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5 Auenwirtschaftliches Gleichgewicht
5.1 Operationalisierung des Ziels einer auenwirtschaftlichen Gleichgewichts
Die Zahlungsbilanz ist eine Abbildung der Transaktionen, die innerhalb eines be-stimmten Zeitraums (monatlich, vierteljhrlich oder jhrlich) zwischen Inlndern undAuslndern stattfinden. Der Ausdruck Zahlungsbilanz ist teilweise irrefhrend. ImGegensatz zu einer blichen Handels- oder Steuerbilanz werden keine Bestndeabgebildet, sondern (Zahlungs-)1 Strme. Wie eine herkmmliche Bilanz ist dieZahlungsbilanz als Ganzes (formal) immer ausgeglichen. Teilbilanzen der Zahlungs-bilanz knnen allerdings unausgeglichen sein. Die Zahlungsbilanz lsst sich verein-facht in vier Teilbilanzen untergliedern:
- Leistungsbilanz
- Saldo der Vermgensbertragungen
- Kapitalbilanz
- Devisenbilanz
Leistungsbilanz: Die Leistungsbilanz lsst sich weiter untergliedern in
- die Handelsbilanz, die den Warenaustausch abbildet, d. h. Warenexporte und-importe
- die Dienstleistungsbilanz, die den Austausch von Diens tleistungen abbildet,z. B. den Tourismus,
- die Bilanz der Erwerbs- und Vermgenseinkommen, die den Austausch vonFaktorleistungen wie z. B. Zinszahlungen zwischen In- und Ausland abbildet,und
- die Bilanz der unentgeltlichen Leistungen (laufenden bertragungen), dieZahlungen ohne Gegenleistung wie berweisungen von Gastarbeitern in ihreHeimatlnder aber auch die Transfers der Bundesrepublik an die EU abbildet.
In der Bundesrepublik war der Saldo der Handelsbilanz wegen des hohen (Gter-)Exportberschuss in der Regel positiv.
Der Saldo der Dienstleistungsbilanz war in der Regel negativ. Eine groe Bedeutungbei der negativen Dienstleistungsbilanz hat der Reiseverkehr.
Der Saldo der Bilanz der unentgeltlichen Leistungen war ebenfalls negativ. Nebenden berweisungen von Gastarbeitern in ihre Heimatlnder spielen bei den unent-geltlichen Leistungen auch die Zahlungen der Bundesrepublik an die EU einewichtige Rolle.
1 Neben tatschlichen Zahlungsstrmen werden aber auch fiktive Zahlungsstrme abgebildet, z. B. beiTransfers von Sachleistungen.
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Saldo der Vermgensbertragungen: Der Saldo der Vermgensbertragungenbetrifft die bertragungen von Vermgen2 ohne Gegenleistungen, z. B. Vererbungenan Auslnder oder Schuldenerlasse gegenber dem Ausland.
Dieser Posten ist von der Grenordnung her gering.
Kapitalbilanz: Die Kapitalbilanz betrifft die Verbindlichkeiten zwischen Inlndern undAuslndern. Eine positive Kapitalbilanz bedeutet, dass mehr Kapital importiert alsexportiert wurde. Dies ist gleichbedeutend damit, dass die Verbindlichkeiten des In-lands gegenber dem Ausland zugenommen haben. Eine negative Kapitalbilanz be-deutet, dass mehr Kapital exportiert als importiert wurde und die Forderungen desInlands gegenber dem Ausland zugenommen haben. Die Kapitalbilanz lsst sichweiter aufteilen in den Saldo der Direktinvestitionen, den Saldo der Wertpapiertrans-aktionen und den brigen Kapitalverkehr. Von dieser Aufteilung erhofft man sichRckschlsse ber die Motive der Kapitalexporte oder -importe.
Die deutsche Kapitalbilanz ist blicherweise negativ, d. h. die deutschen Kapital-exporte sind blicherweise hher als die Kapitalimporte und die Forderungen derdeutschen Volkswirtschaft gegenber dem Ausland erhhen sich. Die negativeKapitalbilanz, d. h. dass Deutsche strker im Ausland investieren als Auslnder inDeutschland, muss kein schlechtes Zeugnis fr die mangelnde Attraktivitt des Inve-stitionsstandorts Deutschland darstellen, sondern lsst sich als der notwendige Aus-gleich fr die positive Leistungsbilanz erklren.
Devisenbilanz: Die Devisenbilanz stellt die Vernderung der Whrungsreserven derZentralbank dar. Ein Aufbau von Whrungsreserven bedeutet einen Devisenimport,ein Abbau von Whrungsreserven einen Devisenimport. Bei festen Wechselkursenspiegelt der Saldo der Devisenbilanz wider, ob die Zentralbank zur Sttzung desWechselkurses Devisen auf- oder verkaufen musste. Bei flexiblen Wechselkursensollte der Saldo der Devisenbilanz nahe bei null liegen.
In Deutschland ist der Saldo der Devisenbilanz in einer vernachlssigbaren Gren-ordnung.
Die nchste Seite zeigt die deutsche Zahlungsbilanz:
2 Regelmige bertragungen von Einkommen fallen unter die Leistungsbilanz unter dieunentgeltlichen Leistungen!
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Die deutsche Zahlungsbilanz
Quelle: Sachverstndigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung: Das Erreichtenicht verspielen. Jahresgutachten 2007/08, S. 75* f.
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Was das (formal immer erfllte) Ziel einer ausgeglichenen Zahlungsbilanz bedeutet,hngt vom Wechselkursregime ab:
Wenn das Hauptziel der Auenwirtschaftspolitik darin liegt, einen bestimmten Wech-selkurs zu halten, wird oft ein Saldo der Devisenbilanz von null als auenwirtschaft-liches Gleichgewicht angesehen. Wenn die Zentralbank auf dem Devisenmarkt nichtzur Wechselkursstabilisierung eingreifen muss, d. h. weder Whrungen aufkaufennoch verkaufen muss, bedeutet dies, dass die eigene Whrung richtig bewertet ist. Inder Bundesrepublik galt ein System fester Wechselkurse bis Anfang der 70er Jahre.
In einem System flexibler Wechselkurse richten sich die Wechselkurse nach Angebotund Nachfrage am Devisenmarkt. Die Zentralbanken haben bei flexiblen Wechsel-kursen keine Verpflichtung, irgendwelche Wechselkurse zu verteidigen. So ist bei-spielsweise der Euro ist an keine andere Whrung gebunden, die Wechselkurse desEuro schwanken frei gegenber anderen Whrungen wie Dollar, Yen oder BritischemPfund. In einem System flexibler Wechselkurse ist die Devisenbilanz theoretisch im-mer ausgeglichen. Als auenwirtschaftliches Gleichgewicht wird in diesem Fall in derRegel eine ausgeglichene (oder leicht positive) Leistungsbilanz angesehen. Eineausgeglichene Leistungsbilanz bedeutet (bei einem Saldo der Devisenbilanz undeinem Saldo der Vermgensbertragungen von null) auch einen Saldo der Kapital-bilanz von null. Dies bedeutet, dass gegenber dem Ausland weder eine Glubiger-noch eine Schuldnerposition aufgebaut wird.
Die Bundesrepublik ist "Exportweltmeister" beim Warenhandel. Im Jahr 2006 wurdennach Angaben des Statistischen Bundesamtes von Deutschland Waren im Wert von893,0 Milliarden Euro ausgefhrt und Waren im Wert von 734,0 Milliarden Euro ein-gefhrt. Damit waren sowohl die Ausfuhren als auch die Einfuhren so hoch wie niezuvor. Der Auenhandelssaldo erreichte den "Rekordberschuss" von 159,0 Milliar-den Euro. Aus diesem hohen berschuss resultiert ein Saldo der Dienstleistungs-bilanz in Hhe von rund 117 Milliarden Euro und ein Saldo der Kapitalbilanz von rund143 Milliarden Euro3. Von einem "auenwirtschaftlichen Gleichgewicht" ist Deutsch-land also weit entfernt. Da der Exportberschuss und die damit verbundene Zu-nahme der Forderungen der deutschen Volkswirtschaft gegenber dem Ausland inden Augen der meisten Brger und Politiker positiv bewertet wird, gilt diese Zielab-weichung in Deutschland normalerweise nicht als wirtschaftspolitisches Problem.
5.2 Instrumente zur Beeinflussung der Auenwirtschaft
Die Instrumente, um die Auenwirtschaft zu beeinflussen, wurden von den Mitglieds-staaten der Europischen Union weitgehend an die Europische Union abgegeben:
Zum Warenhandel heit es im EG-Vertrag:
3 Der Saldo der statistisch nicht aufgliederbaren Transaktionen hatte eine Hhe von rund 24 MilliardenEuro. Dies erklrt den Groteil dieser Differenz.
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Artikel 3 EG-Vertrag (in der Fassung vom 26. Februar 2001, Vertrag von Nizza):
(1) Die Ttigkeit der Gemeinschaft im Sinne des Artikels 2 unfat nach Magabedieses Vertrages und der darin vorgesehenen Zeitfolge:
a) das Verbot von Zllen und mengenmigen Beschrnkungen bei der Ein- undAusfuhr von Waren sowie aller aller sonstigen Manahmen gleicher Wirkung zwi-schen den Mitgliedstaaten;
b) eine gemeinsame Handelspolitik;
..."
Zum Handel mit Dienstleistungen heit es:
Artikel 49 EG-Vertrag (in der Fassung vom 26. Februar 2001, Vertrag von Nizza):
"Die Beschrnkungen des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Gemeinschaftfr Angehrige der Mitgliedstaaten, die in einem anderen Staat als demjenigen desLeistungsempfngers ansssig sind, sind nach Magabe der folgenden Bestimmun-gen verboten. ... ."
Beim Handel mit Dienstleistungen sind jedoch Ausnahmen mglich:
In den frhen 90er Jahren arbeiteten britische und portugiesische Bauarbeiter aufdeutschen Baustellen als selbststndige Unternehmer zu Bedingungen, die unterdeutschen Tarifbedingungen lagen. Dass Selbststndige aus der EU auf deutschenBaustellen zu frei vereinbarten Tarifen arbeiten, ist grundstzlich durch die Dienstlei-stungsfreiheit nach Artikel 49 EG-Vertrag gedeckt. Der deutsche Gesetzgeber frch-tete hier jedoch um deutsche Arbeitspltze und erlie 1996 das Arbeitnehmer-Ent-sendegesetz (Gesetz ber zwingende Arbeitsbedingungen bei grenzberschreiten-den Dienstleistungen, AEntG). Dieses Gesetz erlaubt es der Bundesregierung, ver-bindliche Mindestlhne fr bestimmte Branchen festzulegen. Auf dem Bau liegt derMindestlohn fr qualifizierte auslndische Arbeitskrfte (Fachwerker) bei 12,50 proStunde (brutto), beim Gebudereinigerhandwerk bei 8,15 pro Stunde (Stand1.1.2008, Tarifgebiet West). Das deutsche Arbeitnehmer-Entsendegesetz ist grund-stzlich ein Versto gegen Dienstleistungsfreiheit in EU. Auf EU-Ebene wurde 1996allerdings die Entsenderichtlinie (Richtlinie 96/71/EG) verabschiedet, die das deut-sche Vorgehen legitimiert.
Mit der EU-Osterweiterung im Jahr 2004 bekam das Thema Dienstleistungsfreiheit inder EU wieder eine neue Brisanz. Medien berichteten, wie polnische Unternehmermit polnischen Beschftigten zu polnischen Tarifen auf dem deutschen Markt ttigwerden. Von den Gewerkschaften wird die Forderung laut, dieses Lohndumping zuunterbinden. Das Bundeskabinett beschloss am 11. 05. 2005, das Arbeitnehmer-Entsendegesetz auf weitere Branchen auszudehnen. Der Gesetzentwurf scheitertedann aber im Bundesrat.
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Im Jahr 2007 wurden die Briefdienste als neue Branche in das Arbeitnehmer-Ent-sendegesetz aufgenommen (West + Ost-Berlin: 8,40 Mindestlohn, 9,80 fr Brief-zusteller).
Zum Kapitalverkehr heit es im EG-Vertrag:
Artikel 56 EG-Vertrag (in der Fassung vom 26. Februar 2001, Vertrag von Nizza):
"(1) Im Rahmen der Bestimmungen dieses Kapitels sind alle Beschrnkungen desKapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen den Mitgliedstaatenund dritten Lndern verboten.
(2) Im Rahmen der Bestimmungen dieses Kapitels sind alle Beschrnkungen desZahlungsverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen den Mitgliedstaatenund dritten Lndern verboten."
Die Aufhebung der Kapitalverkehrsbeschrnkungen war auch als 1. Stufe desWeges zur Europischen Whrungsunion definiert worden.
Fazit: Im EG-Vertrag sind ausdrcklich alle Beschrnkungen des Warenverkehrs,des Dienstleistungsverkehrs und des Kapitalverkehrs innerhalb der Gemeinschaftverboten. Fr den Handel ber die Grenzen der Gemeinschaft hinaus liegt die Kom-petenz auf der Gemeinschaftsebene. Fr eine Handelspolitik stehen den Regierun-gen der EU-Staaten also grundstzlich keine Instrumente mehr zur Verfgung. Durchdie Einfhrung des Euro entfielen auf der Ebene der Mitgliedstaaten der Whrungs-union auch alle Instrumente der Whrungspolitik. Abgesehen von einigen Ausnah-meregelungen kann auf nationaler Ebene keine Auenwirtschaftspolitik mehr betrie-ben werden.
5.3 "Exportweltmeister Deutschland": Erklrungsversuche zwischen"Basarkonomie" und "merkantilistischer Lohnpolitik"
Erschttert wurde die verbreitete berzeugung, der gewaltige berschuss Deutsch-lands im Warenhandel sei kein wirtschaftliches Problem, als im Jahr 2003 der Prsi-dent des Mnchner ifo Instituts fr Wirtschaftsforschung und renommierte VWL-Pro-fessor Hans-Werner Sinn das Buch "Ist Deutschland noch zu retten?" verffentlichte.Sinn vertritt darin die These, Deutschland sei eine "Basarkonomie". 2005 erschiendas Buch: "Die Basar-konomie. Deutschland: Exportweltmeister oder Schluss-licht?", in dem er seine Position ausfhrlich darstellt und gegen Kritik verteidigt.
Sinn knpft an die Tatsache an, dass der Importanteil der deutschen Exporte immerweiter zunimmt, d. h., dass auf eine Einheit deutscher Exporte immer mehr Einheitenauslndischer Vorleistungen kommen. Er vergleicht Deutschland deswegen miteinem Basar, wo zwar Handel stattfindet, aber keine Produktion. Er beklagt, dassdeutsche Firmen immer mehr Teile der Produktion ins osteuropische oder asiati-sche Ausland auslagern, wo die Lhne weit niedriger sind als in Deutschland.
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Sinn formuliert seine These der Basarkonomie folgendermaen:
"Ein wachsender Prozentsatz der deutschen Industrieproduktion wird nicht mehr im Land produziert,sondern als Vorleistung aus anderen Lndern bezogen. Deutschland wird somit immer mehr zurHandelsdrehscheibe (Basar). Das bedeutet, dass auch beim Export die Wertschpfung hinter derMengenentwicklung zurck bleibt. Die Entkopplung zwischen Mengen und Werten verluft wegenhoher und starrer deutscher Lhne bermig rasch. Sie impliziert aber nicht, dass die Wertschpfungim Export fllt. Im Gegenteil: Die hohen Lhne treiben ein berma an Arbeit und Kapital aus denarbeitsintensiven Sektoren der Wirtschaft in die kapitalintensiven Exportsektoren mit der Folge, dasssich die Wertschpfung in den Binnensektoren zu langsam und in den Exportsektoren zu schnell ent-wickelt. Die Wirtschaft spezialisiert sich im berma. Die Wirtschaft im Export steigt zu schnell, und inRelation dazu entwickeln sich auch die Exportsektoren zu schnell."
Quelle: Leserbrief von Hans-Werner Sinn in der Wasserburger Zeitung (OVB) 04.02.2006, Nr. 29, 58.Jg. S. 31.
Das zentrale Problem der deutschen Volkswirtschaft sieht Sinn also in den hohenund starren Lhnen in Deutschland. Hohe Lohnkosten fr wenig qualifizierte Arbeithtten zur Folge, dass die Produktion technisch weniger anspruchsvoller Produkteaus Deutschland ins billigere Ausland verlagert wird. Hohe Lohnersatzleistungen wieArbeitslosengeld oder Sozialhilfe verhinderten ein Angebot niedrig qualifizierter Ar-beit fr niedrige Lhne. Die hohen Lohnersatzleistungen machten es fr wenigerqualifizierte Arbeitskrfte unattraktiv, bei niedrigen Lhnen zu arbeiten, da auch ohneArbeit dasselbe Einkommen erzielt werden knne. Mit den Lohnersatzleistungenwerde in Deutschland faktisch eine Lohnuntergrenze festgelegt. Daher wechseltenauch freigesetzte Industrie-Arbeitnehmer nicht in den Dienstleistungssektor, der beiniedrigen Lhnen Beschftigungsmglichkeiten bieten knnte. Auch der hoheAuenbeitrag lsst sich nach Sinns Meinung nicht als Argument gegen die Basar-these verwenden. Der Auenbeitrag sei ein Spiegelbild der Kapitalbilanz und zeige,dass Kapital aus Deutschland abzieht und stattdessen im Ausland investiert wird. AlsAusweg sieht er die Flexibilisierung der Lhne und die Einfhrung einer "aktivieren-den Sozialhilfe", die auch Lhne unterhalb des Niveaus ermglicht, auf dem man vonseiner Arbeit leben kann.
Die Thesen von Hans-Werner Sinn wurden in der ffentlichkeit und in der Wissen-schaft interessiert aufgenommen und diskutiert. Whrend der steigende Importanteildeutscher Exporte als Tatsache unstrittig ist, wird er vom Statistischen Bundesamt,vom Sachverstndigenrat sowie von mehreren Wirtschafts-forschungs-instituten an-ders interpretiert als von Hans-Werner Sinn. Die Zunahme des Importanteils deut-scher Exporte werden vom Statistischen Bundesamt und vom Sachverstndigenratals zunehmende Integration in die Weltwirtschaft interpretiert. Deutschland profitiertvon dieser Integration, wenn die deutsche Wertschpfung durch zunehmende Ex-portmengen strker zunimmt als sie durch einen zunehmenden Importanteil ab-nimmt. Statistisches Bundesamt und Sachverstndigenrat sehen dies als gegebenan und sehen Deutschland daher als Gewinner der Globalisierung. Die Entwicklungder letzten Jahre zeigt, dass die exportinduzierte Wertschpfung stark zugenommenhat. Im Jahr 2006 trugen die Exporte 21,2 % zum Bruttoinlandsprodukt bei, 2000
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waren es noch 16,6 % und 1995 noch 13,7 % gewesen. Nicht ohne Grund hatte derSachverstndigenrat seinem Jahresgutachten 2004 / 2005, in dem er auch zurThese der Basarkonomie Stellung nahm, den Titel "Erfolge im Ausland -Herausforderungen im Inland" gegeben.
Whrend Hans-Werner Sinn das zentrale Problem in hohen Lohnsteigerungen in derVergangenheit sieht, sieht Heiner Flassbeck das Problem des Auenhandelsber-schusses in zu niedrigen Lohnsteigerungen in der Gegenwart.
Heiner Flassbeck war, bevor er 1998 zum Staatssekretr im Finanzministerium unterFinanzminister Lafontaine berufen wurde, Leiter der Konjunkturabteilung desDeutschen Instituts fr Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin. Nach dem Abgang vonFinanzminister Lafontaine im Jahr 1999 wurde er sehr bald als Staatssekretrabberufen. Heute ist er Chefkonom bei der UNCTAD (United Nations Conferenceon Trade and Developement) in Genf. Heiner Flassbeck ist ein Anhnger keynesiani-schen Gedankenguts.
Heiner Flassbeck sieht den deutschen Exportberschuss als Ergebnis einer im Ver-gleich anderen Mitgliedslndern der Whrungsunion uerst zurckhaltenden deut-schen Lohnpolitik. In Anlehnung an das wirtschaftspolitische Konzept des Merkanti-lismus4 spricht er von einer "merkantilistischen Lohnpolitik". Die zurckhaltendedeutsche Lohnpolitik verbessere die preisliche Wettbewerbsfhigkeit deutscher Un-ternehmen und steigere die deutschen Exporte. Whrend zu Zeiten der DM eine ver-besserte preisliche Wettbewerbsfhigkeit zu einer Aufwertung der DM gefhrt hat, istzu Zeiten der Europischen Whrungsunion eine Wechselkursanpassung gegenberden anderen Mitgliedstaaten der Whrungsunion nicht mehr mglich. Die anderenMitgliedstaaten der Whrungsunion verlieren deshalb im Ausma der Differenz derLohnsteigerungsraten und Preissteigerungsraten gegenber Deutschland anpreislicher Wettbewerbsfhigkeit. Whrend die zurckhaltende Lohnpolitk inDeutschland mglicherweise positiv wirkt, sind die Folgen bei den anderen Mit-gliedern der Whrungsunion sind Auenhandelsdefizite und Arbeitslosigkeit.
Wie plausibel ist diese These?
In der nachfolgenden Grafik ist die Entwicklung der Lohnstckkosten in Deutschlandund den drei "groen" Volkswirtschaften der Euro-Zone, Frankreich, Italien und Spa-nien vom Beginn der Whrungsunion 1999 bis 2006 dargestellt:
4 Der Merkantilismus war ein wirtschaftspolitisches Konzept whrend der Zeit des Absolutismus.Hauptziel war es, Handelsbilanzberschsse zu erzielen, um das Vermgen des jeweiligen Landes zumehren. Mehr dazu unter: http://de.wikipedia.org/wiki/Merkantilismus
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Lohnstckkostenentwicklung (2000=100)
90
100
110
120
130
1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006
D F ES I (Euro-Zone insgesamt)
Quelle: OECD, eigene Darstellung
Die Grafik zeigt, dass die Entwicklung der Lohnstckkosten in Deutschland geringerwar als in Frankreich, Italien und Spanien sowie im Vergleich zum Durchschnitt derEuro-Zone.
Auch die Deutsche Bundesbank stellt auf Basis eines anderen Preisindexes eineSteigerung der preislichen Wettbewerbsfhigkeit Deutschlands gegenber denanderen Mitgliedern der Whrungsunion fest.
Quelle: Deutsche Bundesbank, Monatsbericht Mrz 2007, S. 21
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Die nachfolgende Grafik zeigt die Entwicklung des Leistungsbilanzsaldos.
Leistungsbilanzsaldo (in 1000 US-$)
-200.000
-150.000
-100.000
-50.000
0
50.000
100.000
150.000
200.000
1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006
D F ES I (Euro-Zone insgesamt)
Quelle: OECD, eigene Darstellung
Es ist zu erkennen, dass die deutsche Kurve 1999 im negativen Bereich beginnt undbis 2006 stetig ansteigt. Die drei anderen Kurven, Frankreich, Spanien und Italienbewegen sich dagegen nach unten. Whrend Frankreich und Italien 1999 noch einenLeistungsbilanzberschuss aufwiesen, weisen sie 2006 ein Defizit auf. Spanien hatsein Leistungsbilanzdefizit deutlich vergrert.
Die Deutsche Bundesbank beschftigte sich in ihrem Monatsbericht vom Juni 2007mit Leistungsbilanzsalden und preislicher Wettbewerbsfhigkeit im Euro-Raum. Indem Bericht ist die folgende Grafik zu finden:
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Quelle: Deutsche Bundesbank, Monatsbericht Juni 2007, S. 37
Die Grafik zeigt, dass von den Lndern der Whrungsunion im Jahresvergleich 1999und 2006, Deutschland, sowie sterreich und die Niederlande ihre Leistungsbilanzverbessern konnten, whrend Griechenland, Spanien, Irland, Italien, Frankreich undBelgien eine Verschlechterung der Leistungsbilanz erlebten. Bei Portugal und Finn-land blieb die Leistungsbilanz weitgehend unverndert.
Solche Grafiken sind kein Beweis fr die Richtigkeit der Flassbeck'schen These, sieweisen aber auf die Gefahren einer unausgeglichenen Leistungsbilanz in derWhrungsunion hin.
Hans Werner Sinn besttigt (in einem anderen Zusammenhang) die verbessertepreisliche Wettbewerbsfhigkeit Deutschlands, sieht aber die zurckgebliebenenLohnstckkosten nicht als Ursache, sondern als Folge eines Zurckbleibens des all-gemeinen Preisniveaus:
"Deutschland hat langsamer inflationiert als die anderen Eurolnder und ist damit insgesamt wettbe-werbsfhiger geworden. konomen nennen das reale Abwertung. Tatschlich hat Deutschland ge-messen am Preisindex fr das BIP von 1999 bis 2006 im Euroraum um 11,4 % (handelsgewichtet um10,9 %) abgewertet. Dies ist der Hauptgrund fr das Zurckbleiben der deutschen Lohnstckkosten.Von dem Vorteil bei der Verminderung der Lohnstckkosten gegenber den anderen Eurolndern(13,2 %) werden deshalb also nur etwa 2 Prozentpunkte durch eine reale Lohnzurckhaltung erklrt."
Quelle: Hans-Werner Sinn: Wo der Aufschwung herkam - sechs Hypothesen, ifo Standpunkt Nr. 89vom 15. November 2007, abgedruckt in: Hans-Werner Sinn. ifo Standpunkte 2007, Mnchen 2007.
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Welche Kausalitt richtig ist, lsst sich grundstzlich nicht sagen. Wie Sie vom Kon-zept der Lohnkosteninflation wissen, besteht bei Lohnerhhungen und Erhhungendes Preisniveaus ein Huhn-Ei-Problem: Die Erhhung des Preisniveaus beeinflusstLohnforderungen und Lohnsteigerungen schlagen sich in Preissteigerungen nieder.
Zu bercksichtigen ist aber bei der Beurteilung der Lohnentwicklung, dass im Zeit-raum von 1999 bis 2006 die Arbeitsproduktivitt pro Stunde um 11,8 % gestiegen ist.Wenn die Arbeitnehmer aber lediglich einen Inflationsausgleich erzielen konnten,heit dies, dass sie an der Steigerung der Arbeitsproduktivitt nicht beteiligt waren.Tatschlich sank der Anteil der Arbeitseinkommen am Volkseinkommen (in der Ab-grenzung des Sachverstndigenrates) von 79,2 % im Jahr 1999 auf 74,0 %im Jahr2006.
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6 Schutz der natrlichen Lebensgrundlagen
6.1 Umweltverschmutzung als Marktversagen
In der Mikrokonomik war eine zentrale Annahme gewesen, dass Kosten und Nutzeneiner Handlung nur beim handelnden Wirtschaftssubjekt und seinen Tauschpartnernanfallen. Indirekte Wirkungen auf Dritte konnten sich ergeben, wenn eine HandlungMarktpreise beeinflussten.
Das Phnomen Umweltverschmutzung zeichnet sich aber dadurch aus, dass bei an-deren Personen als dem Verschmutzenden selbst Kosten auftreten. Der Verursachervon Umweltverschmutzung beachtet bei seiner Entscheidung ausschlielich seineeigenen Kosten. Kosten, die durch seine Handlung bei anderen Personen entstehen,gehen nicht in sein Entscheidungskalkl ein. Bei solchen Kosten, die durch eine Ent-scheidung bei anderen Wirtschaftssubjekten anfallen, spricht man von externen Ko-sten. Eine genaue Definition von externen Kosten lautet (in Anlehnung anFritsch/Wein/Ewers):
Technologische externe Effekte liegen dann vor, wenn zwischen den Gewinn- bzw.Nutzenfunktionen mehrere Akteure besteht ein physischer Zusammenhang besteht,der sich nicht oder nicht vollstndig in entsprechenden Marktbeziehungen widerspie-gelt.
Beispiel: Eine Papierfabrik leitet ihre Abwsser ungefiltert in einen Fluss, aus dem einFischzchter das Wasser fr seine Fischteiche bezieht. Wir nehmen an, dass dieMenge der schdlichen Abwsser von der Menge des produzierten Papiers abhngtund der Schaden des Fischzchters mit steigenden Abwssern berproportional an-steigt.
In der nachfolgenden Abbildung sind die privaten Grenzkosten und die sozialenGrenzkosten der Papierherstellung dargestellt. Die sozialen Grenzkosten enthaltenber die privaten Grenzkosten hinaus auch die externen Kosten der Papierherstel-lung.
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p *soz
x*soz
Preis,Kosten,Nutzen
Produktionsmengeder Papierfabrik
Nachfragenach Papier
Private Grenzkosten derPapierherstellung= Angebotskurve beivollkommener Konkurrenz
Soziale Grenzkosten= private Grenzkosten+ externe Kosten
x*priv
p * priv
Volkswirtschaftlich optimal wre die Produktionsmenge x*soz, bei der gilt, dass derPreis den sozialen Grenzkosten der Papierherstellung entspricht. Die sozialenGrenzkosten enthalten die privaten Grenzkosten und die externen Grenzkosten, diebeim Fischzchter anfallen.
Der Markt fhrt aber zur Produktionsmenge x*priv, bei der die externen Kosten nichtbercksichtigt werden.
Fazit: Bei der Marktlsung ist die produzierte Papiermenge grer als die volkswirt-schaftlich optimale, da die Folgen der Papierherstellung fr die Fischzucht nicht be-rcksichtigt werden. Der Markt fhrt hier nicht zur volkswirtschaftlich optimalen L-sung, der Markt versagt.
Das Problem externer Effekte sind ungeklrte (konomische) Eigentumsrechte.Eigentumsrechte beinhalten Nutzungsrechte an einer Sache bzw. das Recht, einebestimmte Nutzung zu verbieten.
So gingen beispielsweise die Eigentumsrechte an der Luft in Kneipen im letzten Jahrvon den Rauchern auf die Nichtraucher ber. Seitdem haben die Nichtraucher dasRecht auf saubere Luft, zuvor hatten die Raucher das Recht, die Luft zu verschmut-zen.
Wenn die Eigentumsrechte an der Natur geklrt wren, knnten Schdiger und Ge-schdigter wie bei anderen Gtern auch ber den Preis der Nutzung in Verhandlun-
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gen treten. Nach dem Coase-Theorem5 ergibt sich bei einer geeigneten Definitionvon Eigentumsrechten durch Verhandlungen eine effiziente Lsung. Dabei kommt esnach dem Coase-Theorem nicht darauf an, wer die Eigentumsrechte hat, der physi-sche Verursacher oder der physische Geschdigte. In beiden Fllen ergibt sich(unter bestimmten Annahmen) die selbe Lsung.
Das Offenlassen der Eigentumsrechte stellt das traditionelle Verursacherprinzip inFrage: Der physische Verursacher eines Schadens ist nicht der alleinige konomi-sche Verursacher eines Schadens. konomisch kann ein Schaden nur dort entste-hen, wo mehrere Personen Ansprche auf eine Sache (z. B. das Wasser des Flus-ses) erheben. Ein Schaden setzt damit mindestens zwei konkurrierende Ansprche(im Beispiel der der Papierfabrik und des Fischzchters) voraus. Welcher der beidenAnspruchserhebenden die Eigentumsrechte besitzt, spielt nach dem Coase-Theoremkeine Rolle.
Whrend das Coase-Theorem in der volkswirtschaftlichen Theorie zu neuenEinsichten gefhrt hat, hat das Coase-Theorem fr die praktische Umweltpolitik keineBedeutung. Verhandlungen scheitern in der Realitt an fehlenden Informationensowie an organisatorischen und technischen Problemen.
(Stellen Sie sich vor, Sie und Ihre Nachbarn besen das Eigentumsrecht an einerbei Nacht lrmfreien Strae und mssten mit jedem Autofahrer, der nachts durch IhreStrae fhrt, in Verhandlungen ber die Entschdigung treten. Es mssten bei mAnwohnern und n Autofahrern n x m Verhandlungen stattfinden. Der Nutzen desAutofahrers durch die Fahrt ist unbekannt, die Nutzeneinbuen (Kosten) derAnwohner ebenfalls. Der Lrm msste intersubjektiv berprfbar gemessen werden,es msste ein Vertrag aufgesetzt werden ... . Wenn man anfngt, sich den Aufwandfr die Verhandlungen vorzustellen, wird rasch klar, dass die Verhandlungslsung inder Realitt an so genannten Transaktionskosten scheitern mssen.)
6.2 Instrumente der Umweltpolitik
Die Umweltpolitik war frher fest in der Hand von Ingenieuren, Naturwissenschaftlernund Ingenieuren. Typische Instrumente der Umweltpolitik sind daher Umweltauflagenwie Verbote und Gebote.
Seit den 70-er Jahren ist die Umweltkonomie ein eigenes Gebiet der Volkswirt-schaftslehre. Seitdem haben Umweltkonomen auch die Umweltpolitik beeinflusst.Umweltkonomen sehen das zentrale Problem der Umweltverschmutzung in einemfehlenden "Marktpreis" der Umwelt. Sie pldieren daher fr konomische Instrumentewie Umweltsteuern und Umweltzertifikate.
Die praktische Politik setzt neben diesen Instrumenten auf das Instrument der Ver-bandslsungen. Dabei verpflichten sich Unternehmensverbnde gegenber der Poli-
5 benannt nach dem englisch-amerikanischen Volkswirt Ronald Harry Coase (*1910)
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tik, dass ihre Verbandsmitglieder ohne weiteres Eingreifen der Politik nach einer be-stimmten Zeit bestimmte Umweltqualittsziele erfllen werden.
Diese Instrumente sollen im Folgenden betrachtet und unter kologischen und ko-nomischen Gesichtspunkten beurteilt werden. Die Beurteilungskriterien sind:
- kologische Effizienz: Ist ein Instrument geeignet, ein bestimmtes Umweltquali-ttsziel unter kologischen Gesichtspunkten sicher zu erreichen?
- konomische Effizienz: Ist ein Instrument geeignet, um ein bestimmtes Um-weltqualittsziel mit minimalen Kosten zu erreichen?
- Dynamische Anreizwirkung: Gibt es Anreize, die vorgegebenen Umweltqualitts-ziele nicht nur zu erreichen, sondern auch zu bertreffen?
- Wettbewerbswirkung: Hat ein Instrument die Nebenwirkung, den Wettbewerb zubeschrnken oder die Einschrnkung des Wettbewerbs zu erleichtern?
- Politische Durchsetzbarkeit: Lsst sich das Instrument im politischen Prozessdurchsetzen und in der Praxis anwenden?
6.2.1 Umweltauflagen
Umweltauflagen lassen sich in Gebote und Verbote einteilen.
Gebote sind Auflagen, um ein bestimmtes umweltschdigendes Verhalten auf ein alsertrglich angesehenes Ma zu reduzieren. Dazu zhlen z. B. Emissionsauflagen alsGrenzwerte fr ortsfeste Anlagen oder Produktnormen, die Grenzwerte fr schdli-che Stoffe enthalten, z. B. Giftstoffe in Kinderspielzeug.
Verbote sind Auflagen, um ein bestimmtes umweltschdigendes Verhalten auf null zureduzieren.
Wie sind Umweltauflagen zu beurteilen?
Die kologische Effizienz von Umweltauflagen ist sehr hoch. Weil die Auflagen denVerursachern verbindlich vorgegeben werden, knnen kologische Gefahren mit die-sem Instrument innerhalb kurzer Zeit beseitigt werden. Gerade bei irreparablen Um-weltschden ist dies von erheblicher Bedeutung. Diesem Instrument ist eine hoheReaktionssicherheit gegeben, da vorausgesagt werden kann, wie die Emittenten aufdie Auflagen reagieren und wie stark die Umweltverbesserung sein wird.
Die konomische Effizienz der Auflagen ist dagegen nur in wenigen Fllen gegeben.Es bleibt nmlich in der Regel unbercksichtigt, dass die einzelnen Verursacherdurch die erforderliche Anpassung an die ein und dieselbe Auflage sehr unterschied-lich belastet werden knnen. Fr das eine Unternehmen bedeutet z. B. eine Emissi-onsreduktion um 50 % nur einen geringen Kapitaleinsatz, whrend ein anderesUnternehmen dafr erhebliche finanzielle Mittel fr die ntigen Investitionen be-schaffen muss. Die zustzlichen Kosten (Grenzkosten) fr die Einhaltung von
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Umweltauflagen unterscheiden sich also von Unternehmen zu Unternehmen. Aus derMikrokonomik ist bekannt, dass im Kostenminimum die Grenzkosten aller Anbietergleich sind. Wenn die Grenzkosten sich unterscheiden, wre es konomisch sinnvoll,bei gegebenem Ausgabenvolumen die Mittel umzuschichten, um eine grerekologische Wirksamkeit zu erzielen.
Im nachfolgenden Beispiel hat Unternehmen A generell niedrigereVermeidungskosten als Unternehmen B. Bei Unternehmen A kostet die Reduzierungvon Umweltschden um 75% 2 Geldeinheiten, bei Unternehmen B kostet die gleicheVermeidung 4 Geldeinheiten. Einheitliche Auflagen sind hier konomisch ineffizient.Um konomische Effizienz herzustellen, wren die Auflagen zu differenzieren:Unternehmen A vermeidet Umweltverschmutzung in einem greren Ausma alsUnternehmen B. Fr eine gleich groe Reduzierung der Verschmutzung (von 2 x 60= 160 auf 40 msste bei gleichen Grenzkosten Unternehmen A mehr als 80%einsparen und Unternehmen B weniger als 70.
1
Kosten derVermeidung
Ausma derVermeidung
2
4
8
50%
40
75%
20
87,5%
10
Unternehmen A
0%
80Restverschmutzung
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18
1
Kosten derVermeidung
Ausma derVermeidung
2
4
8
50%
40
75%
20
87,5%
10
Unternehmen B
0%
80Restverschmutzung
Die Wettbewerbswirkung von Umweltauflagen ist tendenziell negativ, da sie kleinereund mittlere Unternehmen tendenziell strker belasten als Grounternehmen. Gro-unternehmen sind durch ihre starke Verhandlungsposition eher in der Lage, beimStaat Ausnahmen bzw. Vorteile bei der Ausgestaltung der Auflagen zu erwirken.
Eine dynamische Anreizwirkung ist bei den Umweltauflagen ebenfalls selten gege-ben. Der Verursacher wird zwar die vom Staat gesetzten Auflagen erfllen; er hataber keine Anreize, Technologien zu entwickeln und einzufhren, welche ber diegesetzten Normen hinausgehen. Da sich in der Bundesrepublik Deutschland diemeisten Auflagen am "Stand der Technik orientieren, wird der Produzent im Falleder Neuentwicklung mit schrferen Auflagen zu rechnen haben.
Die Wettbewerbswirkung von Umweltauflagen ist tendenziell negativ, da sie kleinereund mittlere Unternehmen tendenziell strker belasten als Grounternehmen. Gro-unternehmen sind durch ihre starke Verhandlungsposition eher in der Lage, beimStaat Ausnahmen bzw. Vorteile bei der Ausgestaltung der Auflagen zu erwirken.
Obwohl Umweltauflagen bei den obigen Kriterien kritisch bewertet werden, spielensie bei der Umsetzung der Umweltpolitik eine wegweisende Rolle. Die groe Be-deutung der Auflagen in der Praxis ergibt sich vor allem aus der hohen Durchset-zungsfhigkeit und der Praktikabilitt des Instrumentes. Umweltauflagen stoen inder Politik und Brokratie wegen der hohen Einflussmglichkeiten auf wenig Wider-
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spruch. Auch die Industrie zieht Umweltauflagen anderen Instrumenten vor, weil frEmissionen, die unterhalb des Normwertes liegen, praktisch keine Kosten anfallen.
6.2.2 Umweltabgaben
Das Instrument der Umweltabgaben gehrt zu den marktwirtschaftlichen Instrumen-ten in der Umweltpolitik. Bei diesem Instrument wird die Belastung der Umwelt durchAbgaben verteuert. Dadurch werden bei den Wirtschaftssubjekten finanzielle Anreizegeschaffen, die Umweltbelastung zu verringern. Umweltabgaben bringen dem Staatoft auch Einnahmen, die er fr den Umweltschutz oder andere Zwecke verwendenkann.
Die theoretische Grundlage fr Umweltabgaben ist die so genannte Pigou-Steuer6.Mit ihrer Hilfe sollen die Kosten der Umweltbelastung den Verursachern angelastetwerden und die volkswirtschaftlichen Kosten der Umweltbelastung minimiert werden.
Bei der Pigou-Steuer sollen, wenn kein Preis fr die Nutzung der Umwelt existiert, dieexternen Kosten in Form von Steuern beim Verursacher angelastet werden. DiePigou-Steuer soll umweltbelastende Aktivitten verteuern mit der Konsequenz, dassdie umweltverschmutzende Aktivitt verringert wird.
Die Umsetzung dieses theoretischen Konzeptes in die Praxis ist nur mit groen Ab-strichen mglich, da sich die externen Kosten nur schwer messen lassen und sichder Verlauf der Kurven meist nur sehr grob schtzen lsst. Die optimale Hhe derPigou-Steuer entspricht dem externen Grenzschaden im gesamtwirtschaftlichen Op-timum. Dass diese Hhe getroffen wrde, wre in der Realitt rein zufllig.
Wie sind Umweltabgaben zu beurteilen?
Umweltabgaben sind kologisch ineffizient. Das kologische Ziel der Erreichung ei-nes bestimmten Umweltqualittsniveaus kann mithilfe dieses Instrumentes nurschwer erreicht werden. Mit Umweltabgaben beeinflusst der Staat den Preis fr dieUmweltbelastung. Die Entscheidung ber die ausgestoene Schadstoffmenge wirdden Wirtschaftssubjekten selbst berlassen. Daher muss der Staat bei der Festle-gung der Abgabenhhe zugleich die Reaktionen der Verursacher einschtzen, umden richtigen Preis zu ermitteln, bei dem die ausgestoene Schadstoffmenge demgewnschten Umweltqualittsniveau entspricht. Diese optimale Abgabenhhe kannder Staat aber auf Grund mangelnder Information ber die individuellen Vermei-dungskostenfunktionen der Wirtschaftssubjekte nicht genau bestimmen.
Umweltabgaben sind dagegen konomisch effizient. Sie bercksichtigen die unter-schiedlichen Kostenstrukturen der Verursacher von Umweltschden. Wie bereits ge-schrieben, erfolgt immer ein Vergleich zwischen den Grenzvermeidungskosten unddem Preis der Abgabe. Produzenten vermeiden dann Umweltbelastungen, wenn dieVermeidung die kostengnstigere Alternative ist.
6 benannt nach dem englischen Volkswirt Arthur Cecil Pigou (1877 - 1959)
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Bei einer Umweltabgabe ist auch eine dynamische Anreizwirkung vorhanden. DieEntwicklung und Anwendung verbesserter Vermeidungstechnologien fhren zu ge-ringeren Vermeidungskosten. Dann ist es im Vergleich zur frheren Situation loh-nenswerter, Umweltschutz zu betreiben. Der Innovationsanreiz ist bei diesem Instru-ment entsprechend hoch.
Die Kostenbelastung durch die Abgabe ist, da sie sich auf Schadstoffmengeneinhei-ten bezieht, unabhngig von der Gre eines Unternehmens und fr alle Unterneh-men im Verhltnis gleich. Die Wettbewerbssituation kann sich dann verndern, wennwegen der erhhten Kostenbelastung unrentable Betriebe ausscheiden.
Die politische Durchsetzungsfhigkeit von Umweltabgaben ist geringer im Vergleichzu Umweltauflagen. Vorteilhaft an diesem Instrument ist fr die Politik, dass Abgabendas einzige Umweltinstrument sind, mit dem neue Einnahmemglichkeiten erschlos-sen werden knnen. Dies birgt aber auch Missbrauchspotenzial.
6.2.3 Umweltzertifikate
Wie die Umweltabgaben gehren die Umweltzertifikate zur Gruppe der marktwirt-schaftlichen Instrumente im Umweltschutz. Umweltzertifikate sind handelbare Rechteauf die Inanspruchnahme der Umwelt. Der Staat setzt bei diesem Instrument zu-nchst eine globale mengenmige Beschrnkung fr einzelne Schadstoffe fest. Diezulssige Ausstomenge dieser Schadstoffe wird in viele Teilemissionsrechte auf-geteilt und als Zertifikat verbrieft. Eine staatliche Behrde definiert und verteilt dieRechte an die Nachfrager.
Mit den Zertifikaten erhlt der Verursacher das Recht, die Umwelt mit einer be-stimmten Menge an Schadstoffen zu belasten. Der Staat kann die Rechte entwederkostenlos an die Unternehmen abgeben oder sie in einer Versteigerung an dieNachfrager verkaufen. Diese Rechte sind nicht an einen bestimmten Produzentengebunden und somit handelbar. Wenn ein Betrieb die Produktion erhht, muss dasUnternehmen zustzliche Zertifikate fr die hhere Schadstoffmenge am Markt zuerwerben.
Unternehmen knnen Zertifikate verkaufen, wenn sie durch Anlagenstilllegungenoder durch verbesserte Vermeidungstechnologien selbst weniger Schadstoffe aus-stoen. Der Preis der Zertifikate bildet sich im Gegensatz zu Umweltabgaben -nicht durch staatlichen Einfluss, sondern durch Angebot und Nachfrage am Markt.Zertifikate nachfragen werden diejenigen Produzenten, bei denen die Kosten derEmissionsverringerung hher sind als der Marktpreis der Verschmutzungsrechte.Umgekehrt werden Unternehmen Zertifikate anbieten, wenn es bei ihnen gnstigerist, in die Verringerung ihrer Emissionen zu investieren und dadurch entbehrlich ge-wordene Zertifikate auf dem Markt zu verkaufen. Schlussendlich kommt es zu einereffizienten Nutzung des Umweltgutes, da die Zertifikate zu den Unternehmen flieen,bei denen die Vermeidung die relativ hchsten Kosten aufweist. Um das Umweltqua-
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littsniveau zu verbessern, kann der Staat Zertifikate aufkaufen und einbehalten mitdem Effekt, dass sich die auf dem Markt verfgbare Menge an Zertifikaten reduziert.
Wie sind Zertifikate zu beurteilen?
Umweltzertifikate bndeln die Vorteile von Umweltauflagen und Umweltabgaben undminimieren deren Nachteile. Umweltzertifikate werden daher von der Wissenschaftsehr positiv beurteilt.
Die kologische Effizienz des Instrumentes ist hoch. Umweltziele knnen wegen derFestlegung maximal zulssiger Schadstoffmengen wesentlich besser erreicht werdenals bei einer preislichen Lsung mit Hilfe von Abgaben.
Auch die konomische Effizienz ist hoch. hnlich wie bei Abgaben werden Umwelt-verbesserungsmanahmen dort ergriffen, wo sie mit den relativ gnstigsten Kostenmglich sind.
Die dynamische Anreizwirkung ist sogar noch hher als bei Umweltabgaben. Wenninnovative Technologien eingesetzt werden, knnen Zertifikate am Markt verkauftwerden und dem Unternehmen zustzliche Erlse zufhren.
Dieses Konzept kann aber nachteilige Folgen fr den Wettbewerb haben. DerMarkteintritt neuer Unternehmen wird erschwert, wenn diese erst den vorhandenenAnbietern Verschmutzungszertifikate abkaufen mssen. Unternehmen mit groerFinanzkraft knnten auch versuchen, ber Ankauf und Hortung von Rechten eineMonopolsituation zu erreichen, um dann die Zertifikate zu einem berhhten Preiswieder zu verkaufen.
Schwierigkeiten gibt es bei der politischen Durchsetzbarkeit und Praktikabilitt. Trotzihrer theoretischen Vorteile stt die Zertifikationslsung in der praktischen Umset-zung auf eine Vielzahl von Problemen. Die Ausgabe von CO2-Zertifikaten innerhalbder EU ist ein wichtiger Schritt, um die Praktikabilitt dieses Instrumentes zu testen.
6.2.4 Kooperationslsungen (Branchen- und Verbandslsungen)
Bei umweltpolitischen Kooperationslsungen werden Vertrge oder Abkommen mitVerschmutzern abgeschlossen oder rechtlich unverbindliche Absprachen getroffen.Kooperationslsungen knnen die Form von Branchenabkommen oder Verbandsl-sungen haben und knnen wiederum rechtlich verbindlich oder rechtlich unverbind-lich sein.
Bei Branchenabkommen trifft die Umweltbehrde mit den Unternehmen einer be-stimmten Branche Absprachen ber Umweltziele und ihrer zeitlichen Realisierung,gelegentlich auch ber die Durchfhrung von Manahmen zur Erreichung dieserZiele. Rechtlich verbindliche Branchenabkommen knnen zum einen die Unterneh-men zum Unterlassen einer umweltbeeintrchtigenden Aktivitt verpflichten (Selbst-bindungsabkommen) oder sich zum anderen dazu verpflichten, bestimmte Manah-men zur Verbesserung der Umweltqualitt zu erreichen (Selbstverpflichtungs-abkommen). Selbstbindungs- und Selbstverpflichtungsabkommen knnen allerdings
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auch rechtlich unverbindlich sein. In diesem Fall kann der Staat diese Verpflichtun-gen nicht mit Sicherheit durchsetzen. Verbandslsungen sind Branchen bergrei-fende Absprachen, bei denen sich die Mitglieder zu einer Handlung bzw. Unter-lassung verpflichten.
Wie sind Kooperationslsungen zu beurteilen?
Kooperationslsungen sollen Umweltverbesserungsziele mit mglichst geringenKosten und geringen Widerstnden erreichen. Sie sind ein flexibles Instrument, daauf regionale und branchenspezifische Besonderheiten Rcksicht genommenwerden kann.
Eine pauschalierte Aussage ber die kologische Effizienz fllt schwer. Ob mit die-sem Instrument das kologische Ziel erreicht werden kann oder nicht, lsst sich nurEinzelfall ermitteln. Von rechtlich verbindlichen Branchenabkommen kann eher einhoher Zielerreichungsgrad erwartet werden als von unverbindlichen Vertrgen.
Da es den Emittenten freigestellt ist, auf welche Weise sie ihre Umweltzieleerreichen, gibt es keine grundstzliche Beeintrchtigungen der konomischenEffizienz. Innerhalb der Branche bzw. des Verbandes mssen Verhandlungengefhrt werden, welches Unternehmen wie viel zur Zielerreichung beitragen soll. Beidiesen Absprachen ber das Ausma der Emissionsminderung der einzelnen Unter-nehmen ist es mglich, dass die Unternehmen nicht entsprechend ihren Vermei-dungskostenfunktionen belastet werden. Wrde innerhalb der Branche ein optimalerSchlssel der Emissionsverteilung gefunden, wrde die kostengnstigste Methodegewhlt werden.
Bezglich der dynamischen Anreizwirkungen kann ebenfalls keine allgemeingltigeAussage getroffen werden.
Kooperationslsungen knnen negative Folgen fr den Wettbewerb haben. Es lauertimmer die Gefahr der Missachtung des Kartellrechts bzw. die Mglichkeit von wett-bewerbsbeschrnkenden Verhaltensweisen der Unternehmen.
Durch die Vermeidung langwieriger und zeitintensiver Gesetzgebungs- und Verord-nungsprozesse ist die politische Akzeptanz hoch und die praktische Durchfhrbarkeitgegeben.
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7 Stabilisierungspolitik im Zeitalter der Europischen Whrungs-union und des Europischen Stabilitts- und Wachstumspaktes
7.1 Der Vertrag von Maastricht
Im Frhjahr 1992 fand in Maastricht eine Regierungskonferenz statt, auf der dieStaats- und Regierungschefs der EG-Lnder beschlossen, eine Europische Wirt-schafts- und Whrungsunion zu errichten. Um bei der dritten Stufe, der gemeinsa-men europischen Whrung, dabei sein zu drfen, musste ein Land eine Reihe vonBedingungen erfllen, die in Artikel 109 j (nach neuer Nummerierung jetzt Artikel121) des EG-Vertrages festgeschrieben wurden:
Artikel 121 EG-Vertrag (in der Fassung vom 26. Februar 2001, Vertrag von Nizza):
- Erreichung eines hohen Grades an Preisstabilitt, ersichtlich aus einer Inflations-rate, die der Inflationsrate jener hchstens drei Mitgliedstaaten nahe kommt,die auf dem Gebiet der Preisstabilitt das beste Ergebnis erzielt haben;
- eine auf Dauer tragbare Finanzlage der ffentlichen Hand, ersichtlich aus einerffentlichen Haushaltslage ohne bermiges Defizit ...
- Einhaltung der normalen Bandbreiten des Wechselkursmechanismus des Euro-pischen Whrungssystems seit mindestens zwei Jahren ohne Abwertung ge-genber der Whrung eines anderen Mitgliedstaats;
- Dauerhaftigkeit der von dem Mitgliedstaat erreichten Konvergenz und seiner Teil-nahme am Wechselkursmechanismus des Europischen Whrungssystems, dieim Niveau der langfristigen Zinsstze zum Ausdruck kommt.
Diese vier Kriterien wurden in einem Protokoll ber die Konvergenzkriterien nachArtikel 109j des Vertrages zur Grndung der Europischen Gemeinschaft und ineinem Protokoll ber das Verfahren bei einem bermigen Defizit przisiert:
- Die Inflationsrate eines Landes, gemessen am Harmonisierten Verbraucherpreis-index, durfte im Jahr vor der Prfung um nicht mehr als 1,5 Prozentpunkte berder der drei inflationsstabilsten Lnder liegen.
- Die Zinsstze der langfristigen Staatsanleihen eines Landes durfte um nicht mehrals 2 Prozentpunkte ber der der drei inflationsstabilsten Lnder liegen.
- Im Bezug auf die auf Dauer tragbare Finanzlage gab es zwei Referenzwerte:- 3 % fr das Verhltnis zwischen dem geplanten oder tatschlichen ffentlichenDefizit und dem Bruttoinlandsprodukt zu Marktpreisen und- 60 % fr das Verhltnis zwischen dem ffentlichen Schuldenstand und demBruttoinlandsprodukt zu Marktpreisen.
Im Protokoll ber die Konvergenzkriterien hie es aber auch:Das ... Kriterium der Finanzlage der ffentlichen Hand bedeutet, da zum Zeitpunkt der Prfung keineRatsentscheidung ... vorliegt, wonach in dem betreffenden Mitgliedstaat ein bermiges Defizitbesteht.
Entscheidend fr den Beitritt war also von Anfang an nicht die Einhaltung der Haus-haltskriterien selbst, sondern die politische Entscheidung, ob die Kriterien als einge-halten gelten oder nicht.
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Um das Defizitkriterium tobte in Deutschland ein heftiger Streit in Politik und ffent-lichkeit. Man musste in Deutschland den Eindruck haben, die Einhaltung der dreiProzent (der damalige Finanzminister Waigel: 3,0 %) entscheiden ber Wohl undWehe der Whrungsunion und ber die Zukunft Europas. Wie kamen die drei Pro-zent zustande?
Langfristig gilt der Zusammenhang
BIPdesateWachstumsrnalenomiBIPdesinldungNeuverschujhrliche
BIPdesinndaSchuldenst%
% ?
1992, zur Zeit der Konferenz von Maastricht, lag der ffentliche Schuldenstand inden EG-Lndern im Mittel bei knapp 60 % des BIP.
Die nominale Wachstumsrate lsst sich zerlegen in die Preissteigerungsrate und diereale Wachstumsrate des BIP. Die angestrebte Preissteigerungsrate liegt bei knapp2 %, die angestrebte Wachstumsrate bei 3 %.
Damit ergibt sich:
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%)%(?
%53
3260 ?
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Bei einer nominalen Wachstumsrate von konstant 5 % und einer Neuverschuldungvon konstant 3 % des BIP strebt der Schuldenstand ausgehend von einem beliebi-gen Schuldenstand gegen 60 %.
Liegen Wachstumsrate und Inflationsrate unter den obigen Werten, muss auch dieNeuverschuldung unter 3 % des BIP liegen, wenn weiterhin ein Schuldenstand von60 %angestrebt wird.
1998 fand die Prfung der Kriterien statt. Geprft wurde die Einhaltung der Kriterienim Jahr 1997:
Beim Kriterium Inflationsrate lag der Referenzwert bei 2,7 %. Er wurde von allen EU-Staaten auer Griechenland erfllt. (D: 1,5 %)
Beim Kriterium langfristige Zinsstze lag der Referenzwert bei 7,8 %. Dieser Wertwurde ebenfalls von allen Staaten auer Griechenland eingehalten. Selbst frhereHochinflations- und -zinslnder wie Italien lagen unter dieser Grenze. (D: 5,6%; I:6,9%)
Das Kriterium der zweijhrigen Teilnahme am EWS und der Einhaltung der normalenBandbreiten wurde zum Prfungszeitpunkt von 10 Lndern erfllt. Finnland undItalien waren erst Ende 1996 dem EWS beigetreten, hatten aber auch zuvor dienormalen Bandbreiten eingehalten. Das irische Pfund war aufgewertet worden,kritisch waren aber nur Abwertungen einer Whrung. Griechenland, Grobritannienund Schweden erfllten das Kriterium nicht7.
7 Im Fall von Schweden war die Nicht-Teilnahme am EWS die einzige Mglichkeit, den Beitritt zurWhrungsunion zu verhindern. Ein Land, das die Kriterien erfllte, musste beitreten, falls keineAusnahmeklauseln bestanden. Ausnahmeklauseln galten fr Dnemark und fr Grobritannien.
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Das Kriterium eines Staatsdefizits von nicht mehr als 3% des BIP wurde von allenStaaten auer Griechenland formal8 eingehalten. Die Schuldenstandsquote lag nurbei vier Staaten bei weniger als 60% des BIP. (L: 6,7%; D: 61,3%; I: 121,6%; B:122,2%). Der Schuldenstand war aber letztlich kein Ausschlusskriterium.
Von der Teilnahme an der Whrungsunion ausgeschlossen waren von den 15 EU-Staaten zwei: Griechenland und Schweden. Zwei Staaten, die ein Wahlrecht hatten,Dnemark und Grobritannien, entschieden sich gegen den Beitritt. So startete dieWhrungsunion am 1.1.1999 mit 11 Staaten.
7.2 Der Europische Stabilitts- und Wachstumspakt
Die Einhaltung des Defizitkriteriums von 3% des BIP war eine Bedingung, um derWhrungsunion beizutreten. Nicht sichergestellt war aber, dass die Mitgliedstaatenweiter eine solide Haushaltspolitik betreiben wrden, nachdem sie der Whrungs-union beigetreten waren.
1995 begannen im Bonner Finanzministerium Vorarbeiten zu einem Abkommen, dasSanktionen bei einer berschreitung der Grenze von 3,0% vorsah. Im Juli 1997einigten sich die Regierungschefs bei ihrem Gipfeltreffen in Amsterdam auf einenEuropischen Stabilitts- und Wachstumspakt.
7.2.1 Regelungen und Verfahren
Die Ziele des Europischen Stabilitts- und Wachstumspaktes gehen ber die Ein-haltung der Kriterien des Vertrages von Maastricht hinaus: Als mittelfristiges Zielstreben die Mitgliedstaaten der Whrungsunion einen ausgeglichenen Haushalt odereinen Haushaltsberschuss an.
Zur Umsetzung dieses Ziels werden im Europischen Stabilitts- und Wachstums-pakt die Koordinierung der Wirtschaftspolitik (Artikel 99 EG-Vertrag) intensiviert unddas Verfahren bei einem bermigen Defizit (Artikel 104 EG-Vertrag) przisiert.
Bei diesem Verfahren gibt es zwei wesentliche Akteure: die Europische Kommissionund den Rat.
Die Europische Kommission stellt die europische Verwaltung dar. Sie umfassteinige tausend Beamte in Brssel. Die Kommission ist in verschiedene Generaldirek-tionen fr einzelne Politikbereiche eingeteilt. An der Spitze der Kommission stehenKommissare unterschiedlicher Nationalitten und der Kommissionsprsident.
Der Rat, auch Ministerrat genannt, ist die in der Regel monatliche Versammlungder jeweiligen Fachminister der Mitgliedstaaten. Fr Wirtschaft und Finanzen ist derso genannte ECOFIN-Rat zustndig, die Versammlung der Wirtschafts- und Finanz-minister. Der Europische Rat ist die Versammlung der Staats- und Regierungs-chefs. Sie treffen sich in der Regel halbjhrlich. Der Ministerrat und der Europische
8 Bei diesem Kriterium wurde von den EU-Staaten mit viel Fantasie getrickst. Italien erfand z. B. einerckzahlbare(!) Steuer. Die Einmaleffekte wurden allerdings auch vom Europischen Whrungsinstitutregistriert. Frankreich hatte bei einem offiziellen Defizit von 3,0% Einmaleffekte von 0,7Prozentpunkten aufzuweisen, Italien bei offiziellen 2,7% zustzlich 1 Prozentpunkt. Deutschlandhatte bei offiziellen 2,7% Einmaleffekte in Hhe von 0,2 Prozentpunkten.
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Rat stellen die Instanz auf europischer Ebene dar, die politische Entscheidungentreffen.
Um bermige Defizite frhzeitig zu verhindern, mssen die Mitgliedslnder derWhrungsunion nach Artikel 99 jhrlich aktualisierte Stabilittsprogramme vorlegen,in denen Sie das mittelfristige Ziel eines nahezu ausgeglichenen Haushalts odereines Haushaltsberschusses festschreiben und die wichtigsten Manahmen zurErreichung dieses Ziels nennen. Der ECOFIN-Rat bewertet die vorgelegten Pro-gramme und berwacht die Einhaltung. Stellt der Rat bei einem Mitgliedsland einAbweichen vom angestrebten Ziel eines nahezu ausgeglichenen Haushalts oder vomAnpassungspfad fest, richtet er eine vorzeitige Warnung (im Volksmund blauerBrief) an den Mitgliedsstaat und macht Empfehlungen zur Wirtschaftspolitik.
Das Defizitverfahren nach Artikel 104 EG-Vertrag wird von Bundesministerium derFinanzen in einem Ablaufdiagramm dargestellt:
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Quelle: Bundesministerium der Finanzen, Monatsbericht 03/2003 S.37
7.2.2 Das Defizitverfahren gegen Deutschland
Schon im Januar 2002 war abzusehen, dass in Deutschland im Jahr 2002 ein ber-miges Defizit entstehen knnte. Bei der berprfung des aktualisierten deutschenStabilitts-programms wies die Kommission auf Gefahren hin. Die Kommission hieltdas geschtzte BiP-Wachstum von 1 % fr das Jahr 2002 fr allzu optimistisch. Beider Annahme einer Wachstumsrate von % kam das deutsche Defizit mit 2,5 % in
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die Nhe des Referenzwertes von 3 %. Die Kommission empfahl daher am31.01.2002 dem Rat, eine frhzeitige Warnung, einen so genannten blauen Brief,an Deutschland zu richten.
Deutschland konnte diesen blauen Brief durch weitreichende Zusagen abwenden.Deutschland verpflichtete sich, die Einha ltung des Referenzwertes von 3 % im Jahr2002 sicherzustellen und bis zum Jahr 2004 eine nahezu ausgeglichene Haushalts-position zu erreichen. Der Rat gab sich mit dieser Erklrung zufrieden und beschlosseinstimmig, den blauen Brief nicht zur Abstimmung zu stellen.
Die Zahlen, die Deutschland am 24. September 2002 einige Tage nach der Bun-destagswahl an die Kommission lieferte, deuteten mit einem Defizit von 2,9% desBIP noch nicht auf eine berschreitung des Referenzwertes hin. Am 16.10. erklrteFinanzminister Eichel ffentlich, dass der Referenzwert wahrscheinlich berschrittenwrde. Die am 13.11.2002 verffentlichten Herbstvorausschtzungen der Kommis-sion prognostizierte fr Deutschland im Jahr 2002 ein Defizit von 3,8%. Die Kommis-sion verabschiedete daraufhin am 14.11.2002 einen Bericht ber die Lage derStaatsfinanzen in Deutschland und leitete das Defizitverfahren gegen Deutschlandein. In diesem Bericht kam die Kommission zum Ergebnis, dass das Defizit nur zueinem geringen Ma auf konjunkturelle Faktoren zurckzufhren sind. Die Kommis-sion schtzte das konjunkturbereinigte Defizit fr das Jahr 2002 auf 3,3% des BIP.
Der Finanz- und Wirtschaftsausschuss gab am 29.11.2002 eine Stellungnahme zumBericht der Kommission ab.
Auf dieser Basis gab die Kommission am 08.01.2003 eine Stellungnahme und Emp-fehlungen fr eine Ratsempfehlung ab. Die Kommission erklrte darin, das im Jahr2002 verzeichnete bermige Defizit resultiere weder aus ungewhnlichen Ereig-nissen, die sich der Kontrolle Deutschlands entzogen, noch aus einer ernsten Re-zession. Als Ursachen wurden neben Ausgabenberschreitungen im Bereich derArbeitslosigkeit und Sozialhilfe vor allem Fehleinschtzungen bei den Einnahmen,vor allem bei der Krperschaftsteuer und der Umsatzsteuer genannt. Die Kommis-sion empfahl daher dem Rat, ein bermiges Defizit festzustellen. Der Rat solle anDeutschland die Empfehlung richten, die Stabilittsprogrammziele fr 2003 zu errei-chen, indem grundlegende Arbeitsmarkt- und Sozialversicherungsreformen durch-gefhrt werden sollen.
Am 21. Januar 2003 entschied der Rat, dass in Deutschland ein bermiges Defizitbestehe. Der Rat kam wie die Kommission zur Schlussfolgerung, dass die vermehr-ten Staatsausgaben und verringerten Staatseinnahmen nur zum Teil mit konjunktu-rellen Faktoren erklrt werden knnen. Der Rat stellte daraufhin am 21.01.2003 imFalle Deutschlands ein bermiges Defizit fest und gab folgende Empfehlungen:
Der Haushaltsplan, der unter fr 2003 der Annahme eines realen Wachstums von1,5% eine Senkung des Haushaltsdefizits auf 2,35% des BIP vorsah, solle rigorosverwirklicht werden. Die deutsche Regierung solle die angekndigten Manahmen,
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die zu einer Reduzierung des Defizits um 1% fhren umsetzen oder Ersatzma-nahmen mit gleicher Wirkung durchfhren.
Der Rat erinnerte auch an die Zusagen der deutschen Behrden, das strukturelleHaushaltsdefizit um jhrlich mehr als 0,5% zu verringern.
Der Rat begrte die bisher von der Bundesregierung beschlossenen Manahmen,setzte aber eine Frist bis zum 21.05.2003, um Manahmen zu treffen, mit denen dasbermige Defizit bis zum Jahr 2003 beendet wird. Der 21.05.2003, der Termin, biszu dem wirksame Manahmen vorgelegt werden mussten, verstrich ohne eine offizi-elle Erklrung der deutschen Bundesregierung oder des Rates. Zeitungen berichte-ten, dass Finanz-Staatssekretr Caio Koch-Weser und der fr die Wirtschafts- undFinanzpolitik zustndige Generaldirektor Klaus Regling eine bereinkunft gefundenhaben, wonach die bisherigen Manahmen als ausreichend fr eine Reduzierungdes strukturellen Defizits um 0,75 Prozentpunkte gelten. Weitere geplante Manah-men fhrten zu einer Reduzierung des strukturellen Defizits um 0,25%. Die Forde-rung des Rates nach wirksamen Manahmen wurde damit als erfllt angesehen,obwohl das Defizitziel von unter 3% weiterhin verfehlt wurde.
Mitte Mai kndigte Finanzminister Eichel nach der jhrlichen Steuerschtzung an,dass der Referenzwert von 3% des BIP im Jahr 2003 wiederum berschritten werde.Anfang Juni rumte Gerhard Schrder auf dem G8-Gipfel in Evian ein, dassDeutschland mglicherweise auch 2004 gegen den die Vorgaben des Stabilitts- undWachstumspakts verstt.
Im Oktober 2003 schlug die Kommission dem Rat eine Verschrfung des Defizitsgegen Deutschland und Frankreich vor.
Am 25. November 2003 beschloss der Rat, die Verfahren gegen Deutschland undFrankreich unter Auflagen auszusetzen. Das Defizitverfahren war damit vorerst aufEis gelegt und der Stabilitts- und Wachstumspakt war ausgehebelt.
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Eine Aussetzung des Verfahrens unter vom Rat entworfenen Auflagen war im Stabi-litts- und Wachstumspakt nicht vorgesehen. Die Kommission klagte deshalb am 13.Januar 2004 vor dem Europischen Gerichtshof gegen den Beschluss des Rates.Sie nannte als Klagegrund, dass ihre Empfehlungen ohne Begrndung bergangenwurden und zweifelte an der rechtlichen Zulssigkeit der Aussetzung des Defizit-verfahrens. Die Aussetzung des Verfahrens ist nach Artikel 9 der VerordnungNr.1467/97 an die Bedingung geknpft, dass der betreffende Mitgliedstaat wirksameManahmen ergreift. Diese Bedingung sah die Kommission nicht als erfllt an. DieKlage bezog sich damit nur auf Verfahrensfragen, nicht auf Inhalte. Die Kommissionschreibt: Durch die Anfechtung der Schlussfolgerungen des Rates sollen weder diewirtschaftliche Analyse noch die Korrekturmanahmen in Frage gestellt werden, dieder Rat den betreffenden beiden Mitgliedstaaten empfiehlt.
Am 13. Juli 2004 gab der Europische Gerichtshof der Kommission Recht. DieDiskussion um eine Reform des Stabilitts- und Wachstumspakts war aber schon soweit geschritten, dass die Kommission aus dem Urteil keine Konsequenzen fr dielaufenden Verfahren zog.
7.2.3 Die Reform des Stabilitts- und Wachstumspakts
Sptestens mit der Aussetzung des Defizitverfahrens gegen Deutschland und Frank-reich war der Stabilitts- und Wachstumspakt war der Reformbedarf offensichtlich.Schon lnger war die Anwendung des Paktes grozgiger als dem Wortlaut desPaktes entsprach.
Von verschiedenen Lndern wurden Reformwnsche angemeldet: Frankreich undItalien pldierten fr das Herausrechnen bestimmter Ausgabeposten bei der Berech-nung des Defizits, z. B. staatliche Investitionen oder Verteidigungsausgaben. AuchDeutschland hatte zeitweise fr das Herausrechnen der Zahlungen an die EU pl-diert. Auf europischer Ebene waren solche Vorschlge aber nicht mehrheitsfhig,weshalb Deutschland von diesem Vorschlag abrckte. Eichel in der Financial TimesDeutschland vom 23.12.2004: An den 60 Prozent und an den drei Prozent rtteltkeiner. Es soll auch nichts herausgerechnet werden aus dem Defizit. ... Wir brauchennur eine vernnftigere Anwendung des Stabilittspakts. Eichel pldierte dagegen freine Art Checkliste, die bei der Entscheidung ber Sanktionen herangezogen werdensollte, falls die Marke von 3,0% berschritten wird. Eichel im gleichen Artikel: Wirbrauchen sechs, sieben oder acht konomische Kriterien, die abgeprft werden,wenn ein Land ber der Drei-Prozent-Grenze liegt.
Die Kriterien lassen sich in drei Gruppen einteilen:
- Strukturreformen wie die Reform der Sozialsysteme, Reformen zur Verbesserungder Arbeitsmrkte und Steuerreformen. Solche Reformen sind kurzfristig mit Ko-sten verbunden, wirken aber im Erfolgsfall langfristig in Form einer Erhhung desWachstums und einer Verringerung der Defizite.
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- Makrokonomische Kriterien, wenn etwa die geringe Wachstumsrate eines Lan-des mehr Spielraum fr fiskalische Impulse erfordert oder wenn die niedrige Infla-tionsrate eines Landes auch hhere Staatsausgaben zulassen, ohne inflationrzu wirken.
- Sonderfaktoren wie die Minderung von Lasten fr zuknftige Generationen durchgegenwrtige Reformen9, Beitrge zum EU-Haushalt oder Sonderlasten wie dieTransfers fr die Neuen Bundeslnder.
Darber hinaus forderte Eichel eine strker lnderspezifische Betrachtung und einestrkere Souvernitt der Mitgliedslnder bei den Manahmen zum Abbau desbermigen Defizits.
Ende Mrz 2005 fanden Treffen des ECOFIN-Rats und des Europischen Rats statt,auf dem die Reform des Stabilitts- und Wachstumspakts ein zentrales Thema wa-ren. Nachdem am Anfang die Positionen von Lndern, die eine flexiblere Anwendungdes Paktes wnschten (v.a. Deutschland, Frankreich und Italien) und von Lndern,die eine Aufweichung strikt ablehnten (z. B. Niederlande und sterreich) unvereinbarschienen, wurde in den Abendstunden des 20. Mrz von den Wirtschafts- undFinanzministern noch ein Kompromiss erzielt. Dieser Kompromiss wurde auch vonden versammelten Staats- und Regierungschefs besttigt. In einigen Punkten konntesich Eichel durchsetzen, in anderen Punkten wurde die jetzige Regelung unter-strichen.
Im Folgenden werden die wichtigsten Ergebnisse aus deutscher Sicht genannt unddie entsprechen Passagen aus dem Kompromisspapier zitiert:
- An den 60 Prozent bzw. drei Prozent wird festgehalten:The two nominal anchors of the Pact - the 3% of GDP reference value for the deficit ratio and the60% of GDP reference value for the debt ratio - have proven their value and continue to be thecentrepiece of multilateral surveillance. However, the European Council noted in June 2004 theneed to strengthen and to clarify the implementation of the Stability and Growth Pact, in order tofoster transparency and national ownership of the EU fiscal framework and to improve enforce-ment of its rules and provisions.
- Eine Aufweichung der Drei-Prozent-Grenze durch das Herausrechnen einzelnerPositionen findet nicht statt:Clearly no redefinition of the Maastricht reference value for the deficit via the exclusion of parti-cular budgetary items should be pursued.
- Es gibt keine Sonderbehandlung fr einzelne Lnder:The Pact has to be applied across countries in a fair and consistent way and be understood bypublic opinion. The Council reaffirms that a rules-based system is the best guarantee for com-mitments to be enforced and for all Member States to be treated equally. In strengthening andclarifying the Pact it is essential to secure a proper balance between the higher degree of econo-mic judgement and policy discretion in the surveillance and co-ordination of budgetary policiesand the need for keeping the rules-based framework simple, transparent and enforceable.
- Es wird unterstrichen, dass die nationale Ebene bei der Finanzpolitik grundstz-lich Vorrang vor der europischen Ebene hat. Die europische Ebene darf nur
9 Gemeint sind hier Reformen der Sozialversicherung wie die Einfhrung einer kapitalgedecktenZusatzrente (Stichwort: Riester-Rente) oder Steuerausflle durch einen Wechsel zu einernachgelagerten Besteuerung von Renten (Stichwort: Alterseinknftegesetz, Rrup-Rente).
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dann in die nationale Finanzpolitik eingreifen, wenn ein Land gegen europischeVorgaben verstt:In accordance with the Luxembourg Resolution on economic policy coordination, the Councilconfirms that enhanced coordination of fiscal policies must adhere to the Treaty principle of sub-sidiarity, respecting the prerogatives of national Governments in determining their structural andbudgetary policies, while complying with the provisions of the Treaty and the Stability and GrowthPact.
- Beim Anpassungspfad in Richtung eines ausgeglichenen Haushalts sind Struktur-reformen zu bercksichtigen:The Council agrees that, in order to enhance the growth oriented nature of the Pact, structuralreforms will be taken into account when defining the adjustment path to the medium-term objec-tive ...
- Bei der Beurteilung, ob ein bermiges Defizit vorliegt, sind - auch wenn sienicht explizit genannt werden - Faktoren wie EU-Beitrge und Entwicklungshilfe(finanzielle Beitrge, um die internationale Solidaritt zu festigen) oder Transfersnach Ostdeutschland (finanzielle Beitrge, um die Vereinigung Europas zu errei-chen) zu bercksichtigen. Eine feste Liste von Faktoren gibt es aber nicht.The Council considers that the framework to take into account "all other relevant factors" shouldbe clarified. ... Furthermore, due consideration will be given to any other factors, which in the opi-nion of the Member State concerned, are relevant in order to comprehensively assess in qualita-tive terms the excess over the reference value. In that context, special consideration will be givento budgetary efforts towards increasing or maintaining at a high level financial contributions to fo-stering international solidarity and to achieving European policy goals, notably the unification ofEurope if it has a detrimental effect on the growth and fiscal burden of a Member State.
- Explizit sind bei einer berschreitung der drei Prozent Lasten durch die Umstel-lung des Sozialversicherungssystem auf Kapitaldeckung zu bercksichtigen:The Council agrees that an excess close to the reference value which reflects the implementationof pension reforms introducing a multi-pillar system that includes a mandatory, fully funded pillarshould be considered carefully. Although the implementation of these reforms leads to a short-term deterioration of the budgetary position, the long-term sustainability of public finances clearlyimproves.
- Nach dem Stabilitts- und Wachstumspakt war bisher nur ein Rckgang des BIPvon mindestens zwei Prozent ein Grund, kein Verfahren einzuleiten. Diese Re-gelung wird ausgeweitet auf einen Rckgang des BIP berhaupt oder auf einelngere Wachstumsschwche.The Council considers that the current definition of "a severe economic downturn" given in Article2(2) of Regulation 1467/97 is too restrictive. The Council considers that paragraphs (2) and (3) ofArticle 2 in Regulation 1467/97 need to be adapted in order to allow both the Commission and theCouncil, when assessing and deciding upon the existence of an excessive deficit, according toparagraphs (3) to (6) of Article 104 of the Treaty, to consider as exceptional an excess over thereference value which results from a negative growth rate or from the accumulated loss of outputduring a protracted period of very low growth relative to potential growth.
- Die Fristen zur Korrektur eines bermigen Defizits werden im Fall einer ungn-stigen Wirtschaftsentwicklung ausgeweitet:The Council agrees that deadlines for correcting the excessive deficit could be revised and ex-tended if unexpected adverse economic events with major unfavourable budgetary effects occurduring the excessive deficit procedure.
Als Fazit aus dieser nderung lsst sich ziehen, dass Eichel seine Position weitge-hend durchsetzen konnte. Der Pakt bleibt zwar in seinen Grundzgen erhalten.bermige Defizite von mehr als vier wie in Griechenland lassen sich auch mit den
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genderten Regelungen sanktionieren. Deutschland braucht nach diesen nderun-gen aber keine Angst mehr vor Sanktionen zu haben, selbst wenn die Drei-Prozent-Grenze auch in den nchsten Jahren weiter berschritten wird.
8 Fazit: Ist Stabilittspolitik noch mglich?
Eine nationale Stabilittspolitik ist unter den Bedingungen der Whrungsunion unddes Stabilitts- und Wachstumspakts nur noch bedingt mglich. Die klassischen In-strumente der Konjunkturpolitik, Geldpolitik und Fiskalpolitik, sind fr die Mitglied-staaten der Whrungsunion nicht mehr oder nur noch beschrnkt einsetzbar:
Seit dem 01.01.1999 gibt es keine eigenstndige Geldpolitik der Mitgliedsstaaten derEuropischen Whrungsunion mehr. Die Geldpolitik der EZB muss sich an gesamt-europischen Interessen ausrichten und kann nur bedingt auf nationale Erfordernisseeingehen. Auerdem ist die Geldpolitik in erster Linie dem Ziel Preisstabilitt ver-pflichtet,andere Ziele darf die EZB nur verfolgen, soweit sie mit dem Ziel der Preisni-veaustabilitt vereinbar sind. Die Frderung von Wachstum und Beschftigung ge-hrt nicht zu den Aufgaben der EZB.
Fiskalpolitik ist nur noch eingeschrnkt mglich. Die keynesianische Idee einer anti-zyklischen Fiskalpolitik mit Hilfe von defizitfinanzierten Staatsausgaben kann demmittelfristigen Ziel eines nahezu ausgeglichenen Haushalts widersprechen. Ein aus-geglichener Haushalt als Ausgangslage erlaubt das Wirken automatischer Stabili-satoren. Darunter versteht man, dass Staatsausgaben im Abschwung automatischzunehmen, z. B. durch hhere Ausgaben fr Arbeitslosengeld, und die automatischsinken, z. B. durch Steuerausflle. Liegen in der Ausgangslage aber schon (struktu-relle) Defizite vor, msste ein Staat prozyklisch handeln und den Abschwung nochverschrfen, um die Defizitziele des Stabilitts- und Wachstumspakts einzuhalten.
Die nachfrageorientierte Konjunkturpolitik, die in den 60-ern und frhen 70-ern mo-dern war, ist unter heutigen Bedingungen also in Europa nicht mehr mglich. Seitden 70-ern fand ein Wandel von Manahmen mit kurzen Zeithorizont (Konjunktur-politik) hin zu solchen mit lngerfristigem Zeithorizont (Wachstumspolitik) statt. DerStaat wurde immer mehr aus der Konjunktursteuerung gedrngt. In den spten 90-ern haben die EU-Staaten fast alle Steuerungsmglichkeiten aus der Hand gegeben.Der amerikanische konom Paul Krugman bringt dies auf die Formel: Europa stelltauf Autopilot. Ob der Autopilot besser steuert die bisherigen Piloten, lsst sich kon-trovers diskutieren. Die USA setzen auf eine aktive Konjunktursteuerung. Wer mitden weltwirtschaftlichen Turbulenzen besser zurechtkommt, wird sich in den nch-sten Monaten zeigen.