmel und Erde,die Zusammengehrigkeit von gttlicher und menschlicher Welt. DieSilbe, kon bedeutet zusammen. Kontemplation ist also die Schau desGemeinsamen, das der Welt, der Erde, dem Dasein und dem Menschenselbst eigen ist, die Schau der Ganzheit und der Sinnflle, die SchauGottes und des Menschen in ihrer dichten Verbindung. Die Welt ist eine insich, ein Einvernehmen ist zwischen Gott und Mensch, und alles ist gut,wie es auch sei. Und alles fhrt zu dem Ziel, das Gott der Welt und unsMenschen gesetzt hat.

    Was geschieht aber dort, wo wir in den Raum der Kontemplationeintreten? Wir knnen es beschreiben als Gebet. Aber was ist dasGebet?

    Ruhen in Gott

    Dr. Jrg ZinkEv. Pfarrer undSchriftsteller

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    Im Allgemeinen ist es fr uns ein Reden des Herzens oder ein Redendes Mundes. Dass geredet wird, macht das Gebet aus. Und das ist gut. Wirtreten, indem wir sprechen, aus uns selbst heraus und begegnen dem

    groen Du Gottes. Die Mhe, die wir damit haben, ist aber eben die, dasswir dabei immer etwas sagen mssen, etwas formulieren, etwas, wozuWorte fehlen, in Sprache zu fassen versuchen. Und manchmal werden diegesprochenen Gebete deshalb so leer und so formelhaft. Ich habe aber imLauf meines Lebens mehr und mehr gefunden, dass ich auch vor Gott seinkann, ohne zu reden. Wenn ich glaube, dass Gott mein Wort hrt, dann istmein Wort im Grunde unntig. Dann hrt Gott auch, was ich denke, ohnees auszusprechen. Dann sieht Gott, was in mir ist, und nimmt mich an, wieich, ohne Wort, vor ihm anwesend bin, mich vor ihm ausbreite, ohne michoder irgendetwas in mir zu verbergen. Wenn Menschen um mich sind, dievon mir Worte des Gebets brauchen, dann bete ich mit Worten; aber meineigenes Gebet wurde im Lauf meines Lebens immer leiser, bis es fast nurnoch in meiner wortlosen Gegenwart vor Gott besteht, einem wortlosenHren auf das, was Gott redet, und einem wortlosen Nachsprechen dessen,was Gott mir sagt.

    Wir haben in unseren Betrachtungen unterschieden zwischen Gott, wieer uns als Person gegenbersteht, wie er uns hrt und sieht, und Gott, wie

    er uns als Meer umgibt und durchdringt. Ist nun Gott uns gegenber wieeine Person, so ist die angemessene Weise des Gebets das Hren und dasAntworten, die Rede und das Gesprch. Der Ruf und der Dank. Ich nehmedann ein Wort, das von Gott kommt, auf und verlasse mich auf seineGltigkeit. Ich verlasse mich auf Gott.

    Bin ich in Gott, so wei ich mich von allen Seiten umgeben undumfangen. Ich bin an einem Ort unendlicher Ruhe und Geborgenheit. Ichverlasse mich selbst und finde mich in Gott. Ich wende mich im

    schweigenden Gebet von mir selbst weg in die Unendlichkeit Gottes. Ichwerde weit und gro.Es gibt also ein schweigendes Gebet, das ich ein Gebet der Weitung

    nennen knnte, und ein anderes, das Gebet der Einziehung: Ich machemich klein und suche das Wort, das in mir selbst ergeht, das Gott in mirselbst spricht. Und ich versinke dabei in Gott.

    Damit aber begegne ich Gott nicht nur in zweierlei, sondern in dreierleiGestalt. Ich begegne ihm als dem Vater, und ich rede schlicht zu ihm mit

    meinen vielen oder wenigen Worten. Ich finde ihn in Jesus Christus, derfr Gott steht berall, wo ich seine Nhe und seine Unendlichkeitempfinde, und dehne mich in seine groe Gestalt. Und ich finde ihn indem Wehen des Geistes, das durch meine eigene Seele geht und das alles

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  • 8/2/2019 Geistiges Leben 2008-2

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    weckt und hervorbringt, das wert ist, ein Ort Gottes zu sein. Ich werde alsoreden, wenn ich bete. Ich werde schweigen. Und in diesem Schweigenwerde ich mich ausdehnen und weit werden ber die ganze Welt hin und

    ber die Flle ihrer Schicksale, ihrer Leiden und ihrer Mhen. Es ist dasGebet, in dem ich fr alle Menschen dieser Erde und fr alle Geschpfevor Gott bin. Und ich werde klein werden, sehr klein. Ich werde micheinziehen, ich werde aufnehmen, horchen und empfangen, mich auffllenmit der Kraft aus dem Geist Gottes.

    Ich halte Gott einfach mein krankes Ich hin und wnsche mir, er mgemich berhren. Ich halte ihm mein schwaches und mdes Ich hin undwnsche mir, er mge es mit seiner Kraft fllen. Meine ungenauen undflackernden Gedanken halte ich ihm hin und wnsche mir, er selbst mgedie Worte des schweigenden Gebetes in mir sprechen. Und so werde ichselbst ein in Zeit und Vergnglichkeit nicht mehr gefangener Mensch, derden Schritt in die Ewigkeit tut.

    Wenn ich schweigend vor Gott anwesend bin, finde ich darum auchnher zu mir selbst. Aber wichtig ist dabei nicht, dass ich mich selbstfinde, sondern dass ich selbst so unwichtig werde, dass Gott in mirgegenwrtig sein kann. Und immer wird dabei, wenn es denn gegebenwird, ein Wort das Wichtige sein, das zwischen Gott und mir hin und her

    geht, eines, das in der Gestalt von Sprache ergeht, oder eines, das sich derSprache entzieht.

    Darin liegt nichts, das selbstverstndlich wre. Es kann lange Zeitendes Schweigens und Wartens geben, in denen keine Stimme ergeht, undZeiten, in denen es sinnlos zu sein scheint, auf ein Wort von Gott zuhoffen. Die alten Meister reden darum von den Wstenzeiten, die derBetende durchwandern msse, analog der Wstenwanderung des VolkesIsrael, die es durchstehen musste, ehe es das verheiene Land erreichte.

    Im Gebet ohne Worte ruhen wir im einfachen Bewusstsein: Gott ist. Erist da. Wir denken nicht darber nach, wer oder was er sei, sondernwurzeln ein in ihn als in einen festen Grund. Meister Eckhart hat gesagt:Genauso weit, wie wir in Gott sind, so weit sind wir im Frieden.

    Es liegt darin auch eine wunderbare Entlastung fr unser ganzes Leben.Wir brauchen nichts Groes zu werden, wir brauchen weder berhmtenoch geniale Menschen oder auch Heilige zu sein, sondern nichts alsachtsame Tnzer nach der Musik Gottes.

    Dabei knnen wir erfahren, was Segen ist. Dass nmlich das Daseinleuchtet. Dass es strahlt. Dass es die starken Farben der Schnheit und derSinnhaftigkeit trgt. Wer das einmal erfahren hat, der wei, dass dieDankbarkeit und der Lobpreis im Grunde das einzig sinnvolle Gebet sind.

    Ruhen in Gott

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    Und dass die Freude am Dasein, die Freude an allem, was ist, aus derDankbarkeit erwchst. Denn im Dank fgt sich das Dasein von seinen

    beiden Polen her. Von Gott, dem Geber der Erfahrung, und mir, dem

    Erfahrenden, her wird es ganz, und wir entdecken, was der Epheserbriefdie vielfarbige Weisheit Gottes nennt. Die Flle des Lebens. DenReichtum, der uns mit unserem Leben in dieser Welt gegeben ist. DieVielfarbigkeit auch jedes einzelnen Menschen, mit dem wir zu tun haben,die Vielfarbigkeit jedes Tages, den wir auf dieser Erde zubringen. Ichknnte auch sagen: die Vielsprachigkeit Gottes, der in allem zu unsspricht. Ich knnte auch sagen: die Musik, die in allem ist, die durch alleshindurch klingt von der harmonia mundi Keplers bis zu der Musik, die ichin mir selbst hre. Und ich knnte auch sagen: Das Leben ist ein Tanz, mitdem wir Geschpfe auf die Musik antworten, die wir hren, die durch unshindurchgeht. Und diese Musik will uns verbinden mit allen Menschen,auch den Andersdenkenden, den Andersglaubenden, den Anderslebenden.Unser Tanz aber wird sich um die eine Mitte bewegen, die wir Gottnennen, von dem die Musik dieses Daseins ausgeht.

    Den Weg des schweigenden Gebets nennen die Mystiker die uniomystica, das innerste Einssein mit Gott. Dieses innerste Einssein ist nichtso sehr ein himmlisches Ziel, in ihm liegt vielmehr der Sinn unseres

    Weges auf dieser Erde. In diesem innersten Einssein rhmen wir Gott.Mein Leib und Seele freuen sich in dem lebendigen Gott, sagt der Psalm(84,3).

    Unser Auge ist offen, und wir schauen. Unser Auge aber und das, wases schaut, sind eins. Wir schauen, und wir werden verwandelt in das, waswir schauen, sagt Paulus (2. Korinther 3,18).

    Die Geistes- und Kunstgeschichte der Religionen haben immer wiederversucht, fr Gott ein Symbol zu finden, das zugleich zeigt, wie Gott die

    Mitte und zugleich das Umgreifende allen Seins sei. Sie zeigten seinGeheimnis als Kreis, als Rad, als Rose oder Rosette. Gemeinsam ist diesenBildern der Gedanke, Gott sei ebenso im noch so kleinen Zentrum derDinge wie in der Peripherie der Welt gegenwrtig, er ruhe in sich und

    bewege doch alles, er sei fasslich und unfasslich zugleich. So stehen berden Portalen vor allem der franzsischen Kathedralen die groen Rosetten,oft so gestaltet, dass sie einer Blume mit zwlf Bltenblttern oder einemStern mit zwlf Strahlen gleichen. Und wenn wir Dante auf seinem Weg in

    die obere Welt, in die Herrlichkeit Gottes begleiten, sehen wir mit ihm,wie Gott sich dem geistigen Auge ffnet wie eine riesige, leuchtende Rosemit unendlichen Blttern.

    Wenn das geschieht, schliet sich fr uns endgltig der groe, volle

    Ruhen in Gott

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    Kreisbogen und gibt uns eine leuchtende Ahnung von dem, was sein wird,damit wir Gelassenheit und Gewissheit finden auch in unserer Sorge umdiese Erde und um die Menschen auf ihr.

    Da bleibt nur die Anbetung, das Sein in Gott. Da lassen wir, was unsereGedanken bewegt, in Gott ruhen. Da lassen wir alle Bilder, die uns vorAugen stehen, einsinken in Gott. Da geben wir, was wir ber dasGottesreich gedacht haben, Gott zurck, wie Christus am Ende das Reichihm zurckgeben wird (1. Korinther 15,27-28). Da legen wir unsere Fragenund Sorgen Gott in die Hnde und nehmen aus seinen Hnden wieder, waser uns als seine Antwort zugedacht hat.

    Paulus sagt einmal: Was aber kein Auge gesehen und kein Ohr gehrthat und in keines Menschen Herz gekommen ist, das hat Gott denen

    bereitet, die ihn lieben. (1. Korinther 2,9)Was kein Auge sieht und kein Ohr vernimmt, was kein Herz sich

    erdenkt, das macht Gott aus denen, die sich seiner Liebe anvertrauen. Sietun dies und versuchen jenes und wissen, dass das Geringe, da und dort inaller Einfachheit getan, die Welt vom Tode zum Leben bringt.

    Und wenn uns eines Tages nach allen Schrecknissen diesesJahrhunderts wieder und noch schrecklicher das Grauen berfllt, dasGeschrei des Krieges und der tausendfache kologische Tod, dann gebe

    Gott, dass der groe leuchtende Bogen, das Zeichen des Bundes Gottes mitden Menschen, vor unseren Augen ber der Erde stehen bleibt als Zeicheneiner Rettung, auf die wir durch alles, was geschieht, hindurch zugehen.

    Ich werde einmal sterben. Vielleicht ist es gar nicht so lange bis dahin.Aber das Ganze der Welt wird leben, solange Gott es mit Leben segnet.Auch ich werde weiterleben, in einer anderen Gestalt und mit eineranderen Leiblichkeit. Meine Seele hatte einen Krper, der aus allem

    bestand, was in dieser Welt lebt und ist. Die ganze Erde war mein Krper.

    Und ich werde wieder eine Welt als meinen Krper empfangen. Man magsie geistig nennen, aber das wrde vermutlich irrefhren. Gott wird mirwieder einen Segen zusprechen und sagen: Lebe! Sei lebendig und tu' dasDeine in der greren Welt, die ich dir zeige.

    (Quelle: Jrg Zink - Dornen knnen Rosen tragen,Mystik, die Zukunft des Christentums, Kreuz-Verlag)

    Ihr seid bisher noch nicht zur Ruhe gekommen noch zu demErbteil, das dir der HERR, dein Gott, geben wird.

    (5. Mos. 12,9)

    Ruhen in Gott

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    Damit Gott in der Seele ruhen kannMiguel de Molinos (1628-1696)

    Damit Gott in der Seele ruhen kann, muss das Gemt in allem Ungemach,Versuchungen und Leiden in Ruhe erhalten werden.

    Du sollst wissen, dass deine Seele das Zentrum, die

    Wohnung und das Knigreich Gottes ist. Damit nun derBeherrscher dieses Reiches auf dem Throne deiner Seeleruhen kann, solltest du dich bemhen, denselben rein, ruhig,leer und friedvoll zu erhalten; rein von Schuld und Fehlern;ruhig vor Befrchtungen; leer von Leidenschaften,

    Begierden, Vorstellungen und friedvoll in Versuchungen undTrbsalen.Du sollst dein Herz daher stets in Frieden erhalten, damit der Tempel

    Gottes rein bleibt und sollst mit einem rechten und reinen Vorsatz arbeiten,beten, gehorchen und dulden, ohne im mindesten beunruhigt zu werden,bei allem, was Gott gefllt, dir zu schicken. Denn sicherlich wird Gott demneidischen Erzfeind zulassen, die Stadt des Friedens und den Thron derSeele durch Versuchungen, Einflsterungen und Beschwerden zu

    beunruhigen, vermittelst der Kreaturen, durch qulende Sorgen, krnkendeVerfolgungen usw.

    Sei standhaft und gefassten Sinnes, was fr Pein solche Leiden dir auchbereiten mgen. Unterziehe dich ihr willig, damit du sie zu berwindenvermagst, denn die gttliche Kraft ist in ihr verborgen, welche dichverteidigt, beschtzt und fr dich kmpft. Wenn jemand eine sichere Burg

    besitzt, so ist er nicht beunruhigt, obgleich ihm seine Feinde nachstellen,weil deren Absichten vereitelt werden, da er sich ja in die Burgzurckziehen kann. Die starke Festung, welche dich ber alle deine

    sichtbaren und unsichtbaren Feinde, wie ber deren Rnke undKrnkungen triumphieren lassen wird, befindet sich in deiner eigenenSeele, weil in ihr die gttliche Hilfe und des Herrn Beistand wohnt. Ziehedich in sie zurck und alles wird still, ruhig, sicher und friedevoll sein.

    Es sollte dein vornehmstes und unausgesetztes Bestreben sein, jenenThron deines Herzens zu beruhigen, damit der hchste Herrscher daraufverweilen kann.Der Weg dazu wird sein, in dich selbst, durch innerliche

    Sammlung, einzukehren; dein ganzer Schutz soll das Gebet und eine

    liebreiche Sammlung in der gttlichen Gegenwart sein. Wenn du dichheftiger angegriffen siehst, ziehe dich in jene Region des Friedens zurck,wo du die Festung finden wirst. Wenn du dich schwcher fhlst, nimmdeine Zuflucht zum Gebet, der einzigen Waffe zur berwindung des

    Damit Gott in der Seele ruhen kann

    Miguel de MolinosSpan. Priester und

    Mystiker

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    Feindes und zur Linderung der Trbsal. Du solltest im Sturm nicht fernvon ihm sein, damit du, ein zweiter Noah, Ruhe, Sicherheit und Klarheiterfahren kannst, und damit dein Wille gelassen, ergeben, friedfertig und

    mutig zu werden vermag.Sei endlich nicht bekmmert noch entmutigt, wenn du dich kleinmtigsiehst. Er kehrt wieder zu dir zurck, um dich zu besnftigen, damit er dichaufs neue bewegen (anfeuern) kann, weil der gttliche Herr mit dir alleinsein will, um in deiner Seele zu ruhen und darin einen reichen Thron desFriedens zu errichten, damit du in deinem eigenen Herzen, vermgeinnerlicher Sammlung und durch seine himmlische Gnade, nach Stille inErregung, Einsamkeit in Gesellschaft, Licht in Dunkelheit, Vergessenheitin Bedrckungen, Strke in Verzagtheit, Mut in Furcht, Kraft inVersuchung, Friede im Streit und Ruhe in Trbsal ausblicken kannst.

    Wenn sich die Seele auch von der eigenen Verstandesttigkeit ledig fhlt,

    sollte sie doch im Gebet ausharren und nicht bekmmert sein,

    weil dies ein greres Glck fr sie ist.

    Du wirst dich, gleich allen anderen Seelen, welche vom Herrn zu deminneren Wege berufen sind, voll Verwirrung und Zweifel finden, weil duim Gebet der Unzulnglichkeit deiner Verstandeskraft gewahr geworden

    bist. Es wird dir scheinen, dass Gott dir nicht mehr wie frher beisteht;dass die Ausbung des Gebets nicht in deiner Macht steht; dass du langesumst, bevor du mhsam und mit vieler Schwierigkeit ein einziges kurzesGebet, wie du gewohnt, sprechen kannst.

    Dieser Mangel, dich in verstandesmiger berlegung zu ergehen, wirdin dir groe Verwirrung und Unruhe hervorbringen! Und wenn du in solch

    bedenklicher Lage nicht einen geistlichen Vater hast, der erfahren ist aufdem mystischen Wege, wirst du gewiss glauben, dass deine Seele in

    Unordnung sei und du zum Schutze deines Gewissens einer Beichtebedrfest. Damit erreichst du aber nichts als Scham und Bestrzung. Ach,wie viele Seelen sind zu dem inneren Wege berufen, und werden durch diegeistlichen Vter, aus Mangel an Verstndnis, auf ihrer Bahn gehemmtund ins Verderben gefhrt, anstatt von ihnen geleitet und vorwrtsgebracht zu werden.

    Um nicht abfllig zu werden, wenn du im Gebete des eigenen Denkensund Erwgens ermangelst, solltest du davon berzeugt sein, dass dies deingrtes Glck ist, weil es klar bezeugt, dass der Herr dich durch Glaubenund Stillschweigen in seine gttliche Gegenwart kommen lassen will, wasder ntzlichste und leichteste Pfad ist. Bedenke doch, dass die Seele miteinfltigem Hinschauen oder innigem (liebevollem) Aufhorchen auf Gott,

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    gleich einem demtigen Bittsteller vor ihrem Herrn erscheint, oder wie einunschuldiges Kind, welches sich an den sen und sicheren Busen seinertreuen Mutter wirft. Gerson drckte dies so aus: Obgleich ich 40 Jahre

    mit Lesen und im Gebet verbracht habe, konnte ich doch niemals etwasWirksameres noch Krzeres ausfindig machen, um zur mystischenTheologie (Theosophie) zu gelangen, als dass unser Geist in GottesGegenwart gleich einem kleinen Kinde oder einem Bettler werden sollte.

    Diese Art zu beten ist nicht allein die leichteste, sondern auch diesicherste, weil sie von der Ttigkeit der Vorstellung, welche immerdar denFallstricken des Bsen ausgesetzt ist, sowie von den bertreibungen derSchwermut und Grbelei, worin sich die Seele leicht verfngt und (inSpekulation vertieft) ber sich selbst nachbrtet, entbunden ist.

    Als es Gott gefiel, seinen Feldherrn Moses (2.Mose Kap.24) zuunterweisen, und ihm die zwei in Stein geschriebenen Gesetzestafeln zubergeben, berief er ihn auf den Berg, welcher zu der Zeit, da Gott mitMoses dort verweilte, verfinstert und mit dicken Wolken umhllt war.

    Nachdem Moses sieben Tage hindurch, ohne zu wissen was er denken undsprechen sollte, unttig gewartet hatte, befahl ihm Gott, auf den Gipfel desBerges hinaufzusteigen, wo er ihm seine Herrlichkeit enthllte und reichenTrost spendete.

    So lsst Gott, wenn er nach einer auergewhnlichen Leitung die Seelein die Schule der gttlichen und liebevollen Belehrung ber das innereLeben einfhren will, diese in Dunkelheit und Drre wandeln, damit er sienher zu sich heraufzuziehen vermag. Denn die gttliche Herrlichkeit weisehr wohl, dass eine Seele nicht durch eigene Entschlieung zu ihmempordringt, sondern durch ruhige und demtige Ergebung.

    Der Patriarch Noah gab hiefr ein bedeutsames Beispiel. Er wurde vonallen Menschen als Narr angesehen, weil er inmitten des tosenden Meeres,

    welches die ganze Erde berflutete, ohne Segel und Ruder schwamm. Vonwilden Tieren umgeben, welche in der Arche eingeschlossen waren, zog erdurch seinen Glauben allein hinaus, ohne zu wissen, was Gott mit ihm zutun gefallen wrde.

    Was dir vor allem frommt, o freigewordene Seele, das ist Stand-

    haftigkeit, nicht abzulassen vom begonnenen Gebet, obgleich du dabeidein eigenes Denken beherrschen musst. Verharre in festem Glauben undheiligem Frieden, deinem Ich mit all seinen natrlichen Bestrebungen

    absterbend, im Vertrauen, dass Gott, welcher unvernderlich derselbebleibt, niemals irren kann und nur dein Bestes im Auge hat. Es ist klar,dass derjenige, welcher sich selbst abstirbt, dies notwendigerweiseschmerzlich empfinden muss. Aber wie wohl ist die Zeit angewendet

    Damit Gott in der Seele ruhen kann

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    worden, wenn die Seele tot, stumm und ergeben in Gottes Gegenwart ist,um ohne Unruhe und Zerstreutheit die himmlischen Eingebungen zuempfangen.

    Die Sinne sind fr die gttlichen Gnadengaben nicht empfnglich;willst du daher weise und glcklich sein, so sei still und bestndig, glaubeund dulde, und schreite vertrauensvoll vorwrts. Es ist dir weit besser,Frieden zu halten und dich von Gottes Hand fhren zu lassen, als dich

    aller Gter dieser Welt zu erfreuen. Und ob es dir gleich scheinen mag,als ob du bei alledem nichts tust und mig bist, so ist dies doch vonunendlichem Nutzen.

    Schaue das blinde Tier an, welches das Rad der Mhle dreht, wie es,ohne zu sehen oder zu wissen was es tut, doch ein ntzliches Werk mitdem Mahlen des Kornes verrichtet. Wenn es auch nicht davon kostet, soempfngt doch sein Herr die Frucht und geniet von ihr. Wer sollte,whrend der langen Zeit, da der Same in der Erde schlummert, nichtglauben, dass derselbe zugrunde gegangen sei? Und doch sieht man dieSaat nachher aufgehen, wachsen und sich vermehren. Das gleiche lsstGott mit der Seele geschehen, wenn er ihr das eigene, berlegende Denkennimmt. Whrend sie glaubt, mig und gleichsam vernichtet zu sein,kommt sie nach gewisser Zeit wieder zu sich selbst, veredelt, frei und

    vollkommen, ohne jemals auf eine so groe Gnadengunst gefasst gewesenzu sein.

    Hte dich darum, dich selbst zu qulen oder abfllig zu werden, wenn

    du durch dein eigenes Denken dich im Gebete nicht emporschwingen

    kannst. Dulde, bleibe ruhig und ergib dich in Gottes Gegenwart. Harrestandhaft aus und vertraue auf seine unendliche Gte, welche dir stetigenGlauben, wahre Erleuchtung und himmlische Gnade zu verleihen vermag.Wandle, gleich als ob deine Augen verbunden wren, ohne zu denken und

    zu berlegen. Gib dich in seine gtigen, vterlichen Hnde, mit dem festenVorsatz, nichts zu tun, was nicht nach seinem gttlichen Willen undGefallen ist.

    Es ist die gemeinsame berzeugung aller heiligen Mnner, welche berden Geist und alle anderen mystischen Gegenstnde geschrieben haben,dass die Seele vermittelst der Betrachtung und Verstandesttigkeit nichtzur Vollkommenheit und Vereinigung mit Gott gelangen kann, weil diesenur am Anfange des geistigen Weges frderlich sind, um einen gewissen

    Grad von Kenntnis ber die Schnheit der Tugend und die Hsslichkeitdes Lasters gewinnen zu knnen. Dieses Wissen kann nach der Meinungder heiligen Theresa innerhalb sechs Monaten, und gem des heiligenBonaventura in zwei Monaten erworben werden.

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    Ach wie bedauernswert sind in dieser Beziehung unendlich vieleSeelen, welche von Beginn bis zum Ende ihres Lebens mit bloem

    Nachgrbeln beschftigt sind, und sich ganz auf ihren Verstand

    beschrnken; und das obwohl der allmchtige Gott sie des eigenenDenkens beraubt, um sie zu einem anderen Zustand zu erheben und zueiner vollkommeneren Art der Anbetung heimzufhren. Sie aber bleibenviele Jahre unvollkommen und bleiben im Anfang stecken, oder kommennur einen Schritt auf dem Wege des Geistes voran. Sie qulen ihrenVerstand mit dem Suchen nach rtlichkeit und Zeit, mit Einbildungen undangestrengten Erwgungen, indem sie Gott, welcher doch in ihnen selbstwohnt, stets auerhalb suchen.

    Darber beklagte sich der heilige Augustinus, als ihn Gott auf denmystischen Weg brachte, indem er zu der gttlichen Allmacht sprach:

    Umherirrend wie ein verlaufenes Schaf, suchte ich dich, o Herr,

    whrend du in mir selbst weiltest. Ich mhte mich ab, auen nach dir zu

    suchen, und doch hast du deine Wohnung in mir, wenn ich nach dir

    verlange und an dich denke. Ich wanderte durch die Strassen und Pltze

    dieser Welt, um dich zu suchen, und fand dich nicht, weil ich vergebens

    drauen nach Ihm forschte, der doch in meinem Inneren war.

    Der Doktor Angelicus, St. Thomas, mag (ungeachtet seiner

    bedeutsamen Schreibweise) doch derjenigen zu spotten scheinen, welchemit Vernunftschlssen immer auen nach Gott forschen, whrend er dochin ihnen selbst gegenwrtig ist. Dieser Heilige sagt: Es herrscht eine

    groe Blindheit und malose Torheit in jenen, welche unablssig Gott

    suchen, fortwhrend nach Gott seufzen und Gott tglich im Gebet

    anrufen, whrend sie (nach den Worten des Apostels) selbst der

    lebendige Tempel Gottes und seine wahre Wohnung sind, da in ihrer

    Seele der Sitz und Thron des Hchsten sich befindet, wo er

    immerwhrend verweilt. Wer anders als ein Narr wird daher nach einemWerkzeug drauen suchen, welches er sich erinnert, im Hause selbsteingeschlossen zu haben? Oder wer kann sich an der begehrten Nahrungerquicken, ohne von ihr zu kosten. Gerade so ist das Leben von einigentugendhaften Mnnern, welche immer forschen und sich des Besitzesniemals wirklich erfreuen. Deshalb ist all ihr Tun unvollkommen.

    Es ist gewiss, dass unser Herr Jesus Christus die Vollkommenheit allenlehrte, und alle zur Vollkommenheit gelangen lassen will, besonders die

    Unwissenden und Einfltigen. Diese Wahrheit bezeugte er dadurchdeutlich, dass er zu seinen Aposteln geringe und unwissende erwhlte,indem er zu seinem ewigen Vater sagte: Ich danke dir, o Vater, Herr desHimmels und der Erde, dass du diese Dinge vor den Weisen und Klugen

    Damit Gott in der Seele ruhen kann

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    verborgen und den Kindern offenbart hast.Es ist gewiss, dass diese, wenn sie auch nicht durch scharfsinnige

    berlegungen und spitzfindige Untersuchungen zur Vollkommenheit

    gelangen knnen, doch ebenso wohl wie die gelehrtesten Mnner fhigsind, diese zu erwerben und zwar durch Eingabe ihres Willens, worin siehauptschlich besteht. Der heilige Bonaventura belehrt uns, keineVorstellungen von irgendetwas zu bilden, auch nicht von Gott, weil esUnvollkommenheit ist, Darstellungen, Bilder und Ideen, wie fein undgeistreich sie auch immer seien, entweder von dem Willen, der Gte odervon der Dreieinigkeit und Einheit zu machen; ja sogar von dem gttlichenGeiste selbst - in Rcksicht darauf, dass alle diese Sinnbilder, obgleich sieGott hnlich erscheinen, doch nicht Gott sind, welcher ber jedes Bild undGleichnis erhaben ist.

    Weiter sagt der Heilige: Wir drfen hier nicht an etwas Erschaffenesoder Himmlisches noch auch Gttliches denken, weil diese Weisheit undVollkommenheit nicht durch feines und zielbewusstes Forschen, sondernnur durch die Sehnsucht und Hingabe des Willens erlangt werden kann.

    Der heilige Mann kann nicht klarer sprechen; und wrdest du dichbeunruhigen und vom Gebet ablassen, weil du nicht weit oder nicht zusagen vermagst, wie du dich darin emporschwingen kannst, obgleich du

    einen guten Willen, starkes Verlangen und eine reine Absicht hast? Wenndie jungen Raben, welche von den Alten verlassen worden sind (weildiese, da sie keine schwarzen Federn an ihnen sahen, sie fr unechthielten), von dem Tau des Himmels ernhrt werden, damit sie nichtzugrunde gehen; was wird er tun, um Seelen zu erlsen, obgleich sie nichtsprechen und denken knnen, wenn sie nur glauben, vertrauen und ihrAntlitz zum Himmel emporwenden, um ihre Wnsche zu verknden? Istes nicht gewisser, dass Gottes Gte fr sie sorgen und ihnen die

    notwendige Speise geben wird?Es ist offenbar ein groes Martyrium und keine geringe Prfung desHerrn fr die Seele, welche sich der frheren Sinnesfreuden beraubt findet,mit innigem Glauben allein, die dunklen und verlassenen Pfade derVollkommenheit zu wandeln, welche sie nichtsdestoweniger niemalsanders, als durch diese schmerzvollen aber sicheren Mittel erreichen kann.

    Deshalb bemhe dich, standhaft zu sein und nicht abfllig zu werden,

    obgleich du des eigenen Denkens im Gebet ermangelst. So glaube zu

    dieser Zeit fest, sei sanft und gelassen, und harre geduldig aus, wenn duwnschest glcklich zu sein und zu der gttlichen Vereinigung, erhabenenRuhe und zum hchsten innerlichen Frieden zu gelangen.

    Damit Gott in der Seele ruhen kann

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    Vom Wesen der FrbitteWenn du siehst, dass da irgendein wie immer geartet armer Bruder

    oder auch Schwester wandelt, das heit, dass er entweder arm ist am Leibedurch die Schwche oder gar gnzliche Unbrauchbarkeit eines und desandern Sinnes, oder dass er arm ist im Herzen, arm an der Liebe, arm inder Kraft zur Tat, arm am Willen, arm in der Einsicht, arm am Verstandeoder ganz verarmt am Geiste und an allem, was des Geistes ist, und duerbarmst dich seiner aus der Liebe deines Herzens zu Mir und daraus erstzum Bruder oder zur Schwester, siehe, dann ist dein Erbarmen einvollkommenes, da es dann schon eine Aufnahme Meiner groenErbarmung ist auf gleiche Art, als so der Wind zieht durch den Wald und

    bewegt da die Bume und rhrt jegliches Blttchen am Baume, darumdann jegliches Blttchen fchelt und durch das Fcheln auch einen eigenenkleinen Wind zuwege bringt, welcher vom allgemeinen groen Windeaufgenommen wird also, als wre er im Verhltnisse zu ihm wirklichetwas.

    Du wirst aber auch schon fters bemerkt haben, wenn der Wind geht,dass er da auch die drren Bltter rhrt; allein, da sie drre sind und darumsteif und tot, so halten sie den Zug des Windes nicht aus, brechen bald

    vom Zweige und flattern dann tot zur toten Erde nieder. Und fhrt sie dergroe Wind auch eine Zeitlang mit, so senken sie sich nach und nach aberdoch dahin, wo die Vernichtung ihrer harrt!

    Das Blatt des Baumes hat solche Bestimmung; aber nicht also derMensch! Wehe ihm aber, so er am Baume des Lebens ist drre geworden;wahrlich, er wird seiner Vernichtung nicht entgehen!

    Solches aber ist zu entnehmen dem Gleichnisse, dass nur der Lebendigezur lebendigen Erbarmung gerhrt werden kann durch Meine groeErbarmung; seine Erbarmung wird somit von Meiner aufgenommen, alswre sie etwas. Gleichwie aber der Wind aufnimmt das gefchelteLftchen des Blattes und, es alsdann mit sich fhrend, es seine Mitbltter

    besplen lsst, also auch verhlt es sich mit der Erbarmung des Menschengegen seinen Mitmenschen, darum da ein Bruder dem andern so viel tunsoll, als er kann aus der lebendigen, ja von Mir aus und durch Michlebendigen Liebe heraus, und Ich werde dann seine Tat und seine Frbittealso ansehen, als wre sie etwas vor Mir!

    Siehe, wenn also der Wind geht, so nimmt er deinen Hauch mit, als

    wre er etwas! Aber meinst du wohl, dein Hauch werde entweder denWind verstrken oder ihm wohl gar eine andere Richtung geben?!

    O siehe, solches vermag wohl der Hauch aller lebenden Menschen

    Vom Wesen der Frbitte

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    zusammengenommen nicht! Denn der mchtige Wind kommt, niemandder Menschen wei es, woher; und wohin er zieht, wei auch niemand,sondern allein seine ordnungsmige Richtung lsst er aus seinem Zuge

    dich gewahren. So du hauchst mit der Richtung, da wird dein Hauchaufgenommen und mitgefhrt werden; hauchst du aber eigenmchtig demZuge entgegen, da wird dein Hauch zurckgestoen werden und wird sich

    brechen an deinem eigenen Munde und also ersticken helfen dein eigenesLeben!

    So du an einem Strome weinst und Trnen des Mitleids entfallendeinem Auge, wahrlich, auch sie werden, hast du deine Trnen fallenlassen ins Wasser des Stromes, dass sie darum eins geworden sind mit desStromes Wasser, dem Meere der Erbarmung zugefhrt werden! Wenn aber

    jemand auch weinen mchte am Strome, htte aber nicht beachtet desStromes Wasser und liee seine Trnen fallen auf des Stromes Ufersand,werden solche Trnen wohl auch gelangen in das Meer?!

    Siehe, wer da Mich zu einer Miterbarmung durch seine Frbitte zubewegen whnt, ist der nicht noch dmmer als einer, der da der Meinungwre, wo er immer eine Trne geweint hat, msse das Meer hinkommenund da seine Trne aufnehmen, ohne nur im Geringsten zu beachten, wasdas Meer ist, und wohin ohnedies sogar jegliches Bchlein seine Richtung

    nimmt?!Wer aber sich durch Mich bewegen lsst, der ist mit seiner Erbarmung

    in der Ordnung, und seine Trnen fallen schon sogleich ins Meer!Wer hat denn dann bei Mir vorgebeten oder Mich bewogen, euch zu

    erschaffen, als auer Mir noch nichts war?! Oder bin Ich etwa seitdemhrter geworden und liebloser, darum Ich Mich durch Meine Geschpfesollte zu etwas bewegen lassen?!

    O siehe, dessen hat es wahrlich nicht vonnten, wohl aber dessen, dass

    Meine Kinder sich von Mir bewegen lassen in ihren Herzen und Michaufnehmen in der reinen Liebe, dann des Zuges Meiner groenErbarmungen achten und sodann lebendig mitbarmherzig werden! Siehe,das ist Mein Wille! (Haushaltung Gottes Bd. 1, Kap. 172,19-29)

    So ermahne ich euch nun, dass man vor allen Dingen zuerst tue Bitte,

    Gebet, Frbitte und Danksagung fr alle Menschen, fr die Knige und

    alle Obrigkeit, auf dass wir ein ruhiges und stilles Leben fhren mgen

    in aller Gottseligkeit und Ehrbarkeit. Denn solches ist gut undangenehm vor Gott, unserm Heiland, welcher will, dass allen Menschen

    geholfen werde und sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen.(1. Tim 2,1)

    Vom Wesen der Frbitte

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    Aus meines Herzens GrundeMystische Motive im protestantischen Kirchenlied

    Gerhard WehrSeit Martin Luther verfgt die evangelische Christenheit ber einen viel

    gepriesenen groen Schatz an Liedern. Unzhlige Gesangbuchausgabensind im Laufe der Jahrhunderte entstanden, um das mit Herz und MundGesungene und Gebetete fr den Gottesdienst wie fr die private Andachtgriffbereit zu halten. Aber nur wenige sind sich der Tatsache bewusst, dasssich in vielen Liedversen eine eigenstndige mystischeFrmmigkeitshaltung manifestiert. Da kommen Menschen zu Wort, die

    jeweils einer bestimmten Erfahrung teilhaftig geworden sind und die dasEmpfangene nicht fr sich behalten knnen. Oft sind es Verse, die berdas persnliche Zeugnis der Dichter hinaus in die meditative Innerunghineinfhren, so dass man auch auf diese Weise, eben singend, betend,

    betrachtend an protestantischer Mystik in individueller Weise teilhabenkann.

    Die nachfolgenden ausgewhlten Beispiele sind als Anregung fr dieeigene Spurensuche gedacht. Da ist freilich mit der Beobachtung zu

    rechnen, dass Lieder, die noch vor ein oder zwei Generationen zumGrundbestand des protestantischen Liedgutes gezhlt wurden, demheutigen Lebensgefhl und Frmmigkeitsempfinden fremd geworden sind,sodass sie aus dem Gesangbuch verschwunden und durch moderneLieder ersetzt wurden, in der Regel unter Verzicht auf eine mystische

    Note. Der damit eingetretene Verlust ist nicht zuletzt darin zu sehen, dassder bislang selbstverstndliche Rckbezug auf die christlicheGesamttradition nahezu vollstndig verloren ging. Das Verlangen nachspirituellem Erleben, nach Wandlung und nach echter Selbst-Verwirklichung wird zwar von immer mehr Menschen erfahren und diemystisch ausgerichtete Spiritualitt hat in der Folge derMeditationsbewegung so etwas wie eine Renaissance erlangt. Aber diesesauch von der jungen Generation mitgetragene Bestreben hat sich in denneuen Liedtexten noch nicht in angemessener Weise niedergeschlagen.

    An der Spitze der vom Geistfeuer der Mystik ergriffenen Liederdichtersteht zweifellos der Theologe Paul Gerhardt (1607-1676). Im Zeitalter desDreiigjhrigen Kriegs hat der leidgeprfte Mann die Christenheit fr die

    Feier aller Feste des Kirchenjahres mit Gedichten beschenkt, die zu deneindrucksvollsten der Barocklyrik gezhlt werden. Welche Tiefe er zuerreichen vermochte, zeigt sein Weihnachtslied Ich steh an deiner

    Aus meines Herzens Grunde

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    Krippen hier, o Jesu, du mein Leben, dem der Dichter Geist und Sinn,Herz, Seel und Mut, seine Lebensganzheit hingeben will. Dann setzt er inder zweiten Strophe zu einer beraus khnen, keine paradoxe

    Formulierung scheuenden Betrachtung an: Das Jesuskind in der Krippe,vor dem der andchtige Betrachter steht, ist mit einem Male derprexistente, vor allem Sein wirkende gttliche Logos von Johannes Kap.1 (Im Urbeginn war das Wort ...). Und dieses weltschpferische WortGott, ist es, das vor die Existenz des Betrachters zurckgreift, sich frihn - vor aller Zeit - entschieden hat, um sich diesem noch gar nichtexistierenden Menschen zu eigen zu geben:

    Da ich noch nicht geboren war,

    da bist du mir geborenund hast mich dir zu eigen gar,eh ich dich kannt' erkoren.

    Eh ich durch deine Hand gemacht,da hast du schon bei dir bedacht,wie du mein wolltest werden.

    Daran schliet sich die 3. Strophe mit der berwltigendenGrenzerfahrung an: Ich lag in tiefster Todesnacht. Sie wird berstrahlt -

    vom Anblick eines Neugeborenen, der zugleich als das Licht der Weltsomit ein einzigartiges kosmisches Ereignis darstellt, das dem Menschengilt: Du wrest meine Sonne ... Dann kommt wieder der Betrachter des

    Neugebornen zu Wort: Ich sehe mich mit Freuden an ... Aber diesesfreudig erstaunende Hinsehen wandelt sich alsbald in stille Anbetung.Dahinein bricht sogleich die Sehnsucht nach dem Umfassenwollen, nachliebender Umarmung, wie wir sie von der mittelalterlichen Brautmystikkennen. Gleichzeitig wird der Dichter inne, dass diese personaleVorstellung seinem Verlangen ganz unangemessen ist, dass sie dasmenschliche Vermgen sprengt. Deshalb:

    O dass mein Sinn ein Abgrund wr,und meine Seel ein weites Meer,dass ich dich mchte fassen!

    Schlielich lenkt er seine Gedanken auf die konkreten Mglichkeiteneiner spirituellen Vergegenwrtigung des vor der Krippe Erlebten hin,wenn er hofft, dass er fr und fr in der Christusnhe leben, als

    Christophorus d.h. als ein Christustrger, existieren mge:Eins aber, hoff ich, wirst du mir,mein Heiland, nicht versagen:

    Aus meines Herzens Grunde

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    dass ich dich mge fr und frin, bei und an mir tragen.So lass mich doch dein Kripplein sein;

    komm, komm und lege dich hineinmit allen deinen Freuden!

    Und nicht nur mit seinen Freuden, sondern in gleich intensiver Weisemit seinen Leiden. Insofern korrespondiert das Weihnachtslied mit einerStrophe aus Paul Gerhardts Passionslied Ein Lmmlein geht und trgt dieSchuld (Joh. 1,29), in dem es analogerweise heit:

    Mein Lebetage will ich dichaus meinem Sinn nicht lassen.

    Dich will ich stets gleichwie du michmit Liebesarmen fassen.

    Du sollst sein meines Herzens Lichtund wann mein Herz in Stcke bricht,

    sollst du mein Herze bleiben.

    Daran ist ein Gelbnis geknpft, das auch von anderen Mystikern -etwa Heinrich Seuse oder auch Gerhard Tersteegen - auf eine jeeigentmliche Weise vollzogen worden ist, wenn es heit:

    Ich will mich dir, mein hchster Ruhm,hiermit zu deinem Eigentumbestndiglich verschreiben.

    Unter der Vielzahl der Liedtexte Paul Gerhardts sind eine auffallendgroe Zahl der Passion Christi gewidmet. Der bekannteste ist zweifellos O

    Haupt voll Blut und Wunden, wenngleich die sinnende, anbetendeBetrachtung des Blutes und des Leibes Christi dem heutigen MenschenProbleme bereiten drfte, - und sei es, weil die millionenfache Leid- und

    Todeserfahrung unserer Tage anderer Bilder und Symbole bedarf, etwasolcher der Todesberwindung, der Auferstehung und des Ewigenangesichts des Vergnglichen. Was den Dichter anlangt, so folgt er hierlateinischen Vorlagen. Man vermutete als Autor lange Zeit denZisterzienser-Mystiker Bernhard von Clairvaux (1090-1153). Unbestrittenaber ist, dass sich Gerhardt mit den Schriften Johann Arndts (Vier Bchervom wahren Christentum) vertraut machte, der seinerseits mit Inhaltender mittelalterlichen Mystiker und Mystikerinnen lebte. Bei diesem seinem

    lutherischen Kollegen konnte er den Hinweis finden, den er in seinemLiedschaffen beherzigt hat: Durch das Anschauen des gekreuzigtenChristus wird das Gebet erwecket. Auch das Motiv der innerlich

    Aus meines Herzens Grunde

  • 8/2/2019 Geistiges Leben 2008-2

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    anschauenden bung, das wir von Ignatius von Loyola (ExercitiaSpiritualia) her kennen, konnte der Dichter bei Arndt finden:

    Denn was ist's, dass du an das heilige Leiden deines Herrn gedenkest in

    einer erloschenen, blinden Liebe, bringst aber Christi Leiden nicht in diebung ... So wirst du Christum nimmermehr recht sehen knnen, nochseine Wirkungen in dir empfinden.

    Um eine erfahrende Teilnahme ging es also, weil der Weg des mystischverstandenen Christus mit dem Weg des Menschen aufs innigstekorrespondiert:

    Dein Kampf ist unser Sieg,dein Tod ist unser Leben.

    Der Gerhardt-Biograph Christian Bunners deutet in die gleicheRichtung: Aus dem meditativen Schauen lsst Gerhardt den Glaubendenein wahres Bild seiner selbst gewinnen. Wirklicher Bewusstseinswandelhat ein Erschrecken ber das eigene Ich zur Voraussetzung: Ich bins, ich

    sollte ben... Doch wer sich dem Leiden Christi singend verbindet, demvermittelt sich auch die Lebensgemeinschaft mit Christus:

    Ich bin, mein Heil, verbundenall Augenblick und Stunden

    dir berhoch und sehr.Eine solche, mein Lebetage andauernde Verbundenheit mit dem

    inneren Christus ist es also, und nicht etwa nur hie und da auftretendeekstatische Seelenaufschwnge, Visionen oder Auditionen, die diechristliche Mystik ausmachen. Der konkrete Lebensvollzug im Alltag mitallem, was das Menschsein in seinen Hhen und Tiefen bestimmt, gehrtimmer dazu. Blickt man nach Halle und zu dem hallschen Pietismus, dannfindet man auch dort vielfltige Beispiele einer nach innen gerichteten

    Frmmigkeit. August Hermann Francke (1663-1727), der vielseitig Ttige,hat als der Begrnder dieser Richtung zu gelten. In seinem geistlichen LiedGottlob, ein Schritt zur Ewigkeit / ist aberm